Ich sage auch ganz deutlich, dass unserer Auffassung nach das, was Sie als Gesetzentwurf vorgelegt haben, zu kurz greift. Wir haben Ihnen Alternativvorschläge gemacht, was die einfach-gesetzlichen Regelungen angeht. Wir wollten die Quoren auf 1 % heruntersetzen, die Kolleginnen und Kollegen von der SPD auf 0,5 %. Das haben Sie alles abgelehnt – ich werde gleich noch darauf eingehen –, obwohl Sie das auch schon einmal anders gesehen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das eigentliche Problem ist nicht die einfach-gesetzliche Regelung. Das eigentliche Problem, warum in Hessen noch keine Volksbegehren und Volksentscheide durchgeführt und letzt endlich auch umgesetzt wurden, ist die Hürde in der Verfassung. Ich glaube, dass wir gemeinsam darangehen müssen, diese Hürde zu senken, damit auch in Hessen, wie in anderen Bundesländern im Übrigen, Volksgesetzgebung und Bürgerbeteiligung, Volksbegehren und Volksentscheide endlich durchgeführt werden können.
Es reicht eben nicht, den Anlauf zu verlängern, ohne die richtige Hürde zu senken. Das hat der Kollege Dr. Jürgens schon in der ersten Lesung zu dem Gesetzentwurf gesagt.
Im Übrigen haben alle Anzuhörenden – ich betone noch einmal: alle Anzuhörenden – in der Anhörung des Innenausschusses genau das gesagt. Die Experten haben Ihre Vorstellungen für vollkommen unzureichend gehalten und haben gesagt, dass die eigentliche Problematik der Passus in der Verfassung ist.
Der vorliegende Gesetzentwurf von CDU und FDP bringt aus Sicht von Mehr Demokratie e. V. Hessen keine echte Verbesserung der unbefriedigenden Rechtslage zu Volksbegehren und Volksentscheid. Der Gesetzentwurf reduziert das Problem der demokratischen Defizite in Hessen auf Randkriterien und blendet die tiefen Ursachen und Zusammenhänge aus.... Er bleibt weit hinter den Notwendigkeiten der gesetzlichen Anpassung an die Ansprüche der Bürger auf politische Teilhabe zurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auch kurz auf das eingehen, was der Kollege Bauer hier angesprochen hat, was die Frage der Hürde angeht. Wir haben vorgeschlagen, die Hürde auf 1 % zu senken, und wir haben vorgeschlagen, dass wir eigentlich die Verfassung ändern müssten. Wir haben dazu einen Gesetzentwurf eingebracht, den Sie leider abgelehnt haben. Ich frage mich, warum Sie hier mit Verve etwas vortragen, was Sie z. B. im Jahr 2007 noch anders gesehen haben. Seinerzeit hat Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, ehemalige innenpolitische Sprecherin, in der Debatte gesagt:
mag zwar gut gemeint sein, ist aber nicht mehr als weiße Salbe. An dieser Einschätzung hat sich auch nach der Anhörung nichts geändert, denn er löst das Problem nicht. Die CDU-Fraktion bleibt auch bei der Einschätzung, dass es sinnvoller ist, dieses Gesetzeswerk im Kontext mit Art. 124 der Hessischen Verfassung zu betrachten, nicht isoliert.
Im Kontext einer Änderung der Hessischen Verfassung können wir auch gerne darüber reden, das Zulassungsquorum von 3 % auf 1 % abzusenken. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich sehe darin keinen Sinn, wenn wir nicht zugleich Art. 124 der Hessischen Verfassung ändern.
Ich frage mich in der Tat, wo eigentlich Ihre Änderung dieser Meinung hergekommen ist. Der jetzige Wirtschaftsminister Posch hat in der gleichen Debatte seinerzeit genau das Gleiche gesagt. Ich erinnere daran, dass wir damals die Verfassungsenquetekommission hatten, die sich mit dieser Problematik befasst hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Erfahrungen in allen anderen Bundesländern zeigen genau, dass das nicht eintritt, was Sie hier gerade an die Wand gemalt haben: dass einzelne Interessengruppen dadurch die Gesetzgebung bestimmen, dass sie mit viel Geld und mit viel Öffentlichkeitsarbeit für gewisse Ziele streiten. Schauen Sie sich das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz in Bayern an.
Da ist genau das Gegenteil passiert. Da ist mit sehr viel Geld der Zigarettenindustrie gegen das Volksbegehren geworben worden, und die Bürgerinnen und Bürger in Bayern haben sich trotzdem für ein ordentliches Rauchverbot eingesetzt. Ihre Argumente laufen einfach ins Leere.
Von daher sage ich, um im Bilde zu bleiben und Frau Kollegin Zeimetz-Lorz noch einmal zu zitieren: Das, was Sie
hier machen, ist wirklich weiße Salbe, das ist Placebopolitik. Sie versuchen, gerade in Richtung der FDP, ein Thema zu besetzen, und wollen sich das Mäntelchen der Partei umhängen, die auch Volksbegehren und plebiszitäre Elemente unterstützt, ohne wirklich an den Grund dessen zu gehen, was das Problem ist, nämlich die Änderung der Hessischen Verfassung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Gesetzentwurf geht nicht weit genug, Ihr Gesetzentwurf ist weiße Salbe. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf auch ablehnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
(Holger Bellino (CDU): Da hätte jetzt eine Minute gereicht! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Bellino, seien Sie nicht so streng! – Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, demokratische Auseinandersetzungen sind anstrengend!)
Herr Kollege Bellino, diese demokratische Einstellung haben Sie heute schon mehrfach gezeigt, dass Sie den Oppositionsrednern hier noch nicht einmal die ordentliche Redezeit zur Verfügung stellen wollen. Dann brauchen Sie hier auch nicht über Bürgerbeteiligung zu reden.
Das zeigt nämlich den Gedanken der CDU, wie man parlamentarische Wirklichkeiten auch hier wahrnimmt. Herr Bellino, überlegen Sie einmal, was Sie so sagen.
Auch die SPD ist für eine echte Bürgerbeteiligung. Deswegen hat die Sozialdemokratie auch die geringsten Quoren gefordert. Leider sind Sie dem nicht gefolgt. Deswegen werden wir Ihrem Gesetzentwurf auch nicht folgen.
Aber, Herr Kollege Bauer, was mich schon ein bisschen erschüttert, ist das Geschichtsbewusstsein, das Sie zu der Frage der Einordnung eines Volksbegehrens und der Volksgesetzgebung an den Tag gelegt haben. Direkt demokratische Verfahren bilden nämlich ein wichtiges komplementäres Element in einem repräsentativen parlamentarischen System. – Herr Kollege Blum, da sollten auch Sie einmal zuhören.
Dabei stellt die Eröffnung von Einbringungs- und Beteiligungsmöglichkeiten gleichzeitig die Öffnung der Teilhabe an Entscheidungsprozessen durch die Politik für breite Gruppen in der Bevölkerung dar. Dazu gehört eben das
Volksbegehren in Hessen. Dieses direkt demokratische Element ist ein Sonderfall der Gesetzgebung und ist dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren durch den Landtag in der Hessischen Verfassung gleichgestellt, Herr Kollege Bauer. Die Hürden für diese Form der Volksgesetzgebung – das hat der Kollege Frömmrich schon richtig gesagt – sind aber viel zu hoch. Das ist das eigentliche Problem, warum es noch keine Volksbegehren in Hessen gab. Diese Voraussetzungen für eine echte Bürgerbeteiligung ändern Sie hier überhaupt nicht, meine Kollegen von CDU und FDP. Eine echte Bürgerbeteiligung sieht völlig anders aus.
Denn auch mit Ihrer Umsetzung dieses Gesetzes, also der Senkung von 3 auf 2 %, ist die Zahl der benötigten Unterschriften im Vergleich zu den anderen Bundesländern noch immer viel zu hoch. Das hat der Kollege Frömmrich, der im Gegensatz zum Kollegen Bauer die Anhörungsunterlagen ausgewertet und gelesen hat und auch hier dabei hatte, voll und ganz bestätigt. Das haben Sie leider ausgeblendet. Ich darf Herrn Dr. Rux von der Universität Tübingen erwähnen, der gesagt hat, dass es viel weiter gehender Maßnahmen bedurft hätte, um ein Volksbegehren zu erleichtern. Er hat auch auf das nordrhein-westfälische Recht verwiesen, wonach nur 8.000 Unterschriften zur Zulassung eines Volksbegehrens erforderlich sind – 8.000 bei mehr Wahlberechtigten als in Hessen, im Übrigen unter einer CDU-Regierung geändert. Daran darf ich die Kollegen der CDU hier einmal erinnern.
Hessen will auch nach der Änderung eine Senkung auf 87.000 Unterschriften. Im Vergleich dazu hat Bayern knapp 25.000. Wir haben 20.000 beantragt, das wären im Verhältnis zu Bayern immer noch mehr. Vielleicht sollten Sie sich wirklich einmal überlegen, was diese Verhältnisse aussagen und warum es notwendig ist, dieses Quorum viel weiter zu senken, eben so, wie es auch alle Anzuhörenden gesagt haben.
Da darf ich Herrn Prof. Dr. Kersting und Frau Prof. Dr. Sacksofsky erwähnen, die beide gesagt haben, dass es nach wie vor viel zu hoch ist und dass Sie eine echte Bürgerbeteiligung nicht herstellen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))
Das einzig Gute an Ihrem Gesetzentwurf ist die Erweiterung der Fristen von 14 Tagen auf zwei Monate. Das ist ein geringfügiger Beitrag, um Bürgern die Beteiligung zu erleichtern. Aber, wie ich eingangs erwähnt habe, fassen Sie die große Hürde von 870.000 Unterstützern eines Volksbegehrens nicht an. Sie haben sich in dem vor Kurzem sehr frühzeitig abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren, das leider negativ geendet hat, nicht einmal darauf eingelassen, darüber zu diskutieren und die Quoren zu senken. Das ist falsch. Echter Wille zur Bürgerbeteiligung sieht ganz anders aus.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Deshalb haben wir ebenso wie die GRÜNEN beantragt, das Einbringungsquorum zu senken. Das wäre das Entscheidende gewesen. Die Sozialdemokraten sind am weitesten gegangen, weil wir sagen, dass die Initiierung eines Gesetzgebungsverfahrens, das in der Verfassung gleichge
stellt ist, sehr einfach sein muss. Deswegen wollten wir auf 250.000 Unterschriften heruntergehen, dann aber bei der Abstimmung ein qualifizierendes Quorum einführen, das der Sache sicherlich sehr angemessen gewesen wäre.
Ich hoffe sehr, dass Herr Kollege Greilich – er wird sicher noch etwas dazu sagen – heute nicht die Argumentation zu seinem Verständnis von gelungener Bürgerbeteiligung hervorholt, die wir im Ausschuss von ihm gehört haben. Denn im Gegensatz zu allen anderen Beteiligten, vor allem im Gegensatz zu allen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, scheint die FDP im Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens ein gelungenes Beispiel bürgerschaftlicher Beteiligung zu sehen. Meine Damen und Herren, das ist wirklich die Höhe.