Die Kernkraftwerksbetreiber verdienen jährlich 300 Millionen c an jedem abgeschriebenen Kraftwerk und besonders viel an den alten und unsicheren Werken, deren Laufzeit sie deshalb gerne verlängern möchten. An der Börse wird derzeit verstärkt auf einen Wahlsieg von Schwarz-Gelb spekuliert – und damit auf längere Laufzeiten von Atomkraftwerken.Analysten raten zum Kauf von E.ON- und RWE-Aktien. Die Börse interessiert sich bekanntlich nicht für das Leck in Krümmel oder die Dübel und Sumpfsiebe in Biblis;denn die Kosten für diese Dinge tragen ja nicht die Konzerne, sondern die Steuerzahler und die Menschen, die Opfer erhöhter Krebsrisiken sind. Drastische Kurssprünge werden erwartet, sollte es eine schwarz-gelbe Bundesregierung geben.Ein Plus von 15 % sei durchaus möglich. Das zeigt wieder einmal deutlich, wer von Ihrer Politik in Wirklichkeit profitiert. 150.000 c spendet E.ON Jahr für Jahr an CDU und FDP. Ich finde das ein bisschen knauserig. Eine so konsequente Interessenvertretung sollte dem Unternehmen eigentlich mehr wert sein.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, die aktuelle Finanzkrise zeigt aber auch: Trau keinem Analysten. Manch einer hat sich mit Aktien verspekuliert, von denen man dachte, dass sie sehr viel einbringen würden. Deshalb können sich auch die Aktien der Atomriesen nach der Wahl als Fehlkauf für die Anleger entpuppen; denn es gibt in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit für den Atomausstieg. Das wissen Sie, und das weiß auch die Bundesforschungsministerin. Deshalb hält Annette Schavan ein Gutachten zur Atomenergie unter Verschluss, das sie selbst in Auftrag gegeben hat. Darin wird unter anderem der Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland gefordert. Annette Schavan ist es offensichtlich zu heikel, dieses Gutachten vor der Bundestagswahl zu veröffentlichen. Sie hat angekündigt, das Gutachten im Oktober zu veröffentlichen – wer auch immer es dann an ihrer Stelle veröffentlicht. Mit der Atomkraft, das ist klar, lassen sich keine Wählerstimmen gewinnen. Deshalb verschweigt die CDU auch an dieser Stelle, was sie nach der Wahl wirklich tun möchte.
Ich halte fest:Wir sind zum Klimaschutz verpflichtet.Angesichts der dramatischen Entwicklung des weltweiten Klimas muss es eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien geben. Das muss schnellstmöglich angegangen werden, statt veraltete Techniken – wie die Atomkraft oder die Kohlekraft – zu zementieren. Der Kampf gegen jedes Windrad, den die CDU führt, ist peinlich, und er ist verantwortungslos.Als der Ministerpräsident im Februar in seiner Regierungserklärung davon sprach, er wolle sich die Bewahrung der Schöpfung zum Auftrag machen, meinte er offensichtlich ausschließlich die Wertschöpfung; denn der ordnet er ja alles unter.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Das Schreckenszenario, in Hessen oder in ganz Deutschland könnten die Lichter ausgehen, ist reine Marketingpropaganda der großen Vier. Biblis ist abgeschaltet, aber die Glühbirnen – oder, im besseren Fall, die Energiesparlampen – brennen trotzdem. Die steigenden Energiepreise und die Unfähigkeit der Energiekonzerne zu einer echten Energiewende zeigen, dass hier eine staatliche Regulierung nötig ist.Bis zur Aufhebung der Energieaufsicht durch einen CSU-Wirtschaftsminister im Jahr 2007 gab es die ja noch.
Ich komme zum Schluss. Die Energieversorgung gehört als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle,damit auch hier ganz klar ist: Die Sicherheit der Menschen steht im Vordergrund, nicht das Streben nach größtmöglichem Profit und nach dem größtmöglichen Anstieg der Aktienkurse.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es hätte mich gewundert, wenn wir nicht auch heute über die Kernkraft diskutiert hätten. Schließlich ist die Kernkraft das wichtigste Wahlthema des Herrn Bundesumweltministers Gabriel. Ich meine, es ist wichtig, dass wir heute darüber reden, dass wir vor allem darüber reden, was sich dieser Minister an Versäumnissen und Patzern in seiner vierjährigen Amtszeit geleistet hat.
Lassen Sie mich aber zunächst auf die Demonstrationen eingehen. Frau Hammann hat dieses Thema angesprochen. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass der Landtag begrüßen möge, dass Menschen gegen die Kernenergie demonstriert haben. Gleichzeitig behaupten Sie in der Presse, diejenigen, die für die Kernenergie demonstriert haben, seien schamlos ausgenutzt worden, und Sie verunglimpfen die, die ihr demokratisches Grundrecht wahrgenommen haben, ihre Meinung zu äußern.
Es gefällt Ihnen nicht, dass es Menschen gibt, die nicht Ihrer Meinung sind. Ganz besonders schlimm finde ich es, dass sich ausgerechnet die Abg. Dorn vom BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN dazu geäußert hat. Sie hat gesagt, sie finde das peinlich und ungeheuerlich. Das ist für mich ein eigenartiges Verständnis der Demokratie; denn Frau Dorn war es, die Demonstranten in diesen Landtag eingeschleust hat,
die hier illegal demonstriert haben, während die Auszubildenden und ihre Angehörigen in Biblis legal demonstriert haben. Das müssen wir doch einmal festhalten, liebe Frau Dorn.
Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Wahlprogramm 2009 der GRÜNEN folgenden Satz: „Wir werden Hessen wieder zu einem weltoffenen Land machen, das von Emanzipation, Toleranz und gegenseitigem Respekt geprägt ist.“
Dem Anspruch, Respekt und Toleranz gegenüber denjenigen zu üben, die für ihre Meinung, die für die Kernenergie demonstriert haben, sind Sie nicht gerecht geworden. Sie hätten es eigentlich merken müssen: Sie hatten ja sehr viel mehr Demonstranten angekündigt, als tatsächlich da waren. Das zeigt, dass man offenbar doch nicht gezwungen worden ist, dorthin zu gehen, sondern dass man freiwillig dorthin gegangen ist.
Am gleichen Tag stand bei uns in Südhessen in der Presse: Am Samstag kommt es zu einer machtvollen Demonstration gegen die Kernenergie. – Die war so „machtvoll“, dass – zumindest auf dem Bild im „Bergsträßer Anzeiger“ – 15 Demonstranten zu sehen waren, die sich in Biblis gegen die Kernenergie geäußert haben.Das ist doch ein Zeichen dafür, wie dort die Gewichtung ist.
(Marjana Schott (DIE LINKE): Sie hätten nach Berlin kommen sollen! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Ich möchte ein Letztes zu der Diskussion über die Demonstrationen sagen. Den Begriff „menschliche Schutzschilde“, der von der SPD für die Demonstranten verwendet worden ist, finde ich ganz einfach nicht passend. Eine solche Sprache sollte man Menschen gegenüber, die ihre Meinung äußern wollten, nicht gebrauchen.
Lassen Sie mich im Übrigen die vier wesentlichen Punkte festhalten, die Roland Koch in seiner mit großem Beifall aufgenommenen Rede in Biblis geäußert hat.
Erstens. Die Zukunft gehört den regenerativen Energien. Dazu darf ich Ihnen mit Erlaubnis des Präsidenten ein Bild zeigen, das im Energiebericht der Hessischen Landesregierung enthalten ist.
(Der Redner hält ein Schaubild hoch. – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Sie sehen hier die flache Kurve „regenerative Energien“ zu Zeiten von Rot-Grün, und Sie sehen die steile Kurve „regenerative Energien“ zu Zeiten von Schwarz-Gelb. Das soll Ihnen zeigen, dass Ihre Behauptung, die Landesregierung tue nicht, nicht zutrifft.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Lachen und lebhafte Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)
Herr Kollege Stephan,entschuldigen Sie bitte.– Es spricht nichts gegen eine muntere Debatte in diesem Hause, aber die Umgangsformen sollten doch ein bisschen gewahrt werden. Herr Kollege Stephan hat das Wort, und er hat Gelegenheit, in seiner Rede fortzufahren. Ich bitte Sie alle, etwas leiser zu sein und sich mit den Zwischenrufen etwas zurückzuhalten. Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie mich noch auf die Aktion zu sprechen kommen, die sich Bundesumweltminister Gabriel in den letzten vier Wochen geleistet hat. Der abgewählte Ministerpräsident, zu dessen Zuständigkeitsbereich Gorleben gehörte, ist diesem Amt einfach nicht gewachsen gewesen.
Es gibt zwei wichtige Themenbereiche, die wir beachten müssen: Sicherheit der Kernenergie und die Endlagerfrage.Herr Gabriel hätte vier Jahre Zeit gehabt.Er hat ein Ressort zu führen, und er ist für dieses Ressort verantwortlich. Erwarten Sie, dass man ihm jeden Morgen vorschreibt, was er zu tun hat? Meinen Sie, er bekommt Zettel auf den Schreibtisch gelegt? Nein, ein Bundesminister trägt eine eigene Verantwortung, und die hat er nicht wahrgenommen, der ist er nicht gerecht geworden. Wer zwei Monate vor der Wahl nach Tschernobyl fährt, statt am Anfang seiner Amtszeit, der macht das aus wahltaktischen Gründen, nicht aus sachlichen Gründen. Er hätte vor vier Jahren damit beginnen können, zu hinterfragen, ob Gorleben der ideale Standort ist. Er hat es aber nicht getan.
Vier Wochen vor der Bundestagswahl kommt er mit Argumenten, mit Themen und mit Gutachten, die er heute unter dem Gesichtspunkt infrage stellt: Hat dort jemand Einfluss genommen? Hat dort jemand versucht, Einfluss zu nehmen?
Damit komme ich auf das, was Frau Schavan gesagt hat. Ja, es gibt die Kurzfassung eines Energiegutachtens. Auf vier von 40 Seiten ist dort auch die Kernenergie angesprochen. Es gibt keine Endfassung.
Haben Sie erwartet, dass Frau Schavan jetzt den Wissenschaftlern sagt: „Ihr müsst das herausnehmen“? Sie und wir fordern, dass die Wissenschaftler unabhängig Gutachten erstellen können.Wenn wir Wissenschaftler haben,die sagen, sie fänden das gut, nehmen wir das zur Kenntnis. Entschieden wird es politisch.
Auf die politische Aussage der CDU werde ich später noch zu sprechen kommen. Halten Sie sich an eine Linie, dann werden Sie auch glaubwürdiger sein.
Die Endlagerung ist kein Thema, mit dem man sich vier oder auch zehn Jahre lang beschäftigt. Die Endlagerung war vom ersten Tag an ein Thema – auch von dem Tag an, als die SPD in Deutschland noch der wichtigste Verfechter der Kernenergie war.
Die Frage in Bezug auf die Endlagerung bleibt auch bestehen. Das lässt sich am Beispiel von Biblis darstellen. Das, was dort heute auf die Endlagerung wartet, bildet einen Würfel von etwa 14 m Seitenlänge. Wenn wir dort 20 Jahre länger produzieren, hat dieser Würfel eine Seitenlänge von 16 m. Das heißt, das Problem besteht heute, das Problem bleibt, und das Problem muss gelöst werden. Der Bundesumweltminister hat an dieser Stelle versagt; denn er hat vier Jahre verstreichen lassen, ohne etwas zu tun.
Lassen Sie mich weiter auf die Frage der Sicherheit eingehen. Ich möchte Ihnen nur eines in Erinnerung rufen: Acht Jahre lang haben Papiere mit Sicherheitsauflagen in den Schreibtischschubladen von rot-grünen Ministern in Hessen gelegen. Erst als Minister Dietzel dieses Amt übernommen hat, wurden diese Sicherheitsauflagen durchgesetzt. Dieses Durchsetzen der Sicherheitsauflagen zieht sich durch die ganze Arbeit der Regierung Roland Koch.