Protocol of the Session on February 2, 2012

Zu dem, was Sie eben formuliert haben, muss ich sagen: Anscheinend leiden Sie nicht nur unter Wähler-, sondern auch unter Realitätsverlusten. In eine Rubrik unter der Überschrift „Aktuelles Jahrzehnt“ würde dieses Thema allerdings durchaus passen. Ich komme noch einmal darauf zurück.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Am 12. Mai 2000 hat der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel bei Wallburg den ersten Spatenstich zum Bau der A 44 gemacht. Heute, nach fast zwölf Jahren – der Mai

ist nicht mehr allzu weit entfernt –, sind gerade einmal 4,2 km Autobahn befahrbar. Das ist eine Ausbaubilanz von 30 m pro Monat. Wenn das eine weltrekordverdächtige Maßnahme sein soll, verstehe ich überhaupt nicht, was Leistung eigentlich bedeutet.

(Beifall bei der FDP)

Das ist der Fakt. Für Eigenlob und Selbstbeweihräucherung ist das denkbar ungeeignet. Die vom damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch angekündigten rollenden Bagger scheinen nach den ersten Einsätzen mit einem Getriebeschaden liegen geblieben zu sein.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dass der Bau der A 44 als letztes Verkehrsprojekt Deutsche Einheit ein zentrales Infrastrukturprojekt für Nordhessen und insbesondere für den Werra-Meißner-Kreis ist, ist unstrittig. Deshalb wird er von der Landtagsfraktion und allen verantwortlichen SPD-Politikern – einen, den Bürgermeister der Stadt Hessisch Lichtenau, haben Sie eben erwähnt – in vollem Umfang unterstützt. Darin sind wir uns mit CDU und FDP einig. Die GRÜNEN – das muss man sagen – vertreten da eine andere Meinung. Das ist aber auch nichts Neues.

Die Frage, wer wofür steht, wird von den Menschen nicht mehr gestellt. Es geht nur noch darum, wann die A 44 fertig ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist heute für die belastete Bevölkerung entlang den Bundesstraßen B 400, B 27 und B 7 von zentraler Bedeutung. Darauf warten nicht nur Pendler und die Mitarbeiter heimischer Betriebe, sondern die Menschen in der ganzen Region.

(Florian Rentsch (FDP): Hättet ihr 1990 richtig gehandelt, wäre es jetzt nicht so! So ist das, Herr Kollege!)

Ich habe 2008, als Sie ebenfalls diese Märchen erzählt haben, eine Anzeige nach dem Motto geschaltet: Wer behauptet, dass die SPD-Abgeordneten in der Region gegen die A 44 sind, der lügt. – Ich habe keine Gegendarstellung gefunden.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD ist davon überzeugt, dass mit dem Bau der A 44 auch eine Stärkung der Region verbunden ist. Daher freuen wir uns über jede Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das Signale für den rechtmäßigen Weiterbau gibt, und über jeden Planfeststellungsbeschluss.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wo ist eigentlich der Ministerpräsident?)

Die 2009 eingerichtete Task force hat zur Beschleunigung der Planung beigetragen. Beschleunigen kann man aber nur etwas, was vorher eindeutig zu langsam war. Deswegen muss man das hier auch einmal festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Unterschrift von Minister Posch am 26. Januar zum Planfeststellungsbeschluss der VKE 40.2 zwischen Hoheneiche und Sontra-Nord sind nunmehr acht von elf Abschnitten genehmigt. Leider ist zu befürchten, dass es Klagen geben wird. Man sieht das auch an anderen Teilabschnitten.

Naturschutzrechtliche Bedenken und Einwände des BUND werden aber auch zur Durchsetzung privater Interessen genutzt. Wir können dies rechtlich nicht beanstanden, aber ich kann Ihnen eigentlich nur sagen: Die Bevölkerung dieser Region hat kein Verständnis mehr für diese Klagen und äußert sich in diesem Bereich eindeutig.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Frank Sürmann (FDP))

Kommen wir zu noch einem Thema. Ich bin mir auch sicher – das ist bei der Vorstellung klar geworden –: Wir haben mittlerweile eine Kostenschätzung von ca. 1,7 Milliarden €. Da kann man nicht sagen, dass die naturschutzrechtlichen Bedenken bei den Planungen unter den Tisch gefallen sind. Der Umkehrschluss ist richtig: Durch die hohen Planungsanforderungen ist dieser Preis letztendlich erst zustande gekommen. Das muss man ganz klar sagen.

Ich möchte noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Bisher wurden im Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn Flurbereinigungsverfahren durchgeführt. Für die formelle Anordnung der Verfahren ist die obere Flurbereinigungsbehörde des Hessischen Landesamts für Bodenmanagement und Geoinformation zuständig. Diese Verfahren wurden zur großen Zufriedenheit der Eigentümer, der Landwirte und der Kommunen, durchgeführt.

Das Wirtschaftsministerium hat erklärt, dass auf Flurbereinigungsverfahren für die Abschnitte 40.1 und 40.2 verzichtet werden soll. Der Regierungspräsident in Kassel scheint dazu eine andere Auffassung zu haben. Das Wirtschaftsministerium hat die DEGES mit der Aufgabe betraut. Ob diese Maßnahme zu Verzögerungen oder zu Widerständen von Betroffenen führt, werden wir intensiv verfolgen.

Wir Sozialdemokraten wollen die zügige Fertigstellung der A 44. Wir unterstützen dieses wichtige Infrastrukturprojekt im Landtag und selbstverständlich in unserer Verantwortung vor Ort. Minister Posch hat am 15. September 2009 im Landtag das Jahr 2016 als ehrgeiziges Ziel der Fertigstellung der A 44 genannt. Wenn dies zutrifft, meine Herren von der FDP, können Sie zu Recht erneut eine Aktuelle Stunde beantragen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Gute Rede!)

Vielen Dank, Kollege Franz. – Das Wort hat Frau Abg. Karin Müller, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage mich: In welcher Welt lebt die FDP? – „Wir halten Hessen auf Wachstumskurs – Infrastrukturausbau bei A 44 weiter fortsetzen“, schreiben Sie.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Wo ist eigentlich der Ministerpräsident?)

Es hätte eher heißen müssen: Wir halten Hessen auf Schuldenkurs durch den Weiterbau der A 44. – Wir wissen alle, die A 44 ist bis jetzt nicht nur die am langsamsten gebaute Autobahn, sondern auch die teuerste Autobahn der Welt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Warum denn? Ihr seid so dreist!)

Warum das so ist, darauf komme ich auch noch. – Anscheinend hören wir jetzt jede Woche eine Aktuelle Stunde zu den unsinnigen Projekten in Nordhessen, die nur viel Geld kosten, aber der Region nichts bringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztes Mal hatten wir die Jubelveranstaltung von Ihnen zu Kassel-Calden. Dieses Mal ist es die A 44, das nächste Mal wird es wahrscheinlich die A 49 sein, die endet im Nirgendwo wie wahrscheinlich auch bald die FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kosten sind nämlich alles, was durch die A 44 wächst, und nicht die Wirtschaft. Schlaglöcher können nicht mehr gestopft werden, weil Sie alles in einen unsinnigen Neubau stecken und das Geld dann nicht mehr für den Erhalt zur Verfügung steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen genauso gut wie ich, wie unterfinanziert der Bundesverkehrswegeplan ist. Die A 44 steht dort seit 1992 als „vordringlicher Bedarf“ drin, nach dem Motto: Hauptsache, das Geld kommt in Hessen an – egal für was.

Wenn man sich nämlich die Zahlen für die teuerste Autobahn der Welt ansieht, dann muss man sich fragen, wie Sie Wachstum definieren. – Steuern senken, die teuersten Autobahnen bauen und keine Entlastung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Auch die wirtschaftliche Dynamik ist nicht von Autobahnen gekommen, die noch nicht da sind. Sie haben es selbst gesagt: Die wirtschaftliche Dynamik in Kassel und in der Region kommt durch die Uni, die Ausgründungen, die Arbeitsplätze und die ICE-Anbindung. – Das stand eindeutig in der „Wirtschaftswoche“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Auch, aber nicht nur!)

Wir haben auch festgestellt, dass bisher nur 5 km gebaut worden sind. Das macht für die 69 km – bei, wie gesagt, insgesamt 1,7 Milliarden € – 23 Millionen € pro Kilometer, wenn sie denn mal fertig sind. Das sind reine Baukosten. Dann gibt es aber Berechnungen, die sagen, man müsse auch die zerstörten Naturschutzgebiete mit hinzuziehen. Sie wussten, dass die A 44 durch sieben europäische Naturschutzgebiete führt und dass es eine europäische FFH-Richtlinie gab, die 1992 in Kraft getreten ist, aber erst 1997 in nationales Recht übernommen worden ist. Das ist der Grund, warum sich die Planung verzögert: Sie haben sich nicht an die Richtlinien gehalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich zitiere jetzt einen Sozialdemokraten, Herrn Gabriel. Herr Kollege Kaufmann hat das auch schon einmal gemacht.

(Günter Rudolph (SPD): Das macht nichts!)

Herr Koch hatte sich bei Herrn Gabriel beschwert, dass der Bau der A 44 jetzt durch die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Bestimmungen 660 Millionen € teurer würde. Ich zitiere Herrn Gabriel:

Die teuren Verzögerungen mit einem Schaden von rund 660 Millionen € gingen auf die jahrelange Nichtbeachtung der Naturschutzrichtlinien und da

mit auf schwerwiegende politische und administrative Mängel in Hessen zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Ah!)

Die Rahmenbedingungen für die Planung der A 44 wurden von Ihnen nicht zügig und klar genug geschaffen. Die Auswahl und Abgrenzung der Schutzgebiete ist erst mit rund zehnjähriger

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Rentsch, hören Sie einmal zu –