Protocol of the Session on March 23, 2017

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen kurzen Blick in die 18. Wahlperiode. Damals haben wir uns gemeinsam darüber gefreut, dass es uns an irgendeinem Punkt gelungen ist, die Residenzpflicht aufzuheben. Das war

(Zuruf von der SPD: Einstimmig!)

einstimmig. Das ist wichtig, damit wir die Wohnsitzauflage richtig einordnen. Es ging darum, dass wir festgestellt haben: Die Residenzpflicht ist über weite Strecken integrationshemmend, weil die Menschen dort gelebt haben, wo der Arbeitsplatz nicht gegeben war – um einmal ein Beispiel zu nennen. Wir haben versucht, so viel Flexibilität und Mobilität hineinzubringen, dass es am Ende funktioniert. Das ist wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir die Wohnsitzauflage, wie sie jetzt möglich ist – sie muss noch konkret ausgestaltet werden –, richtig einordnen wollen, stellen wir fest: Der Bund hat seine Entscheidung getroffen, was die Zuweisung zu den Ländern angeht. Innerhalb unseres Bundeslandes haben wir dies jetzt für uns zu regeln. Der Bund nennt aber Kriterien. Er sagt nicht, die Wohnsitzauflage sei einfach eine Form der Wohnraumbewirtschaftung, nämlich dass wir Flüchtlinge in Gebiete schicken, wo es freien oder leer stehenden Wohnraum gibt. Ich will all diese Kriterien in dem einen, vielleicht ethischen Satz zusammenfassen: Am Ende kommt es darauf an, dass es allen gut geht, dass die Integration gelingt, dass Wohnung und Arbeit zusammenpassen und dass andere Integrationsmaßnahmen dabei im Blick sind.

Daher ist es gut, dass jetzt noch abgewogen wird, dass noch Kriterien benannt werden und dass die Landesregierung bei diesem Vorhaben konkret wird. Wenn die Dinge konkret vorliegen, müssen wir entscheiden, welchen Weg wir bei dieser Frage gemeinsam gehen wollen.

Eines will ich noch nennen. Der Bund nennt zwei Möglichkeiten, zum einen positiv die Wohnsitzzuweisung und zum anderen negativ den Ausschluss eines Zuzugs in ein bestimmtes Gebiet – Ballungsraum –, um Segregation zu vermeiden. Ohne groß zu prüfen, und in Kenntnis der hessischen Landschaft meine ich sagen zu können, dass wir den Ausschluss auf keinen Fall brauchen. Wie wir die positive Möglichkeit gestalten, darüber können wir künftig noch im Ausschuss sprechen.

Ich möchte noch einen Satz in eigener Sache sagen, weil sicher noch eine halbe Minute Redezeit vorhanden ist. – Sogar noch eine Minute, die ich aber nicht brauchen werde.

Wir haben heute in zwei unterschiedlichen Debatten, einmal in der Debatte zur Aktuellen Stunde und einmal in der Debatte über die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel, von der Landesregierung eine Bewertung gehört, in der ersten Debatte vom Innenminister, wobei sich das auf mich bezog, und in der anderen Debatte von der Europaministerin, wobei sie sich auf den türkischen Staatspräsidenten bezog. In beiden Fällen sind die gleichen Worte und die gleichen Vokabeln gebraucht worden, nämlich „fehlende Rechtsstaatlichkeit“ bzw. „fehlendes Bekenntnis zum Rechtsstaat“. Für diese Gleichsetzung möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Greilich, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir hier jetzt wieder auf der Tagesordnung haben, ist der übliche, schon vom Duktus her völlig über das Ziel hinausschießende Antrag der LINKEN. Darin heißt es, Wohnsitzauflagen für Flüchtlinge seien mit Menschenrechten unvereinbar.

Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, wir sind von Ihnen schon einiges gewohnt. Vielleicht rüsten Sie aber auch einmal verbal ein bisschen ab. Das wäre vor Ostern sinnvoll.

(Beifall bei der FDP)

Das Entscheidende, worum es geht – und darüber sollten wir uns hier im Hause eigentlich einig sein –, ist die Förderung von Integration. Für die Integration wichtig ist zunächst einmal die Sprachvermittlung. Das ist eine Anpassung an unser Bildungssystem. Das ist die Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Ich bleibe dabei: Der beste Integrationshelfer ist immer noch der Kollege am Arbeitsplatz.

(Beifall bei der FDP)

Das sind die Themen, mit denen wir uns befassen müssen. Die im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Wohnsitzauflage ist ein Punkt, über den man im Einzelfall genau nachdenken muss, an welcher Stelle diese sinnvoll sein kann und an welcher Stelle weniger. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir an manchen Stellen keinen vernünftigen Wohnraum haben, dieser an anderen Stellen aber zur Verfügung steht. Wenn dort aber die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, um Integration zu fördern, dann sollte davon Gebrauch gemacht werden. Dann kann die Wohnsitzauflage eine hilfreiche Möglichkeit sein. Sie kann es sein, aber sie muss es nicht sein. Das muss man im Einzelfall sehr genau und sinnvoll abwägen. Da sind wir uns einig, auch mit dem Kollegen Roth und mit der Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Ich will eines anmerken, weil Herr Kollege Roth die Residenzpflicht angesprochen hat. Wir hatten hier in der Tat schon einmal über die Residenzpflicht zu diskutieren. Das ist aber eine andere Baustelle. Ich hoffe, darüber sind wir uns einig. Die Frage der Residenzpflicht, die in der Tat aus ganz anderen Gründen die Freizügigkeit einschränkt im Interesse der Durchführung des Asylverfahrens, ist mit all ihren Schwierigkeiten eine andere Kategorie als die Wohnsitzauflage, die ja nicht dazu verpflichtet, sich immer nur in einem bestimmten Bezirk aufzuhalten. Vielmehr geht es um die Wohnsitznahme. Das verhindert aber nicht, dass man sich in Hessen oder in Deutschland frei bewegt, dass man an Sportveranstaltungen teilnehmen kann oder aus welchen Gründen auch immer sich über den eigenen Wohnsitz hinaus bewegen kann.

Im Antrag der Koalition ist einiges angesprochen worden, was durchaus zustimmenswert ist. Ich will aber deutlich sagen, dass mir ein Gedanke fehlt, der mich nicht loslässt, seitdem ich zum ersten Mal dazu gekommen bin. Ich bin der Auffassung, wir müssen die Möglichkeit der Wohnsitzauflage auch in anderen Zusammenhängen nutzen. Ob das im Rahmen des § 12a Aufenthaltsgesetzes geht oder ob gegebenenfalls weitere gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind, ist eine andere Frage.

Ich habe das an dieser Stelle schon mehr als einmal gesagt: Es geht zum einen darum, dass wir denen, die hierbleiben dürfen, ein Bleiberecht zuerkennen und ihnen Aufenthalt

gewähren müssen. Ebenso müssen wir aber auch konsequent sein und diejenigen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, zur Ausreise verpflichten. Die Ausreisepflicht muss dann auch durchgesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen bin ich der Auffassung, dass spätestens dann, wenn eine Ausreiseverpflichtung vollziehbar wird, eine Wohnsitzauflage möglich sein muss, um dafür zu sorgen, dass wir die Schwierigkeiten, die wir heute haben, wenn es um die Durchführung der Abschiebung geht, nicht mehr haben, sondern dass man sehr viel früher zu einer erfolgreichen Abschiebung kommen kann.

Dem Antrag der LINKEN kann man allein aufgrund seiner Diktion nicht zustimmen. Der Antrag der Koalition führt in der Sache meines Erachtens nicht weit genug. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. – Nein. Der Minister will noch reden. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verzichte auf eine Vorbemerkung.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist auch besser so! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das Integrationsgesetz und die Wohnsitzauflage sind weder diskriminierend, noch behindern sie die Integration. Die Landesregierung setzt sich intensiv mit dem Vollzug des Integrationsgesetzes unter Berücksichtigung der Auffassung der Kommunalen Spitzenverbände auseinander. Der Prüfungsprozess über ein Verfahren zur Regelung des Wohnsitzes von Personen, die nach § 12a Aufenthaltsgesetz einer Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Land Hessen unterliegen, ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Dem Bundesgesetzgeber ging es nicht um die schlichte Einführung einer Verpflichtung zur Wohnsitznahme aus fiskalischen Gründen zur gleichmäßigen Verteilung der Lasten auf die jeweiligen Länder und Kommunen, sondern es ging primär um ein Paket von integrationsfördernden gesetzlichen Maßnahmen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Erwerb der deutschen Sprache sowie einer dem deutschen Arbeitsmarkt gerecht werdenden Qualifizierung der betroffenen Personen.

Meine Damen und Herren, die Kollegen, die auf dem Asylgipfel dabei waren, haben sicher noch in Erinnerung, wie Herr Dr. Martin, der Chef der Arbeitsagentur in Hessen, in seinem Vortrag dargestellt hat, wie das Verhältnis der Zuweisung von Flüchtlingen zu den beschäftigungslosen Flüchtlingen ist. Da muss man einfach erkennen, dass es in Metropolregionen eine Häufung gibt, die wir nicht unbeachtet lassen können. Darum müssen wir uns kümmern.

Deswegen gibt es die Regelung der Wohnsitznahmeverpflichtung. Ich will hierzu nur ein paar wenige Aspekte ansprechen. Nach § 12a sind Personen mit humanitärem Aufenthaltstitel, also insbesondere Asylberechtigte, Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, betroffen von einer

solchen Maßnahme, soweit sie keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Ich finde, das ist sehr wichtig. Derjenige, der sich in den Arbeitsmarkt bereits integriert hat, soll also gar nicht erst einer solchen Wohnsitzauflage unterliegen.

Meine Damen und Herren, ausgenommen sind auch Personen, die eine Berufsausbildung anstreben, ein Studium aufnehmen, ein Ausbildungsverhältnis eingehen. Auch die sollen ausgeklammert bleiben.

Danach kann ein Flüchtling, der zu dem zuvor beschriebenen Personenkreis gehört, zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dadurch seine Versorgung mit angemessenem Wohnraum, sein Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erleichtert werden können.

Ich finde, im Rahmen des Zusammenspiels von Maßnahmen müssen wir uns über die Frage der Ausgestaltung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme weiterhin unterhalten – außer mit den LINKEN, wie hier deutlich geworden ist. Ich will aber auch ausdrücklich sagen: Das können und wollen wir nicht tun, ohne die kommunale Familie einzubeziehen; denn am Ende ist es bei einer solchen Maßnahme wichtig, dass alle Beteiligten ihren Nutzen erkennen. Daran arbeiten wir. Wir arbeiten an einer solchen Wohnsitzauflage. Die Verhandlungen dauern noch an. Wir werden sicherlich vertieft darüber diskutieren können, wenn der Ausschuss nächstes Mal zusammenkommt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet.

Es ist vorgeschlagen, beide Anträge an den Innenausschuss zu überweisen. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 und Tagesordnungspunkt 63 auf:

Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt) , Schmitt, Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend 2000 zusätzliche bezahlbare Wohnungen für Studierende schaffen – Drucks. 19/4583 –

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hochschulstandorte in Hessen profitieren von Förderangeboten zur Schaffung von bezahlbarem studentischen Wohnraum – Drucks. 19/4723 –

Das Wort hat Herr Abg. Siebel für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das scheint die Woche des Wohnens gewesen zu sein – noch nicht ganz, wir sind beim letzten Punkt, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Die SPD-Fraktion stellt fest, dass wir trotz der Anstrengungen der Landesregierung weit von dem Ziel entfernt sind, für 10 % der Studierenden Wohnungen in den Hochschulstädten geschaffen zu haben. Das ist vor dem Hintergrund der Fall, dass der Versorgungsgrad mit Studierendenwohnungen seit 2010 sogar noch gesunken ist. Wir hatten damals einen Versorgungsgrad von durchschnittlich 5,97 %; heute sind es 5,26 %.

Das ist ausnahmsweise nicht die Schuld der Landesregierung, sondern der Tatsache geschuldet, dass die Zahl der Studierenden dankenswerterweise von damals rund 175.600 auf 219.932 gestiegen ist. Wenn wir dieser Tatsache Rechnung tragen wollen, ist es geboten, weitere Wohnheimplätze für Studierende in den Hochschulstädten zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund fordern wir den Hessischen Landtag auf, die Neuausrichtung der bestehenden Programme zu konfigurieren und dabei erneut – mir ist sehr wohl bewusst, dass wir ein Wohnungsbauprogramm haben – ein 30-Millionen-€-Programm aufzulegen. Dieses 30-Millionen-€-Programm basiert auf der Berechnung, dass wir, um die Zielmarge von 10 % zu erreichen, insgesamt 10.000 Wohnungen für Studierende brauchen.

Wie Frau Hinz auf dem gestrigen Empfang sehr richtig zum Ausdruck gebracht hat, ist es die Aufgabe der öffentlichen Hand, Wohnungen für weniger bemittelte Studierende zu schaffen. Uns schwebt eine Zielgröße von round about 300 € Miete für einen Wohnheimplatz vor. Das wäre zu realisieren, wenn man pro Wohnheimplatz kein Darlehen, sondern einen direkten Zuschuss von 15.000 € zur Verfügung stellen würde. Das ist dem Ministerium – wie all denen, die an der Stelle rechnen – keine unbekannte Größe, sondern eine Summe, die schon in der Vergangenheit genannt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich die Zahlen im Einzelnen anschaut, dann sieht man: Eine einzige Stadt hat einen höheren prozentualen Versorgungsgrad zu verzeichnen – die Stadt Frankfurt. Dort ist der Versorgungsgrad von 3 % auf 3,73 % gestiegen. Das ist zwar erfreulich, aber mit diesem Prozentsatz ist Frankfurt die Stadt, die prozentual den absoluten niedrigsten Versorgungsgrad hat. Zum Vergleich: Marburg 7 %, Kassel 4,47 %, Darmstadt 6,62 %, Gießen 5,8 %.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich diese Zahlen und die Situation am Anfang jedes Semesters ansehen, die wir in den Studierendenstädten vorfinden, dann ist es nicht von der Hand zu weisen, dass wir ein weiteres Programm für den Studierendenwohnungsbau brauchen, und zwar in der Größenordnung von 30 Millionen €.