Protocol of the Session on December 10, 2009

ten für Arbeitsbücher,Malpinsel oder Klassenfahrten entstehen.

Selbstverständlich sieht die LINKE auch in Frage 14 bei der von uns geschaffenen selbstständigen Schule mit ihrer eigenständigen Bewirtschaftung der Mittel nicht den Zugewinn an Freiheit, sondern sie sieht vielmehr eine Gefahr für die auch in diesem Zusammenhang zu Unrecht bemühten gleichwertigen Lebensverhältnisse.

Meine Damen und Herren, die LINKE möchte mit der vorliegenden Großen Anfrage den Eindruck erwecken, dass der Staat zu wenig Geld ausgibt. Das ist verständlich, denn das beliebteste Kleidungsstück der LINKEN ist bekanntlich die Spendierhose.Wer den Regelsatz für HartzIV-Empfänger auf 500 c erhöhen will,

(Janine Wissler (DIE LINKE): OECD-Studie!)

wer einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 c einführen will, wer auch alle Praktika im Lande mit mindestens 300 c vergüten will,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau!)

wer schlappe eine Million neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst und eine weitere halbe Million öffentlich geförderte Arbeitsplätze schaffen will, wer daneben auch noch ein jährliches öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von 100 Milliarden c – laut Ihrem Bundestagswahlprogramm – hat, wer all das fordert und auch noch glaubt realisieren zu können, für den ist es eine Leichtigkeit, alle anfallenden Schulkosten komplett zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu dem von der linken Partei erwähnten Eindruck ist die in der Hessischen Verfassung verankerte Lernmittelfreiheit weiterhin gewährleistet.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist diese Lernmittelfreiheit in Hessen aber nicht unbeschränkt. Sie ist es übrigens auch nicht im roten Brandenburg und im dunkelroten Berlin. Die Hessische Landesregierung hat in den vergangenen zehn Jahren die Ausgaben für Lernmittel deutlich erhöht. So wurde, beginnend mit dem Schuljahr 2007/2008, ein fünfjähriges Sonderprogramm zur Erneuerung der Schulbücher aufgelegt und mit 25 Millionen c ausgestattet.

Das Lernmittelbudget hat im Landeshaushalt einen Umfang von 34 Millionen c und soll, unserem Koalitionsvertrag folgend, in Zukunft auf 40 Millionen c erhöht werden. Für das Jahr 2010 gibt es eine Steigerung um eine weitere Million Euro auf dann 35 Millionen c.Wie viel 35 Millionen c Ausgaben für Lernmittel tatsächlich sind, erfährt man durch einen Vergleich. Unter einer rot-grünen Landesregierung stagnierten die Ausgaben für Lernmittel zwischen 21 und 24 Millionen c.

Um es noch einmal zu wiederholen: Das Land Hessen gewährleistet allen Schülerinnen und Schülern an öffentlichen und an Ersatzschulen die in der Landesverfassung vorgeschriebene Lernmittelfreiheit. Das bedeutet nicht, dass Eltern jegliche finanzielle Belastung erspart bleibt. Es bedeutet aber,dass die Belastungen so gering wie möglich gehalten werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abg. Wagner für die Fraktion DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es tut ganz gut, verstehen zu wollen, was der Kern der Großen Anfrage der Kolleginnen und Kollegen der LINKEN in diesem Hause war. Wir finden, dass der Kern, nämlich danach zu fragen, wo an unseren Schulen für eine erfolgreiche Teilnahme am Schulbesuch Mittel bezahlt werden müssen, doch eine berechtigte Frage ist, Herr Kollege Bauer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Es kommt darauf an, wie die erfasst werden!)

Man kann sagen, die Erfassung sei zu bürokratisch. Man kann sagen, die eine oder andere Frage ist vielleicht zu kompliziert formuliert. Aber im Kern – das wissen wir doch alle, die wir Schulpolitik machen, und das hören wir von Eltern immer stärker – haben wir in den letzten Jahren eine Entwicklung an unseren Schulen, dass für immer mehr Unterrichtsmaterialien, für immer mehr Veranstaltungen an Schulen, für immer mehr Leistungen an den Schulen, die dort aus guten Gründen erbracht werden, die eine oder andere Form von Kostenbeteiligung erhoben wird.

(Hugo Klein (Freigericht) (CDU):Das ist kein Fehler!)

Das ist eine Entwicklung, die wir beobachten. Herr Kollege Klein, es lohnt doch, genau hinzuschauen, was da gerade geschieht und wie stark Eltern durch solche Abgaben belastet werden, die es dort gibt. Ein Ziel haben wir hoffentlich alle gemeinsam. Das Schulwesen in Hessen ist unentgeltlich. Deshalb müssen wir immer hinsehen, ob dieser Grundsatz wirklich noch gewahrt ist, dass das Schulsystem unentgeltlich ist, oder sich an vielen Stellen Entwicklungen ergeben haben,wo Eltern belastet werden und es immer stärker eine soziale Frage wird, ob sich Eltern diese zusätzliche Belastung noch leisten können. Um diese Frage geht es bei dieser Großen Anfrage.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es wird doch keiner bestreiten, dass an immer mehr Schulen Kopierkostenpauschalen erhoben werden. Es wird doch niemand bestreiten, dass an immer mehr Schulen über die Lernmittelfreiheit hinaus Materialien über Elternspenden oder über eine Sammlung in der Klasse angeschafft werden. Das kann man doch alles nicht bestreiten. Wir werden nicht bestreiten können, dass manche Schulen zum Ausbau ihrer Infrastruktur mit Computern über Beträge, Gebühren oder ähnliche Modelle nachdenken.

Dann müssen wir sehen, wie lange es noch in der Grenze passiert, dass wir sagen können, alle Schülerinnen und Schüler haben gleiche Chancen. Wir müssen sehr genau hinschauen. Ich will im Moment noch nicht so weit gehen, zu sagen, die Grenze ist überschritten, aber dass wir hinschauen, dass wir uns um Daten bemühen, dass wir ernst nehmen, was uns Eltern sagen, dass sie für ihre Kinder mittlerweile unheimlich viel Geld aufwenden müssen, da

mit sie einmal an der Schule teilnehmen können. Ich finde, wir sollten das ernst nehmen und wollen keine – Herr Bauer, wie hatten Sie es genannt? – Überwachungsbürokratie aufbauen. Die will sicher keiner.Aber die Daten,die wir mit einfachen Mitteln erheben können und die uns teilweise schon zur Verfügung stehen, sollten wir sehr ernst nehmen. Es geht hier darum, ob die Unentgeltlichkeit des Schulsystems in Hessen tatsächlich im notwendigen Umfang gewahrt ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie sich das Thema der Kostenerstattung für die Nutzung von Bussen und Bahnen, um zur Schule zu kommen, anschauen, stellen Sie fest, da haben wir objektiv ein Problem. Ich sage das jetzt nicht in irgendeiner parteipolitischen Schuldzuweisung.

(Zurufe von der FDP: Nein!)

Nein? Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will.

(Minister Michael Boddenberg: Das kann man sich bei Ihnen gar nicht vorstellen!)

Herr Kollege Boddenberg, ich hoffe zumindest, dass bei der Betrachtung, welche Kostenerstattung für die Nutzung von Bussen und Bahnen es gibt, um zur Schule zu kommen,die Frage,ob der Besuch der Oberstufe quasi als Luxus gilt,der nicht in die Erstattungsfähigkeit fällt,etwas ist, woran wir alle fünf Fraktionen gemeinsam einmal arbeiten müssten. Dass wir sagen, die Schulpflicht ist formal mit dem Hauptschulabschluss oder mit dem mittleren Abschluss erfüllt,und darüber hinaus gibt es dann keine Kostenübernahme mehr für den ÖPNV, das wird einer Wissensgesellschaft nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich denke, wir alle sollten uns dieses Themas annehmen. – Herr Kollege Boddenberg, sind Sie bei mir? War der Zwischenruf doch zu früh?

(Minister Michael Boddenberg: Es gab doch gar keinen Zwischenruf!)

Gut, okay, Selbsterkenntnis.

Oder schauen wir uns die Nachhilfe an. Auch diesen Bereich muss man ernst nehmen. Seit Jahren haben wir die Entwicklung, dass der Nachhilfemarkt immer größer wird.Dazu gibt es empirische Zahlen und Erhebungen:Es wird immer mehr Geld für Nachhilfe ausgegeben.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Irgendwann gelangt man an den Punkt, an dem sich Eltern fragen werden:

(Alexander Bauer (CDU): Was sind die Ursachen?)

Was sind die Ursachen? – Herr Kollege Bauer, Sie laden mich jetzt ein, die Bildungspolitik dieser Landesregierung zu kritisieren. Herr Kollege Bauer, das will ich an dieser Stelle trotzdem nicht tun.

Wir kommen zu der Frage: Wenn immer mehr Eltern sagen: „Neben dem staatlichen Schulsystem brauche ich für meine Kinder Nachhilfe, damit sie an dem staatlichen Schulsystem teilnehmen können“, dann müssen wir uns fragen: Was machen wir im staatlichen Schulsystem nicht richtig? Und wir kommen zu dem Problem, dass sich das

nicht alle Eltern leisten können. Das ist wiederum eine elementare Frage der Chancengleichheit und der sozialen Gerechtigkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Denn es darf nicht sein, dass der Bildungserfolg vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist.

Wenn wir über die Unentgeltlichkeit des hessischen Schulsystems reden – das ist hoffentlich für alle fünf Fraktionen ein hohes Gut –, dann müssen wir uns anschauen, was derzeit bei den Schulen in freier Trägerschaft geschieht.

Da rede ich nicht über die bewährten und anerkannten Träger der Schulen in freier Trägerschaft – seien es die kirchlichen Träger, freie Schulen, Montessori-Pädagogik oder Waldorf-Pädagogik. Ich rede nicht über jene Schulen, die ein dezidiert anderes pädagogisches Konzept haben und sich deshalb in freier Trägerschaft organisieren, sondern ich rede von den Schulen, die – teilweise sehr aggressiv, mit teilweise sehr hohen Schuldgeldern – Eltern ein Angebot machen und sagen: Wir sind besser als das staatliche Schulsystem und machen euch ein Angebot, weil ihr es euch leisten könnt, aus dem staatlichen Schulsystem hinauszugehen.

Das ist eine Entwicklung, die wir uns sehr genau anschauen müssen, weil das unser gemeinsames Ziel infrage stellt, ein leistungsfähiges öffentliches Schulsystem für alle Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Jetzt kann man sagen: Bloß weil es die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN gefragt haben, nehmen wir diese Fragen nicht ernst. – Ich denke, das wäre der falsche Weg.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Man kann sagen, weil einem die eine oder andere Frage nicht gefällt, nehmen wir es nicht ernst. – Ich rate dazu, sehr genau hinzuschauen, damit wir dieses leistungsfähige öffentliche Schulsystem erhalten und Fehlentwicklungen dort korrigieren, damit es nicht dazu kommt, dass die Menschen in unserem Land den Eindruck bekommen, Bildung und Bildungserfolg hängen vom Geldbeutel der Eltern ab. Das wäre fatal. Ich hoffe, wir sind uns darin einig. – Meine Damen und Herren, vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Herr Kollege Döweling von der Fraktion der FDP.