Zu den unbekannten Kostenanteilen am Medikament kommt der Verwaltungskostenanteil hinzu, den die Leute ebenfalls selbst bezahlen müssen.Am Ende verführen Sie diejenigen, die mit ihrer Sachkompetenz den Patienten
aufklären – die Apotheker, aber auch die Ärzte – und ihm helfen sollen, das Richtige zu bekommen, dazu, dass sie ein Interesse daran entwickeln, den Leuten möglichst teures Zeug aufzuschwätzen, ob es ihnen nun etwas nützt oder nicht.Auch das ist unredlich.
Vor vielen Jahren gab es bei der Bundeswehr einmal ein Disziplinarvergehen, das „Verleitung zum Kameradendiebstahl“ hieß. Eine Verleitung zum Kameradendiebstahl war es, wenn man seinen Schrank offen ließ und andere damit in Versuchung führte. Herr Rösler macht genau das. Er führt diejenigen, in die die Menschen Vertrauen haben sollen, in Versuchung, ihr Mehr an Kompetenz zur persönlichen Bereicherung und zur Abzocke zu nutzen.
Da die Leute das ahnen, ist die Regelung zur Kostenerstattung auf größten Widerstand gestoßen. Niemand hat in den letzten Jahren die Kostenerstattung gewählt; denn die Leute wissen, dass das schiefgeht. Das Sachleistungsprinzip ist die richtige Lösung, und deshalb muss es genau so bleiben, wie es ist.
Aber solche Ergebnisse wundern einen nicht, wenn man weiß, dass Ihnen der Verband Forschender Arzneimittelhersteller die Textbausteine für Ihre Gesetzentwürfe liefert. Wir wissen, woher es kommt, und wir wissen auch, wohin es gehen soll.
Nein, meine Damen und Herren, diese Gesundheitsreform ist nichts anderes als ein weit geöffnetes Scheunentor, das zur Abzocke und Kostensteigerung einlädt. Sie können sich das nur deshalb erlauben, weil Sie Ihren Freundeskreis auf der Arbeitgeberseite von der Beteiligung ausgenommen haben und die Kostensteigerungen, die unweigerlich zu erwarten sind – der Betrag von 8 c wäre ein Klacks, wenn es denn dabei bliebe; aber das ist eine völlig abstruse Unterschätzung –, allein bei den Versicherten hängen bleiben.
Wir alle wissen auch, dass jede pauschalisierte Finanzierung in jedem Land, in dem sie eingeführt wurde, nur einen Effekt hat: Kostensteigerungen ohne Ende. Schauen Sie sich einmal in der Schweiz um, und schauen Sie sich an, wie die Prämien der privaten Krankenversicherungen explosionsartig steigen. Nicht ohne Grund möchte die PKV jetzt von all den mühsam erarbeiteten Kostendämpfungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen mit profitieren: Sie können es nicht, und sie sehen, dass ihnen alles aus dem Ruder läuft.
Wir müssen an den Stellen ansetzen, an denen Reformen nötig wären: bei einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung – statt sie zu behindern – und bei einer besseren Behandlung chronisch kranker Menschen. Das ist die Herausforderung.Wir müssen von der kurzfristigen Akutmedizin wegkommen. Die braucht man auch; aber das Problem der Zukunft stellen Leute dar, die chronisch krank sind und eine strukturierte Behandlung brauchen.
An all diesen Punkten bieten Sie überhaupt keine Lösungen an. Frau Schulz-Asche hat auf das Problem der Versorgung im ländlichen Raum hingewiesen. Nichts, heiße Luft: Seit eineinhalb Jahren wird uns ein Landeskonzept versprochen.Wo ist es? – Nichts, heiße Luft. Sechsmal haben wir das Thema im Ausschuss vertagen müssen, weil
(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Was soll denn die künstliche Aufregung? Jetzt regen Sie sich doch einmal ab!)
Auch was die soziale Ungleichheit bei den Gesundheitschancen betrifft, passiert nichts. Frau Schott hat heute Morgen darauf hingewiesen,dass sich arme Menschen mit dem, was ihnen zur Verfügung steht – egal ob wir über Bezieher von Hartz-IV-Leistungen oder Geringverdienende reden –,nicht gesund ernähren können.Mit dem,was dem untersten Viertel der Gesellschaft zur Verfügung steht, kann man nicht so gesund essen, wie wir es allen empfehlen. Meine Damen und Herren, es wäre eine Herausforderung, die unterschiedliche Lebenserwartung von armen und von reichen Menschen anzugehen – der Unterschied beträgt zehn Jahre –, statt der Pharmaindustrie die Kohle rüberzuschieben.
Mit dieser Bundesregierung wird Gesundheit zu einem Luxus, den sich an den Stellen, an denen sie etwas kostet, leider nur noch wenige Menschen leisten können.
Ich komme zum Schluss. – Diese Reform ist ein gesundheitspolitisches Desaster. Die richtige Lösung ist – darauf wurde schon verwiesen – natürlich die Bürgerversicherung. Wir freuen uns, dass die GRÜNEN und die LINKEN das jetzt auch wollen. In den Details sind sie noch nicht so weit wie wir.Aber auch da leisten wir gern Unterstützung.
Die Sozialdemokraten propagieren die Bürgerversicherung seit 120 Jahren. Ich wüsste nicht, dass es damals schon GRÜNE gegeben hätte.Aber an der Stelle sind wir für alle Kooperationspartner offen.
Mit Herrn Rösler allerdings, dem Arzt im Praktikum im Bundesgesundheitsministerium, nützen Sie der Gesundheit in diesem Land nicht. Ziehen Sie ihn zurück. Wir haben erwartet, dass Frau Merkel ihn, nachdem er sie beleidigt hatte, zurückzieht. Offenkundig hat sie aber nicht die Kraft. Vielleicht kommen Sie irgendwann dahin, einen Gesundheitsminister zu nominieren, der etwas von seiner Aufgabe und den Problemen versteht, die vor ihm liegen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Spies, ich freue mich über Ihren lebhaften Auftritt. Wir haben Sie sehr lange hier vorne am Pult vermisst.
Aber jetzt sind Sie wieder zurück. Es war angenehm: so eloquent und endlich befreit von Ulla Schmidt; das hat man Ihnen angemerkt. Das macht richtig Spaß; dafür habe ich viel Verständnis.
Herr Kollege Spies, ich bin Jurist und kein Arzt; Sie sind der Mediziner in diesem Haus. Sie sind für alle Notfälle zuständig und haben sich deshalb auch jahrelang um Ulla Schmidt gekümmert; das war auch richtig so.Aber es hat, ehrlich gesagt, nichts gefruchtet.
Herr Kollege Spies, das bringt nichts. Frau Kollegin Schulz-Asche, vielleicht sollten Sie mich erst einmal vortragen lassen.Vielleicht sollten Sie auch den Kollegen erst einmal die Möglichkeit lassen, sich zu äußern. Die GRÜNEN legen immer sehr viel Wert auf Stil. Dann sollten sie den auch selbst pflegen. Ich glaube, das wäre sinnvoll.
Man kann das nicht immer nur von anderen fordern. Man muss auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Sie haben so gute Umfrageergebnisse. Sie sollten deshalb zeigen, dass Sie sozusagen auch das Benehmen zu den Umfrageergebnissen haben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was Philipp Rösler – Herr Kollege Dr. Spies, er ist wie Sie Arzt – im Gesundheitsministerium vorgefunden hat, war schon eine Überraschung. Das geschätzte Defizit in Höhe von 5 Milliarden c bis 7 Milliarden c war ungefähr nur die Hälfte. In Wahrheit waren es 15 Milliarden c, die Ulla Schmidt bei ihrer Ablösung im Gesundheitsministerium den Menschen in Deutschland hinterlassen hat.Das ist ein echter Skandal.
Ulla Schmidt hat von einer Reform gesprochen. Sie sagte, das sei eine Reform,die die Menschen in ihrer Versorgung besserstellen würde. Herr Kollege Dr. Spies, das hat dazu geführt,dass viele Versicherte – es sind heute genug Gäste im Hessischen Landtag – in der Praxis bei ihrem Arzt erleben konnten, dass es das, was Ulla Schmidt immer versprochen hat, nämlich die Vollkaskoversicherung für alle, und dass alle Leistungen möglich sind, schon lange nicht mehr gibt. Ulla Schmidt hat auf heimlichem Wege rationiert. Die Menschen haben bei ihrem Arzt gemerkt, dass sie eventuell gar nicht mehr die Leistung bekommen, die vielleicht möglich wäre, weil der Arzt sie gar nicht mehr verordnen kann.
Herr Kollege Dr. Spies, ich glaube, dass Sie sich Ihrer Verantwortung stellen müssen. Sie haben den Versicherten, den Patienten und den kranken Menschen in Deutschland in den letzten sieben Jahren ein echtes Debakel beschert. Dazu muss man irgendwann einmal stehen. Ja, das ist so.
Sie wissen das auch.Wir machen das schon ein paar Jahre gemeinsam. Sie haben unter Ulla Schmidt immer ein wenig gelitten. Denn das, was Sie immer proklamiert haben, ist nie eingetreten. Sie hätten die Bürgerversicherung, die die SPD immer gefordert hat und die die GRÜNEN auch fordern, einführen können. Sie haben es nicht getan.
Stattdessen haben Sie gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner – das war damals die CDU – den Gesundheitsfonds erfunden. Der Gesundheitsfonds hat dazu geführt, dass die Leistungen nicht besser, aber teurer geworden sind. Denn in Deutschland wird jetzt mit deutlich mehr Bürokratie deutlich mehr Geld umverteilt.
Herr Kollege Spies, Sie wissen um den Blutdruck. Ich bin nicht der Arzt. Sie müssten sich da selbst behandeln. Ich kann Ihnen da nicht helfen.
Herr Kollege Dr. Spies, Sie müssen wissen, dass der Gesundheitsfonds natürlich genauso wie der Länderfinanzausgleich aus den Bundesländern, die viel Wirtschaftskraft haben, Geld wegnimmt und in andere bringt. Das ist das Problem am Gesundheitsfonds. Deswegen sind die Menschen, die aus Hessen kommen und heute hier sitzen, die Gelackmeierten gewesen. Denn letztendlich haben sie mit ihren Beiträgen die Versorgung in den anderen Bundesländern bezahlt, unabhängig davon, ob das Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt ist. Wir müssten uns doch darüber einig sein,dass das nicht richtig sein kann.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das kann nicht das richtige System sein.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr.Thomas Spies (SPD): Herr Rentsch, was Sie da vorbringen, ist eine völlig absurde Idee! Sie haben den Gesundheitsfonds nicht verstanden!)
Damit hat Ulla Schmidt mit ihrer Reform und mit der Art, wie sie das Ministerium geführt hat, mit Sicherheit dazu beigetragen, dass sich die Versorgungssituation der Menschen in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.
Philipp Rösler ist angetreten, um in diesem System für alle Menschen die Leistungen erreichbar und bezahlbar zu erhalten. Er will das auf trockene und bessere Füße stellen.
Frau Kollegin Schulz-Asche, es ist eine Tatsache, dass Sie das alles nur noch belächeln und leider nicht mehr mit Sachargumenten arbeiten. Sie arbeiten nur noch mit reinem Populismus. Auch Sie müssen sich in dieser Debatte letztendlich einmal daran gewöhnen, wieder zu Sachargumenten zurückzukehren. Nur das Argument in der Sache hilft weiter, nicht der Populismus.