Protocol of the Session on March 2, 2011

Sie haben 2005 ein unglaublich großes Versprechen gegeben – zumindest war es für Sie ein sehr großes Versprechen: Es darf bis 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das war das politische Versprechen. Mit dem sind Sie durch die Lande gezogen. Die Leute haben Ihnen das abgenommen. Es ist ja auch so eingetreten, wie Sie gesagt haben, weil Sie das vertraglich so verhandelt haben. Jetzt haben wir aber eine neue Situation. Wir finden, dass Sie die moralische Verpflichtung haben, dieses Versprechen zu erneuern. Denn was können die Beschäftigten dafür, dass sie erst jetzt Recht bekommen und Sie damals ein Gesetz verabschiedet haben, das in Teilen verfassungswidrig ist?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU-Abgeordneten mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit wollten Pioniere sein. Sie wollten die Ersten sein, die Neuland betreten, die ein Uniklinikum privati

sieren. Sie wollten das auch möglichst schnell machen. Sie wollten diesen Leuchtturm ganz schnell zum Leuchten bringen. Er sollte in alle anderen Bundesländer hinausstrahlen, je schneller, desto besser. Was war die Konsequenz? Es war ja abzusehen: Sie haben Ihr Gesetz mit viel zu heißer Nadel gestrickt. Sie haben die Rechte der Beschäftigten vernachlässigt. Das Gesetz fällt Ihnen jetzt zu Recht auf die Füße.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Litanei können Sie sich sparen, dass Sie das eigentlich mit bestem Wissen und Gewissen gemacht haben, die Rechtlage sei eben schwierig gewesen, das sei ja durch die vorherigen Urteile bestätigt worden, Sie hätten ja kein Vorbild gehabt, denn Sie seien ja die Ersten gewesen, die das gemacht hätten. All das mussten wir uns im Ausschuss anhören.

Wenn Sie wirklich den sicheren Weg hätten gehen wollen, hätten Sie genug Anregungen gehabt, um das zu machen.

Ich war damals noch nicht im Parlament, musste es daher nachlesen und bin aus dem Kopfschütteln nicht herausgekommen: Es gab anscheinend eine 17-stündige Expertenanhörung.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Oh ja!)

Ein Thema war die Problematik des fehlenden Widerspruchsrechts. Unter anderem hat dann meine Kollegin Sarah Sorge einen Antrag gestellt, in dem genau dieses Thema, nämlich die Überleitung des Personals, problematisiert worden ist. Was haben Sie mit Ihrer absoluten Mehrheit dann gemacht? Sie haben die Warnungen und die Kritik einfach weggestimmt.

In dem Zusammenhang muss ich die Kollegen von der FDP fragen: Was war denn damals mit Ihnen? Was ist jetzt mit Ihnen? Damals waren Sie noch sehr kritisch und haben moniert, dass auf die Anhörung nichts folgte. Sie haben Probleme aufgeworfen. Aber jetzt ist plötzlich alles kein Problem. Ich finde, Sie sollten eine etwas kritischere Haltung einnehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Udo Corts sagte damals in der Debatte – das hört sich heute ganz absurd an, damals wahrscheinlich auch schon –: Wir gehen den korrekten Weg, damit wir nachher nicht verklagt werden können. – Als Einziges war wohl korrekt, dass es damals eine absolute Mehrheit der CDU gab. Nach dem richtigen Weg haben Sie nie gesucht. Für Sie galt, dass Mehrheit gleich Wahrheit ist.

Das war Ihr alter Stil. Herr Ministerpräsident Bouffier hat den neuen Stil ausgerufen. Wir messen Sie jetzt an dem neuen Stil. Sie können in der Tat zeigen, ob Sie daraus gelernt haben. Bisher merke ich wenig davon. Sie können zeigen, ob Sie mehr Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen wollen, und Sie können zeigen, ob Sie wirklich Interesse an einem tragfähigen Gesetz haben.

Herr Paulus, Sie haben gesagt, wir seien an einer konstruktiven Mitarbeit nicht interessiert. Im Gegenteil, was gibt es mehr, als im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst als Erstes einen Dringlichen Berichtsantrag zu stellen, d. h. zu fragen, was für Konsequenzen gezogen werden? In dem Antrag der SPD stehen ein paar wirklich wichtige Forderungen. Damit erklären wir doch, dass wir konstruktiv mitarbeiten wollen. Aber gerade Sie hindern uns daran.

Dabei möchte ich auf eines hinweisen, was mich gestern ganz schön geärgert hat: Ich saß gestern mit einem Fraktionskollegen, der Frau Ministerin und Herrn Dr. Wagner mit einer Besuchergruppe zusammen. Die Besuchergruppe bekam alle möglichen Informationen, die wir im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst nicht erhalten haben. Zum Beispiel habe ich gestern gehört – gut, dass ich es auch weiß –, dass in den Kliniken wohl 3.800 Leute betroffen sind. Außerdem wurde über die Unterschiede zwischen Land und Klinikum geredet, was die Verdienste betrifft, und darüber, welche Probleme es mit den Sozialabgaben gibt, die obendrauf kommen.

Eine Besuchergruppe, die aus Münchhausen kam, erhielt also alle möglichen Informationen. Es ist schön, dass die Besuchergruppe so gut informiert wird. Aber ich hätte es fair gefunden, wenn man uns diese Informationen vorher ebenfalls zugeleitet hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin, sollte wirklich ein neuer Stil in diesem Haus Einzug gehalten haben, so habe ich das bei Ihnen noch nicht mitbekommen. Vielleicht überlegen Sie sich, ob Sie da etwas nachbessern können.

Ich glaube, in dem SPD-Antrag werden genau die richtigen Forderungen gestellt. Es geht zunächst um eine ganz sachliche Prüfung verschiedener möglicher Modelle: Wie können wir der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden? Es werden hier sicherlich einige Kosten auf uns zukommen. Da muss man darauf schauen, welche Vor- und Nachteile welches Modell hat. An dem Punkt hätte ich gern Transparenz.

Dann brauchen wir Zeit für Beratungen. Es wäre wirklich gut, wenn der Gesetzentwurf vor der Sommerpause vorliegen würde. Außerdem brauchen wir eine Anhörung und noch genügend Zeit, um all die Anregungen und Informationen einzubringen.

Was mir ganz wichtig ist: Am Ende muss ein Gesetzentwurf vorliegen, der klar ist und keinen Interpretationsspielraum offenlässt. Es kann nämlich nicht sein, dass der Klageweg noch einmal eröffnet wird, dass noch einmal fünf Jahre vergehen und dass die Betroffenen immer noch kein Recht haben.

Wir haben heute die Wahl. Wenn Sie aus der Entscheidung lernen wollen und wirklich beabsichtigen, hier einen neuen Stil einzuführen, zeigen Sie das auch. Herr Dr. Wagner ist heute leider nicht gekommen. Herr Dr. Wagner hat gestern gesagt – ich fand das schön –: Wir haben die nachsorgende Fürsorgepflicht. – Das hätte fast von uns kommen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat er leider nur den Besuchern erzählt. Aber vielleicht möchte er es hier wiederholen.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme sofort zum Schluss. – Was bedeutet das für Sie konkret? Werden Sie betriebsbedingte Kündigungen ausschließen? Wie werden Sie die Neuregelung auf den Weg bringen? Ich möchte hier keine Wahlkampflyrik mehr hö

ren, sondern politische Prosa. Ich möchte klare Aussagen haben und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Dabei sind zwei Kernelemente zu beachten. Der erste Punkt – das haben viele meiner Kollegen Abgeordneten vor mir schon gesagt – ist die grundsätzliche Aussage des Bundesverfassungsgerichts zur Privatisierung. Frau Abg. Dorn, das ist keine Aussage des Bundesarbeitsgerichts. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht die Privatisierung als solche explizit als eine – jetzt zitiere ich – „legitime Wahrnehmung der Organisationsgewalt des Landes“ anerkannt und befürwortet. Die Privatisierung ist damit rechtmäßig.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Herr Dr. Spies, da Sie immer einer der größten Privatisierungsgegner waren, ist es doch klar, dass Ihnen das nicht gefällt. In diesem Punkt hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls nicht das beschlossen, was Sie erwartet haben.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das habe ich nie erwartet!)

Wir sind stolz darauf, dass die Privatisierung am Ende nicht strittig ist, sondern dass sie dort bestätigt worden ist. Das will ich zunächst einmal festhalten.

Jetzt geht es um den zweiten Punkt. Es geht darum, dass das Bundesverfassungsgericht kritisiert hat, dass Beschäftigte aus dem nicht wissenschaftlichen Bereich übergeleitet worden sind.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Kollege Spies, es wäre gut, wenn Sie zuhörten. Sie konnten an der öffentlichen Sitzung des Ausschusses nicht teilnehmen, in der ich das schon einmal ausgeführt habe. – Es ist so, dass bei dem nicht wissenschaftlichen Personal nach dem Gesetz eine Überleitung stattgefunden hat und dass bei dieser Überleitung kein Widerspruchsrecht eingeräumt worden ist. Das ist der Sachverhalt.

Frau Kollegin Wissler, Sie haben behauptet, ich hätte im Ausschuss nichts dazu gesagt, warum das so gemacht worden ist. Mir liegt das Protokoll vor. Da es eine öffentliche Ausschusssitzung war, darf ich daraus zitieren. Ich habe gesagt:

Die vom hessischen Landesgesetzgeber getroffene Regelung sollte die Funktionsfähigkeit des Klinikums erhalten und so die medizinische Versorgung sichern.

Das habe ich laut Protokoll in der Ausschusssitzung gesagt. Dazu stehen wir auch.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ist denn das für eine Aussage?)

Das müssen Sie Ihre Kollegin fragen. Sie hat das kritisiert. Sie müssen einmal zuhören und dürfen nicht nur lesen, wenn sie redet. Sie hat bestritten, dass ich das gesagt habe.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die Überleitung ohne Widerspruchsrecht ist deswegen erfolgt, weil man einen einheitlichen Übergang der Beschäftigten haben wollte: dass die Arbeitnehmer den Arbeitsplatz, den sie innehatten, per Gesetz am Ende wieder innehaben. Das heißt, es hat eine Überleitung zu 100 % stattgefunden.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das hätte doch nie einer gekauft! Das wären Sie nie losgeworden!)

Jeder Arbeitnehmer hat den Arbeitsplatz, den er vorher hatte, behalten: in derselben Funktion, mit demselben Geld und mit der Garantie eines Kündigungsschutzes bis zum 31.12.2010. Genau das ist passiert. Jeder befindet sich auf demselben Arbeitsplatz wie bei dem öffentlichen Arbeitgeber.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber das ist ein anderer Arbeitgeber! Spielen Sie das doch nicht so herunter!)

Das ist die Rechtssicherheit, die die Beschäftigten auch schätzen. Genau das sollte erfolgen.

Dass kein Widerspruchsrecht eingeräumt worden ist, haben zumindest zwei Obergerichte nicht kritisch gesehen, nämlich das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht ist die Fachgerichtsbarkeit, die die Arbeitnehmerinteressen sehr ernst nimmt.

Das Bundesarbeitsgericht – auch das gehört dazu – hat natürlich gesehen, dass das Widerspruchsrecht Art. 12 berührt. Aber sie haben eine andere Abwägung vorgenommen. Sie haben nämlich gefragt: Was wäre denn passiert, wenn keine Privatisierung stattgefunden hätte? Dann wäre ein Standort geschlossen worden. Die Gefahr, dass die Hälfte der Beschäftigten arbeitslos werden würde, war so groß, dass man auf das Einräumen des Widerspruchsrechts verzichten konnte. Es steht im Vordergrund, dass die Beschäftigten weiterhin einen Arbeitsplatz haben. Das war die Abwägung des Bundesarbeitsgerichts.