Protocol of the Session on April 21, 2009

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger berechnet, dass alleine die Anhebung der Staatsquote auf das europäische Durchschnittsniveau Bund und Ländern 85 Milliarden c

Mehreinnahmen brächte. Dass dies nicht geschieht, ist verheerend und tragisch zugleich. Sie haben diese Mittel im Wesentlichen den Vermögenden und Großunternehmen geschenkt, die damit die Blasen gefüllt haben, die jetzt spektakulär platzen und uns in die jetzige Krise gebracht haben. Jemand, der bei denen, die Vermögen haben, das Geld nicht abschöpft und wieder dem volkswirtschaftlichen Kreislauf durch Stärkung der Massenkaufkraft zuführt – das ist nämlich der Sinn – –

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Können Sie „abschöpfen“ inhaltlich definieren?)

Abschöpfen heißt Steuerpolitik betreiben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Konkret?)

Konkret könnte man sagen:Nicht,wie die SPD jetzt vorschlägt, den Spitzensteuersatz auf 47 %, sondern beispielsweise wie damals unter Helmut Kohl auf 53 % anheben.

(Clemens Reif (CDU):Wieso nur auf 53 %?)

Das ist auch eine Überlegung.Aber wir könnten einmal anfangen bei Helmut Kohl. Das wäre schon mal ein Anfang.

(Hermann Schaus (DIE LINKE), zur CDU gewandt:Wofür sind Sie?)

Wenn Sie für höhere Steuersätze sind, werde ich Ihnen nicht widersprechen, Herr Reif.

Jemand, der bei denen, die Vermögen haben, das Geld nicht abschöpft und wieder dem volkswirtschaftlichen Kreislauf durch Stärkung der Massenkaufkraft zuführt,ist mitschuldig an dem Platzen dieser Spekulationsblasen. Das sind Sie, die diese Politik zu verantworten haben.

(Clemens Reif (CDU): Erst einmal alles enteignen?)

Wir werden vorschlagen, dass die Hessische Landesregierung eine Initiative in den Bundesrat einbringt,die erstens die Wiedereinführung der Vermögensteuer und zweitens eine angemessene, leistungsgerechte Erbschaftsteuer beinhaltet.

(Beifall bei der LINKEN)

Rund 200 Milliarden c werden zurzeit jährlich in Deutschland vererbt, Tendenz steigend. Gerade einmal 4 Milliarden c brachte die Erbschaftsteuer bislang ein. Die Erbschaftsteuer liegt momentan bei 1 %, bezogen auf das gesamte vererbte Vermögen. Das ist viel zu wenig. Würden Erbschaften in Deutschland so besteuert wie in Frankreich, müsste die Steuer bundesweit 12 Milliarden c einbringen.

Wir wollen mit dieser Erbschaftsteuer zusätzliche Einnahmen erzielen.Große Erbschaften sollen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer muss sozial gerecht sein, und ihr Potenzial muss endlich genutzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Summa summarum hätte Hessen mit dieser Steuerinitiative ca. 1,8 Milliarden c Mehreinnahmen für ein handlungsfähiges solidarisches Gemeinwesen mit Zukunftsinvestitionen in Bildung, Umwelt und Soziales. – Wenn Sie also wieder einmal die Frage stellen,womit die Vorschläge unserer Fraktion finanziert werden sollen: Hier hatten Sie die Antwort.

Mit unseren Vorstellungen sind wir übrigens in guter Gesellschaft. Es gibt ein interessantes Papier mit dem Titel „Reichtum nutzen,Armut bekämpfen, Mittelschicht stärken“. Dieses Papier haben unter anderem die Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin, der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in Siegen, Günter Hensch, und Margret Mönig-Raane von ver.di unterschrieben. Frau Präsidentin, lassen Sie mich kurz einige Zitate daraus bringen, damit erkennbar wird, wie wichtig es ist,eine Bündnispolitik in dieser Richtung zu betreiben.

(Clemens Reif (CDU): Könnten Sie eigentlich einmal das SED-Geld an den Staat zurückführen?)

Ich habe das leider nie gekriegt. Herr Reif, Sie waren wahrscheinlich näher dran als ich. Das wird wahrscheinlich so gewesen sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie fordern dort, dass wir durch gerechte Steuern in diesem Lande wieder vorwärtskommen können, unter anderem durch die

Wiedereinführung der Vermögensteuer, weil bereits ein Vermögensteuersatz von 1 %

Herr Reif, hören Sie zu, das ist nicht von mir, sondern von wichtigen Sozialdemokraten, die einen Vorschlag gemacht haben –

zu Mehreinnahmen von 16 Milliarden c führen würde (bei einem Freibetrag von 500.000 c),

immerhin,das kann man schon als eigenes Häuschen bezeichnen –

die für Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung verwendet werden.

Sie fordern eine

Ausgestaltung der Erbschaftsteuer mit dem Ziel eines Aufkommens von wenigstens 10 Milliarden c, bei hohen Freibeträgen für Ehegatten und Kinder.

Sie fordern, die Steueroasen trockenzulegen:

Verstärkte Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch personelle Verstärkung bei Betriebsprüfungen sowie Steuerfahndung durch die Länder und Erhöhung des politischen Drucks auf internationaler Ebene.

Diese klugen Sozialdemokraten fordern in ihrem Papier schließlich die

Neujustierung der Progression bei der Einkommensteuer. Die unteren und mittleren Einkommen müssen entlastet, höchste Einkommen stärker belastet werden.

Das ist auch unsere Meinung.

(Beifall bei der LINKEN – Hermann Schaus (DIE LINKE), zur SPD gewandt:Wo bleibt der Beifall?)

Aber stattdessen überbieten sich SPD,CDU/CSU und natürlich die FDP in einem Steuerdumpingwettbewerb. Kurz vor den Bundestagswahlen werden von Ihren Parteien den Wählerinnen und Wählern Steuergeschenke wie auf dem Fischmarkt feilgeboten.Die Rechnung zahlen die Kassen von Bund und Ländern.

Mit einer Initiative zur Steuergerechtigkeit wollen wir zudem mit der Schaffung von zusätzlichen Stellen für Betriebsprüfer und Steuerfahnder den Vollzug der Gesetze

stärken und zusätzliche Einnahmen gewinnen. Eine entsprechende Initiative hatten wir schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht. Lassen Sie also das Versprechen von Steuergerechtigkeit einmal konkret werden. Im Entwurf des Landeshaushalts ist dies eine Nullnummer.

Stattdessen werden die Ausbildungskapazitäten des Studienzentrums der Finanzwirtschaft in Rotenburg an der Fulda durch Personalkürzungen beschränkt, und es soll bei den kommenden Steuerinspektoren des gehobenen Dienstes gekürzt werden. Dies werden wir nicht akzeptieren. Immer noch ist Hessen eines der Schlusslichter bei einzelnen Bundesvergleichen für Prüfungspflichten.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Bei der Umsatzsteuerprüfung kommen auf einen Prüfer 4.172 Unternehmen. Damit ist Hessen und sind somit auch Sie, Herr Finanzminister, nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft bundesweit Schlusslicht in Sachen Steuergerechtigkeit. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn das Land Hessen 2,5 Milliarden c Schulden aufnimmt und dann nicht einmal die Einnahmemöglichkeiten, die es hat, optimal nutzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen und einen Ausblick auf die kommenden Beratungen werfen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Wir begrüßen ausdrücklich, dass allen Fraktionen, zumindest denen der Opposition, durch die Beratungsleistungen des Budgetbüros tatkräftige Unterstützung gegeben wird. Was wir jedoch hinsichtlich der Transparenz und Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit am Entwurf des Landeshaushaltes kritisieren, sind die absoluten Verzerrungen des Aussagegehaltes der Haushaltsangaben durch immer wieder neue Berechnungen der Vorsorgeprämien und die Verweigerung des Vorhaltens konkreter Leistungsergebnisse bei den Leistungsindikatoren.Ich gewinne den Eindruck, dass durch solch einen Haushaltsentwurf mehr verdeckt und gemogelt wird, als dass das Parlament befähigt wird, sein Haushaltssatzungsrecht umfassend wahrzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schlussendlich bleibt als Fazit dieses Haushaltsentwurfs stehen, dass sich diese Landesregierung irgendwie durchmogelt, die alte unsoziale Politik der „Operation düstere Zukunft“ trotz einzelner kosmetischer Korrekturen weiterhin Dogma bleibt und Privatisierungspolitik trotz Finanzkrise und desaströsem Marktversagen Kern Ihres Handelns ist. Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Weimar, sich hinter dem vermeintlich ausufernden Kommunalen Finanzausgleich, dem Länderfinanzausgleich und sinkenden Steuereinnahmen verstecken wollen.Vielmehr sind Antworten auf die Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftskrise gefragt.

Wir werden als Fraktion unseren Beitrag für eine moderne solidarische Politik leisten.Es liegt an Ihnen,unsere Vorschläge für mehr Bildungsinvestitionen, auch in Personal, für soziale Gerechtigkeit, für nachhaltige Entwicklung,für Beschäftigung und Umwelt,für kleinere Klassen, kleinere Gruppen in Schulen und Kindergärten, für die Einführung eines Sozialtickets für bedürftige Menschen oder für die Etablierung eines Antiarmutprogramms aufzunehmen. Gerade in Zeiten wie diesen muss die Massenkaufkraft bei den Beziehern niedriger Einkommen auch aus konjunkturpolitischen Gründen gestärkt werden.Wir

dürfen die Schwachen nicht für das Versagen der Leistungseliten in den Vorstandsetagen und Banken bezahlen lassen, sondern wir müssen endlich eine Umverteilung von oben nach unten bewerkstelligen.

(Beifall bei der LINKEN)