Protocol of the Session on November 16, 2010

Nun kann man natürlich wie Sie sagen: Im Himmel ist Jahrmarkt, wir versprechen allen alles, und bei diesen Änderungen wollen wir nicht mitmachen.

Herr Kollege Schaus, Sie haben im Anschluss das Wort. Machen Sie einen Finanzierungsvorschlag – vielleicht machen Sie das ja –, und schlagen Sie vor, wie diese Systeme generationengerecht gestaltet und finanziert werden können.

Einen solchen Vorschlag vermissen wir. Daher halten wir es für puren Populismus, so zu argumentieren. Meine Fraktion hat es sich nicht leicht gemacht, und wir haben daher gesagt: Wir gehen diesen Weg mit, aber unter der Voraussetzung, dass man die Menschen wirklich gleich behandelt. Das gilt auch für die Arbeitszeit.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, diesen Vorschlag haben Sie leider abgelehnt. Deshalb werden Sie es uns nachsehen, dass wir Ihrem Vorschlag nicht folgen, sondern den Gesetzentwurf ablehnen werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. – Das Wort hat Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin schon sehr überrascht,dass Herr Frömmrich mich attackiert hat, ohne dass ich etwas gesagt habe. Ich muss einen großen Eindruck bei ihm hinterlassen haben.

(Leif Blum (FDP):Wir alle wissen, was Sie wollen!)

Ich will gern darauf eingehen, wenn es die Zeit erlaubt. Aber lassen Sie mich erst einmal etwas Grundsätzliches sagen. Der von der Landesregierung erarbeitete und von der CDU- und der FDP-Fraktion unter Umgehung der in § 110 des Hessischen Beamtengesetzes geregelten Mitbestimmung eingebrachte Gesetzentwurf zur sogenannten Modernisierung des Dienstrechts in Hessen

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Da hat der Frömmrich doch recht! – Weitere Zurufe)

ich sage es so lange, bis es Ihnen zu den Ohren herauskommt; denn es ist richtig und wahr – ist aus unserer Sicht auch in der jetzt geänderten Form ungenügend.

Wir erkennen durchaus an, dass der kurzfristig vorgelegte Änderungsantrag von CDU und FDP einige Kritikpunkte aus der Expertenanhörung aufgegriffen hat. So soll, wie dargestellt, die Antragsaltersgrenze von 60 Jahren für die Versetzung in den Ruhestand bei schwerbehinderten Beamtinnen und Beamten nicht mehr um zwei Jahre angehoben werden. In der Anhörung gab es starke Kritik daran. Dies begrüßen wir.

Auch wurde durch die Neuregelung des § 194 Abs. 3 des Hessischen Beamtengesetzes für Beamtinnen und Beamte, die langjährig im Schicht- und Wechseldienst tätig sind, eine dreifache Staffelung zur Verlängerung des Pensionseintrittsalters geschaffen. Das ist zweifelsohne eine Verbesserung gegenüber dem Gesetzentwurf.

Entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mussten Sie nach den Hinweisen der Gewerkschaften auch Veränderungen an den europarechtswidrigen Regelungen der Anrechnung von Teilzeitbeschäftigung vornehmen. Dies begrüßen wir ebenfalls.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Genau, Herr Rhein. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass wir stets sachorientiert diskutieren und entscheiden. Das ist offensichtlich der Unterschied zwischen uns und anderen in diesem Haus.

(Beifall bei der LINKEN)

Insoweit – das ist der Punkt – hat der gewerkschaftliche Protest in den letzten Monaten zu einigen Einsichten bei der Koalition geführt und positive Veränderungen bewirkt.Auch das begrüßen wir.

Herr Blechschmidt, dass Sie dafür gelobt werden wollen, dass Sie ausnahmsweise einen Änderungsantrag zu einem Ihrer Gesetzentwürfe eingereicht haben – ich habe in diesem Innenausschuss im Laufe vieler Beratungen schon anderes erlebt, nämlich dass Sie hartleibig geblieben sind –, finde ich ein bisschen übertrieben. So weit sollte es nicht gehen.

Es bleibt nämlich dabei, dass die Fraktionen der CDU und der FDP zur Verhinderung einer Regierungsanhörung von der Regierung vorgeschickt wurden, um die Arbeitszeiten der Beschäftigten noch einmal um zwei Jahre, also um mehr als 3.400 Arbeitsstunden, zu verlängern und dies schnell durch den Landtag zu bringen.

Dies erfolgt vor dem Hintergrund,dass derzeit schon zwei Drittel aller Beschäftigten in Hessen das Rentenalter von 65 Jahren nicht erreichen. Im Schuldienst sind es sogar 90 %.Aber das interessiert beim Sparen bei den Beschäftigten des Landes offensichtlich nicht. Die Änderungsanträge der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN, die wir im Ausschuss beraten haben, greifen zu Recht das Thema Wochenarbeitszeit auf. Beide fordern eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden, wie es bei den Tarifbeschäftigten vereinbart wurde. Bei den Schwerbehinderten will die SPD-Fraktion sogar auf 38 Stunden pro Woche heruntergehen.

Das halten wir für richtig und notwendig. Denn nach unserem Verständnis muss das Beamtenrecht dem Tarifrecht folgen. Die hessischen Beamtinnen und Beamten haben schließlich mit 42 Stunden die längste Wochenarbeitszeit bundesweit. Dies kann mit nichts, schon gar nicht mit Einsparungen beim Haushalt, begründet werden.

Herr Frömmrich, ich freue mich, dass wir da einer Meinung sind.Wenn es um die Einsparungen geht, wollen wir einmal schauen, wie weit da die Gemeinsamkeiten gehen. Alle Beschäftigten des Landes Hessen erwarten konkrete Verbesserungen der Vereinbarkeit der Familie und des Berufs statt eines Diktats zu lebenslangem Schichtdienst bei 42 Wochenstunden.

Der Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN enthielt allerdings auch für Schwerbehinderte Nachteile. Denn sie sollten nicht mehr 10,8 % abgeschmolzen bekommen, sondern praktisch 18 % weniger Pension erhalten, wenn sie vorzeitig in den Ruhestand gehen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn sie zwei Jahre früher gehen!)

Das ist eine besondere Gruppe, die da betroffen ist.Tarek Al-Wazir, auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Beide Änderungsanträge wurden also unter der Zielsetzung der Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf das Tarifniveau bei gleichzeitigem Akzeptieren einer grundsätzlichen Erhöhung des Eintrittsalters in den Ruhestand um zwei Jahre eingebracht. Als LINKE lehnen wir wie die Gewerkschaften die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre grundsätzlich ab. Wir können eine angeblich demografische Notwendigkeit nicht erkennen. Sie ist und bleibt ein vorgeschobenes Argument zur Rechtfertigung einer erheblichen Rentenkürzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies ist mit uns weder bei den Rentnerinnen und Rentnern noch bei den Beamtinnen und Beamten zu machen. Dies haben wir in einer der letzten Plenarsitzungsrunden mit unserem Entschließungsantrag „betreffend DienstUnrechts-Reform zurück auf null – Pension mit 67 genauso unsinnig wie Rente mit 67“ hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht.

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Damit ist unsere Position klar: Wir werden den jetzt geringfügig geänderten Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke. – Das Wort erhält nun der Innenminister.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schaus, ich muss sagen, es ist heute mit Ihnen richtig nett. Wenn man die letzten zwei bis drei Minuten Ihrer Rede ausblendet, kann man sagen: So nett haben wir wirklich noch nie miteinander Politik gemacht.

(Zurufe)

Das ist aber eine gefährliche Nähe.Ich habe ein bisschen Sorge.

Ich weiß gar nicht, ob ich die gute Stimmung so kurz vor Toresschluss noch verderben soll. Da Sie eh die dritte Lesung beantragt haben, glaube ich, werde ich es eher kurz machen. Zeigt mir an, ob ich es eher kurz machen soll.

Ich will es aber nicht ganz so kurz machen. Denn ich will ein großes Lob aussprechen. Ich finde, dass wir es genau so, wie es Herr Dr. Blechschmidt gesagt hat, mustergültig gemacht haben. Natürlich haben wir, die Fraktionen der CDU und der FDP und das Innenministerium, zusammengearbeitet. Das ist doch nicht verboten. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Es ist doch schön, wenn man zusammenarbeitet.

Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten würden, würde auch bei Ihnen Besseres herauskommen. Das Angebot meinerseits steht: Wenn Sie mit dem Innenministerium zusammenarbeiten wollen – die LINKE tut das sehr intensiv, aber bei anderen Fragen –,

(Lachen bei der LINKEN)

dann sollten wir das auch wirklich tun. Das ist gar kein Problem.

Ich freue mich insbesondere über den Gesetzentwurf,weil wir eines hinbekommen haben. Die Rente mit 67 Jahren will ich jetzt hier nicht vertiefen. Das haben wir das letzte Mal gemacht, als wir Ihren Entschließungsantrag behandelt haben.Wer leugnet,was im Augenblick Realität ist,ist nun wirklich nicht im Zeitalter der demografischen Entwicklung angekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wer so rückwärtsgewandte Politik macht, der gaukelt den Menschen etwas vor. Ich weiß, dass Sie es besser wissen. Deswegen erzählen Sie den Menschen, die glücklicherweise länger arbeiten können, doch nicht, dass sie länger Altersversorgung beziehen und kürzer arbeiten könnten. Das geht nicht. Das funktioniert nicht. Das ist in der Tat rückwärtsgewandt.

Die Rente der Zukunft lässt sich so unter gar keinen Umständen finanzieren. Deswegen sage ich Ihnen auch das: Die Mobilmachung gegen die Rente mit 67 Jahren ist eine ganz verlogene Veranstaltung. Das ist eine wirklich problematisch verlogene Veranstaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Leif Blum und Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Herr van Ooyen, Sie müssen dann den Leuten nämlich auch Folgendes sagen:Wer die Altersgrenze nicht heraufsetzt, wird doch entweder den Beitragssatz hochsetzen müssen, oder er wird das Rentenniveau radikal senken müssen. – Das müssen Sie den Leuten erklären. Denn das wäre die Folge Ihrer Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Dr. Frank Blechschmidt und Alexander Noll (FDP) – Zuruf)

Das ist doch ganz logisch. Das ist doch nichts anderes als ein Rechenexempel. Denn die Rentenbezugsdauer hat sich seit dem Jahr 1960 von knapp zehn Jahren auf über 18 Jahre nahezu verdoppelt. Die Lebenserwartung wird weiter ansteigen. Dann gibt es noch immer weniger Nachwuchs, der die Altersbezüge erwirtschaften kann.

Wer das leugnet und wer mit einem entschlossenen „Weiter so“ sagt: „Wir machen das so“, streut den Menschen Sand in die Augen. Ich sage Ihnen auch: Wer das macht, handelt verantwortungslos. – Das gilt auch für den öffentlichen Dienst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Leif Blum (FDP))