Herr Präsident, meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens.Die oberen 5 % der Gesellschaft zahlen fast 60 % der Steuern in Deutschland und tragen somit maßgeblich zum Steueraufkommen bei.
Zweitens. Die Schweiz hat kein solches Geschäftsmodell. Es ist richtig – das sollte den GRÜNEN zu denken geben –, dass die Schweiz von jeher besonders hohen Wert auf Datenschutz gelegt hat, was im Extremfall dazu geführt hat, dass sie bis zum Jahre 2004 – heute gibt es das schon lange nicht mehr – Nummernkonten geführt hat, damit nicht jeder sofort erkennen konnte, wer wo sein Konto hatte. Das stimmt. Es stimmt auch, dass das von deutschen Steuerzahlern,von Steuerzahlern in aller Welt und zum Teil auch von der organisierten Kriminalität genutzt wurde. Es ist aber eine Frechheit, der Schweiz zu unterstellen, dass sie ein Geschäftsmodell aufgebaut habe, das ausschließlich darauf beruht,Verbrecher ins Land zu holen.
Die Behauptung, dass es einen Anreiz dafür gebe, sein Geld in der Schweiz anzulegen, ist ebenfalls falsch. Die Schweiz hat eine Quellensteuer, einen Zinsabschlag von 35 % auf den Ertrag. In Deutschland sind es 25 %. Die Zinsen in der Schweiz sind niedriger als in Deutschland. Alles in allem gibt es also keinen Zinsvorteil und keinen Steuervorteil, wenn man sein Geld in der Schweiz anlegt.
Jedenfalls nicht aus den Erträgen. – Es gibt allerdings – das sehen wir jetzt auch an der Zahl der Selbstanzeigen – Menschen, die ihr Geld in der Schweiz vor dem deutschen Fiskus verstecken. Das hat Tradition.
Das bestreitet keiner.Aber hier zu behaupten, dass man einen wirtschaftlichen Vorteil hat, ist Unsinn, gerade weil die Schweiz in den letzten Jahren einen Zinsabschlag eingeführt hat,den es vorher nicht gab.Die Schweiz ist auf einem sehr guten Weg. Ich plädiere eindringlich dafür, dass wir zwischenstaatliche Lösungen suchen, statt Hehlerware zu benutzen, um an die Daten deutscher Steuerflüchtlinge zu kommen.
Danke, Herr Milde. – Herr Schmitt, Sie haben jetzt Gelegenheit, für die SPD-Fraktion das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Staat dürfe sich nicht zum Helfershelfer für Diebe und Verbrecher machen, der Rechtsstaat werde mit Füßen getreten, das sei eines Rechtsstaats nicht würdig – so wird Innenminister Bouffier in der „FAZ“ vom 31. Januar 2010 zitiert.
Hessen Justizminister Jörg-Uwe Hahn erklärte gegenüber „Bild“ am 1. Februar 2010, es müsse genau geprüft werden, woher die Daten kommen; sollten sie über kriminelle Informanten beschafft worden sein, müsse der Staat Nein sagen.
Unterdessen erklärt der Finanzminister, Herr Weimar, im Haushaltsausschuss erwartungsfroh, schon mit Eurozeichen in den Augen, man werde sich selbstverständlich am Kauf beteiligen.
Meine Damen und Herren, so ist die Landesregierung. Der eine sagt Nein, der andere sagt Vielleicht, der Dritte freut sich schon, und der Vierte schweigt.
Der Chef schweigt. Die Landesregierung benimmt sich wie ein Hühnerhaufen – eigentlich ist ein Hühnerhaufen schon fast ein organisiertes Modell im Vergleich zu dem, was sich in der Landesregierung an Meinungsvielfalt abspielt.
Herr Bouffier ist leider nicht da. Es stellt sich aber die Frage: Bleibt er bei seiner Aussage? Macht sich die Landesregierung, wenn sie die Vorprüfung vornimmt, die Herr Weimar angekündigt hat, zum Helfershelfer von Dieben und Verbrechern? Tritt sie den Rechtsstaat mit Füßen? Ist ein solches Handeln den Prinzipien eines Rechtsstaats würdig? Diese Fragen stellen sich nun.
Wenn Herr Bouffier wirklich dieser Auffassung ist, darf er nicht zulassen, dass die Datensätze erworben werden. Dann darf er schon die Vorprüfung, die jetzt stattfindet, nicht zulassen.
Deswegen ist der Chef gefordert; das ist völlig klar. Nachdem diese Daten nun geprüft werden, muss er klarstellen, wie die Linie der Hessischen Landesregierung ist und ob sie bereit ist, im Fall des Falles diese Daten anzukaufen. Eine solche Erklärung steht aus. Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf, nach diesem Wirrwarr in Ihrem Kabinett hier und heute klar Stellung dazu zu beziehen.
Für die übrigen Mitglieder der Landesregierung stellt sich, wenn sie der Meinung von Herrn Bouffier sind, die Frage: Tritt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Verfassung mit Füßen? Auch die Bundeskanzlerin hat sich klar für den Ankauf der Daten ausgesprochen. Ich könnte das ebenfalls mit einem Zitat belegen, wenn Sie das wollen.Tritt die Bundeskanzlerin den Rechtsstaat mit Füßen? Die Frage stellt sich doch.
Es kann auch sein, dass sich Herr Bouffier dazu bekennen muss, dass er Unsinn geredet hat – was ich nicht ausschließen will. Aber es stellt sich in der Tat die Frage, warum Herr Bouffier, der sich sonst immer als der Django des Rechtsstaats aufspielt, diese Position einnimmt. Beim HSOG hat er die rechtsstaatlichen Grundsätze nicht so ganz zum Gegenstand gemacht; sonst hätte es das Urteil des Verfassungsgerichts nicht gegeben. Es stellt sich also die Frage:Warum wollen bestimmte Leute in der Landesregierung Steuerhinterzieher mit Glacéhandschuhen anfassen? All das passt nicht zusammen.
Wie gesagt, es ist auch die Frage zu stellen: Wo bleibt eigentlich der brutalstmögliche Aufklärer der Schwarzgeldaffäre?
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er ermittelt jetzt verdeckt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie dann aufklären wollen: Wir haben immer noch die Schwarzgeldaffäre der CDU, allerdings mit Liechtenstein-Bezug. Das ist jetzt zehn Jahre her. Da Sie bereit sind, alles dafür zu tun: Wir haben immer noch ein Interesse daran, zu erfahren, woher das Geld kam.
Hessen muss alles dafür tun, damit Steuerhinterzieher ihrer gerechten Strafe zugeführt werden. Damit diese Verfahren bewältigt werden können, müssen genügend Personal und eine entsprechende Organisation vorhanden sein.
Herr Finanzminister, herzlichen Dank für die Auskunft und für die Erklärung, die Sie eingangs der Debatte abgegeben haben. Aber Sie haben deutlich gemacht, dass das nicht ganz so einfach werden wird. Wenn diese Auswertung nicht aufbereitet werden muss, wenn die Daten also sozusagen wieder zusammengestellt werden müssen und nicht mit Namen versehen sind, dann befinden wir uns in der gleichen Situation wie ausgangs der hessischen Steuerfahnderaffäre: Es müssen mit viel Aufwand Daten zusammengeflickt und in einen Zusammenhang gebracht werden, um herauszubekommen: Wer steckt eigentlich hinter diesem System? Um welche Personen handelt es sich?
Ich kann nur sagen: Hoffentlich klappt diesmal die Organisation.Wir haben aber einen erheblichen Zweifel daran, dass die personellen Voraussetzungen dafür gegeben sind.
In Hessen hat sich damals Folgendes abgespielt.Aufgrund einer unzureichenden Personalstärke und aufgrund von Organisationsmängeln sind Daten liegen geblieben. Das war der Ausgangspunkt der Steuerfahnderaffäre.Wir hoffen, dass es diesmal besser abläuft. Das halten wir für erforderlich.
Wir halten es auch für erforderlich, dass die rund 700 Selbstanzeigen,die bisher vorliegen,rasch bearbeitet werden. Dafür sind die entsprechenden personellen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen.
Im Zusammenhang mit den Selbstanzeigen möchte ich hier auch einmal sagen: In unserem Strafrecht gibt es das ansonsten nicht, dass sich jemand anzeigt und dann straffrei davonkommt. Das gibt es bei keinem anderen Delikttyp. Dieses Privileg, das es nur im Steuerstrafrecht gibt, muss fallen.
Nach mehreren Stufen der Amnestie muss man wirklich sagen, es gibt hier Leute, die nicht dazu bereit sind, sich daran zu halten, die weiterhin vertuscht und verdeckt haben und sogar steuerrechtlich verschont worden wären. Da muss man sich fragen – ich rede für die Zukunft; diejenigen, die sich jetzt selbst angezeigt haben, gehen straffrei aus; das ist klar –, ob das für die Zukunft ein lohnenswertes Modell ist. Wie gesagt, von anderen Delikttypen kennen wir das nicht.
Da an dieser Stelle Zwischenrufe von der FDP-Fraktion kommen: Sie – vor allem Ihr Bundesvorsitzender – haben in den vergangenen Wochen viel über Sozialschmarotzer gesprochen.
Ich sage Ihnen eines: Wenn es ein Sozialschmarotzertum gibt, findet es sich insbesondere bei den Steuerhinterziehern, die zwar jahrelang die Vergünstigungen unseres Staats genossen haben,
aber vor der Finanzierung der Veranstaltung Staat flüchten. Das geht eben nicht. Das halte ich nicht für richtig, auch angesichts der Summen, über die wir reden. Frau Kollegin Erfurth hat davon gesprochen – das ist eine Schätzung –, dass 30 Milliarden c ins Ausland verbracht worden sind. Wir haben einmal kurz hochgerechnet, dass hinter den 700 Selbstanzeigen ein Betrag von 130 Millionen c steckt, der ins Ausland verbracht worden ist.
Dem stehen in Wiesbaden 500 Hartz-IV-Empfänger gegenüber, die angeblich Schmu gemacht haben. Man muss das einmal mit dem Schaden vergleichen, der durch Steuerhinterziehung entsteht. Allein beim Finanzamt Wiesbaden sind 200 Anzeigen wegen Steuerhinterziehung eingegangen. Man muss sich einmal die Relationen anschauen und prüfen, wodurch der größere Schaden entstanden ist.