Protocol of the Session on June 7, 2011

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Sie können; sie müssen nicht.

Das Zweite ist, dass sie im Rahmen der Pauschale dazu verpflichtet sind, die Angemessenheit der Kosten zu berücksichtigen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum gehen Sie nicht auf das Beispiel ein? Ich habe doch ein Beispiel gebracht!)

Was Sie mit der Fragestellung, ob die an ihr Existenzminimum herangehen müssten, theoretisch unterstellen, ist, dass Kommunen verantwortungslos Pauschalen festsetzen, die unter dem tatsächlichen Mietniveau sind. Ich finde, dass das eine Unverschämtheit gegenüber den Kommunen ist, die gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern Verantwortung empfinden, die auf Leistungsbezug angewiesen sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie unterstellen – –

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bocklet?

(Minister Stefan Grüttner: Ja klar, das mache ich!)

Herr Minister, bevor ich Ihnen irgendetwas unterstelle, gehen Sie doch auf mein Rechenbeispiel ein: Die Pauschale beträgt 300 €, und 330 € kostet es. Das ist ein Ermessensspielraum. Muss er dann die 30 € von seinem Regelsatz nehmen? Wie beantworten Sie diese Frage?

Herr Minister, Frau Kollegin Schott hat sich auch zu einer Zwischenfrage zu Wort gemeldet. Gestatten Sie die auch?

(Minister Stefan Grüttner: Selbstverständlich!)

Herr Minister, Ihnen ist doch sicher auch bekannt, wie in den vergangenen Jahren in Kassel die Praxis war, welche Klageflut das nach sich gezogen hat, dass die Leistungen noch nicht erbracht sind, die hätten erbracht werden müssen, und dass das einzig praktische Beispiel, das wir haben, genau das beweist, was wir hier behaupten und Sie bestreiten.

Frau Kollegin Schott, ich fange erst einmal mit dem Letzten an. Ich kenne die Situation in Kassel. Ich bin der festen Überzeugung, dass Kommunen sehr wohl aus einer von einem SPD-Oberbürgermeister und von GRÜNEN auf den Weg gebrachten Pauschalierung, auch unterstützt und fortgeführt von der CDU, dagegen sage ich überhaupt nichts, ihre Lehren gezogen haben, was die Fragestellung der Angemessenheit anbelangt. Das ist der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Herr Kollege Bocklet, ich gehe auf Ihr Rechenbeispiel ein. Sie haben mit Ihrem Rechenbeispiel vollkommen recht, aber nur unter dem Gesichtspunkt, dass die Kommune die Pauschale tatsächlich so festlegt, wie Sie es unterstellen. Ich sage Ihnen: Keine Kommune wird sich vor ihrer Verantwortlichkeit für die in ihrer Stadt lebenden Sozialhilfeempfänger drücken, um es einmal so zu sagen, und eine Pauschale festlegen, die unter dem angemessenen Bedarf liegt. Insofern ist Ihr Beispiel vollkommen richtig. Was Sie aber unterstellen, ist schlicht und einfach ein nicht verantwortungsvoller Umgang der Kommunen mit dem Instrument der Pauschalierung. Ich sage Ihnen: Wir geben den Kommunen die Freiheit, genau dieses Instrument einzusetzen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sie es verantwortungsvoll machen. In dem Moment – das wird dann die Praxis zeigen, wenn sie es anwenden –, wenn die Kommunen eine solche Situation „ausnutzen“, werden die Gerichte entscheiden, und dann bin ich gerne bereit, mit Ihnen über eine andere gesetzliche Regelung zu reden. Ich stelle die Kommunen in unserem Land aber nicht unter den Generalverdacht, Sozialhilfeempfänger, die auf Kosten der Unterkunft angewiesen sind, im Regen stehen zu lassen. Das tun Sie, ich tue das an dieser Stelle nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann noch einen Satz zu Herrn Kollegen Decker. Es ist erstaunlich, wenn Sie sagen, durch die Landesregierung bzw. durch den Antrag der Koalitionsfraktionen würden die Kommunen „im Regen stehen gelassen“. Sie sind doch

diejenigen, die ansonsten immer auf die Stellungnahmen der Kommunalen Spitzenverbände rekurrieren.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich bin immer noch davon ausgegangen, dass der Hessische Landkreistag und der Hessische Städtetag – Frau Faeser, auch Sie meine ich damit – für die Kreise und die kreisfreien Städte sprechen. Beide Kommunalen Spitzenverbände haben die Pauschalierung ausdrücklich gelobt und befürwortet; und sie haben gesagt, es ist der richtige Weg. Wenn Sie jetzt bestreiten, dass die Kommunalen Spitzenverbände dies getan haben, oder aber sagen, sie hätten diese Stellungnahme so abzugeben, weil es ihnen nutzt oder nicht, bin ich der Überzeugung, dass wir Sie immer wieder, wenn Sie die Kommunalen Spitzenverbände als Zeugen für Ihre Auffassung aus dem Hut zaubern, an diese Aussage erinnern werden. Es kann nicht sein, dass die Kommunalen Spitzenverbände unisono sagen, die pauschale Lösung ist in Ordnung, und Sie sagen, die Kommunen werden „im Regen stehen gelassen“. Das geht nicht.

Ich bin der Überzeugung, die gehen damit verantwortungsvoll um. Die Angemessenheit ist festgestellt; wir sind über das Bundesgesetz verpflichtet, dies in das Landesgesetz mit zu überführen, und ich bin der festen Überzeugung, dass mit dem Antrag, den die Koalitionsfraktionen gestellt haben, die Kommunen in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich, und zwar wirklich verantwortlich im Sinne von Verantwortung, mit diesem Gesetz umzugehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Minister, Herr Decker hatte sich noch zu einer Zwischenfrage gemeldet. Würden Sie die noch zulassen, obwohl es dann jetzt eine Endfrage wäre?

(Minister Stefan Grüttner: Ja, nachdem ich jetzt schon zwei Fragen beantwortet habe!)

Dann, Herr Decker, bitte.

Vielen Dank für die Möglichkeit. – Vorweggeschickt: Ich kann mich jetzt gar nicht erinnern, dass ich die Wörter „im Regen stehen lassen“ gebraucht hätte. Das können wir nachlesen. Es ist aber auch nicht so dramatisch. Ich glaube, ich war in meiner Darstellung sehr differenziert und wenig dramatisch.

Herr Minister, können Sie mir aber bestätigen, dass der Landkreistag zumindest davon gesprochen hat, dass die Gefahr bestehe, dass ein „Flickenteppich“ hinterlassen werde?

In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf hat der Landkreistag die Pauschalierung ausdrücklich befürwortet. Das ist der Maßstab unseres Handelns.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Daher kommen wir nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV-Gesetzes, Drucks. 18/ 4176 zu Drucks. 18/4111 zu Drucks. 18/3725.

Wer diesem Gesetzentwurf in der hier vorliegenden Fassung zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Gegenstimmen? – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen und wird zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt kommen wir zu Tagesordnungspunkt 21:

Große Anfrage des Abg. Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Fraktion betreffend Verbot der Benachteiligung nach den Besitzverhältnissen der Eltern an den Schulen in freier Trägerschaft – Drucks. 18/3436 zu Drucks. 18/2716 –

Eine Redezeit habe ich hier nicht stehen. Was haben wir da vereinbart? – Fünf Minuten. Herr Kollege Wagner, bitte.

(Holger Bellino (CDU): Fünf Minuten oder weniger!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Damit in diese Debatte von Anfang an kein falscher Zungenschlag kommt, möchte ich als Allererstes sagen, dass die allermeisten Schulen in freier Trägerschaft eine wichtige und notwendige Bereicherung unseres Schulwesens in Hessen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Diese Schulen in freier Trägerschaft sind in unserem Grundgesetz und in unserer Hessischen Verfassung garantiert. Aus gutem Grund haben Eltern in unserem Bundesland und in der Bundesrepublik die Möglichkeit, wenn sie mit dem pädagogischen Angebot an den öffentlichen Schulen nicht zufrieden sind, Angebote in freier Trägerschaft zu gründen.

Im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung steht aber auch, dass für diese Schulen in freier Trägerschaft das sogenannte Sonderungsverbot gilt. Das heißt: Wenn sich Eltern entschließen, eine Schule in freier Trägerschaft zu gründen, dann darf diese Schule nicht durch die Höhe ihres Schulgeldes Schülerinnen und Schüler von dem Besuch dieser Schule ausschließen. Denn sonst würden wir ein gespaltenes Schulwesen bekommen. Sonst würden wir ein Schulwesen bekommen, bei dem der Geldbeutel der Eltern entscheidend dafür ist, welche schulische Bildung man sich leisten kann. Ich glaube, das kann und darf nicht in unserem Interesse hier im Hessischen Landtag sein.

Genau das war der Grund, warum wir diese Große Anfrage gestellt haben. Wir wollten wissen: Wie haben sich die Schulgelder an den Ersatzschulen und den Ergänzungsschulen entwickelt? Wir wollten wissen: Wie kontrolliert das Kultusministerium die Entwicklungen der Schulgelder? Wie ist sichergestellt, dass das in der Verfassung verbriefte Sonderungsverbot, dass also Kinder nicht

anhand der Besitzverhältnisse der Eltern benachteiligt werden dürfen, in Hessen gewährleistet ist? – Da müssen wir leider sagen, dass die Antworten der Landesregierung außerordentlich dürftig sind, was diesen Bereich betrifft.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn man es einmal zusammenfasst, Frau Ministerin, stellt sich heraus: Sie wissen es eigentlich gar nicht. Sie prüfen bei der Genehmigung einer Schule, und danach sind Sie mehr oder minder darauf angewiesen, ob Sie von den Schulen Meldungen bekommen, wenn sie etwas verändern. Es gibt kein geregeltes Verfahren, wie geschaut wird, ob die Schulen tatsächlich die Bedingungen des Sonderungsverbotes einhalten.

Ich glaube, Sie tun damit den vielen bewährten Trägern von Schulen in freier Trägerschaft keinen Gefallen. Denn wir müssen feststellen, dass wir in den letzten Jahren zunehmend Neugründungen von Schulen in freier Trägerschaft haben, die eben nicht von diesen bewährten Trägern stammen. Ich sehe auf der Besuchertribüne, dass wir Vertreter von zwei bewährten Trägern hier haben, und zwar vom Montessori-Verband und vom Verband der Waldorfschulen. Sie sind ausdrücklich nicht gemeint, wenn ich jetzt weiter über Schulen in freier Trägerschaft rede. Auch die Kirchen sind nicht gemeint. Auch die freien Alternativschulen sind nicht gemeint.

(Norbert Kartmann (CDU): Konkret!)

Konkret, Herr Kollege Kartmann, meine ich die Schulen, die mit extrem hohen Schulgeldern neu gegründet werden und bei deren pädagogischem Konzept ganz große Fragezeichen angebracht sind, ob hier wirklich das pädagogische Konzept im Vordergrund steht oder ob hier im Vordergrund der Wunsch steht, dass man eben doch sondern und segregieren will.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Schulen und diese Träger von den bewährten Trägern zu trennen und die bewährten Träger vor diesen Schulen in Schutz zu nehmen, sollte unser aller Auftrag sein. Deshalb müsste man sehr viel sauberer hinschauen, als Sie das tun, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)