Protocol of the Session on February 1, 2011

Warum stellen wir das nicht in einem Praxissemester fest, wie es die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorschlagen? Warum wollen Sie junge Menschen erst durch ein Studium schicken, wenn wir ihnen doch mithilfe eines Praxissemesters sehr früh einen Hinweis darauf geben könnten, ob der Lehrerberuf das Richtige für sie ist oder nicht, und damit den jungen Menschen sehr viel vergeudete Lebenszeit und den Schulen sowie den Schülerinnen und Schülern Schwierigkeiten ersparen könnten? Frau Ministerin, warum machen Sie das nicht? Das ist doch eine ganz einfache Frage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, es wird sich eine zweite sehr einfache Frage stellen. Da wird es spannend sein, zu sehen, ob Sie zu Ihren Zusagen stehen. Dazu haben Sie in Ihrer Rede nichts gesagt. Ich bitte da die Lehrerverbände und insbesondere die GEW, sehr genau hinzuhören.

Sie haben viele Vorschläge der GEW hinsichtlich der Korrekturen in der zweiten Phase übernommen. Aber die Kolleginnen und Kollegen der GEW und anderer Verbände haben immer darauf hingewiesen, dass, wenn Sie das Referendariat kürzen, die damit verbundenen Einsparungen – man wird dann nur noch 21 statt 24 Monate haben – weiterhin für die Lehrerbildung verwendet werden sollen. Die dann frei werdenden Mittel sollten für eine Stärkung der Mentorinnen und Mentoren verwendet werden. Frau Ministerin, es ist sehr interessant gewesen, dass Sie bei der Einbringung Ihres Gesetzentwurfs diesen Teil, der für die GEW und andere Lehrerverbände sehr wichtig ist, gar nicht mehr erwähnt haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Norbert Herr (CDU))

Ich bin da sehr gespannt. – Was wird mit diesen 8 Mil lionen € – so hoch ist der Betrag in etwa, über den wir reden – geschehen?

Die Kultusministerin hat vor wenigen Tagen ein Interview gegeben. Sie hat gesagt, es könne im Amt für Lehrerbildung, also bei der Institution, die für die Lehrerbildung zuständig ist, Kürzungen geben. Da können doch sehr große Zweifel angebracht sein, ob der angeblich mit dieser Reform elementar verbundene Teil der Verbesserung bei der Lehrerausbildung tatsächlich kommen wird.

Herr Wagner, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Meine Damen und Herren, wir sagen deshalb: Frau Ministerin, Sie springen zu kurz. Sie haben einmal mehr die Chance zu einer umfassenden Reform im Bildungswesen verpasst. Sie wollen die Fehler korrigieren, die diese Landesregierung gemacht hat. Mit visionärer Bildungspolitik und mit Reformen, die uns weiterbringen, hat das leider nichts zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wagner, danke sehr. – Als Nächster wird Herr Dr. Herr für die CDU-Fraktion zu uns sprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Er hat neulich die Kultusministerin gelobt!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Wagner, ich werde jetzt einige Ihrer Bedenken zerstreuen. Wir haben jetzt endlich die erste Lesung des lang ersehnten Gesetzentwurfs.

(Peter Beuth (CDU): Norbert, erkläre es ihnen einmal!)

Eines muss ich dazu sagen. Denn Sie fragten: Was haben Sie zwei Jahre lang gemacht? – Wir hatten dazwischen Neuwahlen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

Das hat uns auf diesem Weg ein bisschen aufgehalten. Sie wissen – –

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo haben Sie denn gewählt? – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon länger her, dass die erste Fassung eingebracht wurde. Die Frau Ministerin hat das gesagt. Es mussten noch einige inhaltliche Punkte geklärt werden. Das waren nicht sehr viele, aber immerhin, es waren welche.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie hätten gerne die Ministerin neu gewählt, aber das ist ein anderes Thema! – Gegenruf des Abg. Leif Blum (FDP): Mathias, ihr hattet aber keine Mehrheit!)

Herr Kollege Wagner, ich halte fest, dass meines Erachtens die Auffassungen zwischen den politischen Lagern gar nicht so weit auseinanderliegen. Sie haben gesagt, Frau Ministerin sei zu kurz gesprungen. Das ist ein biss chen übertrieben. Aber Sie müssen als ein Vertreter der Opposition auch ein bisschen etwas sagen.

(Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber nur „ein bisschen“!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns wahrscheinlich darüber einig, dass die bisherige Regelung nicht optimal ist. Da ist zu fragen: Worum geht es? – Die Frau Ministerin hat es gesagt. Erstens geht es um die Verkürzung der Vorbereitungszeit von 24 Monaten auf 21 Monate. Das ist uns ein bisschen schwergefallen. Das sage ich ganz offen. Aber es ist vertretbar, in der Einführungsphase von sechs Monaten auf drei Monate zu reduzieren. Die 18 Monate für den eigenverantwortlichen Unterricht während der Ausbildungszeit werden erhalten bleiben. Die Referendare können somit früher mit eigenverantwortlichem Unterricht eingesetzt werden.

Das hat auch einen weiteren Vorteil. Wir stellen aus anderen Bundesländern angehende Lehrkräfte in den Vorbereitungsdienst ein. Dort gibt es zum Teil andere Regelungen zur Dauer. Das wird dann besser dazu passen. Denn es gibt auch einen Wettbewerb zwischen den Ländern. Dass die Einführungsphase ohne Bewertung bleiben soll, ist in Ordnung.

Jetzt komme ich auf eine Frage zu sprechen, die Sie gestellt haben. Ich stelle ausdrücklich fest, dass die frei werdenden 8,7 Millionen € im System bleiben sollen. Sie sollen anderweitig genutzt werden, z. B. zur Entlastung der Mentoren. Wenn Sie die Vorlage aufmerksam gelesen haben sollten, würden Sie merken, dass das dort auch steht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weiß das auch schon die Ministerin?)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum zweiten Punkt. Die Einstellungstermine sollen der 1. Mai und der 1. November statt dem 1. August und dem 1. Februar werden. Das heißt, es wird keine Verzögerungen bei den Einstellungen im hessischen Schuldienst mehr geben. Das wird ein Vorteil sein. Auch im Vorbereitungsdienst wird es von Vorteil sein, dass der eigenverantwortliche Unterricht jeweils synchron zum Schuljahresbeginn und zum Halbjahresbeginn anlaufen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei der FDP)

Bei dem dritten Punkt geht es um die Reduktion der Module. In der Tat gab es hier Dopplungen und eine Überlastung. Es gab Klagen von den angehenden Lehrkräften im Vorbereitungsdienst. Die haben wir gehört.

Die Anzahl der Module soll von zwölf auf acht reduziert werden. Vier fachdidaktische Module sollen verpflichtend bleiben. Das wird eine echte Entlastung sein. Jedes Modul muss im Hauptsemester mit mindestens fünf Punkten bewertet sein. Das wird eine Voraussetzung zur Zulassung zur zweiten Staatsprüfung sein. – Den Rest lasse ich einmal weg.

Der vierte Punkt ist eigentlich genauso wichtig. Die Rolle der Schule in der Ausbildung soll gestärkt werden. Warum ist das wichtig? – Man will wissen, wie der Entwicklungsstand eines Auszubildenden in der Schule ist. Man will wissen, welche Fortschritte er macht. Das soll im Gutachten des Schulleiters dokumentiert werden. Das wird mit einer doppelten Gewichtung im Sinne der selbstständigen Schule auch in die Benotung eingehen.

Der Prüfungsausschuss soll so zusammengesetzt werden, dass der „Außenblick“ und nicht die „Betriebsblindheit“ dominiert. Vielmehr soll eine „Fremdprüfung“ von außen mit ein Teil sein. Zwei der vier Mitglieder sollen nicht an der Ausbildung beteiligt sein.

Dann geht es noch um die pädagogische Facharbeit und die unterrichtspraktische Prüfung. Die schriftliche Arbeit war ein bisschen umstritten. Es gab einige Stimmen, die sagten: In der ersten Phase wird doch eine Arbeit geschrieben. Muss das denn dann in der zweiten Phase auch sein?

Die pädagogische Facharbeit – so soll sie dann heißen – soll sich mit pädagogischen Fragestellungen beschäftigen. Es gilt also, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Diese Arbeit soll ebenso wie das erwähnte Gutachten des Schulleiters in die Bewertung einfließen. Es soll also eine doppelte Bewertung des Gutachtens, die acht Module und die pädagogische Facharbeit geben.

Der Unterrichtspraxis wird zentrale Bedeutung zukommen. Das ist ganz wichtig. Sie kann an der Gewichtung in der Benotung abgelesen werden. Leistungen in der praktischen Unterrichtstätigkeit unter fünf Punkten werden nicht ausgeglichen werden können. Genauso würde das bei einer Prüfungslehrprobe der Fall sein, die mit null Punkten bewertet wird. Die unterrichtspraktische Prüfung soll eine dreifache Bewertung erhalten. Daran können Sie ablesen, wie wichtig Praxis sein wird.

Der Ausbildungsstand, der die von mir erwähnte pädagogische Entwicklung aufzeigen soll, wird 60 % der Gesamtnote ausmachen, die unterrichtspraktische Prüfung 30 % und die mündliche Prüfung 10 %.

Das ist alles in den Verbänden und bei den Fachleuten nicht sehr umstritten gewesen. Ich sage das noch einmal, weil das die Punkte sind, die wir eigentlich auch schon früher hätten haben können. Das ist in der Tat richtig. Auf die anderen Fragestellungen werde ich noch zu sprechen kommen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer regiert hier eigentlich?)

Die inhaltliche Anpassung der Ausbildungsfächer ist ein weiterer Punkt. Bei der Ausbildung zum Gymnasiallehrer soll es wie bisher bleiben; bei der Ausbildung zum Lehrer der Haupt- oder Realschule auch, es sollen zwei Fächer sein; bei der zur Grundschule sollen es zwei aus drei Fä

chern sein. Dabei muss eines Deutsch oder Mathematik sein. Bei der Ausbildung zum Lehrer für Förderschulen und berufliche Schulen sollen es das studierte Fach und eine Fachrichtung sein.

Die Frau Ministerin hat auch gesagt, dass es eine Regelung für Quereinsteiger geben soll. Es soll Qualifizierungsauflagen geben. Wenn jemand eine halbjährige Probezeit mit Eignungsfeststellung hinter sich hat, dann kann er weiterbeschäftigt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme damit zum Praxissemester. Lieber Herr Kollege Wagner, vielleicht können Sie einen Moment aufmerksam sein. Da sind wir uns eigentlich einig. Es war für uns sehr wichtig – das ist auch ganz unstreitig –, dass in der ersten Phase der Lehrerausbildung mehr Praxisbezug erwünscht ist.

(Beifall des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin gespannt, wie Sie abstimmen werden. Eigentlich müssten Sie, wenn ich mit meiner Rede fertig bin, sagen: Wir sind auch für den Entwurf.

Wir begrüßen daher ausdrücklich den Beschluss der Hessischen Landesregierung, ein echtes Praxissemester einführen zu wollen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo?)

Ein solches Praxissemester würde nämlich die große Chance bieten – das haben Sie zu Recht moniert –, dass die Lehramtsstudenten früher erkennen können, ob sie für das angestrebte Berufsbild geeignet sind.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

Deshalb sollten sie schon während des Studiums ein halbes Jahr in die Schulen gehen. Wir haben vor, dass das von August bis Februar der Fall sein soll. Daran müssen die Universitäten – das ist ganz wichtig –, die Studienseminare und die Schulen beteiligt werden. Denn in die Schulen müssen sie gehen.

Das wird ein Novum sein. Wenn Sie so wollen, wird das ein Paradigmenwechsel sein. Das wird nicht ganz einfach zu händeln sein.

Das war für uns eine Bedingung. Ich sage das einmal ganz freimütig: Wir haben gesagt, wir gehen die Reduzierung von 24 auf 21 Monate mit, wenn das Praxissemester kommt.