Die Beschimpfungen der Opposition durch Herrn Stephan sind an der Stelle auch nicht hilfreich. Wenn Sie nicht konkret werden können, weil Sie nicht in der Lage sind, sich mit der CDU-Fraktion zu einigen, können wir an der Stelle etwas nachhelfen.
Wo stehen wir bei der Verminderung der Treibhausgase? Die Landesregierung behauptet bei der Bilanzierung der klimarelevanten Emissionen, dass bereits eine Senkung um 26 % erreicht worden sei. Bei dieser Rechnung wurden aber laut Vorstudie zum Klimaschutzplan die Emissionen für die Stromimporte nach Hessen nicht berücksichtigt. Das ist doch absurd. Stellen Sie sich vor, wir würden in Hessen keine einzige Kilowattstunde erzeugen und den gesamten Strom importieren. Das Ergebnis dieser CO2-Bilanz wäre dann: klimaneutrale Stromversorgung. Das, was die Landesregierung hier macht, ist Bilanzfälschung.
Bilanziert man auch den importierten Strom, stellt man fest, dass in Hessen in einem Zeitraum von 24 Jahren erst eine Senkung der CO2-Emissionen um 12 % erreicht worden ist – nicht um 26 %. Wenn wir bis 2025 40 % der CO2-Emissionen einsparen wollen – das ist das Ziel der Landesregierung –, muss der Ausstoß jedes Jahr um ca. 3 % gesenkt werden. Aktuell schaffen wir noch nicht einmal eine Senkung um 0,5 %.
„Ein Plan, ein Ziel – Hessen wird klimaneutral“ – mit Werbesprüchen wird das nicht gelingen. Bis 2014 muss der CO2-Ausstoß der Industrienationen gegenüber 1990 um 95 % reduziert werden. Das lässt sich aus dem Pariser Abkommen ableiten. Frau Ministerin, das können Sie in der Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2016 zum Pariser Abkommen nachlesen.
Es ist völlig unverständlich, warum die Hessische Landesregierung glaubt, zehn Jahre länger Zeit zu haben. Alle OECD-Länder müssen ihren Treibhausgasausstoß zehn Jahre früher auf null gebracht haben als der globale Durchschnitt. Das Jahr 2050 gilt nur für Entwicklungsländer.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir glauben auch, dass es in Hessen noch viel Entwicklungspotenzial gibt. Aber ein Entwicklungsland sind wir sicher nicht.
Für Hessen gilt daher das Jahr 2040. Wie wir letzte Woche vom Umweltbundesamt und den GRÜNEN erfahren haben, sind wir derzeit noch nicht einmal auf einem Reduktionskurs. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat im Jahr 2016 zu- und nicht abgenommen. Der Treiber ist der Zuwachs beim Verkehr: der gestiegene Verbrauch von Diesel und Kerosin.
Was ist zu tun? Die Hälfte der Passagierflüge, die vom Frankfurter Flughafen aus starten, ist kürzer als 800 km. Der Anteil der Passagierflüge, deren Ziele mit der Bahn in weniger als vier Stunden zu erreichen wären, liegt bei 13 %. Es ist ein ökologischer und auch ein ökonomischer Wahnsinn, diese 60.000 Flugbewegungen nicht einzusparen: viele Tausend Tonnen CO2 weniger, weniger Fluglärm und weniger Luftschadstoffe.
Mit 28 Milliarden € wird der Flugverkehr jährlich subventioniert. Anstatt eine Verlagerung des Passagieraufkommens von Kurzstreckenflügen auf die Bahn umzusetzen, schaut Minister Al-Wazir zu, wie Fraport die zu hohen Kapazitäten am Frankfurter Flughafen mit Billigfliegern füllt.
Dadurch gibt es noch mehr Kurzstreckenflüge. Was haben Sie in den letzten drei Jahren getan, Herr Minister? Warum schafft es ein grüner Verkehrsminister nicht, die Fraport, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befindet, an einen Tisch mit einem anderen Staatskonzern zu zwingen und sich über ein Verfahren von Verlagerung von Kurzstreckenflügen in Deutschland zu verständigen?
In Anbetracht der Herausforderungen brauchen wir große Würfe und mehr Mut zur Veränderung. Das bedeutet Verlagerung von Kurzstreckenflügen und Nulltarif im ÖPNV für alle Hessinnen und Hessen. Sozialticket, Schülerticket, Senioren- und Jobticket, all das kann man machen. Das heißen wir auch gut. Aber einen wirklichen ökologischen und sozialen Fortschritt mit wenig Verwaltungsaufwand
bringt ein aus Steuergeldern und Abgaben finanzierter ÖPNV, der für die Nutzer kostenlos ist. Der Nulltarif gehört in den Klimaschutzplan.
Kommen wir zum Kohleausstieg. Jedes Kohlekraftwerk ist ein Bremsklotz für die Energiewende und eine noch viel schwerere Last für Klimaschutz und Gesundheit. Die deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerke verursachen aktuell knapp 80 % der gesamten CO2-Emissionen des Stromsektors.
Das Kohlekraftwerk Staudinger muss so schnell wie möglich stillgelegt werden. Auch das haben die GRÜNEN 2008 gefordert. Erinnern Sie sich noch? – Wir haben das gemeinsam versucht. Aber das haben Sie wahrscheinlich vergessen. Nach den Berechnungen des WWF vom Januar dieses Jahres muss das Kraftwerk bereits bis 2023 vom Netz. Verhandeln Sie mit der Betreibergesellschaft. Machen Sie deutlich, dass in spätestens sechs Jahren mit der Kohleverstromung in Hessen Schluss sein muss. Erarbeiten Sie gemeinsam mit Gewerkschaften und Konzernen einen Plan, wie die 170 Beschäftigten des Kohlekraftwerks mit erhobenem Haupt weiterhin in der Energieversorgung arbeiten können. Warten Sie nicht auf den Bund. Gehen Sie es an, wenn Sie Mut dazu haben.
Weil wir in den letzten 20 Jahren im Klimaschutz kaum vorangekommen sind, ist die verbleibende Zeit für ein Umsteuern sehr kurz. Nur fünf Jahre geben uns die meisten
Experten, um die entscheidenden Reformen auf den Weg zu bringen. Da hilft nur ein großer Wurf – nicht zuletzt um auch anderen Ländern zu zeigen, was möglich ist. Noch erscheint es möglich, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 2 Grad zu begrenzen.
Wir haben schon lange das Wissen und auch die ökonomischen Möglichkeiten, unsere Zukunft klimaneutral, umweltschonender, gerechter und demokratischer zu gestalten. Sehr viele Menschen sind bereit dazu. Die schwarzgrüne Landesregierung ist es deutlich nicht. Sie traut den Menschen nicht viel zu und nimmt zu viel Rücksicht auf die Profitinteressen von Industrie und Wirtschaft. Nur wer Klimagerechtigkeit ernst nimmt und nach Lösungen sucht, die andere nicht übervorteilen, die Reichtum verteilen und helfen, die soziale Schere zu schließen, hat eine Chance, Klimaschutz durchzusetzen.
Betrogene Massen werden die Bemühungen zum Klimaschutz nicht akzeptieren, wenn sie merken, dass die Politik gegen ihre Bedürfnisse steht. Klimagerechtigkeit ist in dem hessischen Klimaschutzplan ein blinder Fleck. An keiner Stelle geht die Ministerin auf das Problem ein, dass unser Wirtschaftssystem mit seiner Wachstumslogik, dem überbordenden Konsum und der Reichtumsverteilung den Klimawandel befördert.
Die große soziale Ungerechtigkeit und der Klimawandel sind beides Folgen des Neoliberalismus. Die Deregulierung hat nicht nur die Wirtschaft heiß laufen lassen, sondern auch das Klima. Der Neoliberalismus hat die Ungleichverteilung von Reichtum extrem gesteigert. Er ist nicht nachhaltig. Er zerstört unsere natürlichen Lebensgrundlagen ebenso, wie er den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zerstört.
Die Globalisierungskritikerin Naomi Klein brachte es auf den Punkt, als sie den 25.000 Menschen auf der Frankfurter Blockupy-Kundgebung, an die EZB gerichtet, zurief – ich zitiere –: „Ihr seid die wahren Randalierer. Ihr zündet zwar keine Autos an, doch ihr setzt die ganze Welt in Brand.“
Angesichts der fortgeschrittenen Umweltzerstörung wird es nicht genügen, den Kapitalismus irgendwie grün zu machen oder einfach zum früheren sozialdemokratischen Modell des Marktes zurückzukehren.
Die Umwelt ist eines jener Güter, die die Mechanismen des Marktes nicht in angemessener Form schützen oder fördern können. Wieder einmal ist es gut, eine magische Auffassung des Marktes zu vermeiden, die zu der Vorstellung neigt, dass sich die Probleme alleine mit dem Anstieg der Gewinne der Betriebe oder der Einzelpersonen lösen.
Einen umfassenden gesellschaftlichen Konsens werden wir nur erzielen, wenn wir mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung der Lasten für den Klimaschutz haben. Das gilt zwischen den Industrienationen und den Staaten des globalen Südens genauso wie innerhalb Deutschlands.
Die Befreiung vieler großer Firmen von der EEG-Umlage geht überhaupt nicht. Dass Automobilhersteller über viele Jahre beim Verbrauch und Schadstoffausstoß betrügen, in Deutschland aber nicht zur Rechenschaft gezogen werden, ist ein Skandal. Dass viele Menschen, die in Hessen täglich den ÖPNV nutzen, dies quittiert bekommen, indem jedes Jahr beim Fahrplanwechsel der Fahrpreis ansteigt, ist ungerecht.
Gleichzeitig werden schwere Dienstwagen und Kohleverstromung subventioniert. Das sind Schieflagen, Fehlanreize und Ungerechtigkeiten, die beendet werden müssen. Kein Wort dazu in der Regierungserklärung. Kein einziges Wort, Frau Ministerin.
Warum dürfen heute noch Wohnungen ohne Solarzellen und solarthermische Anlagen gebaut werden? – Das geht nicht mehr 20 Jahre nach Kyoto. Kommen Sie mir jetzt nicht wieder mit dem Argument, man wolle die Menschen bevormunden. Wir bevormunden Bauherren an allen möglichen Stellen. Das ist auch richtig so und notwendig. Schließlich werden sie auch an die Wasserspülung angeschlossen. Das ist auch eine Bevormundung. Wollen Sie das auch abschaffen?
Warum subventionieren wir die klimaschädliche Landwirtschaft, die billige Produkte für den internationalen Agrarmarkt produziert? – Das ist nicht Bauernbeschimpfung, sondern das ist das Zusammentragen von Fakten. In Hessen gemästete Schweine und Hühner zerstören anderswo die Produktion. Das ist inakzeptabel zwei Jahre nach Paris – nein, es war schon immer inakzeptabel.
Warum diskutieren wir über die blaue Plakette? – Um relativ wenigen Dieselfahrzeugen die Einfahrt in unsere Städte zu verbieten, wo wir ab 2030 ausschließlich elektrisch und vor allem mit Bussen und Bahnen unterwegs sein müssten. Frau Ministerin, Sie reden doch über die Plakette zu einem Zeitpunkt, zu dem wir schon längst nicht mehr mit Diesel fahren dürfen.
Klimaschutz darf die Gerechtigkeitslücke nicht noch vergrößern. Das ist möglich, wenn wir beispielsweise einen ÖPNV für alle aus der Besteuerung von Kapitalgeschäften finanzieren, wenn wir die Mehrkosten für den öffentlichen Wohnungsbau in Passivhausstandard aus der Vermögenund Erbschaftsteuer finanzieren. Das alles sind nur Beispiele.
Umverteilung für den Klimaschutz und für mehr soziale Gerechtigkeit – das ist der Weg, den wir einschlagen müssen. So gewinnen wir die Menschen für den Klimaschutz.