Unsere Familienpolitik erkennt dies an. Sie ermutigt, stärkt und unterstützt Familien, ohne ihnen Entscheidungen zu verordnen oder aufzuzwingen. Auf dieser Grundlage gestalten wir unsere familienfreundliche Politik in Hessen.
Ich will vier Bausteine dieser Politik nennen. Erstens. Familienfreundliche Politik stärkt die Familien in ihrer Eigenverantwortung und Wahlfreiheit – z. B. in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf – durch das Angebot einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur, deren Nutzung im vorschulischen Alter der Kinder aber den Familien überlassen bleibt.
In Hessen wird der Rechtsanspruch Ü 3 und U 3 erfüllt. Mit unserem Bildungs- und Erziehungsplan und mit dem KiföG wurden gute Qualitätsstandards etabliert, während sich die vielen Vorabbefürchtungen, gerade zum KiföG, nachweislich nicht bestätigt haben.
Dafür wenden wir aus vollster Überzeugung hohe und höchste Summen auf. Derzeit sind es 435,5 Millionen € pro Jahr aus dem Landeshaushalt – zum Vergleich: 1999 waren es 60 Millionen € – mit in aller Regel maßvollen Elternbeiträgen zu den Kosten dieser Angebote. In derselben Logik arbeiten wir mit steten Fortschritten an einem flächendeckenden Angebot, auch für Grundschulkinder, für das wir viele weitere Millionen Euro aufbringen.
Zweitens. Familienfreundliche Politik ermöglicht eine aktive Sorge für die Kinder, später auch für pflegebedürftige Altvordere, ohne die Sorgenden selbst auf Dauer in Abhängigkeit zu bringen; denn nicht wenige Familien entscheiden sich ganz bewusst dafür, in den frühen Kindesjahren einen Teil oder auch die volle Kinderbetreuung selbst zu leisten.
Wir respektieren und schätzen diese Bereitschaft, denn wir wissen um die Chancen zu Bindung und Bildung in der Familie selbst. Hessens Programm „Netzwerk Wiedereinstieg“ sorgt deshalb seit Jahren mit vielen Projekten und auch mit umfänglicher Förderung des Landes dafür, dass diese Entscheidungen Mütter oder Väter nicht in eine persönliche Sackgasse führen.
Ich wünsche mir dazu ein übergreifendes Lebensphasenmodell, um Erwerbs- und Sorgearbeit nach Bedarf dosieren zu können. Das müssen wir aber auf anderer Ebene in Angriff nehmen.
Drittens. Familienfreundliche Politik bietet Hilfe zur Selbsthilfe, und zwar wohnortnah und für alle zugänglich. Die hessischen Familienzentren sind unbestrittenermaßen ein Erfolg. Deshalb bauen wir sie stetig aus, wovon Sie,
lieber Herr Merz, nicht dauernd hören wollen. Warum eigentlich nicht? Wir wollen dieses Netz hessenweit knüpfen und intensivieren.
Viertens. Familienfreundliche Politik bleibt niemals stehen. Sie fragt die Betroffenen nach ihren Erfahrungen und Bedürfnissen und forscht nach weiteren Ideen, um Familien noch passgenauer in ihren jeweiligen Familiensituationen zu unterstützen. Die kürzlich einberufene Kommission „Hessen hat Familiensinn“ entspricht diesem Geist des Dialogs. Verbände, zivilgesellschaftliche Gruppen sowie Bürgerinnen und Bürger werden über den Weg noch zu mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit in Hessen debattieren und Handlungsempfehlungen an die Politik erarbeiten.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Ich komme zurück zum Anfang. Die Familien stehen nicht im Dienst ökonomischer oder gesellschaftlicher Ziele. Ihr Sinn ist die Entfaltung ihrer Mitglieder. Im Regelfall braucht es dafür Familiensinn, nämlich Wahlfreiheit, Hilfe zur Selbsthilfe, Anerkennung, Ermutigung und die Bereitschaft zum Dialog, sowie eine entsprechende Politik.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Minister! Ich möchte für die Menschen in diesem Raum einen Beitrag zu mehr Familienfreundlichkeit leisten und gebe meine Rede zu Protokoll.
(Siehe Anlage – Beifall bei der LINKEN – Günter Rudolph (SPD): Das war ein Geschenk, wir nehmen es an! – Weitere Zurufe)
Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Der nächste Redner ist Kollege Merz von der SPD-Fraktion. Es sind hohe Ansprüche gestellt worden. Junge, jetzt musst du sehen, wie du klarkommst.
Irgendeiner muss das ja sagen. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wiesmann, ich höre Ihren philosophischen Anmerkungen zu dem Thema Familie gern zu.
Aber kaum jemals war die Fallhöhe zwischen dem, was Sie hier vorgetragen haben, und dem, was im Antrag steht, größer und bemerkenswerter.
Dieser Ansammlung von Ladenhütern, ollen Kamellen und den üblichen Halbwahrheiten, die wir hier schon seit Jahr und Tag hören, einen solchen philosophischen Anstrich zu verleihen, bringen wirklich nur Sie fertig. Das muss ich einmal sagen. Sie haben meinen größten Respekt dafür.
Meine Damen und Herren, womit haben wir es hier zu tun? Wir haben es erneut – das hatten wir heute dauernd – mit einer rückwärtsgewandten Selbstbeweihräucherung für Dinge zu tun, die hier schon 137-mal zur Beweihräucherung aufgerufen worden sind. Es gibt nichts Neues und, außer unter Punkt 7, keinen einzigen Hinweis darauf, wohin die Familienpolitik der Landesregierung in Zukunft gehen soll. Punkt 7 hat meine besondere Aufmerksamkeit gefunden, weil der Landtag hier begrüßen soll, „dass die Hessische Landesregierung mit der Kommission ‚Hessen hat Familiensinn‘ einen neuen Weg einschlägt und einen ergebnisoffenen Dialog startet …“
Herr Minister, ich habe es so verstanden, dass Sie das die ganze Zeit gemacht haben. Ich kenne Sie auch gar nicht anders. Deswegen ist es mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel, warum das ein neuer, ergebnisorientierter und dialogorientierter Weg sein soll, wo wir doch kaum einen dialogorientierteren Minister als Herrn Grüttner haben. – So viel dazu.
Deswegen ist er mein Lieblingsminister. Ich werde nicht müde, das hier darzulegen. – Dies vorausgeschickt, möchte ich sagen: Ich spare mir jetzt Bemerkungen zur Familienkarte; die habe ich hier schon oft kommentiert. Ich spare mir auch Bemerkungen zu den Familienzentren; auch darüber haben wir hier schon oft diskutiert.
Ich komme zu dem Einzigen, was in diesem Antrag tatsächlich substanziell ist: die Punkte 2 und 3. Unter Punkt 2 heißt es:
Daher würdigt der Landtag, dass die Landesregierung seit vielen Jahren den Ausbau der Kinderbetreuungsangebote forciert, die Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz … erfüllt, …
Ich sage hier: Das macht die Landesregierung durchaus nicht. Die Forcierung der Anstrengungen im Kindertagesstättenausbau und die Garantie des Rechtsanspruchs für Kinder ab dem ersten Lebensjahr erfolgen durch die Kommunen und die freien Träger, durch niemanden sonst.
Sie sind nämlich die Garanten dieses Anspruchs, und sie hätten dabei etwas mehr Unterstützung des Landes verdient – etwas mehr als das, was sie bisher bekommen.
Frau Kollegin, es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass die Landesregierung den Ausbau seit Jahren forciert. Übrigens hat der Kollege Bocklet, als er der Weisheiten der Landesregierung noch nicht teilhaftig geworden war, fünf Jahre lang hier vorgetragen, dass die Landesregierung einen Teufel tut. Da hat er noch jeden Platz gezählt, Betreuungs- und Versorgungsquote verwechselt und den Untergang des Abendlandes sowie die Nichterfüllung des Rechtsanspruchs prognostiziert. Dieselbe Fraktion erklärt jetzt, dass die Landesregierung das seit Jahren tut.
Mit dem Widerspruch muss ich nicht leben. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Landesregierung in der Tat jahrelang nichts anderes gemacht hat, als das Bundesgeld für die Investitionen weiterzugeben und fast nichts – nur manchmal etwas – obendrauf zu legen.
Hier steht, pro Jahr gebe es 435 Millionen € für die Kinderbetreuung. Ich stelle noch einmal fest: Im Evaluationsbericht zum KiföG heißt es, dass sich 2015 der Beitrag des Landes zu den laufenden Kosten der Kinderbetreuung auf 339 Millionen € belief. Das ist die maßgebliche Zahl, jedenfalls für das Jahr 2015.
Ich stelle dem die Ausgaben für die Kinderbetreuung in Hessen gegenüber, die nach der letzten vorliegenden Statistik des Statistischen Landesamts bei 2,1 Milliarden € liegen. Das ist ein Anteil von 15 % des Landes an den laufenden Kosten der Kinderbetreuung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn dies das Herzstück Ihrer Familienpolitik und Ihrer Kinderbetreuung ist, kann man wirklich sagen, dass Ihr Herz einen Herzschrittmacher braucht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einmal einen positiven Einstieg in die Frage, wie wir Familie sehen, probieren. Wir sehen Familie als eine Keimzelle der Gesellschaft. Wir sehen in der Familie einen Ort für das Handeln nach ethischen Maßstäben; wir sehen dort aber auch Zusammenhalt. Natürlich wertschätzen wir die Familie so, wie es sich gehört, und darum befinden wir uns überhaupt nicht in einem Dissens mit den ersten vier oder fünf Sätzen meiner Vorrednerin.
Aber die Schlüsse, die Sie ziehen, und die Diktion, die hier wieder zutage tritt, scheinen doch nahezulegen, dass Sie von dem, was Sie erzählen, selbst ein bisschen weiter weg sind. Sie haben wieder gesagt: Wir bringen das Geld für die frühkindliche Bildung auf. – Nein, das ist falsch. Die
Familien, die Eltern gehen arbeiten und zahlen die Steuern; die Familien bringen also das Geld auf. Das fällt dem Staat nicht in den Schoß.