Protocol of the Session on June 24, 2010

Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais ist nicht zufällig verboten. Er ist verboten, weil er unter anderem die Gefahr birgt, dass er gesundheitliche Schäden bei Menschen und Tieren hervorruft. Es ist eben nicht auszuschließen, dass er genau das macht. Wenn Sie das in Kauf nehmen wollen, sagen Sie das den Menschen bitte. Seien Sie so ehrlich, und sagen Sie ihnen: Wir nehmen in Kauf, dass da etwas ausgebracht wird, dessen Risiken wir nicht absehen können und von dem wir nicht wissen, was das mit Ihrer Gesundheit macht. Haben Sie den Mut, so ehrlich zu sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Frau Ministerin Lautenschläger sich darüber verärgert zeigt – ich möchte hier gern mit Ihrer Erlaubnis zitieren –: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass jedes Jahr wieder Schlamperei in diesem Bereich ans Licht kommt“, dann kann ich doch nur fragen:Wo liegt denn die Schlamperei? – Die Schlamperei liegt sicher nicht auf der Seite der Landwirte. Sie haben das Saatgut in dem guten Glauben, dass es frei von gentechnisch veränderten Organismen sei, gekauft.

(Judith Lannert (CDU): Das hat kein Mensch behauptet, was Sie da sagen!)

Die Schlamperei liegt auch nicht aufseiten der hessischen Saatgutverkehrskontrolle, die die Beprobung vorgenommen hat. Die Schlamperei liegt aufseiten der Saatguthersteller, des Ministeriums und der Landesregierung.

(Judith Lannert (CDU): Sie sind ja nicht von dieser Welt!)

Sicher ist, dass es keinen umfassenden Schutz vor verunreinigtem Saatgut geben kann. Das gelänge nur dann, wenn wir uns entscheiden würden, und zwar weltweit, auf den Anbau von genetisch veränderten Pflanzen zu verzichten. Es gibt keine friedliche Koexistenz dieser beiden Formen. Das haben wir auch im letzten Jahr schon erlebt. Da haben wir das im Ausschuss lange und ausführlich besprochen, als wir im letzten Jahr eine ähnliche Situation hatten wie in diesem Jahr.

Wer das nicht will, weil er den Zukunftsversprechen der Agromultis Glauben schenkt, ist dafür verantwortlich, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen sukzessive im Ackerbau und darüber hinaus verbreiten – mit allen erdenklichen Folgen.

(Alexander Noll (FDP): Sie sollten vielleicht die Gene enteignen! Dann wären wir das Problem los! – Gegenruf von der LINKEN: Zynischer geht es nicht!)

Sie sollten vielleicht dann etwas dazu sagen,wenn Sie einen konstruktiven Beitrag zu bringen haben, wie wir das verändern können, dass wir immer weiter die Gefährdung unserer Bevölkerung zulassen, verniedlichen, kleinreden und zu vertuschen versuchen.Wenn Greenpeace nicht da gewesen wäre, um das Ganze aufzudecken, würde wahr

scheinlich der größte Teil der Bevölkerung nach wie vor gar nichts davon wissen. Einer Forderung, die auch an anderer Stelle erhoben wird, nämlich, öffentlich zu machen, wer wo welche Verstöße begeht, und sie zu ahnden, verweigern Sie sich doch genauso.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist doch genau dasselbe wie bei den Lebensmittelkontrollen. Da sagen Sie auch: Na ja, wir ermahnen halt mal. – Hier passieren doch ganz ähnliche Dinge.Wenn Sie wollen, dass sich etwas ändert, dann sorgen Sie doch für Transparenz. Sorgen Sie für die notwendige Öffentlichkeit, und sorgen Sie für die notwendige Information der Öffentlichkeit, statt hier flapsige Kommentare abzugeben, die unter allem Niveau sind.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Wenn Sie sich überlegen, dass wir in ganz Hessen 25 Beprobungen haben, und das bei einem Maisanbaugebiet von knapp 40.000 ha, dann steht das eben in keinem Verhältnis zu dem, was da an Gefahr im Raum steht.Wir wissen nicht erst seit diesem, sondern schon seit letztem Jahr, dass wir dieses verschmutzte Saatgut ins Land importieren.

Frau Schott, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir wissen genau, dass es ausgesät wird. Wir können das nur verhindern, wenn wir stärker kontrollieren, wenn wir mehr Beprobungen haben, d. h. wenn wir mehr Personal haben. Wenn die Ministerin sich hinstellt und sagt, die Schlamperei sei irgendwo, dann sage ich: Die Schlamperei besteht darin, dass nicht genug beprobt wird, dass nicht genug untersucht wird und dass nicht entschieden genug dagegen eingeschritten wird.Die Schlamperei ist in Ihrem Haus, Frau Ministerin.

(Beifall bei der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Gar nicht wahr!)

Danke, Frau Schott. – Herr Sürmann, bitte sehr, Sie haben sich für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich immer, dass die Kommentare schon im Vorhinein kommen. Aber wir haben gerade den Beitrag von Frau Schott gehört und auch ihren Realitätssinn gehört. Sie möchte weltweit verbieten, dass gentechnisch veränderter Mais überhaupt erforscht wird und dann ausgesät wird. Voraussetzung dafür, dass Sie das schaffen, ist eine Weltregierung, und die wollen Sie dann auch stellen. Das ist die Realität,mit der Sie unserer Bevölkerung klarmachen wollen, warum Sie das in Hessen verhindern können. Das ist diese Kleinstirnigkeit, die dazu führt, dass Sie alles übertreiben.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Ist Ihnen das nicht peinlich?)

Dies vorausgeschickt, ist eines für Hessen klar: Solange es in der EU keine einheitliche Handhabung gibt, so lange werden wir in Hessen – und zwar völlig im Einverständnis mit den Landwirten – keinen genveränderten Mais zum Anbau zulassen. Punkt.

Jetzt ist nur die Frage:Wie kontrollieren wir das? Da gibt es ein relativ gutes, engmaschiges System, das herausfindet, wenn gentechnisch verändertes Saatgut in den Handel kommt.Herr May,es ist in der Tat wahr,dass bisher ein Fall in Hessen vorgekommen ist, der auch noch herausgefunden wurde und bei dem verhindert wurde, dass es zur Aussaat kam. Besser kann man es nicht handhaben, und dazu hätten Sie fairerweise auch etwas sagen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Dritter Punkt. Welche Gesundheitsgefährdungen gehen von gentechnisch verändertem Mais, wenn man ihn essen würde, für den Menschen oder für Tiere aus?

(Wortmeldung des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Ich lasse keine Zwischenfragen zu, falls Sie das beabsichtigen sollten, Herr Dr. Spies.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das verstehe ich bei Ihrer Argumentation!)

Diese Frage kann man beantworten, indem man Versuche macht. Solche Versuche werden durchgeführt. Es ist glücklicherweise in Deutschland noch erlaubt, dass man solche Versuche durchführt. Dabei füttert man Tiere mit z. B. gentechnisch veränderter Mais. Ein solcher Versuch ist an der TU München durchgeführt worden, zusammen mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Das war ein Feldversuch über zwei Jahre, wo man Milchkühe durchgängig über zwei Jahre mit gentechnisch verändertem Mais gefüttert hat. Man hat hinterher untersucht: Haben sich Veränderungen a) bei der Milch und b) bei der Zusammensetzung des Fleischs ergeben? Beides war negativ.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

An beiden Punkten kann man nicht nachweisen, dass es irgendeine Veränderung gibt. Deswegen, lieber Herr May und liebe Frau Fuhrmann, vermitteln Sie nicht, dass irgendein Untergangsszenario damit verbunden wäre, dass Kinder plötzlich vier Ohren hätten, weil sie gentechnisch veränderten Mais essen. Das stimmt nicht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das ist nach den Untersuchungen nicht richtig.Aber deswegen ist es immer noch genauso richtig, auf den Anbau zu verzichten, solange wir nicht klar wissen, welches Saatgut für welche Bereiche wichtig ist.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Aber herzugehen, grüne Gentechnik in jedem Fall zu verteufeln, ist eine Missachtung derjenigen, die in Ländern wohnen, wo nicht so viel Regen fällt, wo mehr Schädlinge sind. Deswegen fordern sie von der technisierten Welt, dass wir Lösungen anbieten,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

sodass man Mais auch in den Ländern anbauen kann, in denen die günstigen Voraussetzungen unseres Landes nicht gegeben sind.

(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Solchen Möglichkeiten, wenn ein solcher Mais entwickelt wird, wird doch kein vernünftiger Mensch entgegensprechen, um den Welthunger ein wenig zu lindern. Dazu sind wir doch auch aufgerufen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Deswegen ist grüne Gentechnik nicht zu verteufeln, sondern sollte für die Menschen gemacht werden und mit den Menschen. Dann wären wir auf dem richtigen Weg. Deswegen ist das Thema falsch aufgerufen, an der falschen Stelle hochgezogen. Wir haben einen Fall in Hessen gehabt, der durch ein engmaschiges Netz entdeckt worden ist.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Nur 25 Proben!)

Bitte schön, hier an der Ideologie etwas sparen und der Realität ins Auge gucken – dann wäre man auf dem richtigen Weg. Insofern war das mein Beitrag zur Aktuellen Stunde.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Danke sehr, Herr Sürmann. – Herr Görig, ich darf Ihnen das Wort für die SPD-Fraktion erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Sürmann, um es vorweg zu sagen: Ihr Beitrag war entbehrlich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich sage das ganz deutlich,weil das Thema,um das es geht, überhaupt nicht erfasst worden ist. Wenn Sie erklären, dass Sie schon wissen, was alles herauskommt bei dem, was zurzeit in der Gentechnik wissenschaftlich erforscht wird, dann sind Sie etwas früh, Herr Kollege. Da ist noch viel zu tun, um eindeutig zu klären, welche Gefahren von der Gentechnik ausgehen. Es gibt immer wieder gentechnische Verunreinigungen in Lebensmitteln, Futtermitteln und Saatgut, die festgestellt werden.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, das ist nicht neu, das ist nicht aktuell, sondern das ist über die Jahre hin schon so gewesen. Es ist immer auch durch die Kontrolle in Hessen festgestellt worden. Es geht nicht nur darum, Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften zu erkennen, sondern auch darum, die Verbraucher, die Landwirte, die Lebensmittelindustrie und den Lebensmitteleinzelhandel vor der schleichenden Verseuchung durch Verunreinigungen zu schützen – ob zugelassen oder nicht, Frau Kollegin Lannert.

(Dr. Matthias Büger (FDP):Verseuchungen?)