Es ist darüber hinaus – dann will ich aufhören, mich mit den Wortbeiträgen der Oppositionsfraktionen auseinanderzusetzen – reklamiert oder kritisiert worden, dass die Landesregierung erst jetzt eine solche Kommission einsetzt. Ich stelle dazu erstens fest, dass es in 15 anderen Landtagen der Bundesrepublik Deutschland dann ziemlich viele Debatten geben müsste, weil wir die Ersten sind, die eine solche Kommission einsetzen. Uns vorzuwerfen, dass wir da spät dran seien, ist vor diesem Hintergrund schlichtweg falsch und merkwürdig.
Zweitens freue ich mich darüber, dass uns die nordrheinwestfälische Landesregierung – rot-grün regiert –, nachdem sie davon erfahren hat, dass wir hier ein solches Projekt vorhaben, unmittelbar nachgeeifert hat. Ich habe gestern gehört, dass auch das Saarland dabei ist, eine ähnliche Kommission auf die Schiene zu setzen, was also zeigt, dass wir für uns durchaus reklamieren dürfen, dass wir in dieser Institutionalisierung ganz vorne sind, und – Herr Schäfer-Gümbel, ich freue mich über Ihre fröhlich lächelnde Zustimmung –, so glaube ich, ein wichtiges Signal senden, nämlich dass wir bei dieser Gesamtproblematik des Fachkräftemangels alle einbeziehen wollen, die dort einzubeziehen sind.
Es ist – außerhalb der ordnungspolitischen Debatte, die gerade die Kollegen von der FDP und der LINKEN geführt haben – im Grunde genommen nicht nur der Staat, der mit Rahmenbedingungen, Strukturen und Fördermaßnahmen an einer Stelle tätig ist, sondern es sind die Wirtschaft, die Arbeitgeber, die Kammern und beispielsweise der Vorsitzende des DGB Hessen, die sich allesamt spontan bereit erklärt haben, mitzuwirken. Ich erwarte, dass wir in dieser Arbeitsgruppe eine Menge an konkreten Vorschlägen werden erarbeiten können, eben aus den Erfahrungen der Wirtschaft heraus – mit Wirtschaft meine ich Arbeitgeber wie Arbeitnehmer –, um sehr spezifisch auf die regionalen Problemstellungen eingehen zu können.
Ich will dann doch die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, weshalb wir das konzertieren und weshalb ich hier als ein Minister stehe, der seine Zuständigkeit einerseits in der Staatskanzlei und andererseits auf Berliner Ebene hat. Daran merken Sie schon, dass wir sagen: Es ist eine Konzertierung der unterschiedlichen zuständigen Ministerien nötig. Es gibt nicht nur die Fachkräftekommission, sondern wir haben auch eine Steuerungsgruppe eingerichtet, der ich gemeinsam mit Herrn Dr. Kriszeleit vorstehe, die aus den einzelnen Bereichen alle Expertise zusammenführt und für einen sehr engen Dialog zwischen der Fachkräftekommission auf der einen Seite und dieser Steuerungsgruppe und damit der Verwaltung, der Exekutive, auf der anderen Seite sorgen wird.
Das wiederum heißt, wenn Sie in die einzelnen Bereiche hineinschauen, dass wir nicht heute mit der Arbeit begin
nen. Wenn Sie sich das Sozialministerium anschauen, mit einer ganzen Reihe von, wie ich finde, wirklich wegweisenden Impulsen und sehr viel Geld für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – denn wenn in diesem Sektor 330 Millionen € im Haushalt stehen, zeigt das, dass das eine absolute Priorität hat –, sowie die arbeitsmarktfördernden Maßnahmen, gemeinsam mit den Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds in der Größenordnung von 30 Millionen €, dann wissen Sie, dass dort sehr vieles passiert. Ich glaube, diese Dauerdebatte sollten wir heute einmal weglassen.
Weil ich gerade bei den Arbeitsmarktfördermaßnahmen bin, sage ich zunächst einmal – wenn hier von Herrn Bocklet beklagt wird, dass in den Jobcentern, ob kommunal oder als Arbeitsgemeinschaften organisiert, die Mittel nicht verausgabt werden –: Herr Bocklet, ich bin sehr froh darüber, wenn Beamte und Menschen, die dort arbeiten, diese Mittel möglicherweise deswegen nicht verausgaben, weil sie sagen, es müsse sinnvoll und zielorientiert in die Weiterbildung von einzelnen Betroffenen investiert werden. Es gab dort in früheren Jahren eine Industrie – ich kenne noch eine Zahl vom Anfang des Jahrzehnts in der Größenordnung von 27 Milliarden € -; das war die Weiterbildungsindustrie, die in diesen Teilen auch sehr viel Geld verdient hat, von der ich sage: Schön, dass es das in Deutschland gibt, aber ob das alles zielführend war, was dort in der Vergangenheit an Weiterbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose oder auch Nicht-Langzeitarbeitslose an Möglichkeiten geboten wurde, sei dahingestellt.
Meine Damen und Herren, ich habe mir das gerade letzte Woche einmal vor Ort im Jobcenter in Berlin angeschaut. Ich habe dort einen halben Tag lang hospitiert und solchen Gesprächen beigewohnt. Wenn Sie sehen, dass es dort Menschen jenseits der 50 Jahre gibt, die dann unter die Ü-50 fallen – dazu gehöre ich persönlich auch, umso aufmerksamer wird man und schaut, wo denn die individuellen Problemlagen sind –, dann stellt man schon fest, dass manche sehr darauf aus sind, sich weiter zu qualifizieren, was grundsätzlich in Ordnung ist, aber nicht immer so ganz im Blick haben, was sie denn mit dieser Weiterbildungsmaßnahme, wenn Sie denn fertig sind, am Ende anfangen. Ich bin dankbar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Jobcentern – ich glaube, das gilt flächendeckend, und viele von ihnen führen solche Gespräche – zu Recht darauf hinwirken und dafür sorgen, dass dort zielgerichtet investiert wird.
Ich kann und muss darüber reden, was im Bereich des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst passiert. Das ist nicht nur vieles im Bereich der Kinderbetreuungsmaßnahmen für die dortigen Beschäftigten. Das sind natürlich insbesondere Maßnahmen im akademischen Bereich, und damit sind wir sehr stark bei der Frage der Fachkräftepotenziale, die wir brauchen und über die wir hier in erster Linie reden. Wir müssen in der dualen akademischen Ausbildung sicherlich vieles weiterentwickeln. Da war Hessen 1999, als wir die Verantwortung übernommen haben, nahe null. Mittlerweile sind wir in einigen, wie ich finde, wichtigen Branchen sehr viel weitergekommen, und wir alle loben in jeder Hinsicht zu Recht von morgens bis abends unser duales System im Bereich der beruflichen Bildung. Ich glaube, dass wir auch in der akademischen Bildung deutlich besser werden müssen. Es wird sicherlich auch das Ergebnis der Arbeit sein, dort sehr zielgerichtet Bedarfe zu ermitteln und zu erkennen.
Ich schaue mir das Europa- und Integrationsministerium an. Ich habe schon gesagt, dass Herr Dr. Kriszeleit die Steuerungsgruppe stellvertretend mit mir verantwortet.
Wir haben naturgemäß die Frage des Umgangs mit Migranten nicht nur im Hessischen Landtag zu diskutieren, sondern das Ministerium unter der Federführung des Kollegen Jörg-Uwe Hahn hat auch eine Menge vorzuweisen. Wenn Sie eben gesagt haben: „Schön, dass auch Sie jetzt zu dem Ausdruck Willkommenskultur für Menschen aus Drittstaaten kommen“, dann ist das nichts Neues. Ich finde, Sie sollten auch irgendwann einmal aufhören, solche Klischees weiter aufrechtzuerhalten.
Sie wissen ganz genau, dass wir mit diesem Ministerium eine hervorragende Arbeit leisten. Das fängt mit Sofortprogrammen für qualifizierte Zuwanderer an und geht bis hin zu der Tatsache, dass sich gerade in Hessen Menschen wohlfühlen, die diesen Migrationshintergrund haben. Das ist schon mehrfach in dieser Woche diskutiert worden.
Herr Minister, gestatten Sie mir den freundlichen Hinweis darauf, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.
Ich bin auch gleich fertig. Ich will noch einen Punkt ansprechen. Das Wirtschaftsministerium ist natürlich in vielen Bereichen federführend und hat dort einige Schwerpunkte gesetzt, um vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in kleinen und mittleren Unternehmen durch die Qualifizierungsschecks nachzuqualifizieren. Das wissen Sie alles. Ich nenne nur das eine Beispiel. Ich könnte weitere Punkte, die wir auch in der Haushaltsdiskussion thematisiert haben, ansprechen, nämlich Förderprogramme in Größenordnungen von 18 Millionen € für die Erstausbildung usw.
Dort wird all das, was Sie, Herr Frankenberger, angemahnt haben, nicht erst seit heute und seit Gründung und Konstituierung einer solchen Fachkräftekommission mit Erfolg erarbeitet. Dort können wir – das zeigt auch das Ergebnis der Diskussion, die wir hier eben hatten, was die Schulabbrecherquoten anbelangt – deutliche Erfolge vorweisen.
Ich will einen allerletzten Punkt ansprechen. Ich glaube, es ist viel zu wenig im allgemeinen Bewusstsein, dass wir nicht nur ein nationales Problem für den Binnenarbeitsmarkt haben. Wenn Sie mit Vertretern der Wirtschaftsverbände reden, beispielsweise mit Vertretern des VDMA – das ist der größte Unternehmerverband Europas, der für die Maschinenbau- und Anlagenbauindustrie in Deutschland steht –, dann werden Sie dort hören, dass es zunehmend auch Bedarfe gibt, die begleitend zu deutschen Exportgütern, Dienstleistungen und Wirtschaftsprodukten befriedigt werden müssen. Das soll heißen, dass Sie dort hören: Wenn wir noch zukünftig Anlagen und Maschinen liefern wollen, dann müssen wir auch Know-how mitliefern. Das heißt: Qualifizierung und Einbeziehung ausländischer Arbeitsmärkte, natürlich in erster Linie auch des europäischen Arbeitsmarktes, sind dringend notwendig.
Ich bin nach meinem Telefonat mit Herrn Körzell, in dem ich ihn gebeten habe mitzuwirken und in dem er spontan Ja gesagt hat, sehr froh, dass auch er sagt: Wir wollen und sollten in dieser Kommission keine Tabus haben. – Also
auch dort gilt es eher, der Sache zu dienen und ergebnisorientiert zu arbeiten, als hin und wieder diese SchwarzWeiß-Diskussionen zu führen. Wir müssen erst einmal die Menschen, die wir auf deutschem Terrain mit 2,7 Millionen Arbeitslosen haben, im Fokus haben. Das ist sicher richtig. Aber es darf auch kein Tabu in einer Europäischen Union geben, und erst recht nicht in einer globalen Wirtschaft. So müssen wir uns auch mit der Frage der Zuwanderung und der Integration von Fachkräften nicht deutscher Provenienz sehr intensiv befassen und in diesem Bereich Vorschläge erarbeiten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Boddenberg. – Mir liegt nun zu diesem Tagesordnungspunkt keine weitere Wortmeldung vor.
Damit sind wir am Ende der Aussprache und überweisen beide besprochenen Anträge in den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, federführend, und den Sozialpolitischen Ausschuss, mitberatend.
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Verurteilung rechtsextremistischer Morde und weiterer Gewalttaten durch die Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ – Drucks. 18/4716 –
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten gestern Vormittag bereits unter Tagesordnungspunkt 62 mit der Drucks. 18/4708 einen Dringlichen Antrag zum gleichen Thema hier eingereicht. Wir bitten, diesen Antrag jetzt mit aufzurufen. Wir beantragen gleichzeitig, dass unser Antrag in diese Debatte einbezogen und dann auch direkt abgestimmt wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Schaus. Gibt es zu diesem Verfahren Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann machen wir das so.
Fünf Minuten Redezeit haben wir vereinbart. Allerdings liegt mir keine Wortmeldung vor. – Doch, Herr Kollege Schaus, bitte.
Der Hessische Landtag verurteilt mit tiefster Empörung die menschenverachtenden Verbrechen der Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“. Der Hessische Landtag nimmt Anteil am Leid der Opfer und dem Leid ihrer Familien. Sie müssen nun die volle gesellschaftliche Solidarität erhalten und können die vollständige politische und juristische Aufklärung aller Hintergründe sowie eine Verurteilung der Täter und Unterstützer dieses rechten Terrors zu Recht erwarten.
Meine Damen und Herren, das ist der erste Absatz unseres Antrages. Dies ist die wörtliche Formulierung, die wir gestern unmittelbar nach den dramatischen Veröffentlichungen über den faschistischen Terror hier im Landtag eingebracht haben. Es ist unfassbar, dass diese Verbrechen in Hessen und Deutschland über zehn Jahre lang unerkannt und ungeahnt geschehen konnten.
Ich stimme den Ausführungen des Innenministers vom gestrigen Tage ausdrücklich zu, dass es nämlich schlimmer ist, dass die Opfer von den Ermittlern sogar kriminalisiert wurden, indem man ihnen und ihren Familien Verbindungen zur Mafia unterstellte und alle Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund offensichtlich ignorierte. Das ist für uns alle beschämend. Sicherheitsbehörden und Politik haben in ihren Prognosen und ihrem Schutzauftrag an dieser Stelle völlig versagt.
Dort, wo Menschen kaltblütig hingerichtet werden, von „Dönermorden“ zu sprechen ist für uns alle inakzeptabel.
Meine Damen und Herren, ich hätte mir sehr gewünscht, dass der Landtag an einem so zentralen Punkt kein parteipolitisches Spiel betreibt und geschlossen gegen den rechten Terror auftritt. Es ist mir unverständlich, warum Sie im Geheimen einen Antrag ausgehandelt und uns diesen heute eine Stunde vorher auf den Tisch gelegt haben.
Ich will mich aber auf Ihren Antrag beziehen. Denn in vielen Punkten können wir dem auch zustimmen. Wenn es im Antrag heißt, mit den Anschlägen sei eine „neue Dimension rechtsextremistischer Bedrohung“ erkennbar, dann stimmen wir dem zu – allerdings mit der Anmerkung, dass dies nicht neu ist, sondern dass eben diese besondere rechtsextremistische Bedrohung schon seit vielen Jahren besteht.
Wenn es im Antrag heißt, dass wir „entsetzt [sind] über die zutage getretenen fremdenfeindlichen Hintergründe“, dann glaube ich, dass es an dieser Stelle auch notwendig ist, dass wir, alle Parteien, gesellschaftlichen Gruppierungen und Organisationen, uns hier klarmachen, dass wir selbst aufgefordert sind, auf allen Ebenen aktiv für eine ausländerfreundliche und solidarische Gesellschaft zu werben und einzutreten.
Dies bedeutet auch, sehr genau darauf zu achten, wie wir mit unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern umgehen, und entsprechenden Stammtischparolen entgegenzutreten.
Wenn es im Antrag weiter heißt, dass wir für eine wirklich „freie und offene Gesellschaft“ eintreten und dass dies als „überragendes Gut“ zu verstehen ist, dann stimmen wir dem zu. Auch wir wollen eine vollständige, rückhaltlose öffentliche Aufklärung der Vorgänge. Wir sind der Meinung, dass das Eingeständnis, dass jetzt im Antrag auch der Innenausschuss richtigerweise in diese Aufarbeitung einbezogen wird, natürlich auch ein Überdenken und ein Eingeständnis ist, dass es die Parlamentarische Kontrollkommission in der Vergangenheit nicht leisten konnte, diese Kontrolle auch tatsächlich auszuüben.
Wir begrüßen es deshalb ausdrücklich, dass der Innenausschuss – und ich setze hinzu: in öffentlicher Sitzung – hier
eine Aufklärung betreibt. Wir hoffen sehr, dass auch die zugesagte laufende Berichterstattung durch die Regierung zu all diesen Fragen zeitnah erfolgt.
Auf dieser Grundlage und in diesem Sinne werden wir, die Mitglieder der LINKEN, diesem Dringlichen Entschließungsantrag zustimmen, obwohl wir nicht der Parlamentarischen Kontrollkommission angehören.
Herr Kollege Schaus, vielen Dank. – Nächster Redner ist Herr Kollege Bellino. Er spricht für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was bisher über die Taten bekannt geworden ist, erschüttert und entsetzt. Das menschliche Leid ist unermesslich. Rechtsterrorismus ist eine Schande für unser Land.
Solche Taten lassen nur eine einzige Reaktion zu: Wir müssen uns mit Abscheu von diesen Verbrechen abwenden. Wir müssen alles tun, um aufzuklären. Wir müssen alles tun, um solche Taten zu verhindern.