Protocol of the Session on August 25, 2011

Meine lieben Freundinnen und Freunde, zu dieser Partnerschaft gehört eine langjährige, intensive Beziehung zwischen der Hessischen Landesregierung und den amerikanischen Streitkräften. Ich freue mich, dass auch heute wieder Vertreter hier zugegen sind.

Zu dieser langjährigen Beziehung gehört aber sicherlich auch vieles an kulturellen Gemeinsamkeiten. Es war nicht nur die Luftbrücke in schwierigsten Zeiten der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es war natürlich zu Beginn die Konstituierung unseres Landes durch die Ermächtigung General Eisenhowers, seinerzeit die Verfassung in unserem Land zu implementieren. Meine Damen und Herren, hinzu kommen auch andere Dinge, sehr wichtige Begleiterscheinungen: der AFN, der sehr viele Jahre von Frankfurt aus gesendet und nicht nur amerikanischen Jazz und amerikanische Musik nach

Deutschland getragen hat, sondern den Deutschen in einer schwierigen Zeit auch Hoffnung vermittelt und wieder Lebensfreude gebracht hat, die wir, unsere Väter und Großeltern an vielen Stellen verloren hatten. Meine Damen und Herren, auch das ist Teil dieser Geschichte, für die ich und die Hessische Landesregierung äußerst dankbar sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns über die Entscheidung der Amerikaner, ihr Oberkommando EUCOM hier in Wiesbaden anzusiedeln – nachdem sie viele Jahre lang außerhalb von Wiesbaden, außerhalb Hessens Landesgrenzen niedergelassen waren. Von hier aus haben die amerikanischen Streitkräfte Verantwortung für Europa, Nordafrika und auch den Nahen Osten – zukünftig weiterhin äußerst wichtige Aufgaben, die von hier aus erfüllt und unterstützt werden.

Ich freue mich, dass sie sich entschieden haben, hierher zu kommen. General Gibbs und General Hertling haben bei der Veranstaltung am 12. August gesagt, sie sind froh, dass sie wieder „at home“ sind. – Seien Sie uns allen sehr herzlich willkommen. Ich hoffe, Sie lassen sich nicht von einigen wenigen verblendeten Ewiggestrigen von dieser Willkommensfreude ablenken. Seien Sie herzlich willkommen. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute, freundschaftliche Partnerschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Boddenberg.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 58:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Nein zu Biblis B als Kaltreserve – Sicherheit geht vor Gewinnstreben) – Drucks. 18/4346 –

Erster Redner ist Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil sich im Laufe der letzten Woche die Hinweise verdichtet hatten, dass Biblis B als Kaltreserve ernsthaft in Betracht gezogen wird, und die Hessische Landesregierung zu diesem Zeitpunkt geschwiegen hatte.

Es ist nun erfreulich, dass nach einer Pressemitteilung der GRÜNEN am Montag und nach einer entsprechenden Ankündigung von uns, dass wir dazu eine Aktuelle Stunden beantragen werden, die Ministerin endlich Stellung bezogen hat. Endlich hat sie erklärt, dass Biblis auch aus Sicht der Landesregierung nicht als Kaltreserve vorgehalten werden darf. Auch da hat die Ministerin einen bemerkenswerten Schwenk vollzogen. In der Plenardebatte am 6. Juni 2011 – der eine oder andere wird sich noch daran erinnern können – hatte die Ministerin noch die Position vertreten, dass die Kernkraft als kalte Reserve nur die Ultima Ratio sein dürfe.

In ihrer Stellungnahme von Montag, den 22.08., heißt es jetzt immerhin: „Wir wollen Biblis B als Kaltreserve nicht“. Sie führte weiter aus:

Mit dem Atomausstieg ist vereinbart worden, alte Kernkraftwerke abzuschalten. Ein solches Kraftwerk wieder ans Netz zu nehmen, ist nicht vermittelbar.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Na also, da sind wir uns endlich einig. Warum nicht gleich so? Das muss man sich fragen. Es bleibt natürlich auch die Frage, warum die Landesregierung bei der Änderung des Atomgesetzes, als genau diese Frage der Kaltreserve festgeklopft wurde, als es Kritik gab seitens der Opposition, in ihren Kontakten zu der Bundesregierung und zu CDU und FDP, die das auf Bundesebene angerührt haben, nicht diese Position eingebracht und durchgesetzt hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Peter Seyffardt (CDU): Das ist doch eingebracht worden!)

Dann haben Sie anscheinend wenige Durchsetzungsmöglichkeiten. Das zeigt mittlerweile das Gewicht der Hessen-CDU im Bundeskonzert der CDU. Insofern haben Sie mit diesem Zwischenruf auch recht. Es ist ziemlich bedenklich.

Meine Damen und Herren, Biblis B als Kaltreserve wäre in doppelter Hinsicht ein Risiko. Beim Hochfahren in Biblis hat es immer wieder Probleme gegeben. Die Pannenhäufigkeit der beiden Kraftwerke ist mittlerweile sprichwörtlich. Biblis ist, um einen Vergleich aus der ADACPannenstatistik zu nehmen, der atomare Chevrolet Matiz, d. h. verhältnismäßig störanfällig.

Es ist technisch auch sehr fragwürdig, ausgerechnet ein Atomkraftwerk als Kaltreserve zu nutzen, da ein Atomkraftwerk erhebliche Vorlaufzeiten braucht; es sei denn, Herr Kollege Bauer, Sie wollen es im Stand-by-Betrieb führen, also durchgängig auf einem Niveau führen, das nur der Eigenversorgung dient. Aber damit haben Sie dauerhaft das volle Risiko.

Das müssen Sie wissen, das kann man so machen. Dann dauert es in der Tat nur ein oder zwei Tage, um es hochzufahren, möglicherweise nur wenige Stunden. Aber dann sind Sie, was das atomare Risiko angeht, genau in der Situation, die wir nicht haben wollen. An dieser Stelle war Ihre Ministerin schon weiter.

Man muss sagen, Gaskraftwerke können hier deutlich flexibler und besser agieren. Das ist auch unsere Position, die wir eingebracht haben. Vielleicht sind wir hier gar nicht so weit auseinander, dass wir dafür sorgen sollten, dass es Alternativen dazu gibt und dass dazu aber auch die Aufforderung an die Landesregierung ergeht – dazu komme ich gleich noch –, mitzuwirken, dass über solche Alternativen nachgedacht wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Biblis B als Kaltreserve zuzulassen, wäre uns jedenfalls eindeutig zu heiß, erstens wegen der Reaktorsicherheit und zweitens wegen der unsicheren Versorgungssicherheit, die damit einhergeht.

Ich glaube, dass etwas anderes viel wichtiger ist und auf die Agenda der Debatte gehört. Deswegen bin ich sehr traurig, dass der Antrag der CDU, der hier vorgelegt wurde, den Punkt 3, den wir angesprochen haben, nämlich den Rückbau, nicht beinhaltet.

Herr Kollege Schmitt, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Die Debatte muss deutlich weitergehen. Wir müssen – das ist im Atomgesetz leider nicht geregelt – dazu kommen, dass die Betreiber verpflichtet werden, unmittelbar und unverzüglich mit dem Rückbau zu beginnen. Das wäre auch ein deutliches Signal für die Arbeitsplätze im Biblis. Hier haben Sie ein Stück weit Verantwortung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Herr Kollege Stephan für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Schmitt, Sie waren heute sehr moderat, was Biblis betrifft. Die anderen 13 Diskussionen, die wir in diesem Hause dazu geführt haben, waren sicherlich sehr viel lebhafter.

(Petra Fuhrmann (SPD): Da war die CDU auch noch nicht gewendet! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich glaube auch, dass das Thema Kernenergieanlagen kein Thema mehr ist, mit dem man politisch Profil gewinnen kann.

Und ich stelle zu Beginn fest: Es gibt sicherlich eine große Übereinstimmung darüber, dass wir aus der Kernenergie aussteigen, dass wir dafür Ersatz brauchen, dass dieser Ersatz momentan noch nicht so gegeben ist, weil wir ihn erst sukzessive, mit zeitlicher Verzögerung zubauen können.

Zu den von Ihnen angesprochenen politischen Statements. Vielleicht haben Sie vergessen, dass der Bundesrat einstimmig beschlossen hat, dass man keine Kernenergieanlagen als Kaltreserve haben will. Dort hat auch die Hessische Landesregierung mitgestimmt und damit deutlich Position bezogen.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Dass Frau Puttrich Ihnen das noch einmal separat über ihre Presseerklärung mitteilen musste, nehmen wir unter den Begriff Nachhilfe.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das war und ist die Position der Landesregierung. Wenn wir überhaupt über das Thema Kaltreserve und Biblis diskutieren, gibt es drei Punkte anzusprechen.

Erstens. Warum brauchen wir überhaupt eine Kaltreserve? Wir brauchen sie, weil offenbar der Strom, den wir zurzeit verfügbar haben, ohne die acht abgeschalteten Kernkraftwerke eventuell nicht ausreicht.

Zweitens. Wenn wir über Kernenergie als Reserve sprechen, dann zeigt das auch, dass andere Reservemöglichkeiten nicht gegeben sind. Es ist ein klarer politischer Auftrag, auch an die Bundesnetzagentur, zunächst herauszu

arbeiten, ob diese Reserve gegebenenfalls konventionell bereitgestellt werden kann.

Drittens. Wenn wir dann über Biblis als eine dieser Möglichkeiten reden und dies der Bundesnetzagentur als neutraler Behörde unterstellt wird, dann heißt das doch nichts anderes, als dass Biblis sicher ist. Denn wenn Biblis nicht sicher wäre, dürfte die Bundesnetzagentur ein solches Thema doch überhaupt nicht aufgreifen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich sage es mit größter Deutlichkeit: Wir wollen kein Kernkraftwerk als Kaltreserve, und wir wollen damit auch Biblis nicht als Kaltreserve.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Die Bundesregierung hat im Atomgesetz entschieden, mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN, dass die Bundesnetzagentur beauftragt wird, zu untersuchen, ob wir ein Kernkraftwerk als Reserve brauchen. Herr Schmitt, hier haben Sie sich dorthin begeben, zu sagen: Jawohl, wir wollen gegebenenfalls Kaltreserven in der Kernenergie suchen.

Die Bundesregierung hat im Gesetz aber auch klar entschieden, und damit auch der Bundestag, es soll nicht politisch entschieden werden, es soll die Bundesnetzagentur entscheiden.

Der Leiter der Bundesnetzagentur ist ein Herr Kurth, hier in Hessen bekannt als ehemaliger Landtagsabgeordneter und Staatssekretär. Dieser Herr Kurth hat eine ganz interessante Variante ins Gespräch gebracht, nicht dass er mit Österreich verhandelt hat, um Strom zu bekommen, sondern er hat gesagt: Wenn die Landesregierung in BadenWürttemberg dafür sorgt, dass das Großkraftwerk in Mannheim, das zurzeit ausgebaut wird, entsprechende Genehmigungen von der Landesregierung bekommt, dann können wir auf die Kaltreserve auf atomarer Basis verzichten. – Also liegt der Ball meines Erachtens derzeit bei der Landesregierung in Baden-Württemberg und damit bei Rot-Grün.

(Beifall des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Dann kann Rot-Grün entscheiden, ob und in welcher Form man dort ein Reservekraftwerk braucht. Verhindern Sie also, dass ein Kernkraftwerk zur Kaltreserve wird, indem Sie auf die Landesregierung in Baden-Württemberg einwirken, entsprechend zu handeln.