In jedem Jahr wurden 550 Polizeibeamte neu eingestellt. Dafür bedanke ich mich. Das war aber auch notwendig. Wir brauchen diese Polizeibeamten.
Wir ruhen uns nicht aus – nach dem Motto „Wir haben gute Zahlen“.Wir wissen, dass das eine erhebliche Belastung ist, und deshalb tun wir etwas in einem Bereich, der uns besorgen muss. Es ist bereits angesprochen worden: Angriffe auf Polizeibeamte. Das muss uns in der Tat besorgen. Ich will Ihnen nicht vorenthalten – Sie können es auch nachlesen –: Im Bereich linksextremer politisch motivierter Gewaltkriminalität haben wir den besorgniserregenden Zustand, dass sich fast 50 % der Angriffe gegen Sicherheitsbehörden richten. Das ist eine Entwicklung, die uns besorgen muss. Wir haben im Moment den Eindruck, dass sich auf linksextremer Seite ein Gewaltpotenzial entwickelt, das uns extrem besorgen muss. Das, was die Kollegen in Berlin, die Kollegen in Hamburg seit längerer Zeit auch öffentlich thematisieren, nehmen wir sehr ernst. Das ist eine Sonderentwicklung, die wir in anderen Bereichen so nicht kennen.
Deshalb dürfen wir unsere Arbeit nicht an links oder rechts oder was auch immer ausrichten. Das habe ich immer wieder vorgetragen, und dabei bleibt es auch. Jeder Gewalttäter ist einer zu viel, und wenn er Gewalt gegenüber Sicherheitsorganen anwendet,ist das für uns eine besondere Herausforderung, denn unsere Beamtinnen und Beamten verdienen nicht nur in solchen Debatten, sondern auch in der praktischen Arbeit unsere Solidarität und entsprechend ihrer sehr verantwortungsvollen Aufgabe auch unseren Schutz vor denen, die – in welchem Gewande auch immer – extremistisch daherkommen, um die, die berufen sind, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, persönlich anzugreifen. Ich sage das nicht ohne Hintergrund.
Ich wäre dankbar, wenn wir in Zukunft nicht entlang berühmter politischer Gräben diskutieren würden. Leute, die Autos anzünden, Leute, die Beamte mit Nadeln stechen, sie verprügeln und andere Straftaten begehen, sind keine engagierten Demokraten, sondern Chaoten. Ich wäre dankbar, wenn wir diese Position gemeinsam vertreten würden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, weil die Zeit davonläuft, abschließend einen Blick auf das werfen, was uns besorgen muss. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, es macht wenig Sinn, sich immer nur die Jahreszahlen anzuschauen. Ich will darauf eingehen, weil es gelegentlich erwähnt wurde. Man muss die langen Linien sehen. Wir haben einen Anstieg der Zahl der Wohnungsdiebstähle – ein Delikt, das die Menschen ganz besonders bedrückt. Deshalb werden wir uns an der Stelle ganz besonders engagieren.Wir verzeichneten 2009 einen Anstieg der Wohnungsdiebstähle auf 8.573 Fälle.Das ist eine Zunahme um rund 1.200 Diebstähle. Wir hatten aber vor zehn Jahren fast doppelt so viele Fälle.Es ist also gelungen,diese Form der Kriminalität um rund 40 % zurückzudrängen. Das ist
ein guter Wert, wir werden uns darauf aber nicht ausruhen. Ich will dafür plädieren, dass wir uns nicht zu sehr auf die jeweiligen Jahresstatistiken einstellen.
Meine Damen und Herren, was muss uns besorgen? Uns muss die Internetkriminalität besorgen. Es sind viele jugendliche Zuschauer anwesend. Deshalb will ich sagen, dass der Bereich mit der höchsten Steigerung die Kriminalität im Internet ist.In 60 % der Fälle handelt es sich um Betrug – in allen Variationen. Die Fallzahlen steigen ständig. Es sind bestimmt einige im Saal, die da persönliche Erfahrungen gemacht haben.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stehen die Besucher jetzt unter Generalverdacht? – Gegenrufe von der CDU)
Frau Kollegin, Sie geben mir eine gute Gelegenheit. Sie haben sicher die Kriminalstatistik gelesen, die das Landeskriminalamt vorgelegt hat. Darin werden Sie sicher auch den dicken Abschnitt mit der Überschrift „Opferstatistik“ gelesen haben.– Wenn Sie den kennen,dann ist mir Ihr Zwischenruf noch unverständlicher, um es vorsichtig auszudrücken.
Wenn wir eine Opferstatistik erstellen, dann deshalb, weil wir alles tun wollen, um die Menschen zu schützen, zukünftig nicht Opfer zu werden.Wenn ich darauf hinweise, dass viele junge Menschen Nutzer des Mediums Internet sind und viele von ihnen von Tätern betrogen werden, die sich dieses Mediums bedienen, dann spreche ich keinen Generalverdacht aus, sondern ich gebe den wertvollen Hinweis, dass sie sehr sorgfältig, sehr vorsichtig und sehr, sehr gründlich mit der Frage umgehen sollten, wem sie ihre Daten offenbaren, wem sie ihre Kontonummer und Ähnliches preisgeben.Sowohl für junge als auch für ältere Menschen ist es einfach schlimm,wenn sie abkassiert werden und wir kaum eine Chance haben, der Täter habhaft zu werden oder den Schaden auszugleichen. Das ist eine Entwicklung, die uns besorgen muss.
(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch die Besucher direkt angesprochen! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweite Bemerkung. Herr Kollege Bocklet, die Neigung zur Gewalt in unserem Land ist nach wie vor hoch. Das muss uns besorgen.Wenn wir eine ernsthafte Debatte führen, die sich jenseits des allgemeinen Blabla bewegt, müssen wir uns doch auch mit der Frage beschäftigen: Was können wir tun, um Fehlentwicklungen nach Möglichkeit einzudämmen?
Wir haben einen Bereich,der vor ein paar Jahren gar nicht erfasst wurde, weil er nicht strafbar war: die häusliche Gewalt. Der Anteil der der häuslichen Gewalt zuzuordnenden Straftaten an der erfassten Kriminalität steigt ständig. Dass es im vergangenen Jahr allein in diesem Bereich über 11.000 Verfahren gab, ruft uns zu einer sehr intensiven Debatte darüber auf, wie man dem begegnen kann. Das ist nicht in erster Linie ein polizeiliches Thema, sondern das ist ein allgemeines gesellschaftliches Thema, mit dem sich viele beschäftigen. Trotzdem bleibt das etwas, was uns Sorgen machen muss.
Schauen Sie sich einmal an, mit welch hohem Personalaufwand sich die hessische Polizei diesem Bereich widmet. Ich halte das für richtig. Es war meine bewusste politische Entscheidung, dafür zu sorgen, dass die hessische Polizei all diesen Vorkommnissen nachgeht, unabhängig davon, ob eine Anzeige erfolgt ist oder nicht; denn ich wollte vermeiden, dass Menschen zu Hause unter Druck gesetzt werden, indem man ihnen z. B. sagt:Wenn du mich anzeigst, wird etwas geschehen. – Dann wird die Gewalt nämlich perpetuiert.
Wir verfolgen alles. Damit sorgen wir dafür, dass viele Verfahren in der Statistik auftauchen, und wir holen uns auch viele Überstunden.Ich halte das trotzdem für richtig, insbesondere im Hinblick auf die Kinder, die Opfer von Gewalt werden.
Auch das kann und will ich uns nicht ersparen: Die Gefahren und Herausforderungen des Terrorismus sind nicht überwunden. Entgegen der landläufigen Behauptung oder der Einschätzung, die man manchmal haben kann, gehört die Bekämpfung des Terrorismus nach wie vor – ich befürchte, das wird noch etliche Jahre so sein – zu den größten Herausforderungen, die wir bewältigen müssen. Noch immer ist es so, dass sich tagtäglich Hunderte von hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten dieser Aufgabe widmen. Dies ist keine Frage der Statistik, und es geht auch nicht darum,ob wir uns darum kümmern sollen. Wir müssen uns darum kümmern.
Rufen Sie sich einmal die Aufgeregtheiten um die Vorgänge am Münchner Flughafen in der vergangenen Woche in Erinnerung – nur diesen Vorfall,bei dem sich glücklicherweise herausgestellt hat, dass es sich um einen Irrtum handelte. Da gab es nicht nur das übliche Rauschen im Blätterwald sowie die Besorgnisse und Kommentare derer, die sich immer äußern. Sie mögen sich einfach einmal vorstellen, vor welchen Herausforderungen wir bei einem Flughafen stehen, auf dem täglich zum Teil 170.000 Passagiere abgefertigt werden, bei anderen Verkehrsknotenpunkten von außergewöhnlicher Größe und bei einer nach wie vor extrem hohen Gefährdung nicht nur für unser Land, sondern auch für viele andere durch Menschen, die ein einziges Ziel haben: durch das Töten vieler Unschuldiger ihre Überzeugungen und Ideen unter das Volk zu bringen.
Da das so ist, werden unsere Beamtinnen und Beamten auch in Zukunft stark belastet sein.Das ist der Grund,warum wir auch in diesem Jahr wieder versuchen – es auch machen –, uns personell zu verstärken. Gleichwohl wird eine hohe persönliche Belastung bleiben. Aber es bleibt auch dabei, dass jeder einzelne Beamte ein hohes Maß an persönlicher Verantwortung hat.
Heute Nacht sind Beamte angegriffen worden und mussten von der Schusswaffe Gebrauch machen. In einer Zeitung war zu lesen: Auch der normale Einsatz kann ganz schnell zu einer Bedrohung werden, die, wenn es nicht gelingt, die Gefahr abzuwehren, lebensbedrohend ist.
Deshalb will ich jenseits aller Geplänkel, die üblicherweise kommen, sagen: Wir haben allen Anlass, zwar nicht überheblich, aber mit Stolz auf die Leistungsbilanz der hessischen Sicherheitsbehörden zu schauen. Das ist eine sehr gute Bilanz, eine Bilanz, die uns anspornt, dort, wo wir noch Lücken haben,besser zu werden und neuen Herausforderungen angemessen zu begegnen, bei der wir uns aber auch immer darüber im Klaren sein müssen: Hundertprozentige Sicherheit kann niemand gewähren. Wir
können dankbar und froh sein, wenn der einzelne Polizist bzw. die einzelne Polizistin in der konkreten Situation durch kluge, angemessene Verhaltensweisen Menschen schützt, Verbrechen verhindert und dort, wo sie geschehen sind, aufklärt.
Dank und Anerkennung für die, die diese Arbeit leisten, Dank und Anerkennung für diejenigen, die sie politisch unterstützen.Wir sind auf einem guten Wege,und wir werden diesen konsequent weiterführen. – Vielen Dank.
Vielen Dank.– Das Wort hat jetzt Frau Abg.Faeser für die SPD-Fraktion. Sie haben 14 Minuten Redezeit. Die Oppositionsfraktionen haben vier Minuten zusätzliche Redezeit; für Herrn Greilich kommt nichts hinzu. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass ich heute nach Ihnen reden darf. Ich will gleich etwas zu den Ritualen sagen. Sie sagen: Die Opposition pflegt hier ihre Rituale und wird das auch nach meiner Rede wieder tun. – Wie lautet denn der heutige Antrag? Ist es nicht das größte Ritual, hier die Kriminalitätsstatistik vorzustellen
Herr Minister, wenn Sie sich hierhin stellen und im Anschluss an Ihre eigentlichen Ausführungen auf die Berliner Kollegen schimpfen, ist auch das ein Ritual – was ich, ehrlich gesagt, unter Kollegen nicht ganz fair finde.
Herr Bellino, das machen wir auch; denn die Zahlen, die in der Kriminalitätsstatistik stehen, sind in der Tat erfreulich. Deswegen bedanken wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bei den Beamtinnen und Beamten, die wirklich eine herausragende Arbeit geleistet und ein hervorragendes Engagement an den Tag gelegt haben. Von dieser Stelle aus sage ich also den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Lande ein herzliches Dankeschön.
Es ist aber auch hervorzuheben – gerade deshalb, weil der Herr Minister es ihnen nicht ganz leicht gemacht hat –, dass der massive Stellenabbau von 1.000 Stellen und die dauerhafte Stellenunterversorgung den Beamtinnen und Beamten wirklich Überdurchschnittliches abverlangt haben. Herr Minister, das haben Sie auch zugegeben. Die Arbeitsverdichtung in den Dienststellen ist enorm. Viele Beamtinnen und Beamte gehen über ihre Leistungsgrenzen hinaus. Nicht zuletzt deshalb gibt es in Hessen derzeit rund 1.000 Polizeivollzugsbedienstete, die leider nur eingeschränkt dienstfähig sind.
Wie Sie erwähnt haben, kommen die neuen Herausforderungen in der Kriminalitätsbekämpfung, gerade auch beim Internet, erschwerend hinzu. Zu nennen sind aber auch die Großeinsätze, die immer, wie es die Gewerkschaft ausdrückt, mit einer Vollkaskoversicherung durchgeführt werden, nämlich mit einer enorm hohen Zahl an Einsatzkräften.
An anderer Stelle fehlen sie dann leider. Wir haben – das machen wir schon seit Jahren – im Haushalt Polizeianwärterstellen beantragt,
um genau dieser prekären Situation vorzubeugen. Das machen wir Jahr für Jahr. Herr Minister, die Einstellung von 550 Polizeianwärtern, die Sie heute hier erwähnt haben, reicht nicht,
„Kaum welche“ – Herr Finanzminister, es ist leider so, und es ist auch etwas, was der Herr Minister hier zugeben musste.