Protocol of the Session on September 16, 2009

Herr Koch, von Ihnen erwarte ich abschließend, dass Sie im Zweifelsfall Ihre Richtlinienkompetenz wahrnehmen.

(Florian Rentsch (FDP): „Richtlinienkompetenz“, was ist das für ein Staatsverständnis?)

Gemeint ist natürlich die politische,Herr Rentsch,damit Sie mir nicht gleich mit einem peinlichen juristischen Vor

trag kommen. – Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich hier erklären. Denn Aufgabe der Politik ist es, dabei eine Entscheidung treffen, die möglichst vielen Menschen und Interessen gerecht wird, und das heißt: „keine neue Landebahn ohne Nachtflugverbot und kein Nachtflugverbot ohne neue Landebahn“ – so Ihre Worte und nicht meine, aber ich trage sie ausdrücklich mit, vom 17. März 2005.

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie nicht abtauchen, sondern Verantwortung übernehmen. Damit Sie das hier dokumentieren können, beantragen wir zu unserem Antrag namentliche Abstimmung. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Al-Wazir für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir hier gerade erlebt haben,

(Petra Fuhrmann (SPD): Nebelwerfen!)

als der Verkehrsminister noch nicht einmal die Antragsbegründung der antragstellenden Fraktion abwartete, sondern gleich ans Pult ging, war die Krönung des, wie ich finde, erbärmlichen Bildes, das diese Landesregierung in dieser Frage in den letzten Wochen abgegeben hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich es erbärmlich finde. Was wir hier gerade erleben, ist ein Lehrstück dafür, wie Politikverdrossenheit entsteht, meine sehr verehrten Damen und Herren der Mehrheitsfraktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Florian Rentsch (FDP): Das sagen die GRÜNEN nach den letzten Tagen! Steigbügelhalter!)

Ich will Ihnen das erklären, Herr Rentsch. Man muss dazu ein bisschen zurückschauen. Beim Bau der Startbahn West gab es ein Versprechen der damaligen Landesregierung, dass das der letzte Ausbauschritt am Frankfurter Flughafen ist.

(Florian Rentsch (FDP): Oh Mann!)

Wortwörtlich sagte der damalige Ministerpräsident Holger Börner: „Kein Baum wird mehr fallen.“

Als Ende der Neunzigerjahre die Ausbaubefürworter doch den nächsten Schritt, die nächste Bahn geplant haben, war die Überlegung auch in den Reihen der Ausbaubefürworter, wie man mit diesem Versprechen umgeht. Es war deshalb kein Zufall, dass von denen, die für einen neuen Ausbau waren – wir gehörten nicht dazu –, gesagt wurde: „Wir geben ein neues Versprechen.“ Herr Rentsch, hören Sie mir zu, es war Ihr Versprechen. Ihr Versprechen war: „Wir brechen das alte Versprechen, wir geben aber ein neues. Das neue Versprechen ist: mehr Belastung am Tag und dafür Ruhe in der Nacht.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war Ihr Versprechen.Wir waren aus guten Gründen,wie man jetzt sieht, immer schon skeptisch, weil wir immer schon be

fürchtet haben, dass das Nachtflugverbot der Ausbaubefürworter die Wurst im Schaufenster ist, um den Ausbau durchzusetzen, und dass dann, wenn die Bahn einmal da ist, die Wurst wieder im Keller verschwindet. Sie zeigen genau das.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Da gibt es einen Ministerpräsidenten, einen Verkehrsminister und einen Justizminister, und es gibt viele Zitate. Wir haben in den letzten Legislaturperioden viele Anträge gestellt. Es gibt viele Plenarprotokolle. Herr Koch, ich will Ihnen nur noch einmal vorlesen, was Sie im Jahre 2002 an Bürgerinnen und Bürger geschrieben haben. Das trägt Ihre Unterschrift. Da schreibt Roland Koch:

Die von mir geführte Hessische Landesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht,dass das Ergebnis des Mediationsverfahrens die Grundlage all ihrer Überlegungen und Entscheidungen zum geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens darstellt und dieser nur bei gleichzeitiger Einführung eines Nachtflugverbots erweitert werden darf.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens erwarten zu Recht einen wirksamen Ausgleich für zunehmende Flugbewegungen am Tage, und deshalb bin ich in dieser Frage auch zu keinerlei Kompromissen bereit.

Roland Koch, Hessischer Ministerpräsident

Sie haben jahrelang der Region etwas versprochen, was Sie jetzt nicht mehr halten wollen. Das genau ist der Punkt, über den wir hier reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben schon im Dezember 2007 beim Erlass des Planfeststellungsbeschlusses dieses Versprechen gebrochen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie haben das damals damit begründet, dieses Brechen des Versprechens sei rechtlich nötig; denn sonst hätte der Planfeststellungsbeschluss vor dem Verwaltungsgerichtshof keinen Bestand. – Das war schlicht falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Verwaltungsgerichtshof hat Ihnen jetzt die Möglichkeit gegeben, Ihr Versprechen umzusetzen. Er hat Ihnen nicht nur die Möglichkeit gegeben, er hat Ihnen sogar gesagt, Sie müssen Ihr Versprechen umsetzen. – Aber jetzt wollen Sie nichts mehr davon wissen. Das ist erbärmlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich lese heute in der „Frankfurter Rundschau“: „Minister gab nie sein Wort“:

Der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch... hat nach eigenen Angaben nie sein Wort für ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen gegeben. Er habe sich bei solchen Zusagen immer zurückgehalten, sagte Posch am Dienstag in Wiesbaden.

Weiterhin steht dort:

Der VGH habe dem Beschluss des Landtags für ein Nachtflugverbot ein zu hohes Gewicht eingeräumt... Man müsse dagegen gesetzlich vorgehen, wenn diese Rechtsposition vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt würde.

(Florian Rentsch (FDP): Wollen Sie noch ein paar Pressemeldungen vorlesen?)

Ja, ich kann Ihnen noch eine weitere Pressemitteilung vorlesen. Ich habe mehrere, die zeigen, dass noch nicht einmal das stimmt. Posch hat sich nicht zurückgehalten, er hat klar Position bezogen in den letzten Jahren.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Aber da war er noch nicht Minister!)

Herr Rentsch, ich nenne Ihnen einmal die Presseerklärung der FDP vom 04.10.2007 zu einem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Nachtflugverbot. Die Überschrift lautet: „Dieter Posch: ,Wöchentliche Predigten der GRÜNEN zum Thema Nachtflugverbot bringen uns nicht weiter.’“ Nun kommt das Zitat:

Für die Position der Liberalen erklärte Posch weiter:„Für uns gilt nach wie vor und uneingeschränkt: Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot, so wie es die Mediation ergeben hat...“

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD:Ah!)

Sie können nachgucken: 4. Oktober 2007, FDP Hessen.

Herr Posch, was Sie gerade zum Landesentwicklungsplan gesagt haben, ist ebenfalls – ich sage es noch einmal – an Erbärmlichkeit kaum zu überbieten. Wie haben wir uns um diese Frage Grundsatz oder Ziel gestritten. Herr Posch, Sie haben gesagt, Sie haben sich in dieser Frage immer zurückgehalten. Dazu kann ich nur sagen: Wie gut, dass meine Fraktion am 31. Mai 2007 namentliche Abstimmung zu diesem Punkt beantragt hat. Sie können es nachlesen im Protokoll der 135. Sitzung der 16. Wahlperiode am 31. Mai 2007. Auf Seite 9.441 des Plenarprotokolls finden Sie die Abstimmungsliste über die namentliche Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu dem Antrag der Landesregierung betreffend Verordnung über die Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000. Dort steht zu Abg. Dieter Posch: Ja.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Posch, Sie haben ausdrücklich gesagt, dass dies Ziel dessen ist, wofür Sie dann auch abstimmen. Sie haben in der Debatte, die wir streitig geführt haben, ausdrücklich gesagt, dass nach Ihrer festen Überzeugung das, was Sie beschlossen haben, reicht, um das politische Ziel am Ende juristisch zu erreichen.

Das Gericht sagt jetzt: Das, was Abg. Posch wollte, geht und muss sogar gemacht werden. Wenn nun das Gericht sagt: „Halten Sie Ihr Versprechen“, kommen Sie hier an und sagen: „Dagegen gehen wir in Revision, zur Not ändern wir Bundesgesetze.“ – Das ist erbärmlich.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben einen stellvertretenden Ministerpräsidenten – er legt immer Wert darauf, dass er es ist – und Justizminister. Er hat auch heftige und klare Worte gefunden. Am

13. Dezember 2002 sagte Jörg-Uwe Hahn vor dem Plenum des Hessischen Landtags: