Protocol of the Session on February 2, 2012

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Einigkeit besteht darüber hinaus noch bei einem weiteren Punkt, und zwar dass wir den Bund nicht aus seiner Verantwortung für die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung entlassen wollen. Wir sagen, auch der Bund muss weiterhin dort mit investieren. Hier müssen wir alle gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg Druck aufbauen, damit wir das hinbekommen, damit auch nach 2013 keine Absenkung der GVFG-Mittel stattfindet. Das sind die entscheidenden Punkte. Da sind wir uns auch einig.

Aber Ihr Gesetzentwurf geht weit über diesen einen Punkt der Zweckbindung hinaus, liebe Frau Müller. Dazu möchte ich jetzt kommen. Denn es gibt jede Menge gute Gründe, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Zunächst einmal betrifft der Punkt der Zweckbindung nicht nur das GVFG und die Straßen, sondern eben auch die Wohnraumförderung, die Hochschulen und die Bildung. Wir müssen als Landesregierung für alle diese Bereiche ein Konzept haben und schauen, wie wir nach 2013 verfahren. Wir als Landesregierung haben die Aufgabe, dies auch gemeinsam zu regeln. Das ist der eine Punkt.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darüber hinaus sind manche Ihrer Fördertatbestände rechtlich nicht umsetzbar. Zum Thema Lärmschutz erlaubt das GVFG – –

(Zuruf der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber Sie regeln es schon jetzt. Das geht eben nicht. Da sind Sie Ihrer Zeit in jedem Fall ein bisschen voraus. Das können Sie jetzt nicht regeln.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das kann man von Ihnen nicht behaupten!)

Lärmschutz ist keine verkehrliche Maßnahme, und Mittel aus dem GVFG müssen für verkehrliche Maßnahmen ausgegeben werden. Insofern können Sie das Gesetz definitiv so nicht lassen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darüber hinaus haben Sie den Förderkatalog ausgedehnt. Da versprechen Sie jede Menge neue Fördertatbestände. Sie sagen aber nicht dazu, dass gleich viel oder sogar weniger Geld im Topf ist. Das heißt auf gut Deutsch: Zusätzliche neue Fördertatbestände bedeuten weniger Geld für die bisherigen Maßnahmen. Wenn Sie mit den Kommunen reden, welche Vorstellungen, welche Planungen es bei den vorhandenen Projekten schon gibt, dann stellen Sie

fest, dass das Geld zum großen Teil schon dafür nicht ausreicht.

(Zuruf der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dann kommen Sie und wollen zusätzliche Maßnahmen hinzufügen, ohne zu erklären, dass damit andere Maßnahmen definitiv gestrichen werden. Das wollen wir mit den Kommunen in vertrauensvoller Zusammenarbeit so nicht machen. Deswegen hat an der Stelle auch gerade der Städte- und Gemeindebund erheblich protestiert.

(Zuruf der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ein weiterer Punkt ist die Quotierung. Sie haben es selbst angesprochen. Wir haben es auch schon mehrfach ausführlich diskutiert. Die festgelegte Quotierung der Mittel schränkt die Flexibilität ein, die dringend gebraucht wird. Meine Damen und Herren, auch das ist ein Ergebnis der Anhörung und ist dort gesagt worden.

Deswegen, sagen wir, ist es nicht sinnvoll, eine feste Quotierung vorzugeben, sondern es ist Flexibilität in der praktischen Umsetzung notwendig, z. B. wenn man für ein großes Projekt entsprechend mehr Mittel benötigt, dass es dann auch in diesem Jahr finanziert werden kann. Deswegen macht Ihre Quotierung, wie Sie sie hier vorsehen, definitiv keinen Sinn. Auch das lehnen wir ab.

Außerdem: Der ÖPNV braucht auch Straßen. Das ist etwas, was Sie immer wieder vergessen oder nicht erwähnen. Gerade im ländlichen Raum gibt es keinen schienengebundenen ÖPNV oder schienengebundenen Verkehr. Für den Busverkehr brauchen wir genauso wie für den Autoverkehr Straßen, die auch befahren werden können.

Deswegen sollten wir aufhören, wie Sie es tun, mit festen Quoten den einen Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen. Wir müssen sinnvolle Mobilität entwickeln. Das werden wir als Hessische Landesregierung bzw. als CDUund FDP-Fraktion auch tun.

(Dr. Michael Reuter (SPD): Schon wieder Landesregierung!)

Wir haben im Haushalt 2012 über Verpflichtungsermächtigungen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass alle Projekte, die aktuell auf den Weg gebracht werden müssen, auch auf den Weg gebracht werden können, weil wir die entsprechende Finanzierung bereitgestellt haben. Insofern gibt es überhaupt keine Not, die Zweckbindung jetzt übereilt festzulegen. Wir werden hier entsprechende Regelungen treffen. Das haben wir bei der ersten Lesung gesagt. Das haben wir in den Ausschussberatungen gesagt. Das sage ich auch heute noch einmal.

Das, was wir tun müssen, ist: Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass ausreichende Mittel für die Infrastruktur zur Verfügung stehen, damit wir sowohl im ländlichen Raum als auch im Ballungsraum, dort verstärkt im Bereich ÖPNV, die Investitionen vornehmen können, die erforderlich sind, dass die Menschen zu ihrer Arbeit, zu ihren Einkäufen kommen und auch alle anderen Dinge machen können, die sie benötigen, wo sie auf Mobilität angewiesen sind. Das werden wir auch in Zukunft tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist nicht da. Aber ich habe Leihklatscher aus der SPD-Fraktion engagiert. Vielen Dank dafür.

(Florian Rentsch (FDP): Soll ich mich dahin setzen? – Zuruf des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Herr Rentsch, bitte schön. Tun Sie sich keinen Zwang an.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN ist von den betroffenen Verbänden in der Anhörung im Landtag fast einmütig begrüßt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn er geht auf ein wichtiges Problem ein, das der öffentliche Nahverkehr nicht nur in Hessen in wenigen Jahren haben wird, nämlich dass die Bundesmittel aus dem Entflechtungsgesetz ab 2014 nicht mehr zweckgebunden sein werden. Ab 2019 soll die Förderung des Bundes komplett auf null heruntergefahren werden.

Der Finanzierungsbedarf des ÖPNV wird aber nicht geringer. Im Gegenteil, wir stehen vor einem ganz beachtlichen Investitionsstau sowohl in der Infrastruktur einschließlich der Straßen, auf die auch der öffentliche Verkehr angewiesen ist, als auch bei den Fahrzeugen.

(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Das ist super. Jetzt habe ich Leihklatscher. Aber vielleicht sollte ich Zeichen dafür geben.

Wenn wir mit der Energiewende Ernst machen wollen, muss das heißen, dass wir den öffentlichen Verkehr weiter ausbauen müssen und realistische Alternativen zum Individualverkehr aufstellen müssen. Daran führt kein Weg vorbei, um das mit den Worten der Hessen Agentur zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt sind sie da, klatschen aber auch nicht! – Gegenruf des Abg. Ulrich Caspar (CDU): Es gibt auch keinen Grund, zu klatschen, bei der Rede! – Wolfgang Greilich (FDP): So ist es!)

Herr Caspar, Sie haben sich noch gar nicht zu Wort gemeldet. Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen werden.

Die Landesregierung hat sich zu dieser Frage bislang kaum geäußert. Das entspricht ihrem allgemeinen Desinteresse an allem Öffentlichen, scheint mir. Sie halten das Prinzip „privat vor Staat“ hoch. Dazu passt es, den öffentlichen Verkehr zu vernachlässigen und auf private Lösungen zu setzen, in dem Fall in erster Linie auf das Auto.

Diese Ausrichtung in der Verkehrspolitik ist auf den ersten Blick vielleicht wirtschaftsfreundlich, aber eigentlich nicht einmal das. Denn der öffentliche Verkehr, das wissen wir, schafft mehr Arbeitsplätze. Er hat weniger Ressourcenverbrauch als die Automobil- oder die Flugverkehrsbranche. Ich will auch sagen, dass wir heute schon enorme volkswirtschaftliche Kosten durch Lärm, Zeitverschwendung, Benzinverbrauch, Luftverschmutzung usw. haben.

Der vorliegende Gesetzentwurf eröffnet auch wieder die Möglichkeit der Fahrzeugförderung. Diese ist in Hessen leider vor ein paar Jahren abgeschafft worden. Andere Bundesländer, die auch diesen Weg gegangen waren, haben die Fahrzeugförderung in der Zwischenzeit wieder eingeführt, nicht zuletzt weil die jetzige Art der Auftragsvergabe Verkehrsanbieter in öffentlicher Trägerschaft benachteiligt hat und offensichtlich ist, dass bei den Fahrzeugen ein erheblicher Erneuerungsbedarf besteht.

Wir begrüßen auch den Vorschlag der GRÜNEN, Grunderneuerungen förderfähig zu machen. Der allgemeine Zustand vieler Straßen – Stichwort: Schlaglöcher – verdeutlicht, dass hierfür mehr Mittel gebraucht werden. Viele Kommunen sind nicht mehr in der Lage, diese aus eigener Kraft zur Verfügung zu stellen. Ich denke, bei der Dichte des Straßennetzes, wie wir es heute schon haben, macht es keinen Sinn, endlos weiter die Landschaft zuzubetonieren. Es ist wichtig, die bestehenden Straßen vor dem Verfall zu schützen. Deshalb begrüßen und unterstützen wir den Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die tiefer liegenden Probleme des ÖPNV kann der Entwurf aber nicht angehen. Hier sind zu nennen auf der einen Seite die Neuregelung der Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern durch die Föderalismusreform. Auch beim ÖPNV werden die Länder Stück für Stück in die sogenannte Unabhängigkeit entlassen. Der Bund zieht sich aus seiner Verantwortung und Unterstützung zurück. Den Ländern wird mehr Kompetenz übertragen, aber eben nicht mit mehr Geld. Hier wird die Verantwortung an die Länder und die Kommunen übertragen, die aber finanziell gar nicht in der Lage sind, diese wahrzunehmen. Ab 2020 werden wir sehen, welch dramatische Auswirkungen es auf die Ausfinanzierung des ÖPNV und der Kommunen haben wird.

Der Vorschlag der GRÜNEN ist es, die Zweckbindung für deren Zuweisung einzuführen. Das ist richtig für den ÖPNV, der – wie die Kommunen und die Spitzenverbände es klargemacht haben – ein ganz entscheidender Bereich ist.

Natürlich ist auch klar, dass die Frage, wie die Kommunen ganz grundsätzlich auch in Zukunft ihre Aufgaben bewältigen sollen, noch eine sehr viel tiefer liegende Frage ist. Es ist richtig, dies für den Bereich des ÖPNV zu klären, aber es löst nicht das Problem, dass die Kommunen weiter versucht sein werden, frei über ihre Mittel zu verfügen; denn es gibt vieles, was sie gar nicht oder nicht mehr ausreichend finanzieren können. Deswegen gilt: Wenn wir über den ÖPNV und dessen Finanzierung reden, müssen wir auch über den Kommunalen Finanzausgleich und die ausreichende Finanzierung der Kommunen sprechen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Schließlich hat sich die Bundesregierung noch nicht geäußert, wie sie den Bedarf an Entflechtungsmitteln, den die Verbände in den Verhandlungen mit dem Bund auf 1,9 Milliarden € angesetzt haben, bedienen will. Ich fürchte, es gibt einigen Grund, daran zu zweifeln. Schwarz-Gelb setzt leider auch auf Bundesebene auf eine Reduzierung öffentlicher Verantwortung. Der Finanzminister ist ja dafür bekannt, in einigen Bereichen unbürokratisch Milliardenbeträge freizugeben, dann aber in anderen Bereichen rigoros aufs Sparen zu setzen.

Wir nehmen die Ergebnisse der Anhörung ernst. Dort hat der Gesetzentwurf eine ziemlich breite Zustimmung erfahren. Das Einzige, was ein bisschen kritisiert wurde, war, ob die starre Quotierung des Mitteleinsatzes die optimale und vernünftigste Lösung sei. Dies hätte man weiter diskutieren können; ich habe darauf gewartet, ob es vielleicht einen Änderungsantrag von CDU und FDP zum Gesetzentwurf geben würde, aber es kam nichts.

Wir sind der Meinung, dass das Gesetz auf jeden Fall eine Verbesserung darstellt, dringend notwendig ist und dass es nicht gut ist, bis 2014 zu warten, wenn das Problem noch größer geworden sein wird. Vielmehr müssen wir jetzt handeln und die Bedenken im ganzen Bereich des ÖPNV auch jetzt ernst nehmen.

Aus diesen Gründen werden wir dem Gesetzentwurf auch in der zweiten Lesung zustimmen. An die Adresse der Regierungsfraktionen will ich nur noch einmal sagen: Nichts zu tun ist keine Lösung. Sie können sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen und die Gesetzentwürfe, die von der Opposition vorgelegt werden – wie jetzt von den GRÜNEN und in der Debatte zuvor von uns –, einfach nur kritisieren und sagen, was Ihnen nicht daran gefällt. Machen Sie entweder eigene Vorschläge zu Gesetzen, oder bringen Sie wenigstens Änderungsanträge ein; dann können wir darüber diskutieren. Aber sich einfach mit einer Blockadehaltung hinzusetzen, ist für die Regierungsfraktionen wirklich etwas zu wenig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abg. Caspar für die Fraktion der CDU.