Alles Weitere an den entscheidenden Punkten wollen Sie nicht ändern. Dabei geht es um das Zustimmungserfordernis.
Damit kann es keine nennenswerte Stärkung der demokratischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger geben. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Hürde zur Einleitung eines Volksbegehrens wird dann immer noch sehr
hoch sein. Volksbegehren und Volksentscheid sollten eigentlich so geregelt sein,dass die Bürgerinnen und Bürger das Instrument auch nutzen können.
Alle Beispiele des Herrn Greilich haben leider gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger Hessens diesen Entscheid noch nicht nutzen konnten. Keines der Beispiele, das Sie von hier vorne aus genannt haben,ist leider durchgekommen. Keines erreichte das Zustimmungserfordernis. Herr Greilich, wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligen wollen, dann müssen Sie auch wirklich qualitativ etwas verändern.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Holger Bellino (CDU): Das tun wir doch!)
Auch die Organisation Mehr Demokratie e. V. hat Ihren Gesetzentwurf sehr scharf kritisiert. Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis darf ich den Vorstandssprecher, Herrn Beck, zitieren:
Die von Schwarz-Gelb geplanten Reformen sind zwar ein Schritt vor,aber die Bürger kommen damit keinen Schritt voran.
Hessen belegt in einem Ranking in einem Vergleich mit den anderen Bundesländern bei der Bürgerbeteiligung Platz 14. Wir sind ganz hinten, also fast Schlusslicht, bei der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Das werden Sie leider nicht besser machen.
Der Gesetzentwurf sieht zwar vor, dass das Quorum hinsichtlich der Unterschriften für einen Antrag auf Volksbegehren gesenkt werden soll. Aber es wären dann immer noch 90.000 Unterschriften, die zu sammeln wären. Herr Bellino, da nutzt es auch nichts, dass Sie die Frist von zwei Wochen auf zwei Monate erhöhen wollen.
Denn die Haupthürden – das hat Herr Dr. Jürgens gesagt –, nämlich das Quorum der Zustimmung in Höhe von 20 % und die Eintragung für das Volksbegehren beim Amt, berühren Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht.
Herr Dr. Jürgens hat es bereits gesagt: Es sind fast 1 Million Menschen, die bei dem Erfordernis der Zustimmung nicht nur unterschreiben und sich aktiv beteiligen müssen. Vielmehr müssen diese etwa 1 Million Menschen auch noch auf das Amt gehen und die Unterschrift bestätigen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Eine höhere Hürde gibt es in Deutschland tatsächlich nicht. Sie wollen gerade diese Hürde überhaupt nicht verändern. Da wird Ihnen auch die Einführung der Volksinitiative nichts nützen,die zu begrüßen ist.Denn Sie wollen am Zustimmungsquorum überhaupt nichts ändern.
Ein Vergleich mit Bayern öffnet da vielleicht die Augen. Sie werden mir nicht unterstellen, dass das ein von Sozialdemokraten geführtes Land ist. In Bayern leben ungefähr
doppelt so viele stimmberechtigte Wählerinnen und Wähler wie hier in Hessen. Herr Bellino, bei dem Quorum zur Einleitung braucht es dort nur 25.000 Stimmberechtigte. Das ist bei der doppelten Zahl der Stimmberechtigten so. Sie wollen das Quorum auf 90.000 Stimmberechtigte senken. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass der Unterschied da noch sehr groß ist. Das hieße, selbst nach der von Ihnen vorgesehenen Änderung läge das Quorum zur Einleitung um das Siebeneinhalbfache höher als in Bayern. Man kann nun wirklich nicht sagen, dass das ein Mehr an Bürgerbeteiligung wäre.
Wir Sozialdemokraten möchten auch in Hessen eine echte Bürgerbeteiligung ermöglichen. Wir möchten uns deshalb Bayern zum Vorbild nehmen. Deswegen werden wir auch im Rahmen der Lesung Änderungsanträge einbringen. Wir werden uns dabei an den bayerischen Verhältnissen orientieren. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Hessen tatsächlich eine Teilhabe haben.
Um das Unterschriftenquorum in Höhe von 20 % beim Volksbegehren zu senken und damit den Weg für eine wirklich größere Bürgerbeteiligung, so wie sie Herr Dr. Jürgens angesprochen hat, zu ermöglichen, muss die Hessische Verfassung geändert werden.Die GRÜNEN haben dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Das ist sicherlich der einzig wahre Weg, um die Bürgerinnen und Bürger mehr zu beteiligen.
Ich sage Ihnen aber auch eines. Ich war in der 16. Legislaturperiode schon dabei, als wir in der Enquetekommission zusammensaßen, um die Hessische Verfassung zu ändern. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Damals gab es eine Vereinbarung zwischen allen Fraktionen,die dabei waren, die Verfassung nicht singulär zu ändern.
Insofern ist es natürlich ganz schwierig, dass wir jetzt immer wieder hingehen, an der einen oder anderen Stelle die Verfassung zu ändern. – Herr Greilich, ich freue mich, dass Sie nicken. Aber auch Ihre Implementierung einer Schuldenbremse ist eine Verfassungsänderung, wenn ich Sie daran erinnern darf.
Insofern hat die FDP mit der CDU begonnen, die Hessische Verfassung isoliert zu ändern. Herr Greilich, insofern muss man immer sehr genau überlegen, was man ändert und was nicht. Wir würden sagen, das Anliegen, wenn es wirklich darum geht, in Hessen die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, ist so wertvoll und so hoch anzusehen, dass wir zustimmen würden, an dieser Stelle die Verfassung singulär zu ändern.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Was ist mit der Schuldenbremse?)
Herr Greilich, auch dazu werden wir uns rechtzeitig äußern. Natürlich werden wir uns auch an diesem Verfahren beteiligen. Selbstverständlich, keine Sorge, da haben Sie nichts zu befürchten. Auch dazu werden wir unsere Meinung sagen. Der Kollege Schmitt hat morgen Gelegenheit, das zu tun. So lange können Sie noch warten.
Herr Greilich, Sie haben gesagt, Sie machen die Tür auf. Leider haben Sie vergessen, die Kette, die vor der Tür hängt, zu entfernen. Sie lassen den Bürgerinnen und Bür
gern den Blick auf das zu,was Sie ihnen suggerieren.Aber Sie machen die Tür nur einen kleinen Spalt auf, und der Bürger hat nicht die Gelegenheit, die Tür zu öffnen.
Wir bitten Sie, sprengen Sie die Kette weg, stimmen Sie dem Volksbegehren zu, und lassen Sie uns gemeinsam die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich teilhaben. Tun Sie bitte nicht so, als ob Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die Bürgerinnen und Bürger mehr beteiligen würden, weil – ich sage das an dieser Stelle sehr ernsthaft – es zur Politikverdrossenheit führt, wenn Sie etwas versprechen, was Sie dann nicht halten. Meine Damen und Herren, seien Sie bitte in der Lesung dafür offen, dass wir ernsthaft und tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger beteiligen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat Herr Kollege Dr.Wilken für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon interessant,mit welchen Bildern wir diese Woche arbeiten – mit Zugbrücken und Ketten vor Türen. Ich freue mich sehr,dass wir in diesem Haus endlich wieder über das Verhältnis von direkter und repräsentativer Demokratie reden.
Herr Greilich, Sie haben eindrucksvoll deutlich gemacht, dass – ich sage das bewusst – die ersten Verwaltungshürden zum Schritt der direkten Demokratie in Hessen so hoch liegen, dass diese direkte Demokratie in Hessen nicht stattfindet.
Wir begrüßen es selbstverständlich, wenn wir jetzt darangehen und sagen, wie man das erleichtern kann. Ich teile die Einschätzung meiner Vorrednerin und meines Vorredners, dass Ihre Angebote dort auf keinen Fall ausreichend sind, diese bürokratischen Hürden abzubauen.
Wenn Sie sich einmal anschauen, wie hoch die Hürden in anderen Bundesländern sind, dann stellen Sie fest, diese Hürden reichen von 0,1 % der Wahlbevölkerung bis eben zu den momentanen 3 % in Hessen. Die von Ihnen vorgeschlagenen 2 % in Hessen wären immer noch der absolute Spitzenwert für die erste Phase, für die erste bürokratische Hürde, an der direkten Demokratie teilzunehmen.
Auch die 1 % der GRÜNEN sind immer noch hoch.Es ist der zweite Platz im Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern mit 1,1 %. Ich hoffe, dass wir in den Beratungen ein bisschen mehr Mut finden.
Herr Greilich, ich nehme Ihre Überlegungen gerne an, dass wir am Ende des bürokratischen Prozesses, wenn es wirklich zum Volksentscheid kommt, also nach dem Zwischenschritt des Unterschriftenquorums, uns darüber unterhalten müssen, wie eine Beteiligung an einem Volksentscheid sein muss, damit er eine qualifizierte, direkte Demokratie darstellt.
Das sind die gleichen Überlegungen, die ich auch mit Ihnen anstellen möchte, die wir anstellen müssen, wenn wir fragen, mit welcher Legitimation eigentlich ein Oberbür
germeister gewählt ist, der in einer Stadt wie Frankfurt, wo nur die Hälfte wahlberechtigt ist und von der Hälfte die Hälfte zur Wahl geht, dann mit knapper Mehrheit gewählt wird. Das sind die gleichen Überlegungen. Die bin ich gern bereit mit Ihnen anzustellen. Im Moment geht es darum, die bürokratischen Hürden abzusenken, damit es zur direkten Demokratie kommt.
Noch eine Überlegung zu der zweiten Hürde, nämlich der notwendigen Unterschriftensammlung. Es ist richtig ausgeführt, dass wir hierzu eine Änderung unserer Hessischen Verfassung brauchen. Ich bin sehr froh, dass wir diese Woche überhaupt einmal wieder über die Hessische Verfassung reden. Vor ein paar Jahren hörte sich das an, als wäre das alles nur staubiger Kram, der in den Kellern bleiben müsste.Von daher ist die Hessische Verfassung offensichtlich wieder zurück in aller Munde.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN,auch da ist die Absenkung auf 10 % im Vergleich des Konzerts der anderen Bundesländer alles andere als ehrgeizig.
Nein, ich frage mich nur, wie Sie, genauso wie die Regierungsfraktionen, auf die Zahlen kommen. – Schauen wir uns doch einfach die Erfahrungen an: in Brandenburg mit dem niedrigsten Satz, 4 %, die als Unterschriftenliste notwendig sind. Es ist nicht so, als würde dort das Parlament mit mehr oder weniger sinnvollen Forderungen überrannt werden. Das sind doch die Kriterien, über die wir uns unterhalten müssen,