Protocol of the Session on May 18, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich den Kollegen von den LINKEN höre,muss ich sagen:Alle hier im Raum wissen und er selbst auch, denn er ist eigentlich ein Europäer, dass er die Wahrheit nicht nur karikiert, sondern auf den Kopf gestellt hat. Wir sind ein demokratisches Europa, und darauf sind wir auch alle stolz. Ich lasse mir das auch nicht von einem Postkommunisten zerreden – so nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich darf Sie zum Abschluss ganz herzlich bitten, sich einfach einmal losgelöst von den Diskussionsbeiträgen an

Pulten mit dem Unterschied zwischen den beiden international angedachten Steuern auseinanderzusetzen. Ich bitte Sie ganz herzlich, schauen Sie in das Gutachten des IWF. Das ist noch gar nicht so lange her. Der IWF hatte von den G 20 den Auftrag erhalten, Sicherungssysteme vorzuschlagen, damit künftig nicht mehr das Problem besteht, dass Spekulanten das Wirtschafts- und Finanzsystem aushebeln können. Der IWF hat sich sowohl mit der Transaktionssteuer als auch mit der Aktivitätssteuer auseinandergesetzt. Lesen Sie es einfach nach. Ich referiere nur.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie doch einfach zu, Herr Merz. Ich kenne Sie doch sonst als jemanden, der die intellektuelle Auseinandersetzung sucht und auch findet.– Er ist nun einmal zu dem Ergebnis gekommen, die Transaktionssteuer als unpraktikabel abzulehnen. Die Transaktionssteuer ist in den Augen des IWF keine Maßnahme, um die Spekulationen einzugrenzen. Das sagen die Fachleute. Hören wir doch einfach auf sie.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt aber die FAT. Das ist die Steuer, die bei denen greift, die Gewinne, Boni und Gehälter im Rahmen von Banken und Finanzsystemen erarbeiten oder,um es etwas wertfreier zu sagen, bekommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es nicht klüger, dass man die Spekulantensteuer einführt und nicht eine Verbrauchersteuer einführt?

(Beifall bei der FDP)

Ist es nicht klüger, dass man die Aktivitätssteuer einführt, die diejenigen besteuert, die spekulieren, und dass man nicht die Transaktionssteuer einführt,die jeden Verbraucher besteuert – wir haben es eben gemeinsam erarbeitet –, auch denjenigen, der eine Riester-Rente kauft?

Wollen Sie denn wirklich die Spekulanten besteuern,oder wollen Sie Geld in die Staatskasse hineinspülen? Sie müssen entscheiden,was Sie wollen.Aber dann sagen Sie bitte auch, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Man hätte es beim Koch belassen sollen! – Gegenruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wir werden Sie noch einmal zitieren! – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie sehen es genauso!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf ganz zum Schluss darauf hinweisen, dass ich einen Vorwurf gegenüber der Bundesregierung nun überhaupt nicht nachvollziehen kann,nämlich den:Warum erst jetzt? – Ich verstehe Ihre Zwischenrufe.

(Günter Rudolph (SPD): Schön für Sie! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man hätte es beim Koch belassen sollen!)

Ich möchte darauf hinweisen, dass zuallererst eine Klärung in Griechenland herbeigeführt werden musste. Das griechische Parlament hat am vorletzten Donnerstag die entscheidenden Beschlüsse zur Konsolidierung ihrer Finanzen getroffen. Keine 24 Stunden später hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Union,der FDP und der Bündnisgrünen sowie der Bundesrat mit den Stimmen des Landes Hessen das sogenannte Griechenlandpaket

beschlossen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist intellektuell unredlich,der Bundesregierung vorzuwerfen, sie habe zu spät gehandelt.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann erst Sicherheiten geben, wenn man weiß, wie sich der Schuldner benimmt. Das ist innerhalb von 24 Stunden geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zum Abschluss bitte ich Sie ganz herzlich, darüber zu diskutieren, worum es wirklich geht. Sehr geehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, die Sozialdemokraten waren und sind eine Partei, die zu Europa steht. Ich glaube, die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament ist die zweitgrößte, wenn ich das richtig addiert habe.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie etwas über Frau Koch-Mehrin!)

Wie können sich eigentlich die Sozialdemokraten Deutschlands oder die Sozialdemokraten Hessens aus der Verantwortung herausmogeln? Herr Schäfer-Gümbel, ist das wirklich eine kluge Entscheidung? Wäre es nicht besser, wenn auch die hessischen Sozialdemokraten sagen: „Wir unterstützen das Programm so, wie es jetzt auf europäischer Ebene vereinbart worden ist, ohne Wenn und Aber?“ – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wäre staatstragend. Die Landesregierung wird das jedenfalls tun.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zu- ruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Ich erteile Herrn Abg. Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion das Wort. Ihre Redezeit beträgt fünf Minuten. Das wächst Ihnen zu. Alle Fraktionen außer der FDP hätten noch fünf Minuten. Die FDP hat noch sieben Minuten. – Herr Schäfer-Gümbel, ich darf auch mitteilen, dass der Rechts- und Integrationsausschuss im Anschluss an die Sitzung tagt und nicht während der Sitzung. Danke schön.

Davon bin ich auch ausgegangen. – Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn der Europaminister nicht so engagiert vorgetragen hätte, was er vorgetragen hat. Herr Hahn kann mir das jetzt abnehmen oder nicht: Ich will an einem Punkt anfangen, der mich wirklich umtreibt. Vielleicht wird dann auch klarer, warum meine Rede heute Nachmittag so ausgefallen ist, wie sie ausgefallen ist.

Ich habe die Bemerkung sehr ernst gemeint – ich hatte auch den Eindruck, dass es in dem Moment im Raum eine deutliche Aufmerksamkeitssteigerung gab –, als ich davon gesprochen habe, dass wir aus meiner Sicht an einem Punkt sind, der demokratiegefährdend ist. Denn wir bewegen hohe Summen. Das macht den Bürgerinnen und Bürgern Angst. Ich behaupte, dass selbst vielen Kolleginnen und Kollegen manchmal die Dimension dessen nicht bewusst ist, das wir bewegen müssen, um die Auswirkungen der Finanzmarktkrise in den Griff zu bekommen, damit wir beieinander bleiben können.

Das ist so verheerend vor dem Hintergrund der Spardebatte, wie sie Roland Koch angefangen hat, weil man das nicht erklären kann, weil es nur schwer zu vermitteln ist, warum man milliardenschwere Pakete auf den Weg bringt und gleichzeitig erklärt: Aber für die Kinderbetreuung und die Bildung ist kein Geld da. – Herr Hahn, das ist der Punkt, warum sich die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag bei der Abstimmung über das Griechenlandpaket enthalten hat. Sie hat eine Erklärung mit einem klaren Ja zur Griechenlandhilfe abgegeben. Aber weil Sie nicht bereit waren, die notwendigen Regulierungsmaßnahmen zum Thema Finanzmärkte auf den Weg zu bringen, haben wir uns enthalten.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Florian Rentsch und Wolfgang Greilich (FDP))

Herr Hahn,das hat sich in den letzten Tagen offensichtlich weiterentwickelt. Ich habe den Zwischenruf bei Herrn Rentsch nicht ohne Grund gemacht; denn um 16:28 Uhr, während seiner Rede, ist die dpa-Meldung aufgelaufen, dass sich die Kanzlerin öffentlich ausdrücklich hinter die Transaktionssteuer gestellt hat.

(Torsten Warnecke (SPD): Skandal!)

Deswegen wäre die Rede eigentlich umzuschreiben.Sonst verstehe ich die Ausführungen nicht mehr; denn die Diskussion in Berlin ist offensichtlich weiter als hier. Diesen Erkenntnisgewinn teile ich.

(Beifall bei der SPD)

Herr Arnold, nun will ich ausdrücklich sagen: Die Transaktionssteuer ist eines von vielen Momenten, das bei der Regulierung der Finanzmärkte notwendig ist.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ratingagenturen sind ein anderer Punkt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass, nachdem in den letzten Tagen mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass offensichtlich am 25. März in der politischen Verantwortung der schwarz-gelben Bundesregierung Leerverkäufe zugelassen wurden, die BaFin vor wenigen Minuten angekündigt hat, dies ab heute Nacht wieder zu verbieten. Das finde ich gut und richtig.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Punkt ist doch: Sie eiern nicht nur in Berlin, sondern auch den ganzen Nachmittag hier durch die zentralen Fragen. Der Ministerpräsident hat versucht, zu dem Thema Europa eine Regierungserklärung zu geben. Dann ist zweitens das Thema Finanzmarktregulierung hinterhergesteuert worden und drittens das Thema Sparen. Dann kommt der Standardvorwurf der Regierung – das gehört zum allgemeinen Geklimper –, nach dem Motto: „Macht doch einmal eure Vorschläge.“ Ich sage dazu: Sie sind die Regierung. Das gefällt mir nicht. Wenn Sie wollen, dass wir Ihren Job übernehmen, dann lassen Sie uns neu wählen. Das habe ich Ihnen schon zweimal gesagt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Ich vermute, dann würde der Landtag anders zusammengesetzt sein. Aber ich als Oppositionspolitiker kann von Ihnen erwarten, dass Sie Ihre Arbeit machen

(Zurufe der Abg. Axel Wintermeyer und Clemens Reif (CDU))

und dass Sie als Regierung Vorschläge unterbreiten.Dann werden wir die bewerten. Das ist die Arbeitsteilung, die die Wahlen nun einmal mit sich gebracht haben.

(Clemens Reif (CDU): Wenn wir wieder wählen würden, würden wir sehen, ob Sie Ihren Wahlkreis wieder gewinnen!)

Nächster Punkt. Herr Arnold, das strukturelle Defizit des Haushalts beträgt dieses Jahr ungefähr 2 Milliarden c, konjunkturell 1,4 bis 1,6 Milliarden c. Darüber sind wir uns wahrscheinlich einig. Sie müssen sagen, wie Sie angesichts der derzeitigen Einnahmen- und Ausgabensituation und vor dem Hintergrund der Aufgaben, die wir haben – dazu habe vorhin ich beim Thema Bildung etwas beschrieben –, das strukturelle Defizit reduzieren wollen, ohne allgemein an ein Wachstum zu denken, das im Moment nicht kommt, ohne den konjunkturellen Teil, ohne gleichzeitig die Einnahmeseite in den Blick zu nehmen. Ich glaube, das funktioniert nicht. Ich glaube, das wird nicht gehen.

(Dr.Walter Arnold (CDU):Das werden wir sehen!)

Herr Arnold, wenn Sie sich ehrlich machen, dann sehen Sie das auch so. Sie wissen, dass es nur in einem Kanon aller Maßnahmen geht: Ausgabenreduzierung, Effizienzsteigerung und Einnahmenerhebung. Das wird nicht anders gehen. Machen Sie sich bitte ehrlich.

Letzter Punkt. Körperschaftsteuer. Wenn ich Ihre Einlassung zur Kritik an den rot-grünen Entscheidungen zur Körperschaftsteuer so verstehen darf, dass Sie jetzt der Auffassung sind, dass die Körperschaftsteuer erhöht werden muss, bin ich herzlich gerne bereit, das mit Ihnen konkret zu diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Regierungserklärung gegeben und besprochen.

Wir machen morgen früh weiter. Sind Sie damit einverstanden? Dann darf ich Sie bis morgen früh, 9 Uhr, verabschieden. Der Rechts- und Integrationsausschuss tagt in Raum 501 A. Viel Spaß, auch beim parlamentarischen Abend.

(Schluss: 18:50 Uhr)