Wenn Sie jetzt auch noch von einem souveränen Staat als antizyklischem Akteur reden, dabei zeitgleich die Privatisierung im Bildungsbereich durch staatliche Förderung von Eliteschmieden wie der EBS ausweiten, Public-Private-Partnership-Projekte trotz gestiegener Bedenken fortführen und dann noch in der Zeit der größten Nettokreditaufnahme in Höhe von 2,5 Milliarden c das Neuverschuldungsverbot in der Verfassung des Bundes und Hessens festschreiben wollen, dann sparen und privatisieren Sie das hessische Gemeinwesen zugrunde.
In unseren Augen, in den Augen der Linksfraktion, hat dieser Haushalt drei Grundfehler. Erstens. Durch die grundsätzliche Ausweitung der Investitionssumme als Zeichen einer,wenn auch zaghaften und zögerlichen,antizyklischen Politik ohne ein nennenswertes leistungs- und aufgabengerecht ausgestaltetes Steuersystem wird der Staat über kurz oder lang ausgehungert.
Übrigens trägt hierfür nicht allein die Landesregierung die Verantwortung. Ich möchte daran erinnern: Insgesamt verliert der hessische Haushalt durch die Steuerpolitik der Bundesregierungen unter Schröder und Merkel dieses Jahr 1,537 Milliarden c.Von 1998 bis 2008, also in den zehn Jahren Bundesregierung von SPD, CDU und GRÜNEN unter Applaus und stetiger Komplizenschaft der FDP und der Hessischen Landesregierung, mussten die Hessen für die Steuergeschenke an Unternehmen und Vermögende zahlen. Unter dem Motto: „Wann wir zahlen Seit an Seit“, dürfen die Steuerzahler die Zeche für die ökonomische Elite zahlen. Das ist die Vorstellung des Kasinosozialismus für Reiche, die wir ablehnen.
Es ist ein politischer und gesellschaftlicher Skandal, wenn das Gemeinwesen ausgehungert wird, während andererseits exklusiv und in Hinterzimmern in Gesprächen für Großbanken und Großunternehmen bis zu 800 Milliarden c öffentliches Geld ausgeschüttet werden. Wir werden es nicht zulassen,dass die Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Beschäftigten und Transferleistungsempfänger abgewälzt werden.
Zweitens. Mit diesem Landeshaushalt und der von dieser Landesregierung forcierten Schuldenbremse liegt Ihnen ein enger Schuldenbegriff vor,der die Investitionen in Bildung formal ausweitet, aber die Ursachen des hessischen Bildungsfiaskos, nämlich den chronisch unterfinanzierten Bildungssektor sowie das vermurkste preußische dreigliedrige Schulsystem, beibehält. Der Umbau von Schul- und Hochschulgebäuden ersetzt nicht den dringend notwendigen Umbau des Bildungssystems.Eine gute Schule für alle ist nötiger denn je.
In Sachen sozialer Gerechtigkeit ist von dieser Regierung auch in diesem Haushalt nichts zu sehen. Nicht einmal das einzig konkrete sozialpolitische Versprechen dieser Koalitionsparteien, die Erarbeitung eines aussagekräftigen Armutsberichtes, ist im Haushalt enthalten. Stattdessen werden die Beschäftigungsprogramme trotz täglich steigender Arbeitslosenzahlen gerade einmal wie immer gehalten. Konzeptionelle Antworten auf die kommende Krise im Ausbildungsbereich, auf dem Arbeitsmarkt oder auf das sich verschärfende Verharren von Langzeitarbeitslosen in der Beschäftigungslosigkeit sind in diesem Haushalt nicht zu finden. Hessen braucht jetzt erst recht ein Antiarmutsprogramm, existenzsichernde Mindestlöhne und ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, das Menschen wieder Chancen zur Erwerbstätigkeit bietet.
Die Antwort dieser Landesregierung auf die selbst verursachte Sozial- und Bildungskrise ist die Subventionierung von privaten Eliteschulen wie der European Business School, die Kürzung von Geldern an Sozialträger wie den Landeswohlfahrtsverband und die Beibehaltung des Dogmas der „Operation düstere Zukunft“. Weiterhin müssen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Verzicht üben, steht die Verschleuderung des Landesvermögens auf der politischen Agenda und sind Sozialprogramme in Hessen chronisch unterfinanziert.
Der Anteil der aktiven Personalkosten, d. h. ohne Versorgungsausgaben, an den bereinigten Gesamtausgaben ist von 38,3 % im Jahre 2004 auf Planwerte von 29,21 % in diesem Jahr drastisch gesunken. Auch die kleine Kosmetik des Tarifvertrages und die in Aussicht gestellte Übertragung auf die Beamten verkleistern nicht, dass diese Landesregierung den Landeshaushalt auf dem Rücken ihrer Arbeiter,Angestellten und Beamten konsolidiert.
Konsolidiert auf Kosten der Beschäftigten. Das ist die „düstere Zukunft“ von 2003, das ist die Fortsetzung der gleichen Politik.
Dieser kochschen Umverteilung von unten nach oben werden wir konsequent Widerstand entgegensetzen. Der Einstieg in die Solidargemeinschaft der Tarifverträge der Länder bleibt ein Muss.
Drittens. Diese Landesregierung gibt mit diesem Landeshaushalt nur zögerliche, falsche oder keine Antworten auf die Wirtschafts- und Finanzkrise.
In Zeiten historisch wachsender Arbeitslosenzahlen,drastisch sinkender Wirtschaftsleistungen und steigender Verunsicherung der Menschen gibt diese Landesregierung – außer der vorgesehenen Ausweitung von Bürgschaften und Investitionsausgaben – keine Antwort auf die Wirtschaftskrise. Es ist schon interessant, dass – außer der Ankündigung von Investitionsprojekten in Infrastruktur, dem Verpflanzen fragwürdiger Industrieleuchttürme und einer wahrhaft popeligen Aufstockung des Beschäftigungsprogramms um 1,1 Millionen c – keinerlei Ideen oder Vorstellungen für aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik existieren.
Dabei wächst die Krise immer weiter an. Die Wirtschaftsinstitute erwarten einen drastischen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 5 % auch für Hessen.Allein im März ist in Hessen für fast 50.000 Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt worden, und die Anzahl der Arbeitslosen ist schon jetzt um Tausende gestiegen. Das ist erst der Anfang eines großen Arbeitslosenheeres; dies prognostizieren sämtliche relevanten Wirtschaftsinstitute.
Es ist nicht lange her, dass uns an vielen hessischen Wegen der Spruch entgegentrat: „In Zeiten wie diesen kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz“. Momentan entsteht bei uns der Eindruck, dass hier nur um Ministerposten gekämpft wurde und diese Landesregierung sich darin erschöpft, in aller Öffentlichkeit über die Opel-Rettung ordnungspolitisch zu debattieren, jedoch außerhalb dessen kaum etwas für die Menschen im Lande getan wird.
Ich befürchte, dass die Opel-Rettungsgedanken wahrscheinlich nur bis zum 27. September 2009 tragfähig sind. Das ist das Los, das bei der Opel-Rettung immer noch mitschwingt.
Was kann denn ein Arbeitsloser oder Hartz-IV-Empfänger von dieser Landesregierung erwarten? Was tut denn diese Regierung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen, was tut diese Regierung für ein nachhaltiges, solidarisches und gerechtes Bildungs-, Sozial- und Umweltsystem? Diese Fragen bleiben beim bisherigen Lesen des Haushaltsplans offen und unbeantwortet. Es bleibt zu hoffen, dass die Alternativen der Opposition für eine aktive, öffentlich geförderte Beschäftigungspolitik oder die progressive Beteiligung des Staates an gesunden, durch die Finanzkrise gefährdeten Unternehmen nicht der ideologischen Borniertheit der Mehrheitsfraktionen zum Opfer fallen. Dazu ist die wirtschaftliche Situation zu ernst und sind gerade jetzt die Erwartungen der Menschen an die Politik zu groß, als dass sie an der Ignoranz von Regierungsmehrheiten scheitern sollten.
Herr Minister Weimar, dabei sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass Ihre ambitionierten finanzpolitischen Ziele der mittelfristigen Konsolidierung der hessischen Landesfinanzen, Ihre scheinbare Investitionsfreudigkeit und Ihre Vorstellungen von Steuerpolitik mit denen Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung schlicht unvereinbar sind – oder Sie wollen ganz bewusst die Öffentlichkeit täuschen. Es ist schlichtweg eine Quadratur des Kreises, jetzt Investitionen in Höhe von 1,7 Milliarden c durch Pump 30 Jahre lang abzufinanzieren, im Bundesrat als Hessische Landesregierung Erklärungen für weitere Steuersenkungen abzugeben und dann gleich noch die verfassungswidrige und verheerende sogenannte Schuldenbremse für Hessen ab 2020 zu unterstützen. Das ist schon angesichts der Herausforderungen an verantwortungsbewusstes staatliches Handeln eine Zumutung.
Erklären Sie doch bitte anhand Ihrer mittelfristigen Finanzplanung, wie Sie die strukturelle Verschuldung von mehr als 1 Milliarde c abbauen wollen, ohne staatliche Leistungen wegzukürzen. In der jetzigen Finanzplanung lesen wir nur bestenfalls als optimistisch zu bezeichnende Steuereinnahmenzuwächse für das Land Hessen in Höhe
von 781 Millionen c für das Jahr 2010 und 1,27 Milliarden c für 2011. Inwieweit diese Zahlen mit den Steuerkürzungsprogrammen von FDP und CDU, der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung oder den Resultaten der großen neoliberalen Steuersenkungskoalition vereinbar sind, möchte ich arg in Zweifel ziehen. Dabei stehen schon die diesjährigen Steuererwartungen auf wackligen Füßen und werden spätestens nach der Mai-Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzungen überholt sein.
Oder wollen Sie etwa noch mehr öffentliches Eigentum ab 2010 verscherbeln? Es scheint so, als ob Leo III nur vertagt wurde und der schwarz-gelbe Privatisierungswahn in den Startlöchern verharrt und schon mit den Füßen scharrt. Dass Sie trotz der rasanten Kritik an PPP-Projekten und der schwierigeren Finanzbedingungen auch noch mehr Mittel für Personal im Bereich Public-Private-Partnership-Projekte zur Verfügung stellen und dann die hessischen Steuerzahler 100.000 c für eine Lobbyvereinigung der Privatwirtschaft wie die Öffentliche Partnerschaft Deutschland AG, wie im Einzelplan 17 nachzulesen, berappen darf, grenzt schon an Privatisierungswahn. Dass Sie dann auch noch durch die Finanzplanung ab 2011 den Kommunen durch Ihre Politik 400 Millionen c plus ca. 40 bis 50 Millionen c Zwangsbeiträge für das Sonderinvestitionsprogramm, fast eine halbe Milliarde c durch rabiate Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs wegnehmen wollen, beweist wiederum nur eines: Diese Regierung saniert sich zulasten der Kommunen und zögert so ihr finanzpolitisches Versagen nur hinaus.
Wie bei Leo I und II einmalige Einnahmen zulasten jährlicher Mehrausgaben für Mieten von mehr als 300 Millionen c als finanzpolitischer Erfolg gefeiert wurden, brüstet sich diese Landesregierung über das geplante spitze Abrechnen von kommunalen Einnahmen mit Einnahmen der Landesregierung. Ich prophezeie Ihnen schon jetzt, dass diese Rotstiftpolitik zulasten der Kommunen den Ausnahmefall der Haushaltssperre und Einsparauflagen zum Regelfall in der hessischen Politik machen wird.
Damit tragen Sie die Verantwortung für die kommende politische Handlungsunfähigkeit und Kürzungsorgien in den hessischen Kommunen. Schon jetzt sind im Schnitt der letzten Jahre mehr als 200 Gemeinden defizitär und haben wir ein strukturelles Finanzproblem der Landkreise in den ärmeren Regionen.
Nein, das ist so. – Folge Ihrer Kürzungspolitik des Kommunalen Finanzausgleichs wird die Schlechterstellung der armen Kommunen und das Ansteigen von kommunalen Gebühren sein. Damit bezahlen wieder die Eltern von Kindern in Schulen und Kitas mit ihren Gebühren für Ihre Konsolidierungserfolge und wird die Armut vieler kommunaler Kassen zementiert. Sie lassen mit dieser Kürzungspolitik die hessischen Kommunen und Menschen im Stich. Wenn das Ihre Vorstellung von einer neuen Selbstverantwortung ist,fällt mir nur eines ein:gute Nacht Hessen.
Aber es gibt auch Trost. Immerhin feiern wir gemeinsam mit den mutigen Initiativen – zum Schluss gehörten selbst die GRÜNEN dazu – am 28. April ein kleines Fest, weil wir im Jahr 2003 in Frankfurt am Main verhindert haben, dass die U-Bahn dem Cross-Border-Leasing zum Opfer
Aber kommen wir noch einmal auf das eigentliche Grundproblem dieser Landesregierung zu sprechen. Ich möchte dabei eines voranstellen. Unsere Fraktion wird in ihrer ersten Haushaltsberatung konstruktiv an den Beratungen teilnehmen und eigene Gestaltungsinitiativen für eine nachhaltige Umweltpolitik, gute Bildung und soziale Gerechtigkeit für alle in die Debatte einbringen. Dabei werden wir die politischen Prioritäten der Landesregierung genau prüfen und sämtlicher forcierter Privatisierung, Deregulierung und Sozialabbau Widerstand entgegensetzen.
Was wir jedoch nicht mitmachen werden – das in Richtung SPD und GRÜNE –, ist das Wetteifern um den besten Sparkommissar. Wir werden als Fraktion konkrete Einsparungs- und Umverteilungsvorschläge einbringen, die jederzeit machbar sind. Dabei stellen wir uns der Frage, ob denn das hessische Gemeinwesen ausreichend finanziert ist, um seine Aufgaben zuverlässig, bürgernah und demokratisch zu erfüllen.
Das Grundproblem dieser Landesregierung ist nicht der immer wieder hochgehaltene Länderfinanzausgleich oder die vermeintlich in Geld schwimmenden Kommunen, sondern die unsoziale Steuerpolitik der Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte.
Unsere Fraktion wird deshalb parallel zu den Beratungen einen Antrag mit dem Titel „Solidarische Finanzierung sichern – Reichtum gerecht verteilen“ einbringen, um Ihnen, Herr Weimar, ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Ihr Haushalt reiht sich ein in die Reihe anderer Landeshaushalte, die alle eine Politik der Staatsauszehrung betreiben. Das gilt im Übrigen auch für den Bundeshaushalt. Diese Politik der Staatsauszehrung ist das Resultat der ganz großen Koalition, die dieses Land faktisch schon länger als seit 2005 regiert. Diese Politik der Staatsaushungerung hat Deutschland und Hessen unsozialer,ärmer und kälter gemacht. Den Jahrzehnten der Entstaatlichung darf nicht der Hungertod auf Raten folgen.
Wir hatten, wie Sie alle wissen, 1999 bundesweit eine Staatsquote von 48,1 %.Wir haben jetzt noch eine Staatsquote von 43,9 %.
Hessen bewegt sich dabei vollkommen im Tross der Bundesrepublik Deutschland, die sich in der Frage der Staatsquote insgesamt vom Niveau Kontinentaleuropas und Skandinaviens wegbewegt zum Niveau von Schwellenländern wie der Türkei oder Litauen.
Durch diese Steuersenkungspolitik entstehen dem Land Hessen und den hessischen Kommunen jährlich mehr als 1 Milliarde c an Verlusten, die Ihre Parteien seit 1998 in Bundestag und Bundesrat politisch zu verantworten haben.
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger berechnet, dass alleine die Anhebung der Staatsquote auf das europäische Durchschnittsniveau Bund und Ländern 85 Milliarden c