Das geschah mit dem Elften Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes. Während das Elfte Gesetz und die skandalöse Zusatzvereinbarung mit der Atomindustrie eine Erhöhung der Reststrommengen zum Inhalt hat, die den Atomreaktoren zugewiesen sind, trifft die zwölfte Novelle Regelungen zur Reaktorsicherheit, zur Entsorgung und zur Endlagerung. Diese Aufspaltung hat die schwarz
gelbe Atomkoalition vorgenommen, weil ihr die Mehrheit in der Länderkammer fehlt und sie das Elfte Gesetz, in der die Laufzeitverlängerung festgelegt wird, frei von Regelungen halten wollte, die eine Zustimmungspflicht des Bundesrats auslösen würden. Wir halten diese Aufspaltung für sachwidrig, aber darüber werden die Gerichte entscheiden.
Auch bei der Frage des Haftungsfalls wollte man sichergehen. Das Atomgesetz schrieb bis zu seiner Änderung vor, dass im Haftungsfall, also bei einem Atomunglück, zunächst die Anlagenbetreiber bis zu einem Betrag von 2,5 Milliarden € einstehen müssen. Dann stehen der Bund und die Länder mit bis zu 500 Millionen € in der Pflicht, wovon der Bund 375 Millionen € und das betroffene Land 125 Millionen € übernimmt.
Abgesehen von der Unmöglichkeit, im Fall der Fälle menschliches Leid und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mit Geld auszugleichen, ist die Frage der Risikoerhöhung durch eine Laufzeitverlängerung für die Zustimmungspflicht des Bundesrats von großer Wichtigkeit. Wenn sich durch die Verlängerung der Laufzeit der alten Atomreaktoren in Biblis auch das Risiko ihres Betriebes und damit die Höhe der Risikorückstellung des Landes Hessen erhöhen würden, wäre schon allein dadurch nach alter Gesetzeslage die Zustimmungspflicht im Bundesrat ausgelöst worden. Durch die zusätzliche Übertragung von Strommengen würde die Laufzeit der 1970 und 1972 in Betrieb genommenen Reaktoren im Biblis rein rechnerisch eine Verlängerung um sieben Jahre erfahren. Die Kollegin hat eben von 14 Jahren gesprochen. Man kann vielleicht zehn Jahre annehmen, weil man nie genau weiß, wie lange ein Reaktor zwischendrin abgeschaltet ist. Jedenfalls heißt das, dass die Reaktoren sehr alt sein werden. Keiner diese Reaktoren wurde für eine Betriebsdauer von 40 oder mehr Jahren gebaut.
Die Frage der Erhöhung des Haftungsrisikos des Landes Hessen durch eine Laufzeitverlängerung haben wir mit einem Dringlichen Berichtsantrag abzufragen versucht. Wir erhielten daraufhin von der Umweltministerin eine lapidare Antwort, dass sich nämlich die Risikorückstellung für Hessen nicht erhöhe, weil sich auch das Betriebsrisiko durch die Laufzeitverlängerung nicht erhöhe. Niemand hier im Raum oder anderswo würde behaupten, dass ein Automobil mit 350.000 km Laufleistung noch so funktionssicher ist wie in seinem Neuzustand – abgesehen davon, dass das Gefährdungspotenzial eines solchen Fahrzeugs deutlich geringer ist als das eines Atomreaktors. Aber wir hören von dieser Regierung gebetsmühlenartig, die Reaktoren in Biblis seien so gut wie neu, sogar noch besser, weil regelmäßig gewartet.
Ja, neue Dübel helfen manchmal. – In jedem AKW wird in einem Betriebsjahr pro Megawatt elektrischer Leistung ungefähr die Radioaktivität der Hiroshimabombe erzeugt. Das heißt, dass in einem Atomkraftwerk mit 1.200 MW Leistung pro Jahr in etwa die Radioaktivität von 1.200 Hiroshimabomben entsteht. Durch den Dauerbeschuss mit Neutronen aus der Kernspaltung, sehr hohe Temperaturen und Temperaturunterschiede, mechanische Belastungen und Korrosion altern die einzelnen Bauteile der Atomkraftwerke. Dadurch erhöht sich selbstverständlich das Unfallrisiko infolge Materialermüdung. Das
leuchtet doch unmittelbar ein. Wer das bestreitet, hat noch nie zugesehen, wie irgendein Gerät, irgendeine Maschine älter wird.
In der Ahnung, dass diese abenteuerliche Argumentation, dass keine Risikoerhöhung eintreten werde, kaum Bestand haben dürfte, hat die Bundesregierung in der elften Novelle des Atomgesetzes auch die atomgesetzlichen Haftungsregelungen geändert. Die Länderbeteiligung ist gestrichen worden. Die Haftung wurde allein dem Bund auferlegt. Durch diese Streichung der Länderhaftung entfällt die Zustimmungspflicht des Bundesrats – dachte sich dabei wohl die atomfreundliche Bundesregierung. Offiziell begründet wurde diese Änderung übrigens damit, dass sie ein Beitrag zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens leiste. Mit dieser „Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens“ wird aber die Staatshaftung geändert. Eine solche Regeländerung bedarf nach Art. 74 des Grundgesetzes immer der Zustimmung des Bundesrats.
Für diese Sorte „Pech“ gibt es eine ganze Menge Redewendungen in unserer Sprache. Da gibt es was mit Öfen, Gruben, Knien und anderen Körperteilen. Sie können das selbst zu Ende formulieren, wenn Sie das tun wollen.
Darüber hinaus geben Laufzeitverlängerungen dem Staatshaftungsrecht eine wesentlich andere Bedeutung, weil sie das durch den Atomausstieg begrenzte Haftungsrisiko erheblich erhöhen. Folglich bedürfen Laufzeitverlängerungen der Zustimmung des Bundesrats. Nun mache ich mir aber gar keine Illusionen. Das kann ich Ihnen hier erzählen, dazu können wir Anträge schreiben, aber die Regierung folgt Anträgen der Opposition in der Regel nicht – und Anträgen meiner Fraktion schon gar nicht. Das Ergebnis wird sein, dass Sie sich an der Stelle vielleicht einmal eine Beule holen. Wir werden das erleben.
Frau Puttrich und die Regierung müssen sich aber darauf einstellen, dass die Atomgesetzgebung wegen der veränderten Staatshaftung oder der Entschädigungspflicht der Bundesländer, oder der Entsorgung, oder, oder, oder – das könnte man noch lange fortsetzen – vor dem Bundesverfassungsgericht landen und dort vermutlich scheitern wird. Auf den Moment freue ich mich schon.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte besteht ja aus mindestens zwei Aspekten, wenn nicht sogar aus drei Aspekten. Der erste Aspekt betrifft das besondere Steuersparmodell von RWE. Die zweite Frage, die in den Anträgen angesprochen wird, lautet natürlich: Wie sieht es mit der Zwischenlagerung und, damit natürlich verbunden, mit der Endlagerungsproblematik aus?
Ich will mich zunächst einmal mit der Frage des Steuersparmodells auseinandersetzen und feststellen, dass sich die Bundesregierung doch arg angestrengt hatte, den vier großen Atomstromern Milliarden Euro in die Rippen zu schieben. Nach Berechnungen des RWI und auch nach einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg ist von 38 Milliarden € die Rede, die die Unternehmen an Zusatzgewinnen – nicht Umsätzen – durch die Laufzeitverlängerung haben.
Meine Damen und Herren, es waren ja der frühere Ministerpräsident Koch, Herr Röttgen und die Frau Kanzlerin, die immer gesagt haben: Wir wollen diese Gewinne abschöpfen. – Jetzt stellt sich heraus, dass diese Gewinne eben nicht abgeschöpft werden, sondern durch angebliche Fördermaßnahmen für erneuerbare Energien, die von RWE und anderen ausgeführt werden, wieder zurückfließen. Deswegen muss ich sagen: Ich lehne das Schottern ab – und zwar aus tiefer Überzeugung, das halte ich für falsch –, ich lehne aber auch ab, dass CDU und FDP mit ihrem Atomdeal dafür sorgen, dass die Strommonopolisten mehr Schotter in ihre Kassen bekommen.
Ich finde es reichlich peinlich, wie die schwarz-gelbe Bundesregierung von den Konzernen hier vorgeführt wird, obwohl diese durch den Deal Milliarden Euro an zusätzlichem Schotter verdienen.
Anscheinend hat die Bundesregierung tolle Freunde. – Da kommt natürlich die Ideologie des Atomlobbyismus hinzu. Dieser blinde Atomlobbyismus hat dazu geführt, dass man Gesetzeslücken nicht mehr gesehen und nicht mehr erkannt hat.
Zumindest bleibt, wenn man nicht gerade der Überzeugung ist, dass das sogar ein abgesprochener Deal ist – Frau Hammann hat das angedeutet, ich bin mir da nicht sicher –, zu sagen: Mindestens genauso wahrscheinlich ist, dass dieser blinde Atomlobbyismus dazu geführt hat, dass man gar nicht hingeschaut, dass man der Atomindustrie vertraut und dass man einfach schlampige Arbeit geliefert hat. Damit wird man zu einer von RWE blamierten Lachnummer in einem schmutzigen Atomdeal.
All das passt zu der Unternehmenskultur von RWE. Sie schreiben in ihren Broschüren zwar etwas anderes. Aber faktisch war es immer so, dass man ihnen nicht trauen konnte.
Da über die Castortransporte diskutiert worden ist: Ich kann mich noch daran erinnern, wie es war, als zum ersten Mal über die sogenannten Hotspots bei den Einlässen diskutiert wurde. RWE hat bewusst irreführend gesagt, es liege nichts vor. Das war eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit und passt zu dem, was ich gesagt habe. Es passt auch zu der Art und Weise, wie die Ereignisse immer geschönt worden sind. Das ist die wahre Unternehmenskultur von RWE.
Deswegen sage ich Ihnen: Die eigentlichen Brandstifter in der Atomdebatte sitzen bei RWE. Das sind diejenigen, die den Konsens aufbrechen, den es in dieser Gesellschaft einmal gab.
Mit diesem Steuersparmodell wird Schwarz-Gelb von RWE vorgeführt. Das verstärkt bei vielen das Gefühl, dass in Deutschland nur die Dummen Steuern zahlen. Das ist das Ergebnis.
Die Wut auf die da oben wächst durch einen solchen Deal. Ich glaube, deswegen bedarf es einer Auseinandersetzung. Ich habe festgestellt, dass die Sache auch in Teilen der CDU keinen großen Gefallen gefunden hat. Ich finde, Sie müssten dann auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen und sagen: Wir lassen uns von RWE nicht aufs Kreuz liegen, sondern nutzen die Möglichkeiten, die es im Bundesrat vielleicht gibt, um das zu korrigieren.
Unser Fraktionsvorsitzender, Thorsten Schäfer-Gümbel, hat den Herrn Ministerpräsidenten angeschrieben und darum gebeten, dass jetzt, da der Bundesrat beteiligt ist, alle Möglichkeiten ausgenutzt werden. Als es um die Einführung der Flugzeugabgabe ging, also um eine Abgabe bei der Benutzung von Flugzeugen, hat man ein Modell gewählt, wonach schon im Vorgriff auf das Inkrafttreten des Gesetzes Steuern abgeführt werden müssen. Das müssen Sie den Menschen einmal deutlich machen.
Ich habe gerade gesagt, dass die Wut derer, die unten sind, auf die, die oben sind, wächst. Machen Sie das den Menschen einmal klar: Die Flugreisenden müssen im Vorgriff zahlen; aber die Atomindustrie kann munter 280 Millionen € sparen, weil sie ein solches Schlupfloch ausfindig gemacht hat. Als die Schwarz-Gelben gemerkt haben, dass da ein Schlupfloch ist – vielleicht war es sogar kein Deal, vielleicht war es unbeabsichtigt –, war aber keiner von ihnen bereit, es zu stopfen.
Sie lassen sich vorführen und unternehmen nichts dagegen. Daher hat die SPD auch einen Brief an die Landesregierung geschrieben, der bisher leider unbeantwortet geblieben ist. Aber bei der Landesregierung ist das eben so. Die SPD hat die Landesregierung in diesem Brief aufgefordert, ihre Möglichkeiten im Bundesrat zu nutzen.
Wenn ich über die Unternehmenskultur spreche, gehört auch der Hinweis dazu, dass RWE den Austausch mit physikalischen Gründen erklärt hat.
Das ist glatt gelogen; denn die Brennstäbe sind eben nicht völlig abgebrannt. Sie werden auf die Seite geschoben und dann wieder eingesetzt. Damit wird Schwarz-Gelb eigentlich doppelt aufs Kreuz gelegt, doppelt vorgeführt. Ob Sie das mit sich machen lassen, weiß ich nicht. Aber Sie lassen das anscheinend zu. Ich kann nur sagen: Damit wäre eigentlich endgültig der Punkt erreicht gewesen, an dem man hätte erklären können: So lassen wir uns nicht vorführen. – Mit „Stromern“ sind eben keine soliden Geschäfte zu machen.
Der Atomwirtschaft ist nicht zu trauen. Sie hat hier getrickst und getäuscht. Wer bei solchen Fragen trickst und täuscht, der vertuscht auch in anderen Fällen. Zumindest gibt es deutliche Anhaltspunkte dafür.
Ich will auf den zweiten Teil eingehen, nämlich auf die aktuelle Debatte und die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Umweltministerin und dem Ministerpräsidenten in der Zwischenlagerfrage. Ich glaube, auch das muss im Bundesrat angesprochen und geklärt werden: Wenn die Laufzeiten verlängert werden, wie sieht es dann eigentlich mit der Müllbeseitigung, der Endlagerung und
Die Landesregierung bietet da wirklich nur Konzeptlosigkeit. Frau Ministerin, ich fordere Sie auf, Stellung dazu zu nehmen, ob die Linie der Landesregierung die Auffassung des Ministerpräsidenten Bouffier oder Ihre klare Absage an eine Zwischenlagerung ist. Sie haben gesagt, das Zeug solle nicht in Biblis zwischengelagert werden.
Ich finde, Sie sollten die Debatte zum Anlass nehmen, der Öffentlichkeit die Position der Landesregierung darzustellen. Angesichts der Konzeptlosigkeit der Landesregierung und angesichts der Tatsache, dass die Laufzeitverlängerung zu zusätzlichen 4.800 t hoch radioaktivem Müll führt – so viel produziert allein die Laufzeitverlängerung –, kann man nicht so tun, als ob das ein Problem der Vorgängerregierungen wäre. Das ist unmittelbar mit Ihrer Zustimmung im Bundesrat verbunden. Mit Ihrer Zustimmung im Bundesrat schaffen Sie vermehrt Probleme.
Deswegen müssen Sie diese Frage angehen. Sie können nicht sagen: „Das ist kein Problem, das wird langfristig gelöst“, sondern Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass das wirklich ein schweres Problem für Sie ist.