Protocol of the Session on September 30, 2010

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Sie sind für mich ein Vorbild – als abschreckendes Beispiel!)

gut, für Sie ein Vorbild, das ist Ihr Problem – gegen Atomkraft sowohl im Bundesrat als auch in der Gesellschaft austricksen. Das ist Ihr Verständnis von Demokratie. Natürlich tangiert der Atomdeal die Länder und vor allem die Menschen im Lande, deren Wohl und Unversehrtheit zu schützen ist. Deshalb sollten die Landesparlamente ein deutliches Zeichen nach Berlin und in die Konzernzentralen senden, dass dieser Atomdeal nicht mitgetragen wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Über die Frage der Atomkraft und über die Laufzeitverlängerungen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Deshalb fordern wir alle Menschen auf, auf die Straße zu gehen und gegen Atomkraft und diese unverantwortliche Politik zu demonstrieren.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rolf Müller (Geln- hausen) (CDU):Gemeinsam! – Weitere Zurufe von der CDU)

Am 18. September waren 100.000 Menschen auf der Straße. Bei den Protesten zum Castor werden Tausende erwartet. Die Ablehnung in der Bevölkerung gegen Atomkraft ist groß. Ich denke, es wird dann möglich sein, die Atomkonzerne in die Knie zu zwingen,

(Judith Lannert (CDU): Menschen aufhetzen, was anderes tun Sie nicht!)

wenn wir auf der Straße und vor ihren Werken gegen diese Pläne demonstrieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Schmitt, SPD-Fraktion.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Das freut mich ja schon! – Zurufe von der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Müller freut sich schon. Ich werde ihn nicht enttäuschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch vor zwei Tagen sagte die hessische Umweltministerin und hat das heute wiederholt: Biblis ist sicher.

(Gerhard Merz (SPD):Wie die Rente! – Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Keiner der 80 vom Öko-Institut in einem Gutachten über den Zustand von Biblis Block B für die Bundesatomaufsicht als sicherheitsdefizitär bewerteten Punkte sei sicherheitsrelevant. Das hat Frau Puttrich gestern noch einmal gesagt, hat es heute wiederholt und versucht, es darzulegen.

Frau Puttrich, die Diskussion werden wir jetzt führen und führen müssen.Es ist eine ungeheuere Verwirrung der Öffentlichkeit,was Sie vornehmen.Sie sagen,bei keinem der 80 aufgeführten Mängel – so haben Sie es heute ausgedrückt, weil Sie gemerkt haben, dass es in der Frage Sicherheitsrelevanz ein Problem ist – sei es notwendig, dass sofortiges Handeln angezeigt ist.

Meine Damen und Herren, was wäre das für eine Situation, wenn in Biblis momentan eine akute Gefährdung vorliegen würde und sofortiges Handeln notwendig würde? Das wäre wirklich unglaublich. Frau Umweltministerin, es geht doch um die Tatsache, dass eine Laufzeitverlängerung von acht Jahren vorgesehen ist und sich die Frage nach der Relevanz von Sicherheitsdefiziten, die festgestellt worden sind, stellt und wie beantwortet werden kann, dass das Atomkraftwerk angesichts dieser Sicherheitsmängel weitere acht Jahre laufen soll. Das ist doch die neue Situation.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es geht doch darum, dass die letzten Monate von Biblis A – für Biblis B sind es auch nur noch wenige Monate –, wie es im Atomkonsens vorgesehen war, ablaufen sollen. Es geht nun um die Tatsache, dass diese Atomkraftwerke in

Biblis acht Jahre länger laufen sollen.Von den Jahren her wird das angesichts der Stillzeiten, die immer wieder systematisch eingebaut werden,wahrscheinlich noch viel länger sein.

Hochinteressant fand ich in der Frage der Sicherheitsrelevanz, dass die Bund-Länder-Nachrüstungsliste vom 3. September dieses Jahres, also vor wenigen Tagen, an der übrigens auch die hessische Behörde mitgewirkt hat – ich nehme an, auch Herr Finke hat mitgewirkt –, heute bekannt geworden ist. Diese Aussage, dass es keine sicherheitsrelevanten Probleme in Biblis B gibt, macht deutlich, dass Sie eine Beschwichtigungsministerin sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Einige der nach der eigenen Nachrüstungsliste erforderlichen Maßnahmen beziehen sich ausdrücklich auf Druckwasserreaktoren der zweiten Baulinie und damit auch auf Biblis B. Das haben Sie verschwiegen. Frau Ministerin, ich werde Ihnen vorhalten und jedes Mal abfragen, ob Sicherheitsrelevanz vorliegt oder nicht.

Als kurzfristig umzusetzende Maßnahme – die dürfen also keinen Aufschub haben – sieht die Nachrüstungsliste der Fachbeamten des Bundes und der Länder beispielsweise vor, dass das automatische und zügige Herunterfahren des Atommeilers beim gefürchteten kleinen Leck erfolgen soll. Ist das sicherheitsrelevant oder nicht, Frau Ministerin?

In der Liste wird aufgeführt,es soll eine Vergrößerung der Flutbehälter erfolgen – Stichwort: Not-Kühlwassermenge. Frau Ministerin, hat das Sicherheitsrelevanz, oder hat das keine Sicherheitsrelevanz? Gestern haben Sie doch noch gesagt, bei Biblis B gibt es keine Probleme mit der Sicherheitsrelevanz. Ich frage Sie auf Grundlage Ihrer eigenen Liste: Hat das Sicherheitsrelevanz, oder hat das keine Sicherheitsrelevanz?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der LINKEN)

Ich weiß ja nicht, was Ihnen aufgeschrieben worden ist. Es war Ihnen anzumerken, als Sie vorgetragen haben. An dieser Frage können Sie aber hier nicht in einem Eiertanz vorbeigehen.

Die Nachrüstungsliste will auch Nachrüstungen bei den unzulänglichen Speisewasservorräten. Sie will Nachrüstungen bei dem unzureichenden Schutz gegen Brände und Überflutungen – genau das, was vom Öko-Institut auch aufgelistet worden ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Hat das Sicherheitsrelevanz, oder hat das keine Sicherheitsrelevanz für Block B?

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Verlangt wird in der Nachrüstungsliste eine räumliche Trennung von Sicherheitssystemen und Rohrleitungen – genau das, was das Öko-Institut vorgelegt hat. Hat das Sicherheitsrelevanz, oder hat das keine Sicherheitsrelevanz? Gestern haben Sie doch noch gesagt, es gebe keine sicherheitsrelevanten Probleme in Biblis B. Was ist denn nun richtig? Ist die Liste der Fachministerien richtig, oder ist das richtig, was Sie hier gestern fahrlässig erklärt haben?

(Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Gibt es Defizite beim Nachkühlsystem in Biblis B? Gibt es welche? Haben die Sicherheitsrelevanz, oder haben sie keine?

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wenn die keine haben, warum sind sie dann in der Liste der Änderungen enthalten, die jetzt erfolgen sollen?

Meine Damen und Herren, die Maßnahmen allerdings, die wirklich zentrale Bereiche betreffen und die RWE viel Geld kosten würden, die werden auf dieser Liste als mittel- und langfristige Maßnahmen dargestellt.Alles,was die Atomindustrie Geld kostet,soll auf die lange Bank geschoben werden. Dahinter steckt die Strategie, dass das eben nicht umgesetzt werden soll. Meine Damen und Herren, das ist grob fahrlässig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie von der CDU sind auf einmal so ruhig geworden?

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Der Schutz vor Terrorangriffen, die gegenseitige Trennung mehrfach vorhandener Sicherheitssysteme für den Fall der Überflutung oder eines Brandes – all dies soll auf die lange Bank geschoben werden. Alle diese Nachrüstungen sollen auf die lange Bank geschoben werden.

(Zuruf des Abg. Peter Seyffardt (CDU))

Meine Damen und Herren, nach dieser Liste, die nun bekannt geworden ist, kann man eines festhalten: Es gibt in Biblis Nachrüstungsbedarf, wenn man dieses Atomkraftwerk acht Jahre länger fahren möchte. Gestern haben Sie noch geleugnet, dass es Nachrüstungsbedarf gibt, dass Sicherheitsrelevanz besteht. Ihre Fachbeamten haben etwas anderes festgestellt.

Meine Damen und Herren, wir halten es für unverantwortlich, Maßnahmen wie Schutz vor Terror, wie die Betonhülle, wie die externe Notstandswarte, die erhebliche Sicherheitsdefizite darstellen,auf die lange Bank zu schieben. Aber mit dieser Liste wird ausdrücklich festgestellt, dass Atomkraftwerke, auch der zweiten Generation, also nicht nur Biblis A, sicherheitsrelevante Probleme haben – das, was Sie gestern noch geleugnet haben, Frau Ministerin.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie erinnern mich da wirklich an Norbert Blüm, der immer gesagt hat: Die Rente ist sicher. – Meine Damen und Herren, die Frau Ministerin Puttrich ersetzt „Rente“ durch „Biblis“ und behauptet: Biblis ist sicher.

Wir haben gesehen, was aus dem Versprechen von Herrn Blüm geworden ist. Ich kann nur feststellen: Die Aussage „Biblis ist sicher“ ist nach dem, was Ihre eigenen Leute vorgelegt haben, und vor allen Dingen auch nach dem, was das Öko-Institut vorgelegt hat, schlicht falsch.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Damit werden Sie wirklich zur Beschwichtigungsministerin in Hessen.

Natürlich haben wir uns mit dem Gutachten des Öko-Instituts auseinandergesetzt. Gott sei Dank stand das im Netz,und wir konnten uns mit einigen wesentlichen Punkten auseinandersetzen.

Weil Sie von Veröffentlichung gesprochen haben: Was ist eigentlich mit der Veröffentlichung des Gutachtens von TÜV-Süd? Sie haben gesagt, Sie sind an Transparenz und Offenheit interessiert, daran, dass das dargestellt wird: Wird das auch veröffentlicht? Zu dieser Frage müssen Sie auch etwas sagen.