Protocol of the Session on March 3, 2011

Ein besonderer Schwerpunkt muss für uns die Förderung der Medienkompetenz von Eltern und Kindern sein. Dazu benötigen wir mehr als nur Aktionstage wie den Safer Internet Day, der in diesem Jahr unter dem Motto „Erst denken, dann posten“ stand. Daran haben sich viele Schulen beteiligt. Vielmehr brauchen wir ein Konzept – Frau Faeser hat es angesprochen –, das wir hier in Hessen umsetzen.

Eltern machen sich zwar große Sorgen, wenn ihre Kinder im Internet unterwegs sind, aber sie unternehmen kaum etwas zu deren Schutz. Das hat eine Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest in Stuttgart ergeben. Schon jeder Dritte der Zehn- bis Elfjährigen habe außerdem ein Profil in einem sozialen Netzwerk. Die Bereitschaft, persönliche Daten preiszugeben, sei be

denklich, sagte Studienleiter Thomas Rathgeb der Presse. Das Thema Datenschutz erscheine Kindern eher schwer zugänglich.

Hier müssen wir ansetzen. Deshalb müssen Schulen und Bildungsträger durch gemeinsame Projekte Eltern, Kinder und Jugendliche auf die Gefahren und Risiken im Internet aufmerksam machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Medienkompetenz zu stärken ist eine vordringliche Aufgabe der Zukunft, und der SPD-Antrag zeigt einen Weg auf.

Es ist mehr als bedauerlich, dass es beim wichtigen Thema Persönlichkeitsschutz im Internet auf Bundesebene keine einheitliche Linie gibt. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat zugegeben, dass ihr die Vorschläge des Bundesinnenministers nicht weit genug gehen, um die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen. Recht hat sie.

Nach der Ankündigung des hessischen Innenministers, mit einer Bundesratsinitiative aktiv zu werden, sind wir natürlich gespannt, wie seine Vorschläge im Einzelnen aussehen werden. Wir haben allerdings Befürchtungen, dass die im Grunde löbliche Aktivität nicht ausreichend sein wird; denn wichtige Aspekte zu diesem Thema sind bisher weder in den Ankündigungen von Innenminister Boris Rhein noch im Antrag von CDU und FDP zu finden.

Wenn die Bundesratsinitiative auf das Telemediengesetz beschränkt bleibt, greift sie leider zu kurz. Auch Telekommunikations- und Bundesdatenschutzgesetz müssen mit einbezogen werden. Aber die Intention des Antrags geht in die richtige Richtung, und deshalb werden wir ihn unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf drei Punkte möchte ich kurz eingehen und sie nicht unkommentiert lassen. Sicher müssen Nutzerinnen und Nutzer einen kritischen Umgang in den sozialen Netzwerken mit ihren Daten selbst leisten. Sie haben da eine Selbstverantwortung. Aber auch der Staat steht hier in der Pflicht, gesetzliche Vorkehrungen zum Schutze der Grundrechte der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer zu treffen. Mit der Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz in einer gemeinsamen Landesbehörde sind wir einen wesentlichen Schritt weiter, dies auch institutionell zu etablieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber – das gehört auch dazu – wir sind nicht mehr die Ers ten. Deshalb hoffe ich, dass wir heute Nachmittag ein Einvernehmen finden und schnell weiterkommen.

Was für mich besonders unglücklich ist, das ist das unwürdige Kompetenzgerangel auf Bundesebene: wie hier um die Meinungshoheit zwischen Innen-, Verbraucherschutzund Justizministerium gekämpft wird. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen keine Politiker, die sich hier auf ihre Kosten profilieren, sondern sie brauchen gesetzliche Regelungen, die einen effektiven Daten- und Verbraucherschutz im Internet gewährleisten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Vorstoß des hessischen Innenministers zeigt auch, dass die Verantwortlichen in Berlin ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht haben. Wir hoffen, dass die Bundes

ratsinitiative die von uns aufgezeigten Probleme von Verbraucherschützern und Datenschützern berücksichtigt und nicht das Schicksal erleidet, wie das beim Ländervorstoß zu Google Street View geschehen ist. Hier hat der Bundesinnenminister von einer gesetzlichen Regelung zum Datenschutz bei den Geoinformationssystemen abgesehen und sich stattdessen auf eine Selbstverpflichtung der Internetwirtschaft eingelassen.

Aber wir haben jetzt einen neuen Bundesinnenminister, und er hat die große Chance, beim Verbraucher- und Datenschutz im Internet einen großen Erfolg zu landen. Wir hoffen sehr, dass er die Möglichkeiten erkennt, damit der Verbraucher- und Datenschutz im Internet nicht unter die Räder kommt. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Enslin. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Reißer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Vorfeld der CeBIT hat eine Umfrage ergeben, dass 55 % der Befragten ihre Daten im Netz für eher unsicher halten. Das bedeutet, dass die Hälfte der Nutzer Daten im Internet hin- und herbewegt und das für unsicher hält. Welche Konsequenzen ziehen die Nutzer daraus? Wenn man sich das anguckt, sieht man: eigentlich keine. Das Netz ist eher unverzichtbar geworden trotz aller Bedenken und Risiken. Keiner will und kann mehr auf das Internet verzichten.

Millionen von E-Mails und Fotos werden Tag für Tag verschickt. 2 Milliarden Videos werden täglich auf You Tube angeschaut. Jugendliche verbringen heute mehr Zeit – man höre und staune – im Netz als vor dem Fernseher oder mit irgendeinem anderen Medium. 600 Millionen Mitglieder hat das soziale Netzwerk Facebook, um ein Beispiel zu nennen. Das sind 8,6 % der Weltbevölkerung.

Die Zahlen für Deutschland: 10 Millionen Nutzer. 30 Milliarden Einträge werden pro Monat allein in diesem Netzwerk verbucht. Das Internet ist also längst zu einem festen Bestandteil unserer Kommunikation geworden.

Chancen und Risiken des Netzes liegen dicht beieinander. Es leistet einen Beitrag bei der Organisation von Revolutionen und beim Stürzen von Diktaturen. Aber genauso kann es auch Jugendliche zerstören, die Opfer von Cybermobbing werden. Hier gibt es erschreckende und grausame Beispiele. Das Internet ist ein Ort der Freiheit, aber nicht immer ein Ort der Sicherheit. Die Politik ist gefordert, diese Freiheit zu schützen, indem sie das Netz zu einem Ort der Sicherheit macht, was die Daten betrifft. Gesetze und Regeln, die in der realen Welt gelten, müssen auch in der virtuellen Welt gelten und dürfen dort nicht außer Kraft gesetzt werden.

Der Datenschutz ist ein zentrales Element zur Sicherung des Datenverkehrs im Netz. Hierzu ist zunächst einmal ein starker Datenschutzbeauftragter von zentraler Bedeutung. Hessen soll weiterhin ein Musterland des Datenschutzes bleiben. Deswegen werden wir das fraktionsübergreifend – Frau Kollegin, Sie haben es erwähnt – in wenigen Minuten in den Griff bekommen. Ich denke, das ist auf einem guten Weg.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In wenigen Minuten?)

In wenigen Minuten nach der Sitzung. Das bekommen wir hin, Herr Kollege. – Der Datenschutzbeauftragte wird zukünftig eine noch größere Unabhängigkeit genießen. Wir werden die Überwachung des staatlichen und des privaten Datenschutzes unter einem Dach in Wiesbaden zusammenführen und die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Eine Verbesserung des Datenschutzgesetzes allein genügt aber nicht. Wir wollen die Landesregierung auch bei der Änderung des Telemediengesetzes unterstützen. Viele Nutzer gehen gerade in den sozialen Netzwerken – z. B. Facebook und anderen Plattformen, die hier schon genannt wurden – allzu sorglos mit ihren persönlichen Angaben um. Oft wissen sie es gar nicht besser, da niemand sie über die potenziellen Gefahren aufgeklärt hat. Das derzeit geltende Telemediengesetz sieht hier keinerlei Regelungen vor; deshalb bedarf es einer Änderung.

Eine Bevormundung oder Einschränkung des Nutzers will niemand. Der Nutzer soll sich im World Wide Web frei bewegen können. Das ist ein hohes Gut. Die Änderungen zielen darauf ab, dass unbedingt aufgeklärt wird, dass das Internet transparent wird. Hier sehe ich aber auch die Anbieter in der Pflicht, dem nachzukommen. Die jeweiligen Anbieter müssen aufzeigen, an wen die Daten der Nutzer weitergegeben werden – und vor allen Dingen, zu welchem Zweck. Dem Nutzer ist derzeit überhaupt nicht klar, in welchem Umfang seine Daten an Dritte gelangen. Der Nutzer muss vom Betreiber klar und deutlich über die Gefahren, die durch die Nutzung sozialer Netzwerke entstehen, aufgeklärt werden. Dies wird von den Anbietern derzeit so nicht gemacht.

Als Standardoption muss allgemein die höchste Sicherheitsstufe eingestellt sein – nicht die geringste Stufe, wie es der Regelfall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Die Betroffenen müssen in der Lage sein, ihr Nutzerkonto selbstständig und dauerhaft zu löschen. Aber z. B. bei Facebook wird der Account nur deaktiviert, nicht gelöscht, und die Daten bleiben trotz Löschung gespeichert. Es muss so sein, dass man sein Konto löschen kann. Das muss leicht erkennbar und handhabbar sein.

Ein ganz wichtiger Punkt betrifft die Jugendlichen. Für Jugendliche unter 18 Jahren müssen intensive Schutzregelungen geschaffen werden. Da der soziale Druck unter Jugendlichen, in solchen Netzwerken Mitglied zu werden, und das Selbstdarstellungsbedürfnis von Jugendlichen sehr ausgeprägt sind – –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist bei Politikern auch sehr ausgeprägt!)

Ist ja in Ordnung, Frau Kollegin. – Gleichzeitig hat diese Gruppe aber ein sehr geringes Risikobewusstsein.

Ich fasse zusammen. Erstens. Der Nutzer muss umfassend darüber informiert werden, in welchem Umfang seine Daten von anderen genutzt werden können oder genutzt werden.

Zweitens. Wir fordern eine Aufklärung über die Risiken und über die Persönlichkeitsrechte gegenüber Dritten, insbesondere dann, wenn auch Fotos eingestellt werden. Das darf nicht in irgendwelchen Geschäftsbedingungen

oder im Impressum versteckt werden, sondern es muss offen erkennbar sein, um was es da geht.

Drittens. Als Standard muss die höchste Sicherheitsstufe eingestellt sein. Dann gibt man nur die Dinge frei, die man freigeben möchte.

Viertens. Es muss die Möglichkeit bestehen, das Benutzerkonto vollständig zu löschen.

Unser Antrag greift diese vier Punkte auf. Wir wollen unseren Innenminister bei der Bundesratsinitiative natürlich aktiv unterstützen. Wir sind sicher, dass er das mit der ihm eigenen Leidenschaft dort vertritt. Da bin ich ganz sicher. Deshalb sehe ich da auch gar kein Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Dabei geht es nicht um die Bevormundung des Nutzers. Es geht darum, in einer veränderten Kommunikationslandschaft entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und die Vorschriften anzupassen. Unser Ziel ist, durch das Mediengesetz für mehr Sicherheit, für mehr Transparenz, dadurch aber auch für mehr Freiheit im Netz zu sorgen. Das halte ich für entscheidend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Entscheidend muss auch sein, dass das Problembewusstsein des Nutzers aktiviert wird. Frau Kollegin, natürlich kann hier auch die Schule helfen. Wir müssen schauen, Frau Kollegin Faeser, ob das ein einzelnes Schulfach leisten kann, wie es Ihr Antrag vorsieht. Ich bin schon der Meinung, dass das nicht nur in einem Schulfach, sondern eigentlich in jedem Jahrgang und bei jedem Lehrer Berücksichtigung finden müsste, damit hier eine größere Transparenz geschaffen wird. Allerdings ist es auch so: Medienkompetenz ist keine Fähigkeit, die man per Gesetz verordnen kann, sondern sie muss gelebt werden, sie muss von den Eltern und den Lehrern beigebracht werden. Rechtsvorschriften können zwar helfen, aber wir müssen in der Bevölkerung aktiv dafür werben, dass junge Leute in diesem Bereich sensibilisiert werden.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich halte es für genauso wichtig, dass bereits im Kindergarten damit begonnen wird, eine gewisse Sensibilität für das Internet und für die Daten, die dort eingestellt werden, zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber nicht nur Kinder und Jugendliche müssen einen selbstbestimmten Umgang mit den Medien lernen, sondern auch die ältere Generation, die sich immer mehr damit beschäftigt, muss eine entsprechende Kompetenz erwerben. Das ist ihnen durch entsprechende Angebote beizubringen, und sie sind zu informieren. Es gibt viele gute Beispiele aus vielen Projekten. Ich will einige nennen. Es gibt „Ein Netz für Kinder“, wo man vonseiten der Bundesregierung einen Surfraum für Kinder mit 9.500 Anklickpunkten geschaffen hat, über den 800 KinderInternetseiten aufgerufen werden können. Das ist der richtige Weg. Es gibt eine Suchmaschine mit Namen „fragFINN.de“, die für Kinder hervorragend geeignet ist.

Ich sage abschließend: Der vorliegende Entschließungsantrag ist sicherlich nicht erschöpfend, um alle Probleme im Zusammenhang mit dem Internet zu lösen. Ich glaube aber, er ist ein Versuch, diese Probleme zu bewältigen, und ein guter Anfang. Ich bin sicher, das ist der richtige Weg.