Protocol of the Session on December 15, 2011

Opfer rechter Gewalt sind, wirklich diese Auffassung aufrechterhalten und eine Botschaft nach außen senden wollen, die ich als Stigmatisierung und als klare Aufforderung auffassen muss, mit LINKEN so umzugehen. Meine Emotionalität müssen Sie an dieser Stelle ertragen.

(Holger Bellino (CDU): Das ist unerträglich! – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Bellino, das hat Tradition in Deutschland!)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will zunächst festhalten: Ich entschuldige mich dafür, dass ich einen Fehler gemacht habe. Herr Kollege Schaus, Sie strapazieren wirklich meine Geduld.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich strapaziere Ihre Geduld, Herr Präsident? – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Nicht inhaltlich, wirklich nicht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Gut!)

Entschuldigung, weil Sie mich nicht ausreden lassen konnten, haben Sie zu früh reagiert.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Entschuldigung, die Aufregung können Sie nicht allein für sich in Anspruch nehmen. – Ich stelle fest, ich habe erlaubt, dass Sie die Intervention missbräuchlich genutzt haben. Die Kurzintervention ist ausdrücklich dazu gedacht, dass Sie zu einem Teil der Ausführungen eines Redners Stellung nehmen, nicht aber zu einer Pressemeldung.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Hat er gemacht!)

Nein, die war ganz anders, wahrscheinlich weil sie vorher geschrieben worden war. Das ist mir egal. Ich habe die Intervention trotzdem zugelassen, um nicht erneut Aufregung zu verursachen. – Herr Bellino, Sie haben die Gelegenheit zur Antwort.

(Judith Lannert (CDU): Unmöglich!)

Herr Präsident, einen Teil meiner Rede haben Sie bereits vorweggenommen. Ich verstehe die Aufregung von Herrn Schaus nicht: wenn er sich darüber beschwert, dass ich von einem „parteipolitischen Antrag“ gesprochen habe. Was ist es denn sonst, was Sie hier gemacht haben? Sie haben einen Antrag eingebracht, mit dem ich mich sachlichinhaltlich auseinandergesetzt habe. Er bietet meines Erachtens überhaupt keine Ansatzpunkte dafür, wie man Deutschland sicherer machen kann.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

An diesen parteipolitischen Antrag haben Sie die Liste mit den Todesopfern angehängt. Dazu habe ich meine feste Meinung. Ich würde dies nicht tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das veranlasst Sie, dies hier zu schreiben?)

Ich will den Herrn Präsidenten und andere nicht noch mehr strapazieren; aber ich sage: Wir können uns gern in

einem weiteren Setzpunkt – oder auch anders – mit der SED-Nachfolgeorganisation auseinandersetzen. Das können wir gern machen. Ich habe aber aufgrund der vorangegangenen Debatte bewusst die eine oder andere Passage aus meiner Rede herausgenommen. Ich dachte, dass dies besser wäre.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das steht ja schon in der Presse!)

Aber ich habe keine Probleme damit, mich mit Ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, und ich stehe auch auf der Seite derer, die meinen – Sie haben ja ständig die Namen gewechselt –, dass die Abkürzung „PDS“ die ehrlichste war; denn das hieß nichts anderes als „prinzipiell dieselben“.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das war jetzt deutlich! Ganz klar!)

Wir setzen die Debatte fort. Das Wort hat Innenminister Boris Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat ihrem Antrag eine Anlage beigefügt, die eine Liste mit Namen und Tatschilderungen enthält. Sie ist überschrieben mit „182 Todesopfer extrem rechter, rassistischer, antisemitischer und neofaschistischer Gewalt seit 1990“. Ich glaube, die Liste ist dem Internet entnommen. Sie ist nicht ganz unbekannt.

Vorab will ich eines betonen: Jedes Gewaltverbrechen – damit sind natürlich auch die Tötungsdelikte gemeint – ist eines zu viel, und es ist hier überhaupt nicht strittig, dass wir das auf das Schärfste verurteilen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Genau deswegen haben wir vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich in unserer Sitzung am 17. November, im Hessischen Landtag eine Resolution verabschiedet, in der wir insbesondere der Opfer rechtsextremer Gewalt gedacht haben. Ich will es hier noch einmal betonen: Es ist eine Schande für uns, dass Menschen, die dieses Land als ihre Heimat gewählt haben, von Rechtsextremen deswegen umgebracht worden sind, weil sie einen Migrationshintergrund haben. Es ist eine Schande, und ich habe in der vergangenen Sitzung auch gesagt, dass es durchaus einen Anlass gibt, sich für diesen Zustand zu entschuldigen.

Ich glaube auch, dass es hier einhellig war, dass wir den Familien der Opfer und all denjenigen in unserer Gesellschaft unser aufrichtiges Beileid aussprechen, die in einem besonderen Maße von rechtsextremer Gewalt bedroht sind. Da sind wir uns einig gewesen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns auch alle einig, dass wir die Hintergründe dieser abscheulichen Taten restlos aufklären müssen. In diesem Prozess befinden wir uns, und wir machen dies mit Hochdruck. Ich muss wirklich mit Respekt und großer Hochachtung sagen, dass der Generalbundesanwalt dieses Verfahren in einer Geschwindigkeit und mit einer Akribie führt, dass man wirklich sagen muss: Das ist ein ganz vorzüglicher

Umgang mit diesem Sachverhalt. Ich bin sehr sicher, dass es gar nicht mehr allzu lange dauern wird, bis wir weitere Hintergründe kennen und insbesondere aus diesen Hintergründen Schlussfolgerungen ziehen können. Deswegen ist jetzt eben nicht der Zeitpunkt dafür.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Wir haben darüber im Innenausschuss diskutiert. Ich finde, es ist richtig gewesen, dass wir darüber diskutiert haben, dass man nicht jeder Ente und jedem Gerücht hinterherläuft. Es muss auch klar sein, dass man in diesem Themenbereich eben nicht zu allem und zu jedem alles öffentlich sagen kann. Das geht in einem solchen Zusammenhang einfach nicht. Das, was gesagt wird, muss von unserer Seite, vonseiten einer Regierung, alles Punkt für Punkt und Komma für Komma mit dem Generalbundesanwalt abgestimmt werden. Ich glaube, dafür hat auch jeder Verständnis, und das weiß auch jeder.

Herr Schaus, deswegen stimmen einzelne Ziffern Ihres Antrags einfach nicht. Es geht hier nicht darum, dass wir irgendetwas verheimlichen wollen. Es geht nicht darum, dass wir irgendetwas nicht berichten wollen. Wir haben es im Innenausschuss gemacht. Es ist jedenfalls in der PKV geschehen, und es geschieht auch weiterhin in der PKV. Das ist der Sachverhalt, den man feststellen muss. Das ist auch der richtige Ort, um entsprechend zu berichten.

Da geht es nicht um Verschleierung und nicht um Heimlichtuerei. Es hat schlicht damit zu tun, dass es um Ermittlungen wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung geht, und eine solche Ermittlung, ein solches Verfahren, darf man einfach nicht gefährden. Wir dürfen es insbesondere deswegen nicht gefährden, weil wir den Opfern, aber insbesondere ihren Angehörigen und Hinterbliebenen, wenigstens schuldig sind, dass wir dieses Verfahren jetzt endlich mit dem Hintergrund abschließen, den es hat.

Meine Damen und Herren, wir stellen in vieler Hinsicht überhaupt nicht die richtigen Fragen. Ich habe eine Menge Fragen. Aber es sind Fragen, auf die man wahrscheinlich auch erst Antworten hat und finden kann, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Herr Abg. Frömmrich, ich habe Verständnis dafür, dass Teile der Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag einen Untersuchungsausschuss einrichten. Was der jetzt tun soll, erschließt sich mir nicht. Was der im Zusammenhang mit uns Ländern tun soll, erschließt sich mir auch nicht. Ein Bundestagsuntersuchungsausschuss kann das Handeln der Bundesregierung, von Bundesbehörden und Bundesorganen untersuchen. Das hat mit uns wenig zu tun und hat zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt keinen Sinn. Ich frage auch, was der Sinn von Kommissionen ist.

Wir haben in diesem Land glücklicherweise eine klare Abfolge, wie wir mit solchen Sachverhalten umgehen. Er wird von der Polizei und der Staatsanwaltschaft untersucht – in diesem Fall vom Bundeskriminalamt, vom Generalbundesanwalt. Wenn diese Arbeit abgeschlossen ist, kann man durchaus fragen: Was ist falsch gelaufen? Wo ist etwas falsch gelaufen? Ist überhaupt etwas falsch gelaufen? Und wenn etwas falsch gelaufen ist, kann man fragen: Was muss man optimieren? Was muss man besser machen?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dann ist also etwas falsch gelaufen!)

Das ist dann der richtige Ablauf und die richtige Abfolge. Ich will Ihnen nur eine kleine Auswahl der Fragen nennen, die ich habe, beispielsweise: Wer hat Mundlos und Böhnhardt über Jahre geholfen, neun Männer und eine Frau zu ermorden? Wer hat sie begünstigt? Wer hat sie gewähren lassen und ihre Taten möglicherweise gar fahrlässig übersehen? Das sind die Fragen, die sich uns stellen.

Deswegen stellt sich mir jetzt erst einmal nicht die Frage, welche Chance ein erneutes NPD-Verbotsverfahren hätte. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Wir haben im Kreise der Innenminister darüber beraten, und wir haben heute auch die Situation gehabt, dass die Ministerpräsidenten darüber beraten haben. Für mich stellt sich auch nicht die Frage, ob jetzt Landesämter für Verfassungsschutz zusammengelegt werden sollen. Was soll durch eine Großbehörde besser werden? Was soll das nutzen? Was ist da hilfreich, wenn wir es tun? Das sind alles keine Fragen, die sich mir stellen, weil sie nach meiner festen Überzeugung nichts, aber auch gar nichts mit der gegenwärtigen Lage zu tun haben.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Schade!)

Sie wissen, dass es nicht sehr viele Punkte gibt, in denen ich mit der Linkspartei übereinstimme. – Nein, es gibt eigentlich gar keinen Punkt, in dem ich mit der Linkspartei übereinstimme. Die Überschrift Ihres Antrags finde ich trotzdem richtig. Ich finde sie durchaus nachvollziehbar und kann sie auch unterschreiben. Aber genau das, was Sie da einfordern, findet in Hessen statt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wo?)

Deswegen bin ich sehr dankbar, dass der Abg. Bellino so deutlich darauf hingewiesen hat: Für unsere Bemühungen in diesem Bereich müssen wir uns in der Tat nicht verstecken. Wir sind in Hessen immer darauf bedacht, dass wir die Nummer 1, 2 oder 3 sind. Das ist bei der Kriminalitätsstatistik, in wirtschaftlichen und vielen anderen Fragen so. Wir sind unendlich dankbar dafür, dass wir einmal in einer Rankingliste die Nummer 15 sind und den vorletzten Platz belegen, und zwar bei der Häufigkeitszahl pro 100.000 Einwohner in Sachen rechtsmotivierte Kriminalität. Das ist ein guter Zustand. Dass das so ist, ist der Beweis dafür, dass wir es hier richtig machen und dass wir intensiv arbeiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Sie sagen auch immer, der Verfassungsschutz dürfe sich im präventiven Bereich nicht um die Dinge kümmern. Diese Zahl, die ich eben genannt habe, hat etwas mit einer anderen Zahl zu tun, nämlich mit der finanziellen Förderung; und der Erfolg, den wir haben, hat etwas mit der finanziellen Förderung in diesem Bereich zu tun. Allein das Landesamt für Verfassungsschutz hat in den vergangenen fünf Jahren finanzielle Mittel in Höhe von über 13 Millionen € für die Beobachtung und die Bekämpfung des Rechtsextremismus ausgegeben. Ich glaube, auch das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen unsere Programme jetzt nicht noch ausführlich benennen, denn Herr Bellino und Frau Gnadl haben sie benannt. Da habe ich nicht viel hinzuzufügen. Ich habe Ihnen die Broschüre „Freiheit und Demokratie stärken“ verteilen lassen, weil sie auch eine Multiplikatorenbroschüre ist. All das zeigt, dass wir nun wirklich alles andere als auf dem rechten Auge blind sind. Von uns, in dieser Landesregierung, in

dieser Koalition, ist niemand, aber auch gar niemand auf dem rechten Auge blind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn das einer sagt, dann will ich es jetzt einfach einmal konkret haben. Wen meinen Sie? – Meinen Sie den Innenminister, den Justizminister oder den Ministerpräsidenten? Wen meinen Sie? Und insbesondere: Was meinen Sie? Welche Sachverhalte meinen Sie? Das sind so dahingesagte Sachen. „Auf dem rechten Auge blind“, das hört sich gut an. Wo sich aber die Sinnhaftigkeit ergibt, muss man schon einmal sehr klar und konkret darlegen. Da bin ich dann gespannt, ob Sie dazu überhaupt eine Aussage haben, außer dieser modischen Aussage.