ber auslassen, warum der Widerstand so hoch ist, wer ihn mit seinen „Windkraftmonstern“ hochgezogen hat in den letzten Jahren –, dann ist es zwingend, dass die Umweltund Naturschutzverbände auf der ersten Verhandlungsebene beim Energiegipfel beteiligt werden. Ohne sie wird es keinen Konsens geben.
Ich will neben diesen organisatorischen Fragen allerdings auch inhaltliche Bedingungen für den Erfolg nennen. Hinter die Abschaltung von Biblis A und B gibt es kein Zurück. Der Konsens ist tot, wenn Biblis wieder ans Netz geht. Das muss völlig klar sein.
Ich werde später noch einige Bemerkungen zur FDP machen. – Der Atomausstieg muss unumkehrbar geregelt werden. Herr Ministerpräsident, ich habe Sie auf dem Energiegipfel mehrfach – am Ende gab es eine aus meiner Sicht ausweichende Bemerkung Ihrerseits – klar vor die Alternative gestellt, dass wir nicht zulassen werden, dass der Atomausstieg auf der einen Seite ausgespielt wird gegen die Klimaschutzziele auf der anderen Seite. Noch sind die Klimaschutzziele vereinbart.
Darüber will ich mit Ihnen reden, Herr Wagner. – Warum haben wir das 2-Grad-Ziel international vereinbart? Warum hat Frau Merkel diesem Kompromiss zugestimmt? Weil wir seit dem Stern-Report wissen, seit den Berechnungen der Vereinten Nationen, dass man Energiepolitik eben nicht alleine im regionalen Kontext macht, sondern dass das, was wir hier treiben, auch Auswirkungen für Menschen am anderen Ende der Welt hat und dass wir, wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht halten, die Existenzgrundlage von Hunderttausenden von Menschen zerstören, und zwar dauerhaft, nicht wiederherstellbar.
Deswegen darf es kein Ausspielen geben von Atomausstieg auf der einen Seite und dem 2-Grad-Ziel auf der anderen Seite. Der Auftrag einer Energiewende ist, genau diese beiden Dinge miteinander zu verbinden und zu versöhnen, damit eine Energiewende auch die Existenzsicherung von Menschen am anderen Ende dieser Welt gewährleistet.
Das Landesplanungsrecht muss endlich den Vorrang erneuerbarer Energien berücksichtigen. Sie haben das hier mehrfach abgelehnt. Sie haben bei der Vorlage des völlig veralteten Konzepts, das Sie jetzt zum wiederholten Male, auch heute, erklärt haben – von Frau Lautenschläger vor einem Jahr, an die sich hier kaum noch jemand erinnert –, gesagt, dass die Gesetze irgendwann kommen würden. Wir warten seit einem Jahr. Wir warten auf die Einladung des Ministeriums, was es für gesetzliche Grundlagen geben soll. Sie liefern doch nicht. Deswegen sage ich Ihnen: Es muss endlich Schluss sein mit dem Reden. Es ist Zeit für das Handeln. Legen Sie die gesetzlichen Vorgaben endlich vor.
Damit will ich zum dritten Punkt kommen, der sozusagen Ihre neue ideologische Begründung wird für das Thema Energiewende, zur Situation vor und nach Fukushima. Ich will zunächst festhalten: Ich war gestern im Gespräch mit
dem japanischen Botschafter. Nach vier Wochen hat er gestern ausführlich in Berlin Stellung genommen, und wir hatten Gelegenheit, uns danach ausführlich über die Situation in Japan auszutauschen.
Es ist tragisch, dass es einer weiteren Katastrophe bedurft hat, um Sie von der Notwendigkeit der Energiewende zu überzeugen. Unser ganzes Mitgefühl gilt den Menschen in Japan. Diese dreifache Katastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunfall hat unsägliches Leid über die Nation gebracht. Das ganze Ausmaß des damit verbundenen Elends ist auch heute, Wochen später, noch gar nicht überschaubar. Die internationale Gemeinschaft ist aufgefordert, zu helfen, wo immer sie kann.
Niemand hier im Saal hätte sich gewünscht – ich glaube, ich spreche für alle Fraktionen –, dass nach Tschernobyl nochmals der Beweis geführt wird, welches höllische Gefahrenpotenzial der einstmals als friedlich titulierten Nutzung der Atomkraft innewohnt.
Herr Bouffier, leider haben Sie heute nicht die Frage beantwortet, warum Ihnen Tschernobyl noch nicht Mahnung genug war, warum es erst dieser weiteren Katastrophe bedurfte, um einen Kurswechsel einzuleiten.
Volker Zastrow hat in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die Argumente der Bundeskanzlerin kritisch durchleuchtet. Die Kanzlerin hat über Fukushima gesagt, dort sei das „Unmögliche möglich“ geworden. Zastrow erwiderte darauf, dass das falsch sei. Dort „ist nur das Mögliche wirklich geworden“.
Ja, so ist es. Dort ist das Mögliche wirklich geworden. Für uns war das Restrisiko spätestens seit Tschernobyl immer mehr als eine rechnerische Größe. Es war für uns Ausdruck einer realen Gefahr, einer Bedrohung angesichts ungeheuerlicher Dimensionen, das auch nicht aufgrund einer statistisch betrachteten Unwahrscheinlichkeit in Kauf genommen werden darf. Die Berechnung, dass Unfälle einer bestimmten Größenordnung nur einmal in 10.000 Jahren stattfänden, war schon immer zynisch, und sie ist widerlegt worden.
Kernschmelze in Harrisburg 1979, Kernschmelze in Tschernobyl 1986, Kernschmelze in Fukushima 2011. Das sind die Ereignisse aus 32 Jahren, nicht aus 30.000 Jahren.
Jeder hat das Recht und die Pflicht, dazuzulernen. Sie müssen aber schon ertragen, dass Ihre Glaubwürdigkeit in diesen Fragen offen angezweifelt wird. Den Beweis, dass Sie wirklich etwas gelernt haben, dass Sie es ernst meinen, müssen Sie erst noch liefern. Wir können die zwölf Jahre Ihres Atomkurses nicht einfach vergessen. Wir können nicht vergessen, dass Sie mutwillig, bei völliger Klarheit der Folgen, die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert haben. Da hilft es auch nicht, wenn Sie am heutigen Tag wiederholt versuchen, sich zum eigentlichen Anführer der Anti-AKW-Bewegung zu machen – nach dem Motto „Das wollten wir schon immer“. Das genaue Gegenteil davon haben Sie mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg gemacht. Wir können nicht vergessen, dass die Grundlage dafür auch ein wahrlich schmutziger Deal mit der Atomwirtschaft war. Ich sage das in aller Deutlichkeit.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit Zustimmung der schwarz-gelb regierten Länder einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder aufgebrochen, den Rot-Grün mit dem Atomausstieg befriedet hatte. Die SPD hat in der Großen Koalition trotz des massiven Drucks – auch der Union – felsenfest zu dieser Verabredung gestanden, während die CDU und die Atomkonzerne alles getan haben, um die Atomkraftwerke über die Bundestagswahl 2009 hinweg am Netz zu lassen, um danach den Atomausstieg zu stoppen.
Deswegen sage ich in aller Klarheit: Der nächste Ausstieg – das haben wir in bitterer Weise gelernt – funktioniert nicht mehr über den Weg von Konsensgesprächen, sondern er muss ordnungsrechtlich durchgesetzt werden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Pe- ter Stephan (CDU))
Herr Stephan, diese Erkenntnis hat im Wesentlichen mit den Erfahrungen aus den letzten acht Monaten zu tun, wie sich z. B. der „ehrbare Kaufmann“ Großmann und andere verhalten haben. Ich will allerdings zur Ehrenrettung von Herrn Großmann und anderen ausdrücklich sagen, dass Sie diesen natürlich eine Vorlage dafür geliefert haben und willige Vollstrecker der Interessen der „großen Vier“ waren.
Zu erinnern ist auch an die versuchten Tricksereien in Form von Strommengenübertragungen von jüngeren auf ältere Kraftwerke, die unter Sigmar Gabriel noch verhindert wurden,
weil es entsprechende Prüfungen gab, die Herr Röttgen anschließend aber wieder möglich zu machen versuchte.
So viel muss der Wahrheit schon Ehre getan werden, Herr Wagner. Sie können ja gleich darauf antworten.
Deswegen ist es ziemlich perfide, Herr Wagner – das gilt genauso für Herrn Bouffier –, dass Sie seit Wochen immer wieder versuchen, diese Situation Rot-Grün in die Schuhe zu schieben.
Sie haben mit allen möglichen Tricksereien versucht, aus dem Ausstieg herauszukommen. Jetzt kommt es bei Ihnen zu einer Kehrtwende. Das freut mich zwar im Ergebnis, allerdings sage ich Ihnen: Wir werden Sie an Ihren Taten messen, nicht an Ihren Bemerkungen. Deshalb müssen Sie endlich auch etwas zu Biblis A und Biblis B sagen.
Ich will eine weitere Bemerkung zum Thema Atomenergie machen. Dem sogenannten Moratorium steht die rechtliche Fragwürdigkeit doch auf die Stirn geschrieben. Die Stilllegung der Atomkraftwerke auf die Bestimmung zur Abwehr einer akuten Gefährdungslage zu stützen, ist mehr als brüchig. Sie kann nur halten, solange die Atom
konzerne stillhalten. Da, wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Ich will allerdings anmerken, dass ich schon vor dem 27. März gesagt habe, dass ich fest davon ausgehe, dass irgendein Unternehmen klagen wird. Zumindest RWE kam unmittelbar nach der Kommunalwahl mit einem solchen Vorhaben daher. Wenn Sie es mit der Stilllegung der Schrottmeiler der Generation Biblis ernst meinten, dann würden Sie das Atomgesetz ändern, und zwar schleunigst. Deshalb frage ich Sie: Wo bleibt Ihre Initiative hierzu, wo bleiben die Initiativen von Frau Merkel und Herrn Röttgen?
Abgesehen von der Frage der rechtlichen Umsetzung wollen wir von Ihnen wissen: Was wollen Sie eigentlich in der Sache? Ich habe Ihnen 52 Minuten lang zugehört.
Sie haben viele Fragen gestellt, die wir seit Jahren hier diskutiert haben, die wir immer wieder aufgerufen haben, wo wir versucht haben, Antworten zu finden, z. B. mit einem Vorranggesetz für erneuerbare Energien, mit einem Energie-Wärmegesetz. Die GRÜNEN haben Initiativen gestartet. Die Einzigen, die immer dagegen waren in diesem Hause, waren die Fraktionen der Union und der FDP sowie die Landesregierung, die immer wieder erklärt haben: Wir sind dagegen, wir sind dagegen, wir sind dagegen.
Ich würde gerne wissen, was Sie eigentlich wollen. Herr Wagner, vielleicht erklären Sie es uns ja, nachdem der Ministerpräsident dazu nichts gesagt hat.
Wenn wir bei der Frage sind, was Sie eigentlich wollen: Ist die Abschaltung von Biblis „absurd“, wie Herr Wagner erklärt? Oder ist es gar „kindisch“, wie Herr Bouffier erklärt hat? Gehen die Reaktoren nie wieder ans Netz, wie die FDP am Wochenende beschlossen hat? Wofür stehen Sie eigentlich? Eine Regierungserklärung ist dazu da, Orientierung zu geben. Dazu habe ich von Ihnen heute aber nichts gehört.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN Herr Bouffier, Sie stolpern durch das energiepolitische Niemandsland Ihrer Regierung. Sie haben kein Konzept, Sie haben keinen Plan, Sie haben kein Ziel. Sie greifen den DGB-Vorschlag auf und flüchten in die Moderato- renrolle, um das blamable Bild Ihrer Regierung auf einem zentralen Politikfeld zu kaschieren. (Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU) )
Moderieren ist zu wenig. Regieren ist keine Talkshow. Herr Wagner, Initiative ist gefragt. Sie sollten endlich etwas liefern.
Ich will Ihnen zum Thema Atompolitik abschließend sagen und ausdrücklich festhalten: Unsere Einschätzung im Hinblick auf die fehlende externe Notstandswarte bei Biblis A und Biblis B sowie den fehlenden Schutz vor Flugzeugabstürzen oder Terrorattacken hat Bestand. Dazu braucht man keine Prüfung mehr. Ich vermute, dass auch Sie zu diesem Ergebnis kommen. Deshalb kann es nur ein