Ein Problem wäre auch, dass Biblis A nicht zurückgebaut werden könnte, weil es als externe Notstandswarte für Biblis B fungiert. Man darf auch nicht vergessen, dass die großen Vier über 80 % der Stromerzeugung kontrollieren. Das heißt, dass die großen Vier selbst bestimmen können, wann Engpässe auftreten: durch Kapazitätszurückhaltung und Nichtauslastung von Kraftwerken.
Frau Hammann hat es zu Recht angesprochen: Staudinger z. B. ist nicht ausgelastet. Damit hätten es die großen Vier selbst in der Hand; denn keine Behörde in Deutschland kann prüfen, ob Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke ausgelastet sind oder nicht. Das Bundeskartellamt hat am Anfang des Jahres versucht, das zu ermitteln, und einräumen müssen, dass das für eine Behörde kaum feststellbar ist.
Eine Kaltreserve ergibt weder technisch noch wirtschaftlich einen Sinn; denn ein AKW im Reservebetrieb müsste trotzdem weiterarbeiten und über die entsprechende Belegschaft verfügen. Es müsste aufwendig gewartet werden. Deswegen werden die Kosten für eine Kaltreserve auf über 50 Millionen € jährlich geschätzt. Diese Kosten werden bestimmt nicht RWE und E.ON tragen, weil sie sich so viele Sorgen über die Versorgungssicherheit in Deutschland machen, sondern das sind Gelder, die ver
Ich bin der Meinung, dass die Atomlobby in den letzten Jahren genug mit Steuergeldern gemästet wurde und dass die 50 Millionen €, die das Vorhalten einer Kaltreserve pro Jahr kosten würde, sehr viel besser im Ausbau der erneuerbaren Energien angelegt wären. Stattdessen sollen sie erneut an RWE oder E.ON für ihre uralten Schrottreaktoren überwiesen werden.
Um die Schwankungen bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen, eignen sich Wasser- oder Gaskraftwerke sehr viel besser. Sie sind schneller hoch- und runterzufahren, sie sind umweltfreundlicher, und sie haben einen höheren Wirkungsgrad. Im Vergleich dazu: Kohlekraftwerke erreichen einen Wirkungsgrad von kaum 40 %.
Nun hat die SPD-Fraktion diese Aktuelle Stunde beantragt, weil sie nicht will, dass ein Schrottmeiler zur Kaltreserve wird. Dieses Anliegen teilen wir.
Aber hier zeigt sich leider wieder ein Stück weit Ihre Inkonsequenz. Im Gegensatz zur LINKEN haben SPD und GRÜNE im Bundestag nämlich leider dem sogenannten Atomausstiegsgesetz der Bundesregierung zugestimmt. Im Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ist eben klar geregelt, dass die Bundesnetzagentur bis zum 1. September bestimmen kann, ob eines der stillgelegten Atomkraftwerke wieder in Betrieb genommen wird, um als Kaltreserve zu dienen. Die infrage kommenden Anlagen sind Biblis A und Biblis B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser, Philippsburg 1 und Krümmel.
Liebe Mitglieder der SPD-Fraktion, da muss man sich schon fragen: Welcher dieser Schrottmeiler sollte eigentlich als Kaltreserve infrage kommen? Vermutlich kam keiner dafür infrage, und deshalb stellt sich die Frage, warum Sie diesen Gesetzentwurf im Bundestag nicht abgelehnt haben. Diese Zustimmung rächt sich. Sollte die Bundesnetzagentur jetzt ein AKW zur Kaltreserve bestimmen, wäre das leider auf einen Gesetzentwurf zurückzuführen, dem vier Fraktionen im Bundestag zugestimmt haben.
Ich komme zum Schluss. Leider bleibt aufgrund dieses Gesetzes auch der Ausstieg aus dem Ausstieg möglich. Deswegen haben wir vorgeschlagen, den Verzicht auf die militärische und die zivile Nutzung der Atomkraft im Grundgesetz festzuschreiben. Wir wollen, dass auch die Urananreicherungsanlage Gronau und die Forschungsreaktoren stillgelegt werden, damit der Atomausstieg ein für alle Male besiegelt ist. Deswegen haben wir diesem sogenannten Atomausstiegsgesetz nicht zugestimmt. Ich glaube, es wäre besser gewesen, SPD und GRÜNE hätten in dieser Frage auf uns gehört.
Vielleicht merken Sie es sich für die Zukunft und lernen daraus. Dann machen wir in Zukunft solche Fehler nicht mehr. – Vielen Dank.
(Norbert Schmitt (SPD): Die Kaltreserve der FDP! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er wird gerade hochgefahren!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden noch einmal klären, wie die Begriffe „Kaltstart“, „Kaltstartfähigkeit“ und Ähnliches richtig angewandt werden.
Aber Frau Wissler hat einen richtigen Hinweis gegeben: Dieses Gremium ist leider nicht das richtige; denn wir haben weder die Möglichkeit, zu entscheiden, noch die Möglichkeit, die Bundesnetzagentur zu beeinflussen. Die Entscheidungskompetenz ist nämlich per Gesetz der Bundesnetzagentur, vertreten durch Matthias Kurth, SPD, zugewiesen. Er wird die endgültige Entscheidung treffen, ob ein solches Werk genutzt wird oder nicht.
Das heißt, wir können uns – im Übrigen genauso wie die Bundesregierung – Meinungen bilden, und wir können darüber reden, ob wir das gut finden sollen. Aber das hat zunächst einmal keinen Einfluss, weil, wie gesagt, die Bundesnetzagentur das bis zum 1. September bestimmen wird.
Trotzdem möchte ich hier einige Punkte ansprechen, damit wir wissen, wovon wir reden und warum wir überhaupt über dieses Problem diskutieren. Wir hatten im Jahr 2010 eine Jahreshöchstlast – das, was wir in Deutschland an Strom benötigten – von 75.933 MWh. Damit wir ein wirklich stabiles Stromnetz haben, brauchen wir eine gesicherte Leistung von 81.873 MWh pro Jahr. An gesicherter Leistung hatten wir im Jahr 2010 70.907 MWh plus dem, was mit den regenerativen Energien erzeugt wurde. So hatten wir im Jahr 2010 einen Überschuss von 2.261 MWh.
Wenn wir das mit der heutigen Situation vergleichen – die Zeit nach dem Ausstieg aus der Atomkraft –, stellen wir fest, dass die Zahlen, was die gesicherte Leistung angeht, in etwa gleich sind: ungefähr 80.000 MWh. Tatsächlich erbringen wir hier aber nur noch 53.000 MWh an gesicherter Leistung und haben damit bereits einen Importbedarf von 2.837 MWh.
Ich habe mir die Mühe gemacht, nachzuschauen. Das ist sehr einfach; dazu schaut man unter www.entsoe.net nach. Das ist die europäische Netzagentur. Am 23.08.2010 haben wir rund 5.000 MWh in andere Länder exportiert. Am gleichen Tag im Jahr 2011 – also gar nicht lange her – haben wir etwa 6.500 MWh importiert.
Dazu muss ich Ihnen auch noch sagen, dass weit über 80 % des Stroms aus Frankreich importiert werden. Wir alle wissen, dass in Frankreich der Strom zu 80 % in Atomkraftwerken erzeugt wird. Das ist möglicherweise nicht das, was wir erreichen wollten. Aber das steht auf einem anderen Blatt, und ich will diese Debatte nicht eröffnen.
Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein – das müssen wir der Öffentlichkeit auch sagen –, dass wir im Moment einen irrsinnig hohen Importbedarf haben: dass die Lei
tungen, die zwischen Frankreich und Deutschland verlaufen, glühen und dass sie notfalls auch irgendwann ausgebaut werden müssen. Ich habe gehört, Herr Al-Wazir hat durchaus die Meinung vertreten, dass wir eventuell Leitungen ausbauen müssten. Das ist auch richtig; denn so können wir den Strom importieren und die Kapazitäten erhöhen.
In Frankreich gibt es allerdings eine Besonderheit: Man heizt dort nämlich im Wesentlichen mit elektrischer Energie. Das heißt, im Winter werden sie uns die Strommengen nicht liefern können, die wir eigentlich benötigen. Deswegen muss man in der Tat darüber nachdenken, wie man den Strom ersetzt, den man nun auch nicht mehr importieren kann. Das ist unabhängig davon, ob wir Atomstrom importieren oder nicht.
Dazu sind Vorschläge gemacht worden. Frau Hammann hat die Kapazität des Kohlekraftwerks Staudinger genannt: ungefähr 600 MWh. Jetzt möchte ich aber nicht hören, dass das Dreckschleudern sind, sondern dass man sagt: Wir akzeptieren den CO2-Ausstoß. – Dann haben wir das Kohlekraftwerk Mainz auf der Ingelheimer Aue mit 270 MWh. In Mannheim würden, wenn man den Block 3 noch einmal einschalten würde, um die 250 MWh erzeugt.
Sie sehen aber, dass die Mengen, die dort produziert werden können, bei Weitem nicht ausreichen. Wir brauchen viel mehr. Dabei reden wir nicht von dem Winter 2015, sondern von dem Winter 2011/2012. Dann werden wir das erste Problem haben.
Wir werden den Leuten notfalls erklären müssen, dass wir auf der Südwestschiene keinen Strom haben. Deswegen wird die Bundesnetzagentur – dabei bleiben wir auch, das ist unsere Position – eine weise Entscheidung treffen. Da dort ein Parteifreund der Sozialdemokraten das Sagen hat, gehen wir davon aus, dass er eine richtige Entscheidung treffen wird. Ich bitte Sie also, sich an die Fakten zu halten, die Entscheidungen abzuwarten und Ruhe zu bewahren. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schmitt, es ist in der Tat ein bisschen schwierig für Sie, etwas, was schon gesagt wurde, so darzustellen, als ob es nicht gesagt worden wäre. Wenn Sie behaupten, die Landesregierung habe geschwiegen, muss ich darauf antworten: Vielleicht haben Sie eine selektive Wahrnehmung oder bewusst nicht hingehört. Es ist falsch, zu behaupten, dass die Landesregierung keine klare Position bezogen hätte. Im Gegenteil, die Landesregierung hat sehr früh eine klare Position bezogen.
Der Ministerpräsident hat am 03.06. dieses Jahres gemeinsam mit den Ministerpräsidenten aller Bundesländer in einer 16:0-Entscheidung eine klare Aussage gegen eine
Kaltreserve getroffen. Des Weiteren ist am 17.06. im Bundesrat und in der Sitzung des Bundesrats im Juli eine deutliche Aussage getroffen worden, indem sich die Bundesländer gegen eine Kaltreserve über Kernkraft ausgesprochen haben. Darüber hinaus hat der Ministerpräsident auch im Juni dieses Jahres zu Biblis selbst deutlich gesagt, dass er Biblis als Kaltreserve nicht haben möchte. Das macht es für Sie jetzt natürlich ein bisschen schwierig, weil Sie so tun wollen, als hätten wir uns später geäußert als alle anderen. – Ich sage Ihnen: Wir haben uns früher geäußert als andere und haben diesbezüglich eine klare Position bezogen. Das ist das Erste.
Das Zweite. Es ist andererseits relativ unerheblich, sich darüber zu streiten, wer wann was gesagt hat. Ich möchte Sie jetzt einfach einmal ein Stück in die Realität mitnehmen – insoweit, als Sie durch die Diskussion oder die Aktuelle Stunde, die Sie hier beantragt haben, den Versuch machen, so zu tun, als hätte die Hessische Landesregierung letzten Endes die Entscheidung zu treffen, wo denn eine Kaltreserve über Kernkraft hinkäme, wenn sie denn käme. Ich sage noch einmal ganz deutlich: Die Entscheidung, falls eine Kaltreserve über Kernkraft überhaupt notwendig wäre, was uns noch nicht bekannt ist, weil das entsprechende Ergebnis der Bundesnetzagentur nicht vorliegt, trifft nicht die Hessische Landesregierung, übrigens auch nicht die baden-württembergische oder bayerische Landesregierung, sondern die Bundesnetzagentur. Das ist die Grundlage, so wie sie im Atomgesetz geschaffen wurde. Dies nur noch einmal, damit hier Klartext geredet wird.
Wir hatten am 26.07. ein Gespräch bei uns im Hause, in dem die Bundesnetzagentur die Situation erläutert hat. Vonseiten des Ministeriums haben wir hierzu sehr deutlich unsere Bedenken bezüglich einer Kaltreserve über Kernkraft in Biblis, wenn sie denn käme, geäußert. Wir haben darüber hinaus, das auch nur zu Ihrer Information, ein entsprechendes Schreiben von der Bundesnetzagentur bekommen, das am 23.08. bei uns eingetroffen ist, in dem man uns befragt hatte, wie wir die Äußerungen von RWE bewerten, in denen die Anforderungen, die wir gestellt hatten, hinterfragt wurden.
Mit Schreiben von heute werden wir der Bundesnetzagentur – die Frist wurde für heute gesetzt, denn am 23.08. haben wir einen Brief bekommen, mit der Bitte bis zum 25.08. zu antworten, und, Herr Schmitt, das werden wir entsprechend tun – mit dieser Deutlichkeit, wie das Gespräch im Umweltministerium geführt wurde, unsere Position, unsere Bedenken darlegen. Das ist vollkommen klar, und da gibt es überhaupt keinen Dissens, weil wir mehrere Dinge dargelegt haben, von denen wir meinen, dass sie erheblich dazu beitragen, dass Biblis als Kaltreserve nicht in Betracht kommen kann, nicht als Kaltreserve im Winter 2011/2012. Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich – wir haben von vorneherein immer die Positionen vertreten –:
Erstens. Wenn ein Kernkraftwerk betrieben wird, muss es sicher betrieben werden. Wir haben uns deutlich dazu geäußert, dass wir Biblis als Kaltreserve nicht haben wollen.
Zweitens. Sollte die Bundesnetzagentur, was wir nicht wissen, entscheiden, dass Biblis als Kaltreserve kommen würde – ich sage das alles im Konjunktiv, weil wir heute noch nicht einmal wissen, ob eine Kaltreserve in irgendeiner Form überhaupt notwendig ist –, dann sind wir ganz
klar in der Position, auf nichts zu verzichten, was wir fordern müssen oder gefordert hätten, wenn eine Laufzeitverlängerung gekommen wäre. Denn eines gilt nach wie vor – egal, welche Entscheidung die Bundesnetzagentur trifft –: Für uns steht die Sicherheit an allererster Stelle. Ich glaube, das trägt erst einmal dazu bei.
An der Form, wie die Diskussion hier geführt wird, merkt man auch: Wenn man Streit führen will, dann kann man das tun, aber so ganz weit auseinander liegen wir in dieser Sache dennoch nicht. – Besten Dank.
Wir stimmen nun noch über die beiden Anträge ab. Zunächst stimmen wir über Tagesordnungspunkt 62, Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Nein zur atomaren Kaltreserve, Drucks. 18/4349, ab. Wer diesem die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, GRÜNE und LINKE. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.