Protocol of the Session on February 18, 2009

Dabei muss man, wenn man für ein Bundesland verantwortlich ist, auch wissen, in welchem Zuständigkeitskorridor, in welcher Aufgabenzuschreibung man sich bewegt. Die Kernkompetenz des Landes ist sicherlich die Bildungspolitik.

Was haben wir heute gehört? Im Kern haben wir ein „Weiter so!“ gehört.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie wiederholen sich! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD):Wagner wiederholt sich immer!)

Wenn ich zusammenfassen würde, was für Kernbotschaften Sie vermittelt haben, wäre das: Sie wollen weiterhin die Defizite abarbeiten. Sie wollen eine ausschließlich defizitorientierte Bildungspolitik machen. Sie sind nicht bereit, die Potenziale zu heben. Sie haben hier viel von 90, 100 oder 105 % Lehrerversorgung gesprochen. Ich sage Ihnen: Die Wirklichkeit da draußen ist eine andere. – Die Besetzung unserer Klassen sieht nämlich so aus: Wir haben 110 % Schülerinnen und Schüler in den Klassen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist eine Art von Mengenlehre! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das war holzapfelsche Mengenlehre!)

Dazu haben Sie heute faktisch nichts gesagt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Irmer, zu Ihren Aussagen komme ich später. Machen Sie sich da keine Sorgen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Darauf freue ich mich, das ist schön!)

Auch zu etwas anderem haben Sie heute nichts gesagt. Das betrifft Ihr einziges Versprechen, das Sie hinsichtlich des Personals vor der Landtagswahl abgegeben haben.Sie sagten, Herr Banzer sei gesetzt.

Eines will ich nun ausdrücklich anerkennen. Ich habe das auch während des Landtagswahlkampfs gemacht. Denn ich habe Herrn Banzer als eine der intellektuellen Kapa

zitäten der geschäftsführenden Landesregierung geschätzt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh, da hast du etwas falsch gemacht!)

Herr Banzer hat sehr viel hinsichtlich neuer Kommunikation und neuen Umgangs gemacht. Ich habe dazu immer gesagt: Man darf nicht darin verharren, das Thema Bildung nur als neu zu behandelndes Thema der Kommunikation zu beschreiben, bei dem es sozusagen um das neue Layout geht. Vielmehr muss sich in der Substanz etwas verändern.

Herr Koch, ich habe aber nicht den Eindruck, dass der Grund der Ablösung des Herrn Banzer die Erkenntnis ist, dass es um mehr als eine neue Kommunikationsstrategie geht. Vielmehr ist das schlicht und ergreifend das Eingeständnis, dass Ihr Koalitionspartner deutlich besser verhandelt hat. Deswegen muss Herr Banzer im Sozialministerium Platz nehmen, wobei ich sagen muss: Das Sozialministerium gibt es nicht mehr. – Darauf komme ich später zu sprechen.

Bildung und Schule sind die Kernkompetenzen der Bundesländer. Am Ende des Tages werde ich etwas feststellen müssen. Das, was Sie heute hier vorgetragen haben, und das, was im Koalitionsvertrag steht, wurde von meiner Kollegin Heike Habermann zutreffend mit der Formulierung beschrieben: Das sind ausgelatschte schwarze Schuhe mit neuen gelben Schnürsenkeln. – Das ist das passende Bild.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen gibt es keine wirkliche Perspektive für mehr Ganztagsschulen. Bei Ihnen gibt es keine wirkliche Perspektive hin zu mehr individueller Förderung. Bei Ihnen gibt es keine Perspektive hin zu mehr Talentförderung.Sie haben keinerlei Antwort auf die Frage gegeben, welche Entwicklungsmöglichkeiten Sie eigentlich bei den Übergängen auf die verschiedenen Schulformen haben wollen.

Beim Thema G 8 sind Sie völlig eingeknickt. Nach wie vor nehmen Sie nicht die Probleme zur Kenntnis, die es bei G 8 gibt. Die Irritationen bei den Eltern, den Schülerinnen und Schülern sowie bei den Lehrerinnen und Lehrern sind nach wie vor extrem groß.Sie sind da zu nichts bereit, weil Sie in dieser Frage ideologisch völlig verblendet sind.

Beim Thema frühkindliche Bildung bleiben Sie hinter all dem in Sonntagsreden Gesagten zurück. Auf das Thema Islamunterricht werde ich gleich noch einmal separat zu sprechen kommen.

Unter dem Strich zusammengefasst kann man sagen: Den Themen Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit können Sie eigentlich nur eines entgegensetzen, nämlich die Förderung der selbstständigen Schule. – Genau da aber gibt es den entscheidenden Unterschied zwischen Ihnen und uns. Wenn wir über Bildung und Schule reden, nehmen wir die Perspektive des Kindes ein.Wir sehen das aus der Perspektive der bestmöglichen Förderung des Kindes, und zwar zu allen Zeiten. Sie reden nur über die Organisationsstrukturen. Genau das ist grundfalsch.

(Beifall bei der SPD)

Es ist richtig, dass Sie im Rahmen des Konjunkturprogramms Schwerpunkte bei der Bildung setzen wollen. Aber ich sage Ihnen:Den Investitionen in den Beton müssen die Investitionen in die Köpfe folgen. Da bleiben Sie in Ihrer Regierungserklärung im Kern jedwede konzeptionelle Antwort schuldig.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt letztlich auch für den formelhaften Kompromiss, den Sie in Ihrer Regierungserklärung anzulegen versucht haben.Das betrifft die Frage des Islamunterrichts.Da sind die Koalitionäre, ideologisch gesehen, das erste Mal sozusagen richtig aufeinandergetroffen. Frau Henzler, eines will ich Ihnen in aller Offenheit sagen. – Wo ist sie eigentlich?

(Zuruf)

Übermitteln Sie Frau Henzler bitte Folgendes:

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Schönen Gruß!)

Hinsichtlich der Frage der Einführung des Islamunterrichts kann ich ausdrücklich sagen, dass wir ihr die Hand reichen und sie da unterstützen werden, damit die Ewiggestrigen in der Union endlich dahin kommen, wo sie hingehören.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt, wie Sie Ihren formelhaften Kompromiss letztlich umsetzen wollen. Wir sind sehr gespannt, zu erfahren, was Herr Irmer in seinem „Wetzlar Kurier“ dazu alles fabulieren wird. Schon während der Wahlkampfzeit hat er wieder einmal ein bisschen gezündelt. Das wurde nicht hinreichend gewürdigt. Herr Irmer,ich bin da aber zuversichtlich:Sie werden als das integrationspolitische Gewissen des Stahlhelmflügels in der hessischen Union auch weiterhin Ihrer Rolle gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Herr Kollege,Adel verpflichtet!)

Beim Thema Bildung will ich einen kleinen Exkurs zu dem Koalitionsvertrag machen, aus dem gerne von Ihnen zitiert wird. Denn das Thema sinnerfassendes Lesen scheint offensichtlich nicht nur ein Problem unserer Schülerinnen und Schüler zu sein. Die IGLU-Studie zeigt dies für sie. Gelegentlich haben aber auch Erwachsene damit Probleme. Ich empfehle Ihnen dringend, den Koalitionsvertrag einmal zu lesen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Er ist sehr gut!)

Vielleicht hilft das, das eine oder andere zu verstehen. Zum Thema Haushalt werde ich später noch etwas sagen.

Ich will Ihnen am Ende meiner Bemerkungen zu dem Thema Bildung zwei Dinge mit auf den Weg geben. Wir werden sehr genau beobachten, was Sie hinsichtlich der Hochschulen machen. Wir werden vor allem sehr genau beobachten, was Sie hinsichtlich der Studiengebühren unternehmen. Denn Ihrer Ankündigung, das nicht zu machen, traue ich nicht. Ich sage das in aller Offenheit.

Frau Kühne-Hörmann hat sich schon dazu verstiegen, zu sagen, es dürfe da keine Denkverbote geben, das Thema Studiengebühren sei eines,das aufzurufen sei.Wir sind gespannt,wann das der Fall sein wird.Auf jeden Fall ist eines völlig klar: Das Thema Studiengebühren spielt in Ihrer Denke weiterhin eine Rolle. – Deshalb kann man sagen: Bei Ihnen gibt es in der Bildungspolitik keinerlei Erkenntnisgewinn.

(Beifall bei der SPD)

Eines möchte ich Ihnen aber auch sagen – das wird meine letzte Bemerkung zum bildungspolitischen Teil sein –:

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Schade, dass Sie damit gleich fertig sind!)

Es wäre im Interesse der Kinder,der Eltern und der Schulen, wenn es in Hessen bildungspolitische Grundlinien geben würde. Ich glaube, angesichts Ihrer Verbohrtheit wird der Weg dahin noch sehr lang sein. Ich sage Ihnen aber auch: Wir sind dennoch gesprächsbereit. Denn das ständige Hin und Her bietet sicherlich keine Perspektive für die nächsten 30 Jahre.

Ich will damit auf Ihr Plakat zurückkommen. Dort stand: In Zeiten wie diesen kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz. – Herr Koch, ich habe mich im Wahlkampf gefragt – ich habe Ihnen diese Frage mehrfach zugerufen –: Warum wollen Sie dies eigentlich nur in Zeiten wie diesen tun?

(Zuruf von der CDU:Ach, du lieber Gott!)

Das ist schon sehr erstaunlich. Sie haben das Thema Arbeit vor sich hergetragen. Sie haben in diesem Wahlkampf versucht, eine Inszenierung zu machen. Damit komme ich zu meiner am Beginn meiner Rede gemachten Bemerkung zum Thema Offenheit und Selbstinszenierung zurück. Sie haben versucht, sich zum Retter von Opel aufzuschwingen.

Ich sage Ihnen, was mich daran besonders geärgert hat. Ich vermute, dass Sie in diesen Tagen ähnliche Gesprächspartner wie ich hatten. Wir alle wissen, dass die Thematik Opel keine einfache Baustelle ist. Das gilt für Hessen und die anderen Bundesländer. Das gilt insbesondere für das Unternehmen selbst. Ich fand das nicht in Ordnung.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh!)

Wir haben in interfraktionellen Gesprächen verabredet, wie wir mit dem Thema umgehen wollen. Sie haben anschließend immer wieder einmal versucht,vorzupreschen. Dies geschah nicht, weil es um die Frage ging, ob Sie derjenige sind, der sozusagen der Krisenmanager ist. Das wäre einer eigenen Würdigung wert. Ich glaube, dass Sie dem Unternehmen mit Ihrer Art Öffentlichkeitsarbeit einen großen Bärendienst erwiesen haben.

(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Können Sie das einmal begründen?)

Herr Wagner, Sie könnten sich beispielsweise einmal die interne Kommunikation bei Opel zu der Frage vorlegen lassen – das wird dort bewertet –, ob all das, was der Ministerpräsident von sich gegeben hat, so hilfreich war.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Was meinen Sie denn zum Beispiel? – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Konkretisieren Sie das doch einmal!)

Sie wissen doch selbst, dass ich hier keine Namen nennen werde. – Aber Sie können davon ausgehen, dass die Irritationen bei Opel doch deutlich größer waren, als Sie das gerade versucht haben hier darzustellen.