Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen, wir alle haben heute in den Fächern den vorläufigen Stenografischen Bericht der Plenarsitzung vom Dienstagnachmittag erhalten. Daraus darf nicht zitiert werden. Ich habe nicht die entsprechende Zeit, um Zitate vorzutragen. Er dient aber der persönlichen Information. Ich rate jedem an, sich zu informieren.
Ich rate jedem an, das einmal zu lesen. Denn am Dienstag haben wir eine ähnliche Diskussion geführt. Wir haben alle gesagt, dass wir proaktiv auf den Bürger zugehen wollen. Wir wollen Elemente direkter Demokratie einarbeiten. Wir wollen das aber auch im Rahmen der HGO und HKO dann noch einmal auf den Punkt bringen.
Ich verstehe jetzt auch den Zungenschlag vom Dienstag: warum die LINKEN so schlecht auf die SPD zu sprechen waren. Das war so, weil in der Tat jetzt deutlich wird, dass die LINKEN etwas anderes wollen als der Rest des Hauses.
Ich bin einer, der sich wirklich einmal positiv mit Ihrem Gesetzentwurf beschäftigt hat. Der Gesetzentwurf zur HGO ist sehr umfangreich. Der Gesetzentwurf zur HKO ist es auch. Ich habe mich bemüht, am Computer einmal eine Synopse zu machen.
Ich habe es nicht ausgedruckt, sondern ich habe es am Computer gemacht. Da kann man durchscrollen und sehen, wo die Unterschiede sind. Ich habe mir angesehen, was Sie in dieser – so Ihre Presseerklärung – „Fleißarbeit“ in zwei Jahren intensiver gemeinsamer Arbeit mit Ihren Kommunalpolitikern erarbeitet haben. Das nehme ich Ihnen ab. Der eine Kommunalpolitiker hat das mit vorgestellt, weil in Kassel bald die OB-Wahl stattfindet.
Ich wundere mich nicht, warum die Vertreter der anderen Fraktionen – ich zitiere jetzt nur – es als Unsinn bezeichnen. Die CDU und die SPD sagen, es sei rechtswidrig und handwerklich schlecht. Bei der Frau Enslin sträuben sich sogar die Nackenhaare. Das kommt davon, wenn man alles hineinschreibt, was man hineinschreiben kann. Das sind ein bunter Strauß und ein buntes Sammelsurium von all dem, was man schon einmal gehört hat.
Die rote Linie ist nicht gegeben. Es sind auch Widersprüchlichkeiten enthalten. Aber Sie haben in der Tat formaliter männlich und weiblich berücksichtigt. Das war in der Konsequenz nicht ganz eindeutig, aber das ist die Intention. Sie haben auch nicht den „Bürger“ definiert – Herr Beuth ist darauf eingegangen –, sondern die „Gemeindeangehörigen“. Gut, das ist eine Frage der Diktion. „Bürger“ ist für mich als Liberaler immer noch ein Terminus technicus, der wichtig ist, weil auch Bürgerengagement etwas Wichtiges ist.
Dann führen Sie ein Sammelsurium von neuen Begriffen an, z. B. Kinder- und Jugendbeirat, Klimaschutz- und Energiebeauftragter, Gemeindeantrag von Gemeindeangehörigen über 14 Jahren, die Gemeindepetition. Sie bemühen sogar einen § 19 Abs. 3 – Öffentliche Einrichtungen, Anschluss- und Benutzungszwang –, wo in der Begründung die Marburger Solarsatzung auf den Punkt gebracht werden soll. Meines Erachtens hat es schon der Vertreter der SPD von der Rechtswidrigkeit her auf den Punkt gebracht, ob man das regeln kann.
Sie regeln zu Recht die Einmannfraktion – da bin ich bei Ihnen. Sie reden auch über das Rederecht in den Ausschüssen. Sie wollen den gleichen Zugang zu Medien und Publikationen wie die Gemeindevertretung haben. Sie reglementieren sogar die ehrenamtliche Tätigkeit. Da sträuben sich jetzt bei mir die Nackenhaare. Sie reden vom Wahlrecht ab 16 Jahren.
Jetzt wird es bedeutsam – und da muss man genau lesen, die Vorredner sind darauf eingegangen. Jetzt beginnen Sie, wild zu streichen. Sie beginnen dort zu streichen, wo das aktive Wahlrecht beinhaltet ist – das führen Sie auch im Munde –, nämlich Wegfall der Voraussetzung als Deutscher oder EU-Bürger. Sie wollen das öffnen. Sie beginnen in der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde zu streichen, wo Sie – das ist für mich noch interessant, weil ich auch die entsprechenden Zuschriften der letzten Wochen kenne – kommunale Unternehmen problematisieren.
Wichtig ist dann, was Sie alles bei § 121 streichen wollen. Als Liberalem – und der Vertreter der SPD hat das auch auf den Punkt gebracht – sträuben sich mir abermals die Nackenhaare. Sie wollen Abs. 1, Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 und 6 streichen. Dort wird geregelt, wo die Grenzen einer wirtschaftlichen Betätigung sind. In diesem Kontext muss man einmal darüber reden, was getan werden muss, wo Grenzen liegen – wo wir alle, die wir hier auch kommunalpolitische Erfahrung haben, die Grenzen für uns selbst definieren müssen.
Da fängt es an, für mich wirklich gruselig zu werden. Denn dann hätte man aufhören und einfach feststellen sollen, dass man hier einen Entwurf in die Beratung einbringt mit dem absoluten Bewusstsein, keine Mehrheit haben zu wollen, sondern all diejenigen mitzunehmen, die irgendwo in diesem Bereich sich einmal geäußert haben und etwas auf den Punkt gebracht haben. Ich finde das nicht gut. Denn zurückkommend auf die Diskussion vom Dienstag meine ich sehr wohl, dass wir die Diskussion am Dienstag so geführt haben, dass wir proaktiv positiv tätig werden wollen und nicht nur das Sammelsurium aller Begriffe, die in den letzten zwei Jahren in diesem Kontext aufgetaucht sind, abschreiben.
Herr Boeddinghaus kandidiert als „langjähriger“ Kommunalpolitiker zum OB in Kassel. Ich habe recherchiert,
ab 2005/2006 war er bei den LINKEN aktiv. Er ist also ein „langjähriger“ Kommunalpolitiker mit fünf Jahren. Ich glaube, es gibt hier andere gestandene Kommunalpolitiker, die sagen, was langjährig ist. Er stellt – das ist mir ganz übel aufgestoßen – über eine Pressemitteilung fest: Die einzelnen Stadtverordneten brauchen bessere Möglichkeiten, damit sie tatsächlich politisch agieren können. Entscheidungen, von denen die Allgemeinheit betroffen ist, sollen nicht länger – jetzt kommt es – in geschlossenen Amtsstuben, Hinterzimmern und Vorständen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt werden.
Er hat damit für sich selbst den Insolvenzantrag für eine Erfolg versprechende Kandidatur in Kassel als OB gestellt. So jemand darf nicht für ein öffentliches Amt kandidieren. Wer diese Erfahrung mitbringt, hat in unseren Parlamenten und erst recht als OB nichts zu suchen. – Danke.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für Kassel haben wir Herrn Dr. Jürgens!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir lange überlegt, was ich zum Gesetzentwurf der LINKEN zur Änderung der HGO und der Landkreisordnung sagen soll. Das tut mir auch irgendwie leid; denn Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben, wenn man die Dicke des Paketes sieht, auch wenn ich jetzt erfahren habe, dass Sie es abgeschrieben haben.
Ich bin immer noch ein bisschen ratlos, was ich jetzt dazu sagen soll, insbesondere weil mich der Zeitpunkt der Einbringung irritiert. Er ist für mich sogar rätselhaft. Zum einen dürfte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Koalitionsfraktionen bereits bei der letzten Änderung der Kommunalverfassung – das war im März dieses Jahres – angekündigt haben, dass es eine umfassende Evaluierung gibt und dass danach entsprechende Gesetze eingebracht werden sollen. Zum anderen ergibt sich das auch aus den Gesetzen selbst, die alle zum 31. Dezember 2011 befristet sind.
Für uns alle wäre es deswegen sinnvoller gewesen, wenn man die Kräfte des Parlamentes, die Kräfte der Anzuhörenden, aber insbesondere auch die Kräfte der Kommunalen Spitzenverbände geschont und abgewartet hätte, bis da etwas Richtiges eingebracht wird.
Aber das ist Ihr gutes Recht. Das will Ihnen keiner absprechen. Das hat der Kollege Siebel gesagt, etwas anderes hat der Kollege Peter Beuth auch nicht gesagt. Das ist
Ihr gutes Recht, aber ich kann dem zustimmen, was Peter Beuth gesagt hat. Ich glaube, man kann schon heute ziemlich klar sagen, dass es mit uns natürlich keine Wiederausdehnung der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Gemeinden geben wird. Meines Erachtens braucht man darüber nicht groß zu diskutieren.
Wir brauchen auch schon deswegen nicht groß darüber zu diskutieren, weil die SPD vor zwei Jahren etwas ziemlich Ähnliches in den Hessischen Landtag eingebracht hat, und auch da ist es schon abgelehnt worden. Das ist jetzt nicht die große Neuigkeit.
Das Gleiche gilt im Übrigen für die Absenkung des aktiven Wahlalters. Aber ich glaube, auch hier wundert es Sie nicht riesig, dass wir nicht in die Diskussion eintreten werden, weil auch das schon im Jahre 2008 Gegenstand eines Gesetzentwurfs gewesen ist; diesmal kommt es aus der Fraktion der LINKEN. Warum bringen Sie es jetzt schon wieder vor?
(Janine Wissler (DIE LINKE): Wir geben der Mehrheit noch eine Chance! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir hoffen auf Einsicht!)
Ein weiterer Punkt. In Hessen wird es eine durchgängige Einführung der Einpersonenfraktionen in allen Gemeinden und darüber hinaus in den Landkreisen nicht geben. Das ist auch etwas, worüber wir schon diskutiert haben, nämlich am 24.03. dieses Jahres.