Ich stelle fest: Insgesamt ist das ein Entwurf, der weit hinter den Möglichkeiten geblieben ist, die zu Beginn versprochen wurden. Das Schlimme an dem Entwurf ist, dass er zu den wirklich wichtigen Fragen, die uns alle gerade beschäftigen und die wir gerade beim Energiegipfel besprochen haben, bis zum heutigen Tage keinerlei Regelung vorsieht.
Ich halte fest: Es gibt keinerlei Änderung hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Ihr Gesetzentwurf wird als Gesetz dazu führen, dass hessische kommunal geführte Unternehmen einen Nachteil zu anderen aus anderen Bundesländern haben werden. Deswegen werden wir für Ablehnung Ihres Entwurfs stimmen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Tarek Al-Wazir und Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor fast genau einem Jahr legte unsere Fraktion als erste dieses Hauses weitreichende Gesetzentwürfe zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und der Hessischen Landkreisordnung vor, die im Wesentlichen auf den Erfahrungen unserer Kommunalpolitikerinnen und -politiker seit dem Jahr 2006 basieren. Wir sind der Auffassung, dass es das Ziel einer Reform der Kommunalverfassung sein muss, mehr Menschen an den demokratischen Prozessen vor Ort zu beteiligen und den Kommunen endlich wieder Handlungsspielräume für wirtschaftliche Betätigung zurückzugeben.
Genau diese Ziele verfolgen wir mit unseren Gesetzentwürfen. Dabei haben wir uns an bereits bestehenden Regelungen anderer Bundesländer, wie es sie etwa in Schleswig-Holstein, Thüringen oder Berlin gibt, orientiert. Konkret haben wir vorgeschlagen, einen Gemeindeantrag und ein kommunales Petitionsrecht mit den §§ 8b und 8e einzuführen, so wie es in anderen Bundesländern bereits bekannt ist. Den Gemeindeantrag gibt es z. B., so wie wir ihn vorgeschlagen haben, in ganz ähnlicher Form in 14 anderen Bundesländern.
Die Quoren für den Bürgerentscheid und das Bürgerbegehren wollen wir ebenfalls nach dem Vorbild Bayerns senken. Denn wir sind der Meinung, dass Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligung nur dann wirksam beseitigt werden können, wenn die Menschen umfassend und frühzeitig in die demokratischen Prozesse eingebunden werden.
Daher fordern wir das aktive Wahlrecht für alle Menschen ab dem 16. Lebensjahr, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft.
Ein zentrales Anliegen ist uns ebenfalls die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen. Meine Damen und Herren, Ihre Privatisierungsmaßnahmen sind kläglich gescheitert. Seit Jahren müssen immer mehr wichtige kommunale Einrichtungen geschlossen werden. Durch Privatisierung und vor allem durch die sogenannten ÖPP-Projekte werden die Kommunen und vor allem ihre Einwohner langfristig stärker belastet. Sie werden keinesfalls entlastet.
Wir fordern daher die Rückkehr zu einer Daseinsvorsorge in kommunaler Hand. Wir wollen eine effiziente und bezahlbare Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand erreichen, die allen Menschen in den Kommunen zugutekommt.
Wer demokratische Kommunen möchte, der muss auch die Stellung der gewählten Gemeindevertreterinnen und -vertreter deutlich stärken. Durch die starke Überschuldung der Kommunen haben die kommunalen Mandatsträger immer weniger Entscheidungsspielräume. Denn dann regiert die Kommunalaufsicht entscheidend mit.
Es ist daher dringend erforderlich, die kommunalen Mandatsträgerinnen und -träger in ihren Entscheidungsrechten zu stärken. Das gilt insbesondere für das Haushaltsrecht. Meine Damen und Herren der Regierung, das wollen Sie hingegen weiter einschränken. Für uns ist deshalb die Einführung einer weiteren Genehmigungspflicht für die Aufnahme von Kassenkrediten nicht akzeptabel.
Für uns zählt hierzu im Übrigen auch die Stärkung der Transparenz und der Informationsrechte der gewählten Mitglieder der Kommunalparlamente gegenüber ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern oder ihren Landrätinnen und Landräten. Da muss es einen Fortschritt geben. Das muss weiterentwickelt werden.
Aber nicht nur die gewählten Gemeindevertreterinnen und -vertreter haben ein Anrecht auf eine möglichst große Transparenz in der Kommunalpolitik. Vielmehr haben dies insbesondere die Einwohnerinnen und Einwohner. Diesem Recht wollen wir mit unseren Gesetzentwürfen in vollem Umfang Rechnung tragen, indem wir längere Auslegungsfristen für Satzungsentwürfe, eine Einengung der Ausschlussgründe für die Öffentlichkeit sowie eine Einbeziehung der neuen Medien bei den Veröffentlichungspflichten vorgesehen haben. Damit und mit der bereits erwähnten Ausweitung direkter Beteiligungsrechte wollen wir zu Transparenz und Mitbestimmung beitragen. Deswegen wollen wir auch die Beiräte mit Rede- und Antragsrechten deutlich stärken.
Lange bevor sich die Landesregierung und der Energiegipfel mit Fragen der Energieversorgung und des Klimaschutzes beschäftigten, hatten wir in unseren Gesetzentwürfen zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung und der Hessischen Landkreisordnung bereits die Einführung der Klimaschutz- und Energiebeauftragten vorgesehen. Lange bevor sich einige Abgeordnete, durch die schrecklichen Ereignisse in Fukushima wachgerüttelt, endlich auf öffentlichen Druck hin der breiten Mehrheit der Atomkraftgegner angeschlossen haben, haben wir bereits dazu aufgerufen, dass auch die Kommunen den Klimaschutz und den verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen als Pflichtaufgabe wahrnehmen.
Ein Jahr ist eine lange Zeit. Es ist in der Debatte um die hessische Kommunalverfassung in diesem einen Jahr sehr viel passiert.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Lesung unserer Gesetzentwürfe. Damals hieß es vonseiten der Mitglieder der CDU-Fraktion, dass wahrscheinlich kein einziger unserer Vorschläge jemals für die Städte, Gemeinden und Landkreise übernommen würde.
Nun, ganz sicher waren Sie sich ja schon damals nicht, schließlich sagten Sie auch nur „wahrscheinlich“. Sie sollten mit dieser Einschätzung auch recht behalten; denn ganz so abwegig können unsere Vorschläge offensichtlich doch nicht gewesen sein, wenn einige unserer Vorschläge von anderen Fraktionen dieses Hauses übernommen oder in der Sachverständigenanhörung im August auch von den Kommunalen Spitzenverbänden positiv aufgenommen wurden.
Wir jedenfalls waren im Laufe des Jahres gleich mehrfach erstaunt darüber, wie unsere Forderungen mehr und mehr Eingang in Gesetzentwürfe und Änderungsanträge von Ihnen gefunden haben. Die SPD nahm sich unserer Vor
schläge zu einem Einwohnerantrag in der HGO an und schlug – wie wir – ebenfalls eine deutliche Stärkung der Ausländerbeiräte durch ein Antragsrecht vor.
Besonders gefreut hat uns ebenfalls, dass die SPD auch unseren parlamentarischen Vorstoß nach einem gerechten kommunalen Wahlrecht für alle aufgegriffen hat;
denn selbst wenn es an dieser Stelle verfassungsrechtliche Bedenken gibt – dazu gab es vorhin einen Zwischenruf –, ist es notwendig, das Thema hier parlamentarisch zu besetzen und weiter voranzutreiben.
(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das werdet ihr im- mer noch fordern, wenn es euch nicht mehr gibt, aber es wird nicht kommen!)
Natürlich ist uns auch klar, dass wir das Problem des Wahlrechts für Drittstaatenangehörige nicht allein über die Hessische Gemeindeordnung werden lösen können, Tarek. Aber es muss einen Anstoß geben, diesen unsinnigen Status quo zu überwinden. Daran sollten wir uns möglichst alle beteiligen.
Bei CDU und FDP fanden wir plötzlich unsere Vorschläge zur Absenkung von Quoren wieder – die sie im November noch als Anbiederung an den aktuellen Protest bezeichnet hatten –, zum Internet als Kommunikationsmittel und zur Anstalt des öffentlichen Rechts, die unseren Vorschlägen zu Unternehmen des privaten Rechts und sonstigen Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts sehr ähnlich sind.
Erstaunt nahm ich darüber hinaus in Ihrem Änderungsantrag vom 2. November zur Kenntnis, dass Sie unseren Vorschlag zum Streamen – wie es Neudeutsch heißt – von Sitzungen der kommunalen Gremien grundsätzlich ermöglichen wollen. Sicherlich geht uns Ihre Formulierung noch nicht weit genug. Aber es ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Haben Sie schon einmal die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten gelesen?)
Ja, aber wir müssen auch nicht in allen Fällen mit dem Datenschutzbeauftragten in dieser Frage einer Meinung sein, Herr Kollege Frömmrich. – Ich habe Ihnen, meine Damen und Herren der CDU, im Mai meine Anerkennung für die Übernahme dieser Punkte aus unserem Gesetzentwurf ausgedrückt und Ihnen ein gewisses Maß an Lernfähigkeit attestiert. Sie hätten gut daran getan, diesen zaghaften, aber richtigen Schritt in Richtung demokratischer und wirtschaftlicher Kommunen weiterzugehen, statt auf halbem Wege umzudrehen und sich doch wieder einmal mehr in den entscheidenden Punkten den marktliberalen Radikalen der FDP zu unterwerfen.
Meine Damen und Herren, es geht nämlich nicht, dass Sie einerseits die Quoren bei Bürgerbegehren senken, diesen Ansatz aber durch die Erweiterung des Ausschlusskatalogs quasi durch die Hintertür wieder einschränken. Auch auf die Übernahme weiterer direktdemokratischer Elemente wie die Übernahme der Regelung direkter Demokratie auf Landkreisebene, die unter den Sachverständigen auf breite Zustimmung stieß, haben Sie leider gänzlich verzichtet.
Sehr große Hoffnung hatten wir nach den Diskussionen zum Hessischen Energiegipfel auf eine Änderung des § 121 der HGO gelegt. Wir hatten sogar ernsthaft erwartet, dass Sie nach der Anhörung der Sachverständigen im Innenausschuss nachdenken und den Kommunen wenigstens im Bereich der Energieversorgung, Nahwärme, Breitbandversorgung und Entsorgung ein größeres Maß an wirtschaftlicher Betätigung einräumen würden.
Mit Ihrem Vorschlag von FDPs Gnaden zur wirtschaftlichen Betätigung gegenüber den Kommunen – der ja noch immer nicht im Landtag eingebracht wurde – fallen Sie aber weit hinter die Forderungen der Kommunalen Spitzenverbände zurück. Sie lassen die hessischen Kommunen gegenüber Kommunen anderer Bundesländer – Frau Faeser hat es schon angesprochen – bewusst schlechter gestellt und führen zudem bewusst Rechtsunsicherheiten bei kommunaler Betätigung in das Gesetz ein.
Ihr bürokratisches Monster ist eine unpraktikable Kopfgeburt der FDP, die teilweise sogar eine Verschärfung der bestehenden Gesetzeslage beinhaltet. Sie ist vollkommen unbrauchbar und unhandlebar.
Sie haben nicht einmal die Minimalforderung der sogenannten kommunalen Familie zur wirtschaftlichen Betätigung aufgenommen – Ihnen ist die Sicherung der Profite der vier Energiegiganten offensichtlich wichtiger als die Verbesserung der Einnahmen der Kommunen.
Wir hingegen sind der Auffassung, dass den Kommunen das Recht eingeräumt werden muss, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.
Kein Wort von Ihnen zu unserem Vorschlag, das Konnexitätsprinzip – das Sie selbst in die Hessische Verfassung eingeführt haben – strikter als bisher anzuwenden. Der aktuelle untragbare Zustand hat doch mit dazu beigetragen, dass die Kommunen heute nicht einmal mehr 5 % ihrer Ausgaben selbst steuern können. Die völlig unzureichende Ausstattung der Kommunen kann nicht weiter hingenommen werden.