Protocol of the Session on September 29, 2010

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte gerne fünf Themen dieses Gesetzentwurfs aufgreifen, die wir für nicht zustimmungsfähig halten. Sie beginnen wieder mit einer Strukturdebatte. Ich habe Ihnen immer gesagt, es kommt nicht auf das Schild über der Schultür an, sondern es kommt darauf an, was hinter dieser Tür gemacht wird, nämlich auf guten Unterricht.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben sich auf das Schlagwort der GRÜNEN „länger gemeinsam lernen“ eingelassen. Dabei sollten Sie eigentlich wissen, wohin dieses Schlagwort führt. In Hamburg hat dieses Schlagwort die CDU zu einem Volksentscheid geführt, der das längere gemeinsame Lernen gekippt hat. Es hat in NRW GRÜNE und SPD dazu geführt, dass sie einen Schulversuch durchführen wollen, um längeres gemeinsames Lernen durchzusetzen.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Das wird jetzt beklagt werden. Sie trauen sich nicht, das Gesetz einzubringen, weil Sie in NRW keine Mehrheit haben.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wagner?

Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass in der Freien und Hansestadt Hamburg längeres gemeinsames Lernen mit dem Modell der Stadtteilschule weiterhin eingeführt wird und der Volksentscheid lediglich die sechsjährige Grundschule abgelehnt hat?

Das ist mir sehr wohl bekannt, aber die sechsjährige Grundschule ist ein Bestandteil von längerem gemeinsamen Lernen, was auch hier immer wieder gefordert wird.

Sie haben im Saarland – Jamaikakoalition – versucht,

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

längeres gemeinsames Lernen, eine längere gemeinsame Grundschule einzuführen; da sind Sie interessanterweise an der SPD gescheitert. Die SPD war dort sehr vernünftig, das nicht mitzumachen.

(Heike Habermann (SPD): Jeden Unsinn machen wir nicht mit!)

Außerdem müssten Sie endlich einmal beweisen können, warum längeres gemeinsames Lernen eigentlich so sinnvoll ist. Ich zitiere Herrn Prof. Baumert, der gefragt worden ist, ob längeres gemeinsames Lernen Vorteile gegenüber der vierjährigen Grundschule bringen wird:

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Regieren Sie eigentlich im Saarland?)

Mag sein, aber belastbare empirische Evidenz für die Wirkungen einer zweijährigen Verlängerung der Grundschule kenne ich nicht.

In Hessen haben wir eine Vielzahl von Schulformen, die wirklich alles abdeckt. Wir haben die Integrierten Gesamtschulen, die zusammen in A-, B- und C-Kursen oder auch in E- und G-Kurse Kinder gemeinsam fördern und unterrichten.Wir haben immerhin 31 Grund-, Haupt- und Realschulen mit Förderstufe.Auch da haben wir längeres gemeinsames Lernen in Hessen. Wir brauchen in Hessen wirklich nicht über Schulstrukturen zu debattieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann haben Sie ein zweites Thema in Ihrem § 14 Abs. 5, nämlich den Verzicht auf Noten bis zur Klasse 8 in der Gemeinschaftsschule; stattdessen sollen allgemeine Beurteilungen geschrieben werden.

Ich sage: Zusätzlich zu Noten sind allgemeine Beurteilungen etwas Gutes. So können die Lehrer auch besser in den Dialog mit den Eltern treten.Aber auch das ist etwas, was irgendwann standardisiert wird. Das kennen Sie alle von Zeugnissen. Wenn Arbeitgeber Zeugnisse schreiben, sind darin irgendwann Formulierungen enthalten, die standardisiert sind. Deshalb wird das auch da der Fall sein.

Außerdem sind verbale Beurteilungen schwer zu verstehen, insbesondere für Eltern mit Migrationshintergrund.

(Heike Habermann (SPD):Frau Henzler,lassen Sie das doch die Schule entscheiden! Genau das steht hier! – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das lassen wir die Schulen nicht entscheiden, weil wir Noten für ganz wichtig und aussagekräftig halten, erstens für die Eltern und zweitens für die Kinder. Wie sollen denn Kinder in der Grundschule mit einer langen verbalen Beurteilung zurechtkommen? Die können sie selbst gar nicht lesen.

Außerdem hat das auch Auswirkungen auf Bewerbungen und den Umzug von Eltern mit ihren Kindern in andere Bundesländer, die dann solche Zeugnisse nämlich nicht anerkennen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wenn das das Kriterium ist, dürfte ganz viel nicht gemacht werden!)

Ich denke, das ist etwas, was auch für die Jugendlichen wichtig ist. Bei den Bewerbungen ist es auch schwierig; denn Arbeitgeber wollen Zeugnisse und Noten sehen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):Aha!)

Das ist etwas, was wir nicht mitmachen werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich komme nun zum Dauerthema G 8.Außer RheinlandPfalz sind alle Bundesländer zu G 8 zurückgekehrt oder sind gleich dabeigeblieben. Hessen hat mit vielen, vielen

Möglichkeiten dafür gesorgt, dass die Rahmenbedingungen an den Schulen, die G 8 haben, insbesondere an den Gymnasien,so sind,dass die Schulen damit umgehen können.Alle diese Schulen haben eine pädagogische Mittagsbetreuung. Wir haben versucht, Wahlpflichtunterricht in Wahlunterricht zu ändern. Wir haben den Schulen an die Hand gegeben, dass sie ihren Unterricht anders gestalten können. Ich sage Ihnen: Wo sich Eltern und Lehrer gemeinsam an einen Tisch gesetzt haben und sich gefragt haben: „Wie organisieren wir die Schule so, dass das auch klappt?“, da gibt es auch keine Probleme mehr mit G 8.

Wenn Sie die Schulen fragen:„Was halten sie davon,wenn sie zu G 9 zurückgehen sollen?“, dann sagen Ihnen alle Gymnasien unisono: Das wollen wir nicht. Dieses Chaos wollen wir an den Schulen nicht mehr haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lothar Quanz (SPD): Ein Chaos genügt!)

Ein absoluter Rückschritt ist das, was Sie in § 13 wollen, nämlich dass Sie alle kooperativen Gesamtschulen zwingen wollen, zu G 9 zurückzugehen. Die kooperativen Gesamtschulen haben entschieden, entweder bei G 8 zu bleiben oder zu G 9 zurückzugehen, je nachdem, in welchem schulischen Umfeld und in welchem Wettbewerb sie stehen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Dazu werde ich ein paar Anmerkungen machen!)

Selbstverständlich. Die in Gießen sind sofort zurückgegangen, weil sie in ihrem Umfeld bodenständige Gymnasien haben. Dann haben sie ein anderes Angebot als die Gymnasien.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat die Gesetzesänderung gemacht?)

Ich gebe zu, dass Sie damals den Gesetzentwurf eingebracht haben. Diejenigen, die das von Anfang an gefordert haben, als G 8 eingeführt wurde, waren wir.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einverstanden!)

Deshalb wäre es für die kooperativen Gesamtschulen eine Einengung ihres freien Weges, wenn man sie zurückführen würde.

Oberstufe in zwei bis vier Jahren. In einem Gesetzentwurf muss man sich auch ein bisschen um die Gesetze kümmern, die es woanders gibt. Es gibt einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, dass die gymnasiale Oberstufe drei Jahre zu sein hat, und zwar mit einer Einführungsund einer Differenzierungsphase.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Eine Ausweitung auf vier Jahre ist nicht zulässig.

(Heike Habermann (SPD): Frau Kultusministerin, das steht schon jetzt im Hessischen Schulgesetz! Lesen Sie es einmal nach!)

Darin steht nicht, dass Sie die Oberstufe generell auf vier Jahre ausweiten können.

(Heike Habermann (SPD): Aber sie kann vier Jahre dauern! Mehr steht bei uns auch nicht!)

Natürlich können sie vier Jahre brauchen,wenn sie einmal wiederholen.Aber es steht nicht darin, dass die Oberstufe grundsätzlich vier Jahre lang sein kann. Das geht nach KMK-Beschluss schlicht und ergreifend nicht.

(Heike Habermann (SPD): Das steht bei uns auch nicht! – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Außerdem ist gerade in Hessen die dreijährige Oberstufe von ganz großer Wichtigkeit für die Bildungschancen,weil sie nämlich viele, viele Unterbauten zusammenführt. Wir haben in Hessen sehr viele verschiedene Sekundarstufe-ISchulen, die alle in die Oberstufe münden, sodass wir diese drei Jahre dringend brauchen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zum Thema Inklusion. Ich denke, dieses Thema sollte man sehr, sehr sensibel und zurückhaltend diskutieren. Dieses Thema dient überhaupt nicht zu irgendeiner politischen Profilierung und auch nicht dazu,zu beweisen,wer den Eltern am meisten bieten kann. Das Thema Inklusion ist uns von der UN-Menschenrechtskonvention auferlegt worden.Wir müssen da etwas tun. Inklusion ist in meinen Augen ein Generationenprojekt. Um das in irgendeiner Form umsetzen zu können, werden wir 10 bis 15 Jahre brauchen.