Protocol of the Session on March 3, 2011

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) – Minister Jörg-Uwe Hahn: Das war sozialliberal!)

Herr Hahn, damit habe ich kein Problem. Ich glaube auch, dass die heutige Initiative mehr die Handschrift der FDP als die der CDU trägt. Ja, die FDP war auch mitbeteiligt.

Auch wir begrüßen grundsätzlich die technische Entwicklung und Erweiterung von Informations- und Kommunikationsdiensten. Sie stärken die Informationsfreiheit und haben große gesellschaftliche Relevanz. Das Internet erleichtert die Kommunikation und den Informationsaustausch, und es trägt dazu bei, dass den Bürgerinnen und Bürgern eine Informationsvielfalt in einem Umfang zur Verfügung steht, an die die Mütter und Väter des Datenschutzes vermutlich noch gar nicht gedacht haben. Aber – auch das hat der Kollege Greilich gesagt – das Internet birgt auch eine Reihe von Gefahren, denen wir begegnen müssen, und zwar hinsichtlich der Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen.

Dies greift der Antrag von CDU und FDP umfassend auf. Aber bis auf Nr. 2 Ihres Antrags haben Sie den Schwerpunkt auf den repressiven Bereich gelegt. So wichtig und notwendig diese regulierenden Maßnahmen sind, gilt es dennoch, der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Sensibilisierung und der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit beim Umgang mit neuen Medien zusätzliche Aufmerksamkeit zu schenken. Beispiele wie Mobbing von Schülern, Lehrern oder Nachbarn via Internet machen dies in besonderer Art und Weise deutlich. Deshalb ergänzt der von uns heute eingebrachte Dringliche Antrag die von CDU und FDP angeregte Positionierung des Landtags.

Zu den neuen Kommunikationsmitteln gehören insbesondere die sozialen Netzwerke. Menschen können sich darin weltweit und sogar sekundenschnell vernetzen und austauschen. Die sozialen Netzwerke wie Facebook, werkennt-wen, die Lokalisten, studiVZ und schülerVZ sind kostenfrei nutzbar. Aber: Dazu zitiere ich den rheinlandpfälzischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Edgar Wagner, der gesagt hat: „Man bezahlt bei den sozialen Netzwerken nicht mit der Währung Geld, sondern mit seinen persönlichen Daten.“ Die sozialen Netzwerke werden häufig von großen Medienkonzernen betrieben. Diese sammeln die persönlichen Daten, um dann passgenau Werbung machen zu können. Dann kann man z. B. dem 18- bis 23-jährigen Mann genau die richtigen Turnschuhe anbieten, die er dann vermutlich kaufen wird. Genau das ist das Problem an diesen Netzwerken.

Wer in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, weiß auch, wie unheimlich es ist, wenn man manchmal auf der rechten Seite – bei Facebook ist das so – plötzlich Leute vorgeschlagen bekommt, die man sehr wohl kennt, aber ohne, dass man nach ihnen gesucht hätte. Ich habe es mir noch einmal angesehen. Das heißt „Freunde-Finder“, ins Deutsche übersetzt. Das zeigt, dass das soziale Netzwerk die kompletten Daten danach abgleicht, in welcher Partei man möglicherweise ist, welche Freunde man hat, in welche Schule man gegangen ist oder wo man zur Universität gegangen ist. Das ist also ein sehr unheimlicher Abgleich von Daten, bei dem man gar nicht so richtig weiß, was da funktioniert und was die mit den Daten machen.

Das größte Problem an den sozialen Netzwerken – auch das hat Herr Greilich gesagt – ist, dass dabei häufig gegen das in Deutschland geltende Datenschutzrecht verstoßen wird. Deshalb bedarf es aus unserer Sicht regulierender gesetzlicher Regelungen.

Wir haben das bereits sehr frühzeitig gefordert, aber CDU und FDP waren dazu – auch das muss man am heutigen Tag sagen – damals noch nicht bereit.

(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))

Bislang werden die sozialen Netzwerke vom Bundesdatenschutzgesetz und auch vom Telemediengesetz nicht ausreichend erfasst. Dabei geht es nicht darum, dass das deutsche Datenschutzrecht nicht auf den amerikanischen Anbieter – wie beispielsweise Facebook – anwendbar wäre. Das ist es sehr wohl, denn die sozialen Netzwerke haben sämtlich eine Niederlassung in Deutschland. Insofern werden die sehr wohl erfasst.

Allerdings ist das Gesetz – wie bei einer Schablone – mit der Realität nicht richtig vereinbar; die liegen etwas quer zueinander. Das ist das Problem, und das ist nicht hinnehmbar. Deswegen setzen wir uns für einen verstärkten Datenschutz in diesem Bereich ein.

(Beifall bei der SPD)

Auch das hat Herr Greilich schon erwähnt: Allein Facebook hat 10 Millionen Nutzer. Die Fragen des Datenschutzes betreffen nahezu jeden Onlinenutzer in Deutschland. Es kann nicht sein, dass der beste Datenschutz im Moment das Löschen des gesamten Accounts erforderlich macht. Ich glaube, wir haben genügend über die Vorteile dieser Dienste geredet – daher muss man sehen, wie man den Datenschutz dort hinreichend regeln kann.

Probleme bei den sozialen Netzwerken wie Facebook gibt es – auch das wurde schon erwähnt – bei den Privateinstellungen: wenn man sich in diesem Netzwerk anmeldet. Es ist erforderlich, an dieser Stelle private Einstellungen vornehmen zu können – damit der Nutzer gleich weiß: Aha, hier geht es um meine privaten Daten; darauf muss ich aufmerksam gemacht werden, ich muss damit sehr sorgfältig umgehen, um mich zu schützen. Leider ist das bisher nicht der Fall. Ich werde gleich auf die Zahlen zu sprechen kommen, wie sich das aufteilt. Denn das ist das Problem.

Ein weiteres Problem bei den sozialen Netzwerken ist der sorglose Umgang mit Daten Dritter. Das sogenannte Tagging ist das gegenseitige Verlinken oder Markieren von Fotos oder Videos. Das macht zweifelsohne vielen Nutzern Spaß, aber damit werden oft Informationen über Personen preisgegeben, die denen zu weit gehen.

In diesem Zusammenhang darf ich nochmals auf das sogenannte Cybermobbing zurückkommen. Vor Kurzem hatten wir gerade in Frankfurt das Problem mit den Nutzern einer Internetplattform, auf der Jugendliche sogar angestiftet wurden, anonym Gerüchte über Mitschüler zu verbreiten. Auch hier geht es um Aufklärung, z. B. über den Wert von Persönlichkeitsrechten oder aber auch nur über das Recht am eigenen Bild.

Bei der heutigen Debatte sage ich dazu: Die unsäglichen Diskussionen in der Politik darüber, ob das Internet ein rechtsfreier Raum ist, sind schlicht Unsinn. Selbstverständlich gelten alle Gesetze auch im Netz – aber viele wissen das nicht. Viele Jugendliche wissen nicht, dass sie ein Recht am eigenen Bild haben. Auch passt das nicht mehr zu den heutigen Gegebenheiten.

Deswegen geht es auch darum, die Gesetzgebung diesen neuen Gegebenheiten anzupassen – nicht nur beim Datenschutz und bei der Medienkompetenz im Telemedien

gesetz, sondern auch in einem modernen Urheberrecht. Auch das gehört dazu, auch das muss angepasst werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade die jungen Nutzer muss man hinreichend darüber aufklären, was mit ihren Daten in den sozialen Netzwerken geschieht. Eine Studie im Auftrag von BITCOM hat ergeben, dass die Jugendlichen die bestvernetzte Altersgruppe sind. 98 % der Zehn- bis Achtzehnjährigen nutzen das Internet. Mit 13 Jahren sind die meisten bereits täglich online. Selbst die Jüngeren von zehn bis zwölf sind schon zu 96 % im Internet.

Bemerkenswert dabei ist, dass sich sogar 76 % der jungen Nutzer Informationen für Ausbildung und Schule ausschließlich im Netz suchen.

19 % der jungen Nutzer zeigen ihre persönlichen Daten aber nicht nur sogenannten Freunden, sondern allen Mitgliedern der sozialen Netzwerke oder sogar allen Internetnutzern. Weitere 4 % wissen gar nicht, wer ihre Daten sehen kann.

Ich habe mehrfach an Fortbildungsveranstaltungen in Schulen zum Rechtsschutz in sozialen Netzwerken teilgenommen. Meine Damen und Herren, was man dort von den Jugendlichen hört, das ist schon erschreckend. Dort werden regelmäßig Passwörter ausgetauscht, weil das einfach dazugehört. Es entsteht ein gewisser sozialer Druck: Wenn man das Passwort dem Freund oder der Freundin nicht verrät, dann habe man kein Vertrauen in die Person. Das aber führt natürlich zu einem Missbrauch, dessen wir uns annehmen müssen.

Hinzu kommt, dass die Eltern in den meisten Fällen gar nicht wissen, was ihre Kinder mit dem und im Internet machen, welche Daten sie dort von sich selbst preisgeben.

Meine Damen und Herren, das sind Fakten und Zahlen, die uns sehr nachdenklich stimmen sollten. Hier gilt es dringend, Aufklärung zu betreiben und gerade den jungen Menschen die Gefahren aufzuzeigen. Hier geht es vor allem um Bildung – und das ist nun einmal ureigenste Aufgabe eines Bundeslandes.

Deswegen finden wir das heutige Thema wichtig, aber nicht ausreichend. Es geht darum, als Bundesland die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Es geht um einen umfassenden Schutz.

Deswegen haben wir den heutigen Dringlichen Antrag eingebracht. Es geht darum, dem Datenschutz im Unterricht einen größeren Raum zu geben und dass diese Thematik bei der Lehreraus- und -fortbildung Berücksichtigung findet. Das alles sind Maßnahmen, um Medienkompetenz zu vermitteln, die ureigenste Aufgabe eines Bundeslandes ist.

Wir diskutieren heute eine Initiative, mit der wir erreichen wollen, dass der Innenminister auf Bundesebene tätig wird. Das ist sicher auch wichtig. Aber wir wollen, dass auch hier die Hausaufgaben gemacht werden: dass der Datenschutz in diesen Bereichen verstärkt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir hoffen, das findet die Zustimmung dieses Hauses. Denn eine ähnliche Initiative, wie wir sie heute hier eingebracht haben, wurde in Rheinland-Pfalz von allen Parteien verabschiedet. Man kann nur hoffen – und damit will ich enden –, dass Sie, Herr Innenminister, dieses Thema sehr ernst nehmen und es in Berlin hinreichend vertreten und einfordern werden.

Denn ebenso wie Herr Greilich vorhin erinnere ich mich an unsere Diskussion zu Google Street View in diesem Hause. Damals ging es darum, ob eine Bundesratsinitiative des Stadtstaates Hamburg – –

Frau Faeser, Sie denken bitte an die Zeit.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Damals ging es darum, ob diese Initiative unterstützt wird, die Gesetze beim Umgang mit Google Street View zu verschärfen. Heute muss ich Ihnen leider sagen: Das ist nicht hinreichend geschehen. Meine Damen und Herren, da habe ich auch die hessische Unterstützung vermisst.

Deswegen kann ich Ihnen nur den guten Rat geben: Bleiben Sie an diesem Thema dran. Setzen Sie sich dafür ein, dass der Datenschutz bei den sozialen Netzwerken verstärkt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schönen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Enslin.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die sozialen Netzwerke zählen zu den meistgenutzten Kommunikationsanwendungen im Internet. In erster Linie geht es hier um Kommunikation, Kontaktpflege und Informationsaustausch.

Hinter all diesen Plattformen aber stehen große Unternehmen: die Verlagsgruppe Holtzbrinck hinter studiVZ, schülerVZ und meinVZ. Wer-kennt-wen gehört zur RTLGroup, Lokalisten zu ProSiebenSat1, MySpace zum Medienimperium von Rupert Murdoch, und bei Facebook ist Microsoft dabei.

Ein von der „Stiftung Warentest“ durchgeführter Test brachte im Jahre 2010 erhebliche Mängel zutage. Das Ergebnis war niederschmetternd. Bei acht von zehn der größten sozialen Netzwerke wurden erhebliche Mängel beim Datenschutz und der Datensicherheit festgestellt. Was besonders auffällig war: Die Großen – wie Facebook, MySpace oder LinkedIn – waren alles andere als bei diesem Test kooperativ.

Auch wenn der Eindruck erweckt wird, die Nutzung der Netzwerke sei kostenlos, so hat sie doch ihren Preis. Die Mitglieder zahlen indirekt mit ihren privaten Daten. Die Verwertung der persönlichen Daten – der Vorlieben, des Aufenthaltsortes oder der Kontakte – sind ein ganz besonders lukratives Geschäftsfeld. Dafür bezahlen Unternehmen sehr viel Geld.

Besonders beim Blick auf die Geschäftsbedingungen stehen einem die Haare zu Berge. Nicht nur haben die Nutzer wenig Rechte, nein, häufig ohne es zu bemerken, verzichten sie selbst auf weitgehende Rechte, z. B. bei der Weitergabe von Daten an Dritte, wie dies nicht nur bei Facebook der Fall ist.

Facebook setzt jetzt allerdings noch einen drauf. Mit der Verschärfung seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen seit dem 4. Februar schaltet es seine umstrittene umgehende Personalisierung aktiv. Bisher war der Button „Umgehende Personalisierung auf Partnerseiten zulassen“ noch ausgegraut. Ebenso bleiben jetzt die Rechte an allen bis dahin hochgeladenen Daten, Bildern, Fotos und Texten bei Facebook. Das gilt selbst dann, wenn Sie die Community verlassen. So sichert sich Facebook selbst über die Abmeldung hinaus die komplette Kontrolle über die Inhalte. Es wurde angesprochen: Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt. Wir benötigen strenge, klare gesetzliche Regelungen in diesem Bereich, damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Internet gewährleistet wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die noch von Bundesinnenminister de Maizière vorgelegten Eckpunkte zur Internetdatensicherheit greifen in einigen Bereichen leider zu kurz. Richtig ist: Die angekündigten Grenzen, etwa bei der Profilbildung bei Suchmaschinen oder bei Gesichtserkennungsdiensten, gehen in die richtige Richtung. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, haben hierzu noch einmal Eckpunkte vorgelegt, die wesentlich zielführender sind.

Dazu gehört, dass die Datenerhebung und -verarbeitung transparent gestaltet sein müssen. Sie müssen verständlich und leicht abrufbar sein. Es muss ein verbrieftes Widerspruchsrecht geben, ebenso ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Zusammenführung und Verknüpfung von personenbezogenen Daten. Die freiwillige Selbstverpflichtung muss durch Sanktionen verbindlicher gemacht werden, und Verbraucherrecht und Datenschutzrichtlinien müssen aktiv durchgesetzt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch, das international durchzusetzen, wie z. B. beim Abkommen „Safe Harbor“ zwischen der Europäischen Union und den USA. Natürlich muss auch der technologische Fortschritt frühzeitig berücksichtigt werden, und gerade bei den Voreinstellungen der sozialen Netzwerke und bei den Browsern müssen Daten- und Verbraucherschutz höchste Priorität haben.

Es muss klar sein, dass Unternehmen, die mit den Daten ihrer Nutzer Geschäfte machen wollen, dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihrer Nutzerinnen und Nutzer machen dürfen. Es muss auch gewährleistet sein, dass jeder, der seine persönlichen Daten ins Internet stellt, sie auch wieder löschen kann.

Ein besonderer Schwerpunkt muss für uns die Förderung der Medienkompetenz von Eltern und Kindern sein. Dazu benötigen wir mehr als nur Aktionstage wie den Safer Internet Day, der in diesem Jahr unter dem Motto „Erst denken, dann posten“ stand. Daran haben sich viele Schulen beteiligt. Vielmehr brauchen wir ein Konzept – Frau Faeser hat es angesprochen –, das wir hier in Hessen umsetzen.