Protocol of the Session on April 21, 2009

Für die Landesregierung und ihre Parlamentsmehrheit ist das alles nur eine Frage der Darstellung – und die glauben Sie mit einer hinreichenden Zahl von Mätzchen und sonstigen coolen Sprüchen so gestalten zu können, dass Sie sich dahinter wirklich alles erlauben.

Meine Damen und Herren, das beste Beispiel dafür ist die Zieldefinition der hessischen Finanzpolitik der Regierungen Koch – so muss ich ja sagen –, wie wir sie seit Jahren im Haushaltsplan, Einzelplan 06 und auch 17, im ersten Satz nachlesen können.Angesichts der heute vom Finanzminister präsentierten Zahlen bedeutet diese Zielbeschreibung nach meiner Auffassung eine Unverschämtheit, die kaum noch zu überbieten ist. Ich lese Ihnen diesen Text vor:

In seiner Finanzpolitik lässt sich Hessen von der Verantwortung für heutige und kommende Generationen mit dem Ziel leiten, letztere nicht stärker

zu belasten, als es eine verantwortungsbewusste finanzielle Konsolidierungspolitik erlaubt.

Meine Damen und Herren, der verehrte ehemalige Kollege Roland von Hunnius – den nach dem Auftritt seines Nachfolgers Major Tom Leif Blum nicht nur ich äußerst schmerzlich vermisse –

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

hat bei einer Debatte, wie wir sie gerade führen, sehr eindrucksvoll nachgewiesen, dass trotz der zitierten Vorgabe überhaupt keine Rede von Konsolidierung sein kann, wenn die Neuverschuldung Jahr für Jahr steigt.

Genau dies ist auch die Diagnose für die letzten Jahre, bis hin zu diesem Haushaltsentwurf 2009. Wo war, wo ist da auch nur ein winziges Quäntchen an Konsolidierung? Schauen Sie hin – Sie finden nichts, rein gar nichts.

Meine Damen und Herren, die weimarsche „Konsolidierung“ erkennt man an folgenden Zahlen – ich nehme die Istwerte und nicht die Sollzahlen, gemäß Haushaltsabschluss tatsächlich getätigte Nettokreditaufnahmen in den betreffenden Jahren –: 2006 waren es 582 Millionen c, 2007 waren es 745 Millionen c, 2008 waren es 894 Millionen c. Hier frage ich: Wer erkennt da den Konsolidierungskurs?

Im Jahr 2009 sind 2.505 Millionen c geplant. Ich gehe davon aus,dass der Wert für das Jahr 2008 bei dieser Planung nicht unterschritten wird, sodass wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein weiteres Jahr steigender Neuverschuldung haben.

Genauso wie der Kollege von Hunnius vor zwei Jahren stellen wir also heute fest: Konsolidierung verträgt sich nicht mit jährlich ansteigender Neuverschuldung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Diese Verwendung des Wortes „Konsolidierung“ ist eine vorsätzliche Täuschung.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Zahlen beschert uns der Text der Zielbeschreibung für das Oberziel des Finanzministeriums dann noch eine Steigerung an Unverfrorenheit. Als neuer Satz wird nämlich eingeschoben – ich zitiere –:

Hierzu dient auch ein in der Hessischen Verfassung zu verankerndes Verschuldungsverbot.

Meine Damen und Herren, das nenne ich wahrlich eine Verhöhnung der Hessischen Verfassung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die Sache wird dadurch noch deutlich schlimmer, dass es dem wohl geneigten politisch interessierten Leser des Haushalts – oder auch von Zeitungen oder dem Zuhörer der Debatte – in den Sinn kommen könnte, dass selbst dann, wenn man meiner Kritik im Prinzip zustimmt, für die Ankurbelung der Konjunktur doch ausnahmsweise eine Steigerung der Nettokreditaufnahme richtig sei.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Ja!)

Ja, dieser Auffassung kann man sein. Selbst wir GRÜNE, die Nachhaltigkeit als politisches Prinzip vertreten, stimmen einer Kreditfinanzierung von nachhaltigen Zukunftsinvestitionen durchaus zu.Aber das geliehene Geld muss dann auch für derartige Investitionen eingesetzt werden.

(Dr.Walter Arnold (CDU):Das wird es doch auch!)

Genau dies haben wir am weimarschen Haushaltsentwurf 2009 überprüft. Herr Kollege Dr.Arnold, das Ergebnis ist für uns wenig überraschend,aber sehr niederschmetternd.

Im Kapitel 17 03 des vorliegenden Haushaltsentwurfs finden wir zunächst die verlockende Überschrift „Hessisches Sonderinvestitionsprogramm und Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes“ sowie umfängliche Erläuterungen, wie und wofür Investitionen von am Ende insgesamt 2.611 Millionen c, also 2,6 Milliarden c, getätigt werden sollen;davon war bereits die Rede.Aber im Jahr 2009 sind von dieser beeindruckenden Summe noch nicht einmal 50 Millionen c vom Land finanziert.

Was heißt das? Das heißt doch nichts anderes,als dass von den neuen Schulden mehr als 2.450 Millionen c nicht der Finanzierung der Ankurbelung der Konjunktur über die Konjunkturprogramme dienen, sondern anderen Zwecken. Umgekehrt sollen lediglich 2 % der geplanten neuen Schulden wirklich zur Finanzierung des Konjunkturprogramms eingesetzt werden.

(Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Wahrheit!)

Das steht in Ihrem Haushalt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, da kommt natürlich sofort die Frage auf, welchen anderen Zwecken mit dieser gigantischen Neuverschuldung wirklich gedient werden soll.

So schließt sich der Kreis:Weimar ist gerettet. Sein strukturelles Defizit kann er neuerlich ein Jahr weiter schieben, und allen wird Sand in die Augen gestreut, denn unter dem großen Propagandaschirm der Ankurbelung der Konjunktur lässt sich alles ganz prima verstecken. Roland Koch strahlt und hat allen Grund, Karlheinz Weimar einmal wieder einen „prima Finanzminister“ zu nennen.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU – Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ihr seid das Orchester auf der Titanic!)

Meine Damen und Herren, Sie verstehen mich völlig falsch, wenn Sie aus meinen Äußerungen etwa eine gewisse Bewunderung für die weimarsche Cleverness oder für seine Überlebensstrategie als Finanzminister entnehmen wollen.

(Zurufe von der CDU)

Meine eigene mentale Einstellung – –

(Zurufe der Abg. Dr. Walter Arnold und Volker Hoff (CDU))

Herr Kollege Hoff, wir leben in der Zeit der Fiktionen, das scheint Ihnen auch so zu gehen.

Meine eigene mentale Einstellung zu dem, was uns der Finanzminister vorführt, ist ausschließlich Empörung, durchaus gepaart mit Verachtung.

Zu meinen Prinzipien und Überzeugungen, wie eine geordnete und solide Finanzwirtschaft auszusehen hat, steht dies vollständig konträr. Herr Finanzminister, das ist eindeutig zu tricky. So, wie Weimar dies tut, darf man nach meiner festen Überzeugung nicht mit dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger umspringen.

Dieser Haushalt – damit komme ich noch zu einem interessanten weiteren Kapitel – ist nach sechs Jahren erstmals wieder ein Koalitionshaushalt. Da ist es schon der Mühe

wert, einmal genauer zu betrachten, wie sich denn die segensreiche Mitwirkung des alten und neuen Partners jetzt auswirkt.

Gewiss hat die FDP in den vergangenen Jahren überwiegend die Kuschelopposition gegeben, doch der von mir schon erwähnte Name von Hunnius erinnert uns daran, dass in Haushaltsdebatten durchaus gelegentlich die Fetzen flogen und von ihm Haushaltswahrheit und -klarheit eingefordert wurden, genauso wie Sparsamkeit und Schuldenabbau. Sie erinnern sich noch an seine wunderbare Wortprägung: Nachdem die Regierung – das war damals die absolute Mehrheit der CDU – sich immer so über „Verfassungsbruch“ aufregte, sagte er: Dann sind wir ein Ideechen vornehmer und nennen es Konstitutionsfraktur. – Meine Damen und Herren, der Sachverhalt bleibt derselbe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie ich allerdings schon befürchtet hatte, stellt sich die wieder mitregierende FDP jetzt neu auf. Nicht wahr, mein Herren von der FDP, Sie werden nicht mehr gerne daran erinnert, was von Ihrer Seite so alles zum Landeshaushalt gefordert wurde? Denn das ist in etlichen Punkten das genaue Gegenteil von dem, was wir im vorliegenden Haushaltsentwurf jetzt finden.

(Günter Rudolph (SPD): Das haben die schon verdrängt!)

Aber Ihr Oppositionsgeschwätz stört Sie offensichtlich nicht. Sie knüpfen bruchlos an den letzten Koalitionshaushalt an. Damals unterstützte die FDP einen neuen Rekord bei der Neuverschuldung des Landes; dann musste sie fünf Jahre Opposition erleiden; jetzt ist sie wieder dabei und freut sich darüber, dasselbe tun zu können: einen neuerlichen Rekord an Neuverschuldung, 500 Millionen c mehr als beim letzten Mal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Herzlichen Glückwunsch, meine Herren von der FDP, herzliches Beileid, meine Damen und Herren! Wir alle werden das bezahlen müssen.

Durchaus in den Kontext der bei der ersten Lesung eines Haushalts üblichen Betrachtung der finanzwirtschaftlichen Aspekte passt auch der Blick auf die geplanten personalwirtschaftlichen Maßnahmen.

Im Vordergrund stehen dabei, zumindest in meiner Betrachtung, die Ressorts mit dem politischen Wechsel an der Spitze, also grundsätzlich die Einzelpläne 04, 05 und 07. Da man hier in der kurzen Zeit aber nicht alles darstellen und vorher auch analysieren kann, nehme ich exemplarisch den Einzelplan 05. Hier ist das Wirken des neuen Koalitionspartners der CDU besonders eindrucksvoll zu studieren – schließlich hat der langjährige Parteiund Fraktionsvorsitzende der FDP die Gesamtverantwortung.

Meine Damen und Herren, das Urteil als Ergebnis der Betrachtung der Stellenpläne fällt ebenso knapp wie eindeutig aus: Maßlosigkeit jenseits aller sachlichen Erfordernisse. Das scheint der Finanzminister ähnlich zu sehen, denn er hat vorhin bei seinem Vortrag im Justizbereich beim Einzelplan 05 zwar über den engeren Justizsektor gesprochen, aber weder über das Thema Europa noch über das Thema Integration. Darüber spreche ich jetzt.

(Minister Karlheinz Weimar: Gut!)

Zunächst musste eine zweite Staatssekretärsstelle geschaffen werden, die jährlich allein knapp 160.000 c kostet, ohne die zusätzlichen Kosten der Entourage, die man noch dazurechnen müsste.