Protocol of the Session on April 29, 2010

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Frau Abg. Schott.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viele Eltern mit niedrigem Einkommen können die Beiträge für Sportvereine, in denen ihre Kinder Sport treiben oder dies gerne tun würden, nicht bezahlen, oder haben damit zumindest Schwierigkeiten.

Der Lösungsvorschlag des Antrags lautet, die Vereinsbeiträge für finanzschwache Familien sollen aus Landesmitteln bestritten werden. Aus diesen Landesmitteln soll auch die Qualifikation von Trainern und Übungsleitern unterstützt werden.

Sportliche Betätigung hat positive Wirkungen auf das Wohlbefinden und auf die Gesundheit. Hinzu kommt,

dass die positiven Wirkungen nahezu unmittelbar spürbar werden. Jeder, der ab und zu joggt, schwimmt oder Fahrrad fährt, merkt das unmittelbar. Bei Kindern gilt dies noch mehr. Sportliche Betätigung ist bei Kindern nicht nur gesund. Sie wirkt sich auch positiv auf die Entwicklung der motorischen und geistigen Fähigkeiten aus. Für Kindersportvereine kommt noch hinzu, dass durch den Sport in Gruppen das Sozialverhalten und die sozialen Kompetenzen verbessert werden. Auf diese Weise wird sehr wahrscheinlich auch in nennenswertem Maß soziale Ausgrenzung reduziert. Insofern ist das Anliegen des Antrags grundsätzlich positiv zu bewerten.

Der Antrag benennt aber nicht die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen. Daraus ergeben sich für mich einige Fragen:Wie soll das bürokratisch abgewickelt werden? Müssen die Eltern einen Antrag beim Verein stellen? Müssen sie sich damit als arm outen? Kommen die Kinder dann in eine Diskriminierungssituation, oder wie soll das vonstattengehen? Diese Fragen bleiben offen. Das muss man im Ausschuss noch besprechen.

Die Übernahme der Vereinsbeiträge ist ein Schritt in Richtung gesellschaftlicher Beteiligung von Kindern, hilft aber nur bedingt. Denn die Kinder brauchen daneben auch noch Bade- und Schwimmutensilien, das Eintrittsgeld für das Schwimmbad, sie brauchen die Fußball- oder zumindest die Sportschuhe, sie brauchen das Fahrrad und dafür regelmäßige Reparaturen.

Noch deutlicher wird das, wenn ich den Sport verlasse. Was ist, wenn Kinder in die Sauna wollen? Was ist, wenn Kinder Ballett machen wollen? Was ist, wenn sie sich an Laienspielen beteiligen wollen? Das positive soziale Umfeld und integrative Wirkung haben auch das Ballett oder Laienspielgruppen.Was ist mit Zoobesuchen und mit vielen anderen unterstützenswerten Aktivitäten, die Kinder so lieben?

Wir werden dem Antrag zustimmen, weil er sich um bessere soziale Integration mittelloser Kinder bemüht. Aber lassen Sie mich anmerken: Der Antrag betreibt im Grunde eine ausgesprochen kleinteilige Bekämpfung der Symptome, die ihre Ursachen in der Niedriglohnstrategie der letzten Jahre,der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze haben. Hätten wir Hartz-IV-Regelsätze für Kinder, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern orientieren würden,wären wir der Teilhabe der Kinder etwas sicherer. Hätten wir mehr Beschäftigung im öffentlichen Dienst, wie es in den nordeuropäischen Ländern der Fall ist,hätten wir weniger Kinder im Hilfebezug.Hätten wir Mindestlöhne, könnten die Menschen besser von ihrem Einkommen leben. Hätten wir eine andere Einnahmepolitik, könnten wir Sportvereine so fördern, dass sie keine Beiträge für Kinder nehmen müssten.

(Beifall bei der LINKEN)

An die CDU und die FDP gewandt kann ich nur sagen: Sie sind wirklich Weltmeister im Aussitzen. Es schreit doch zum Himmel, wenn Sie die Erhöhung des Kindergeldes ins Spiel bringen und dabei, wie immer, unerwähnt lassen, dass die Kinder im Hartz-IV-Haushalt gar nicht in den Genuss von Kindergeld kommen, das auf die Leistungen angerechnet wird. Sie warten jetzt auf die Neuberechnung der Hartz-Regelsätze. Bis dahin tun Sie nichts.

Und seien Sie ehrlich: Würden die Regelsätze jetzt nicht neu berechnet, sähen Sie auch keine Veranlassung, etwas zur Verbesserung der Lebenssituation der Kinder im Hartz-Bezug zu tun. Welche Maßnahmen meinen Sie denn, die so vielfältig vorhanden sind? – Ihr unsäglicher

Mittagessensfonds, der nach dem Zufallsprinzip hier und da hilft und nicht einmal ausgeschöpft wird? Ihr Beitrag zum Schulobst, das es nicht gibt? Die Kürzungen durch die „Operation düstere Zukunft“, die die Kinder überall mitbetroffen haben? Glauben Sie etwa, dass Kinder eines überschuldeten Elternhauses auch nur ernsthaft in die Nähe von Chancengleichheit und gesellschaftlicher Beteiligung kommen? Aber mit der Kürzung der Mittel für Schuldnerberatung auf null haben Sie dafür gesorgt, dass sich die Situation dieser Kinder niemals verbessern wird. Dass Sie sich jetzt für Ihre Heldentaten auch noch loben, wundert niemanden, der die hessische CDU und die hessische FDP kennt.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Herr Abg. Mick, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist praktisch, dass ich gerade vorne war.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir befassen uns mit einem sehr wichtigen Thema. Meine Vorrednerin und mein Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass wir momentan das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung haben. In diesem Zusammenhang wird natürlich auch das Thema Kinderarmut sehr verstärkt diskutiert. Gerade die Sportvereine und dort insbesondere die Sportjugend befassen sich in diesem Jahr mit der Kinderarmut, und sie haben schon vielfältige Veranstaltungen und Projekte zu diesem Thema durchgeführt. Insofern ist es zunächst einmal begrüßenswert, dass sich auch die Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie mit einem Antrag hier an dieser allgemeinen Diskussion beteiligen.

Wir sind uns zunächst einmal einig, und das ist, denke ich, auch schon in den vorangegangenen Wortbeiträgen angeklungen, dass die gesellschaftliche Teilhabe immer wichtiger wird und dass diese Teilhabe nicht allein durch monetäre Förderungen zu erreichen ist. Das ist eine Diskussion, die uns gerade bei der Neuberechnung der Regelsätze von Hartz IV begleitet. Insofern muss man das natürlich immer im Zusammenhang sehen. Frau Kollegin Ravensburg hat darauf schon hingewiesen. Ich denke, es ist jetzt hoffentlich klar geworden, dass das ein ganzer Komplex ist und dass man das nicht isoliert innerhalb eines Landesprogramms betrachten kann.

Aber zurück zu Ihrem Antrag. Sie fordern ein Landesprogramm, mit dem das Land sozusagen die Sportvereine unterstützen soll, damit diese besser in die Lage versetzt werden, sich um die Kinder von Geringverdienern zu kümmern. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf drei Punkte hinweisen, damit das hier noch einmal hinterlegt ist:

Erstens. Das Land Hessen fördert bereits jetzt die Aktivitäten der Sportvereine in vielfältiger Art und Weise.Das betrifft nicht nur den Breitensport, sondern auch die Jugendverbandsarbeit, den Behindertensport oder auch die Stiftung Sporthilfe. Auf diese Art und Weise sind im Jahr 2009 insgesamt 54 Millionen c aufgewendet worden. Das ist so viel, wie noch nie zuvor im Lande Hessen für den Sport ausgegeben wurde. Das haben Sie in Ihrem Antrag

nicht bestritten: ich wollte das hier nur einmal hinterlegen, damit kein falsches Bild entsteht, nach dem Motto: Die Landesregierung tut nichts. – Das haben Sie nicht gesagt,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber gemeint!)

aber die Gefahr besteht ja immer, dass ein Kollege der Opposition das einmal sagt. Das könnte passieren. Dem kann man vorbeugen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das können wir grundsätzlich so stehen lassen!)

Zweitens.Ich habe schon darauf hingewiesen,dass wir vor einer Neuberechnung der Regelsätze stehen, aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Hartz IV. Wir sind uns parteiübergreifend einig, dass bei der Neuberechnung auch die Teilhabe eine größere Rolle spielen soll. Damit sind eben auch Dinge gemeint wie die Teilhabe an Bildung, an Kultur, aber auch an Sport. Insofern ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Neuberechnung auch auf diesen Punkt einen erheblichen Einfluss haben wird. Wir sehen, dass dazu von Bundesseite noch etwas kommen wird.

Drittens. Das ist ein Punkt, der hier noch nicht angesprochen wurde, und zwar der Lottotopf. Die Jugendverbände bekommen aus dem sogenannten Lotto- und Glücksspieltopf Mittel, und wir haben bereits letztes Jahr den Deckel für die Förderung angehoben. Vertreter unserer Fraktion hatten auch mehrere Termine.Herr Kollege von Zech und ich hatten erst letzte Woche einen Termin mit Vertretern des Hessischen Jugendrings und der Sportjugend, die uns darauf hingewiesen haben, dass trotz der Anhebung des Deckels die Einnahmen aus Lotterie und Glücksspiel insgesamt zurückgehen,aus meiner Sicht aufgrund einer verfehlten Politik beim Glücksspielstaatsvertrag, die dafür gesorgt hat, dass die Einnahmen zurückgehen, weil durch das Verbot der Internetwetten oder auch durch das konsequente Durchziehen des staatlichen Monopols die Einnahmen aus dem Glücksspiel insgesamt zurückgegangen sind, was mittelbar auch dazu führt, dass die Glücksspieleinnahmen nicht mehr für diese sozialen Zwecke zur Verfügung stehen.

Wir werden hoffentlich zu einer neuen Regelung kommen, die das wieder so weit ermöglicht, dass das Glücksspiel ausgeweitet wird und dass auch der Glücksspielmarkt wieder insgesamt wächst, was dann auch dazu führt, dass der Topf, aus dem diese sozialen Projekte finanziert werden, größer wird, damit für diese sozialen Zwecke wieder mehr Geld zur Verfügung steht. Ich hoffe, dieses Problem wird sich mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag, der jetzt verhandelt wird, dann auch erledigen. Das sind drei Punkte, die da mit reinspielen. Das Problem ist vielschichtiger, als es aus Ihrem Antrag hervorgeht, deswegen auch unser Gegenantrag dazu.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Gegenantrag?)

Was Sie fordern, ist grundsätzlich nicht schlecht. Ich bin einfach nur skeptisch, ob wir aufgrund der aktuellen Situation, der vielfältigen Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen, jetzt angesichts der Haushaltssituation noch einmal mit einem extra Landesprogramm reingehen müssen oder ob sich die Frage nicht dadurch beheben wird, dass eben die Sätze neu berechnet werden, dass der Lottotopf ausgedehnt wird. Das werden wir im Ausschuss sicherlich noch vertieft diskutieren.

Insofern bedanke ich mich erst einmal für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD beschäftigt sich in der Tat mit einem Problem, nämlich dem, wie wir gering verdienenden Familien, und da im Besonderen natürlich auch Kindern, den Zugang zu Sportvereinen noch weiter erleichtern.Wir sind der Meinung, dass sich das ganze Problem durchgängig durchzieht. Wir hatten beim letzten Mal die Diskussion, armen Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, Museen zu besuchen. Ich glaube, das war ein Antrag der LINKEN, und da ging es darum, möglichst geringe Tarife oder dies sogar kostenlos anzubieten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Herr Schaus, ich glaube, es war die LINKE. – Er nickt.

Wir werden dieses Problem auch bei Musikschulen und anderem haben. Es zieht sich durch. Wir haben das Problem, dass Familien, die entweder ALG II empfangen oder noch weniger Geld haben oder ganz geringfügig mehr verdienen, ein Problem haben, an bestimmten öffentlichen Einrichtungen, an Sportvereinen, Musikschulen und vielem anderen teilzuhaben. Das bleibt ein latentes Problem. Ich glaube aber nicht, dass wir es per se hinbekommen – ohne das einmal konzeptionell zu diskutieren –, jedes Mal ein Landesprogramm aufzulegen, das das sozusagen im Einzelfall löst.

Herr Dr. Spies, Sie schauen mich so kritisch an. Im letzten Abschnitt steht, dass Sie deshalb ein Landesprogramm auflegen wollen, das den Vereinen hilft, das dann zu kompensieren. Ich muss Ihnen sagen: Die Sportförderung ist im Wesentlichen erst einmal eine kommunale Aufgabe.Es ist so, dass ich aus Frankfurt viele Möglichkeiten kenne, wie man Sportvereinen helfen kann, damit sie eben Familien helfen können,die die Monatsbeiträge nicht bezahlen können. Die Stadt Frankfurt hat zum einen eine jugendbezogene Förderung, zum anderen kann man Sportplatzmieten erlassen oder sonst irgendwelche indirekte Förderungen machen, damit die Sportvereine eben nicht darauf achten,wenn einer seinen Mitgliedsbeitrag nicht bezahlen kann, sodass sie die Kinder trotzdem mitspielen lassen können.

Da ist Kreativität gefragt; das ist, wie Frau Ravensburg sagt, nicht immer nur eine Frage der Transferleistungen, sondern oftmals auch eine der kommunalpolitischen Kreativität. Deswegen finden wir die Frage eines eigenen Landesprogramms sehr nachrangig,um es einmal vorsichtig zu formulieren. Wir würden es gern noch einmal im Gesamtkontext von Förderungen für arme Kinder diskutieren.

Wir haben ein Kinderarmutsproblem, wir haben in dieser Gesellschaft ein generelles Armutsproblem, wir haben Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens abgehängt sind. Dieses Problem spitzt sich für Kinder zu, die an Schulessen, musischen oder Sportangeboten nicht teil

nehmen können, aufgrund ihres geringen Einkommens. Das ist ein grundsätzliches Problem.

Suchen wir uns einmal einen Punkt aus: Bei der LINKEN waren es die Museen, und bei den Sozialdemokraten sind es die Sportvereine. An diesem Punkt kommen wir so nicht weiter,und wir können diese Lücken,die entstanden sind, nicht über eigene Landesprogramme auffangen.

Zur CDU, um das noch einmal politisch zu diskutieren. Frau Ravensburg, Sie haben einen Satz gesagt, der richtig ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Aber nur einen!)

Sie haben nämlich gesagt, dass Sie nicht glauben, dass wir immer dann über Transferleistungen reden sollten, wenn wir ein Problem haben – gerade bei der Kinderarmut. Interessanterweise führen Sie in Ihrem Antrag aber genau das an. Sie sagen, dass der Landtag die Erhöhung des Kindergeldes für alle Familien begrüßen soll. Das war eine Transferleistung, wenn ich das einmal übersetzen darf. Und wenn ich noch ergänzen darf: Es war eine der unnötigsten Transferleistungen überhaupt, weil sie uns bundesweit Mittel dafür blockiert, dass wir diese Gelder in Infrastruktur für Kinder und Familien, in Kindertagesstätten und anderes einfügen könnten.

Deswegen hat die grüne Bundestagsfraktion zu Recht gesagt: Eine Kindergelderhöhung für alle in Deutschland – auch für die, die wir hier hocken, die nicht gerade wenig Geld verdienen – ist nicht sinnvoll. Wir kriegen die Kindergelderhöhung, Hartz-IV-Empfänger bekommen sie übrigens nicht, nebenbei bemerkt.

Das war eine unnötige Transferleistung.Wir hätten dieses Geld besser in Kinderbetreuungsinstitutionen gesteckt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ihre These war richtig, Sie machen das aber selbst. Im Übrigen, wenn Sie es machen, machen Sie es auch noch falsch.Wenn wir also darüber reden, wie wir Kinderarmut bekämpfen, dann ist es der richtige Weg, dass wir in öffentliche Institutionen investieren, dass wir die Angebote dort gratis oder sehr stark verbilligt zur Verfügung stellen.

Schulessen gibt es übrigens. Wir haben einen Fonds, der noch nicht einmal ganz ausgeschöpft ist. Wir haben das schon einmal zum Thema gehabt, Herr Minister, dass wir 5 Millionen c im Etat haben und uns darüber wundern, dass nur 3,5 Millionen c ausgeschöpft werden. Vielleicht sollten wir diesen Weg konsequent zu Ende gehen.

Ich bin dringend dafür, dass die Musikschulen, die wir in öffentlicher Hand haben, kostenlose Angebote für alle Kinder machen. Ich bin auch dringend dafür, dass die Museen solche Angebote konzeptioneller Art machen, wie Frau Sorge das erwähnt hat, damit mehr bildungsferne Schichten in die Museen kommen.