Erwähnen möchte ich insbesondere die erfolgreiche präventive Arbeit des Verfassungsschutzes. Auch darauf ist Herr Bellino kurz eingegangen. KOREX wurde als eines der Programme genannt. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil. Den hätten wir auch gerne in Ihrem Antrag gesehen.
Zu der historischen Betrachtung und Würdigung einer solch herausragenden Sicherheitsbehörde gehört es aber auch, sich selbstkritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Daher halten wir es für erforderlich, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz des von dem Publizisten Ralph Giordano geprägten Begriffs der zweiten Schuld widmet und aufarbeitet, inwieweit auch hier Mitarbeiter mit NS-Vergangenheit in den Jahren nach 1945 in diese Behörde integriert wurden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Mathias Wag- ner (Taunus) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Diese Aufarbeitung – das haben Sie alle im politischen Raum hier auch positiv verfolgt – existiert im Moment und wird durchgeführt beim Auswärtigen Amt und, das möchte ich besonders positiv herausstellen, beim Bundeskriminalamt, das hier in Wiesbaden ansässig ist.
Sowohl Giordano als auch der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, haben BKA-Präsident Ziercke für seine schonungs- und tabulose Aufklärungsarbeit ausdrücklich gelobt, die insbesondere von großer Transparenz geprägt ist. Diese Art der Aufklärungsarbeit, die wir auch gerade im Landtag vollziehen, muss auch für die Sicherheitsbehörden in Hessen gelten. Es gehört an einem solchen Tag dazu, auch darauf zu verweisen.
Meine Damen und Herren, deswegen sind Ihr Antrag und die Anlegung dieser Debatte viel zu kurz gegriffen. Das wird diesem Thema nicht gerecht.
Deshalb haben wir auch einen Antrag gestellt, um diesen wichtigen Punkt hervorzuheben. Denn um den muss man sich in Hessen kümmern.
Was ebenfalls dazugehört, das haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Herr Bellino ist zwar auf unsere erfolgreiche Arbeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission eingegangen; Herr Bellino, das teile ich durchaus; auch ich finde, dort haben wir eine sehr angenehme Zusammenarbeit, insbesondere auch mit dem Landesamt für Verfassungsschutz; das ist eine sehr offene Arbeit. Aber wenn man an einem solchen Tag über 60 Jahre Verfassungsschutz redet, gerade in diesem Haus, das die parlamentarische Kontrolle zu organisieren hat, dann muss man auch darüber reden. Denn es ist die originäre Aufgabe des Parlaments, die Regierung zu kontrollieren. Dabei gehört die parlamentarische Kontrolle zu den wesentlichen Elementen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips. Dieser Kontrolle unterliegt die gesamte Tätigkeit der Regierung und Verwaltung, also auch die Tätigkeit des Nachrichtendienstes.
Allerdings wird die parlamentarische Kontrolle durch den Geheimnisschutz eingeschränkt. Dabei geht es um die Grenzen des Informations- und Kontrollrechts zum Wohle eines Landes, das durch das Bekanntwerden von geheimhaltungsbedürftigen Informationen gefährdet werden kann.
Insoweit besteht hier ein echtes Spannungsverhältnis zwischen der parlamentarischen Kontrolle auf der einen
Aber es steht nicht nur die Kontrolle im Vordergrund, sondern es geht auch um Transparenz. Denn die Nachrichtendienste sind auch darauf angewiesen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu erlangen. In der Regel handelt es sich um äußerst sensible Daten, die erhoben werden, und auch die Art und Weise der Beschaffung machen eine Kontrolle sowie Transparenz unerlässlich.
Denn nicht nur der Staat muss gewährleisten, dass Bürgerinnen und Bürger die Verfassung achten, sondern auch die Bürger müssen vor Eingriffen in ihre Grundrechte durch den Staat geschützt werden.
Die parlamentarische Kontrolle dient daher auch dem Schutz des Einzelnen und verhindert Missbrauch und Fehlbildungen innerhalb der Behörde. Hierzu hat unsere Verfassung bewusst die Lehren aus der Geschichte gezogen und einem übermächtigen Staatsschutz vorgebeugt.
Wenn man über 60 Jahre Verfassungsschutz redet, geht es aber auch darum, in die Zukunft zu schauen – das ist angemessen – und sich zu fragen, ob die gesetzlichen Regelungen zum Verfassungsschutz denn noch zeitgemäß und angemessen sind.
Wir glauben, es wäre in der Tat angemessen und zeitgemäß – ebenso wie es bereits andere Bundesländer anwenden –, wenn der Parlamentarischen Kontrollkommission mehr Befugnisse zustünden. Und dazu schauen wir einmal in das christdemokratisch regierte Bayern.
Es geht hier um einen verbesserten Zugang zu den relevanten Informationen für die Parlamentarier. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist in einem besonderen Maße darauf angewiesen, dass die Landesregierung von sich aus informiert – gerade weil viele Informationen nicht öffentlich bekannt werden und man dazu Pressemitteilungen liest oder Anlass hat, öffentlich zu wissen, worum es geht. Ich glaube, diese strukturelle Abhängigkeit sollte etwas abgemildert werden.
Man könnte z. B. ein Eingaberecht auch der Bediensteten des Landesamtes für Verfassungsschutz, die eine sehr selbstständige Arbeit leisten, einführen, wie es das in anderen Bundesländern und ausdrücklich auch im Deutschen Bundestag gibt. Hierdurch könnten sich die Mitarbeiter mit Bitten und Beschwerden an die Parlamentarische Kontrollkommission wenden, ohne dass sie Gefahr liefen, geheimhaltungsbedürftige Vorgänge oder Abläufe in unzulässiger Weise zu veröffentlichen.
Zum anderen ist es aus sozialdemokratischer Sicht geboten, die Rechte der Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission zu stärken. Dazu könnten ein individuelles Einsichtsrecht in Akten und Dateien des Landesamtes sowie ein Zugangsrecht zum Landesamt und die Möglichkeit, Gespräche mit den Mitarbeitern desselben zu führen, gehören. Das sind die sogenannten Selbstinformationsmittel, die den Mitgliedern der PKV die Möglichkeit geben, die Sachverhalte besser einzuschätzen und zu bewerten, weil sie dann über ganz andere Informationen in einer ganz anderen Breite verfügen würden.
Eine Stärkung der Mitglieder der PKV könnte auch durch die Möglichkeit der Beiziehung eines Sachverständigen erfolgen. Hier ist z. B. auch daran zu denken – ich glaube, die FDP tritt dieser Idee nahe –, den Datenschutzbeauftragten heranzuziehen und seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist zu überlegen, Eingaben von Bürgern an den Hessischen Landtag, die den Verfassungsschutz betreffen, einzubeziehen, wenn bei deren Befassung geheimhaltungsbedürftige Belange zu berücksichtigen sind.
Die Rechte der Parlamentarier im parlamentarischen Kontrollgremium wurden im Deutschen Bundestag im Nachgang zum BND-Untersuchungsausschuss nachhaltig aufgewertet, und das aus sehr guten Gründen. Wir haben mitbekommen, was dort schiefgelaufen ist. Einige Bundesländer haben diese Änderungen zum Teil übernommen und ebenfalls die Rechte der Mitglieder in den Kontrollkommissionen gestärkt.
Ich komme zum Schluss. – So wurden in Nordrhein-Westfalen, in Bayern, in Thüringen mit einem Akteneinsichtsrecht und einem Begehungsrecht die Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission sehr stark gestärkt. Es gab in Bayern sogar ein fraktionsübergreifendes Gesetz dazu. Ich glaube, dass es an der Zeit ist und 60 Jahre Verfassungsschutz in Hessen ein guter Anlass sind, diese Rechte zu stärken, für mehr Transparenz zu sorgen, um mehr Kontrolle durch das Parlament ausüben zu können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! 60. Geburtstage oder Geburtstage insgesamt sind dafür da, dass man sie feiert und dass man auch zurückblickt auf das, was gewesen ist,
und schaut, was man sich für die Zukunft vornimmt. Deswegen sagen auch wir dem Landesamt für Verfassungsschutz, Herrn Präsidenten Desch, der anwesend ist, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Richten Sie das bitte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus.
Ich kann sagen als jemand, der in dieser Legislaturperiode in der Parlamentarischen Kontrollkommission mitarbeitet, dass ich von der Zusammenarbeit sehr angenehm überrascht war. Ich hoffe auch, dass wir im Weiteren eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit haben, weil die parlamentarische Kontrolle beim Verfassungsschutz ein hohes Gut ist. Es kommt natürlich darauf an, dass die
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Geburtstage sind auch dafür da, dass man die Arbeit würdigt. Geburtstage sind auch dafür da – ich habe es gerade schon gesagt –, nicht nur zu jubeln und sich an die schönen Tage zu erinnern, sondern vielleicht auch den Blick nach hinten zu wenden und einmal darüber nachzudenken, was nicht so gut gelaufen ist.
Ich glaube, das ist wie im Leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand einen runden Geburtstag feiert, zurückblickt und sagt, das ist gut gelaufen, das ist alles ganz hervorragend. Deswegen bedauere ich es sehr, dass wir es hier mit einem Antrag der CDU und der FDP zu tun haben, der relativ undifferenziert ist. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Antrag auch auf diese Bereiche eingeht.
Umso mehr freue ich mich, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD einen Antrag nachgeschoben haben, der auch auf die Historie eingeht, diese Dinge anspricht und auch den Blick nach vorne wendet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass es wichtig ist, in einer solchen Debatte differenziert zu argumentieren. Es ist wichtig – Frau Kollegin Faeser hat das gemacht –, die Historie zu betrachten. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, den Blick nach vorne zu wenden und zu schauen, wie man das, was es an parlamentarischen Kontrollrechten gibt, unter Umständen ausbaut, effektiviert und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Transparenz herstellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich brauche es Ihnen nicht zu sagen, das wissen Sie auch. Wenn sich ein GRÜNER mit der Geschichte des Verfassungsschutzes beschäftigt, beschäftigt er sich auch mit seiner eigenen Geschichte und damit, wie sich sozusagen die Auffassung und Beurteilung unserer eigenen Fraktion im Hinblick auf den Verfassungsschutz geändert hat. Aber wir haben es auch mit anderen Zeiten zu tun. Herr Kollege Schaus, bei Ihnen wird sich wahrscheinlich nichts ändern.
Aber das hat auch etwas damit zu tun, dass es Ihnen ab und an gut anstehen würde, nachzudenken, bevor Sie hier dazwischenbrüllen.
Es gibt zwei große Ereignisse, die dazu geführt haben, dass man neu darüber nachdenkt. Das war zum einen der Wegfall des Ost-West-Konflikts, der Mauerfall. Der zweite Punkt waren die Ereignisse am 11. September 2001, der Anschlag in New York. Danach haben wir alle darüber nachgedacht, wie man Sicherheitsbehörden neu aufstellen muss, wie man sich nachrichtendienstlich anderer Mittel bedient, um das, was Herr Kollege Bellino gerade angesprochen hat – die wehrhafte Demokratie und den Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung –, zu gewährleisten.
Ich glaube, das war für uns ein Punkt, wo wir als GRÜNE einen anderen Blick auf den Verfassungsschutz genommen haben. Man sollte aber nicht aus dem Blick verlieren – ich sage das auch gleich noch einmal –, was in der Vergangenheit beim Verfassungsschutz falsch gelaufen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der internationale Terrorismus stellt neue Anforderungen. Das ist ganz deutlich. Wir haben es mit islamistischem Terrorismus zu tun. Wir haben es mit Ausländerextremismus zu tun. Wir haben es sowohl mit Rechts- als auch mit Linksextremismus zu tun. Von daher glaube ich schon, dass eine wehrhafte Demokratie einen Dienst braucht, der auf diesen Bereich schaut und mit den anderen Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet.
Ich habe vorhin gesagt, dass wir meinen, dass der Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion ein bisschen undifferenziert ist. Ich will aber auch die Gemeinsamkeiten betonen, die wir durchaus haben. Ich glaube, dass das Landesamt für Verfassungsschutz wichtige Aufgaben erfüllt, gerade bei der Beobachtung verfassungsfeindlicher und extremistischer Organisationen. Ich glaube, dass wir gemeinsam die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission schätzen. Wir wissen, welch wichtige Aufgabe das ist. Das ist kein Selbstzweck, sondern diese parlamentarische Kontrolle für einen Geheimdienst ist so organisiert, dass sich solche Dienste nicht verselbstständigen. Das haben wir in anderen Bereichen erlebt. Deswegen ist es so organisiert.
Wir wissen auch, dass die parlamentarische Kontrolle nur so weit gehen kann, wie die Parlamentarische Kontrollkommission in Kenntnis gesetzt wird. Das hat mit dem Berichtswesen sowohl der Regierung als auch des Verfassungsschutzes zu tun. Wenn die Parlamentarische Kontrollkommission nicht über diese Dinge informiert wird, dann kann sie natürlich nicht nachfragen. Es gibt kein Befassungsrecht, es gibt kein Akteneinsichtsrecht. Kollegin Faeser hat zu Recht gesagt, dass man in diesem Bereich vielleicht einmal darüber nachdenken sollte, wie man die Parlamentarische Kontrollkommission den geänderten Bedürfnissen und den geänderten Befugnissen anpassen muss.