An dieser Stelle möchte ich noch einmal deutlich machen, dass ich ziemlich irritiert darüber bin, dass wir einerseits diese Situation haben und ich andererseits eine Einladung zu einer Ausstellung mit dem Titel „Hornhaut auf der Seele“ vorfinde, die hier im Januar stattfindet. Wir haben schöne Einladungen, wir haben schöne Ausstellungen. Aber was hat das mit dem praktischen Leben zu tun?
Ich wüsste auch gern, ob derzeit, im Winter, abgeschoben wird und was das für die Menschen bedeutet, die dort hingebracht werden, wo sie kein Zuhause, kein Dach über dem Kopf haben. In Prisˇtina sind es nachts zurzeit etwa 15° minus.
Ich denke, all das sollten wir berücksichtigen. In der letzten Woche ist wieder ein Flieger mit Abgeschobenen in Richtung Kosovo gegangen. Ich wüsste gern, ob darin auch hessische Betroffene gesessen haben, und ich wüsste gern – wenigstens für diesen Winter –, was die Regierung plant.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Abschiebestopp für kosovarische Staatsangehörige kann die CDU-Fraktion nicht zustimmen.
Auch wenn das Leben für Ashkali, Gorani, Ägypter und auch für die angesprochene Minderheit der Roma im Kosovo sicherlich nicht einfach ist, gibt es doch keine Anhaltspunkte dafür – allein das ist für die Beurteilung maßgeblich –, dass die Angehörigen der Minderheit, die freiwillig oder nach einer zwangsweisen Beendigung des Aufenthalts in den Kosovo zurückkehren, einer unmittelbaren existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind.
Keinesfalls verleugnen will ich aber an dieser Stelle – denn das ist Fakt –, dass es nach den ethnisch motivierten Unruhen im März 2004 Übergriffe in einzelnen Fällen auf Serben gegeben hat. Die gab es auch in letzter Zeit; aber es konnte kein ethnisch motivierter Grund nachgewiesen werden. Das geregelte Zusammenleben von Albanern und Serben, wie es vor dem März 2004 üblich war, ist inzwischen überwiegend einer Trennung der Gemeinschaften gewichen, und das Leben der Serben ist auf ihre Siedlungsräume und Dörfer beschränkt. Internationale Beobachter beschreiben es als ruhig.
Auch dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo ist nicht zu entnehmen, dass ein Anlass für die Aussetzung des Rückübernahmeabkommens besteht. Betrachten wir zunächst die sozialen Parameter: In dem Gesundheitssystem der Republik Kosovo, dessen Standard sicherlich nicht mit dem unseres Gesundheitssystems vergleichbar ist – das will ich gern einräumen –, sind beispielsweise Sozialhilfeempfänger und Personen über 65 Jahre von der Zuzahlungspflicht bei bestimmten Basismedikamenten befreit.
Auch bei sonstigen medizinischen Leistungen ist dieser Personenkreis von der Eigenbeteiligung befreit; schon gar nicht muss er sie selbst bezahlen. Da auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist und Bedürftigen Sozialhilfe gezahlt wird, sehen wir keine Notwendigkeit, einen Abschiebungsstopp zu erlassen.
Zwei ganz wesentliche Aspekte sollten wir darüber hinaus nicht außer Acht lassen. Erstens. Gerade die Republik Kosovo steht unter ganz besonderer Beobachtung der Staatengemeinschaft, was beispielsweise durch die Anwesenheit zahlreicher europäischer – auch deutscher – Nichtregierungsorganisationen und von Vertretern europäischer Mitgliedstaaten sichergestellt ist.
Der zweite Punkt ist die europäische Finanzhilfe. Im Rahmen der Heranführungshilfe erhielt der Kosovo für den Zeitraum 2007 bis 2009 Finanzhilfen in Höhe von 359 Millionen € und für den Zeitraum 2010 bis 2012 Zuführungen in Höhe von 206 Millionen €. Auch in diesem Zusammenhang ist das im Februar dieses Jahres begonnene Umsiedlungsprogramm der EU von besonderer Bedeutung, mit dem nämlich für Angehörige der Roma die Möglichkeit geschaffen wurde, aus den mit Umweltgiften belasteten Camps in neu errichtete Häuser umzuziehen.
Wie wichtig gerade die EU für die Stabilität des Kosovo ist, zeigen diverse Beispiele. Es gibt eine zivile Mission im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Es gibt die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für politische Reformen, und es wurde die europäische Mission EULEX für Fragen der rechtsstaatlichen Ordnung eingerichtet.
Um Befürchtungen hinsichtlich einer Überforderung der kosovarischen Seite aufgrund der steigenden Zahl der Rückkehrer zu entkräften, möchte ich kurz die aktuellen Zahlen nennen. Im Jahr 2009 hat es aus Hessen insgesamt acht Rückführungen von Angehörigen einer Minderheit in die Republik Kosovo gegeben. Davon waren lediglich vier Roma.
Im Jahr 2010 – das ist der Stand vom 8. Dezember 2010 – waren es bisher elf Angehörige einer Minderheit. Davon waren neun Roma.
Auch möchte ich darauf hinweisen, dass sich diejenigen Asylbewerber, die in Hessen gut integriert sind, die nicht straffällig geworden sind und die ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, sich jederzeit an die Härtefallkommission wenden können. Sie können dann damit rechnen, ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten.
Fazit. Hinsichtlich der Situation der Angehörigen einer Minderheit, insbesondere der Roma, in der Republik Kosovo ist festzustellen, dass diese sicherlich verbesserungswürdig ist. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Aber nach den vorliegenden Erkenntnissen – auf die kommt es an – ist die Situation längst nicht so bedrohlich und kritisch, wie es die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag dargestellt hat. Da für eine Aussetzung des Rückführungsabkommens kein Anlass besteht, werden wir den Antrag der LINKEN ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, ich habe Herrn Kollegen van Ooyen mit der Aussage gehört: „Ihr seid Rassisten!“ Dann hat er nachgelegt: „Wenn ihr die abschiebt, seid ihr Rassisten!“
Ich denke, dass das nicht dem Stil des Hauses entspricht und dass Sie deswegen entsprechend tätig werden müssen.
Bevor wir in ein formales Verfahren eintreten, werde ich Herrn van Ooyen die Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen. Sonst würden wir einen relativ hohen Aufwand haben.
Ich möchte ganz kurz dazu etwas sagen. Ich habe gesagt: „Wenn ihr die Roma abschiebt, dann seid ihr Rassisten!“ Das ist das, was ich auch in Frankreich sehr laut sage. Denn ich will nicht auch in Hessen die Politik Sarkozys.
Herr Abgeordneter, erster Punkt. Der Hessische Landtag ist nicht die Republik Frankreich. Das heißt, Sie sind hier gewissen Verpflichtungen ausgesetzt – Gott sei Dank –, sich der Würde des Hauses anzupassen.
Zunächst einmal möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie die Aussage bestätigt haben. Die Aussage bringt mich aber dazu, Sie wegen des Begriffs „Rassisten“ zur Ordnung zu rufen.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen, dass ich es sehr bestürzend finde, dass wir über dieses Thema nicht sachlich reden können. Da kochen einfach immer wieder Emotionen hoch. Hier wird immer wieder versucht, verschiedene Positionen durchzusetzen. Damit wird man der Sache nicht ganz gerecht.
Wir haben die vorweihnachtliche Zeit. Gestern haben wir über das Thema „60. Jahrestag der Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ gesprochen. Da haben wir versucht, für Empathie für die Personen zu werben. Das finde ich auch richtig.
Heute haben wir es mit einem Thema der Flucht zu tun, bei dem ebenfalls Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Sie leben jetzt bei uns in Deutschland und wollen von uns weiterhin einen humanitären Schutz haben. Sie wollen vernünftig behandelt werden. Von daher bitte ich, emotionsfreier über dieses Thema zu diskutieren. Herzlichen Dank.
Schauen wir uns einmal die Zahlen an. In Hessen sind rund 224 Roma, 17 Ashkali und neun Bosniaken ausreisepflichtig. Jetzt kann man fragen: Das ist doch eigentlich eine ganz kleine Zahl. Warum streiten sie sich so darüber?
Meiner Meinung nach kann nicht ignoriert werden, dass internationale Menschenrechtsorganisationen, von denen Frau Wallmann gesprochen hat, seit dem April 2010, also nachdem das deutsch-kosovarische Rückführungsabkommen geschlossen wurde, über die Situation im Kosovo klagen. Sie sagen: freiwillige Rückführungen ja, aber bitte keine Zwangsabschiebungen von Minderheiten. Denn der Staat Kosovo ist noch nicht in der Lage, Flüchtlinge in einer solchen Zahl aufzunehmen. Sie plädieren ganz deutlich dafür, die Abschiebung von Minderheiten in den Kosovo auszusetzen.
Warum sollen wir das in Hessen nicht machen, wenn es um 224 Roma, 17 Ashkali und neun Bosniaken geht? Die würde Hessen doch allemal positiv in die Gesellschaft integrieren können. Das gilt natürlich nur, wenn sie nicht straffällig geworden sind.
Meine Frage lautet also: Was spricht dagegen? – Vielleicht kann Innenminister Rhein etwas dazu sagen.
Man sollte sich die Berichte der Delegationsreise des Innenausschusses des Bundestages anschauen. Sie sind in diesem Jahr in den Kosovo gefahren. Sie haben sehr eindringlich darüber berichtet, dass vor Ort einfach keine ausreichende Gesundheitssituation gegeben ist. Die Infrastruktur ist nicht ausreichend. Die Personen können sich nicht versichern.
Vor allen Dingen erhalten die Kinder der Roma kein Recht auf Schulbildung. Denn sie sprechen nicht albanisch. Sie werden als Roma diskriminiert. Das sind Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.
Wir schieben sie einfach ab. Dort sollen sie in die Schule gehen. Das können sie nicht. Damit wird deren Zukunfts perspektive zunichtegemacht. Warum geschieht das? –
Das geschieht, weil wir uns in dieser Diskussion ein bisschen störrisch und ideologisch auseinandersetzen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Marjana Schott (DIE LINKE))
Es gibt in einem Rückkehrerprojekt einen Finanztopf. Das ist das Projekt URA 2. Das wird von verschiedenen Ländern mitfinanziert. Das sind Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg. Hessen ist nicht dabei.
Das heißt, wenn die Menschen abgeschoben werden, erhalten sie während der ersten Phase eine ganz kleine Unterstützung, damit sie sie überbrücken und sich integrieren können. Abgeschobene aus Hessen können von diesem Topf aber nicht profitieren. Sie gucken in die Röhre. Das ist meiner Meinung nach untragbar.
Der andere Punkt ist, dass man Sozialhilfe nur in dem Ort beantragen kann, in dem man ursprünglich seinen Wohnsitz hatte. Das heißt, Menschen, die im Krieg Gräueltaten erfahren haben, müssen an diesen Ort zurück, damit sie überhaupt Sozialhilfe beantragen können. Wenn sie sich anderswo im Kosovo niederlassen, erhalten sie keine Sozialhilfe. Das ist für Menschen, die traumatisiert sind, die aus ihrer ehemaligen Heimat geflohen sind und gar nicht mehr zurückwollten, eine Zumutung.
Ich möchte auch daran erinnern, dass am Wochenende die Wahlen waren. Es ist uns allen klar, dass die Regierungsbildung sehr schwierig werden wird. Es ist nicht klar, wie stabil dieses Land in den nächsten Jahren sein wird.