Protocol of the Session on July 8, 2009

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Kollege Rudolph hat den Satz geprägt, das sei ein modernes Instrument der Personalführung. Darüber kann man streiten. Das will ich gar nicht tun. Es ist jedenfalls ein ungewöhnlich teures Instrument.

Mit dem Vorschlag, diese Regelung auslaufen zu lassen, steht die Hessische Landesregierung in großer Übereinstimmung mit nahezu allen anderen Ländern und dem Bund.Wir sind nicht allein in der Einschätzung, ob die Altersteilzeitregelung, die wir in Hessen haben, in der Abwägung zwischen den verschiedenen Zielen, die wir im Auge zu behalten haben, klug oder unklug ist.

Herr Kollege Schaus, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, zu dem Antrag der SPD-Fraktion muss man eigentlich nur so viel sagen: Es war die amtierende Bundesregierung, die aus genau den Gründen, die ich Ihnen jetzt vortrage – für Hessen gelten noch ein paar Besonderheiten –, beschlossen hat, dass man die Regelung für falsch hält und deshalb nicht fortsetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Wir dürfen uns aber eine eigene Meinung erlauben!)

Ich könnte es jetzt vorlesen: Die Nachbarländer Rheinland-Pfalz, Bayern und viele andere Länder haben diese Regelung ebenfalls nicht verlängert. Das hat gute Gründe.Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann sehen Sie: Wir haben 7.844 Menschen, die von der Altersteilzeit Gebrauch machen. Ich will hier die Bemerkung einschieben: Herr Schaus hat von Kurzarbeit und vielen anderen Dingen gesprochen. Das können wir zur Seite legen. Das ist die Abteilung allgemeine Lyrik. Soweit es um Tarifbeschäftigte geht, ist alles in Tarifverträgen geregelt.All das, was Sie hier ausgeführt haben,können wir zur Seite legen. Es ist für die Sache völlig unbedeutend. Es hilft vielleicht für allgemeine Erörterungen, aber hier nicht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, ohne gesetzliche Grundlage gibt es auch keinen Tarifvertrag!)

In Hessen ist diese Frage durch Tarifvertrag geregelt, wie sich das für Tarifbeschäftigte gehört. Wir reden also ausschließlich über die Beamten.Von den 7.844 Bediensteten in Altersteilzeit unterstehen 6.881, also rund 90 %, dem Kultusministerium. Das sind zumeist Lehrer. In der gesamten übrigen hessischen Landesverwaltung sind es nur sehr wenige Leute.Die können wir,sowohl was die dienstrechtlichen als auch die finanziellen Auswirkungen angeht, fast vernachlässigen. Rund 90 % derer, die das in Anspruch nehmen, sind dem Kultusministerium zugeordnet. Es sind in aller Regel Lehrkräfte.

Für die Landesregierung ist es ein herausragendes Ziel, dass wir die Versprechen bezüglich des Unterrichts einhalten und den Bedarf entsprechend decken. Dafür braucht man Lehrer.

Gerade an diesem Beispiel kann man etwas zeigen. Was bedeutet denn die Altersteilzeit? Altersteilzeit bedeutet, dass derjenige, der in Altersteilzeit geht, 80 % seines Gehalts bekommt, während derjenige, den man sofort braucht – sonst hätte man einen Unterrichtsausfall –, 100 % bezieht. Da hat man eine Kostenrechnung von

180 %. Das kann man für richtig halten. Sehr teuer ist es jedenfalls.

Wenn der Betreffende aus der Altersteilzeit ausgeschieden ist und in den normalen Ruhestand geht, kann man, wenn er die volle Versorgung erworben hat, mit 71,5 % rechnen.Wenn er etwas darunter liegt,ergibt sich ein Wert zwischen 65 und 70 %. Das heißt, derjenige, der endgültig in den Ruhestand getreten ist, kostet zusammen mit demjenigen, den man neu eingestellt hat, mindestens 165 % – für eine Stelle, eine Unterrichtsversorgung. Das ist ein Ergebnis, das ich nicht für vertretbar halte.

Ich empfehle Ihnen etwas – aus Zeitgründen muss ich mich sehr kurz fassen –: Herr Kollege, der Landesrechnungshof hat das sehr detailliert ausgeführt.Sie können es dort nachlesen und dann nachrechnen.

Ich will nur eine kleine Reminiszenz an den Antrag von CDU und FDP anbringen. In seiner Begründung steht, dass das vom Landesrechnungshof errechnete zusätzliche finanzielle Volumen der Dauerbelastung bis 2014 bei 300 Millionen c liegt. „Unvorstellbar“ steht bei Ihnen. Vorstellen kann man sich das schon. Aber der Landesrechnungshof erklärt, das sei unvertretbar.

Auch ich halte es für unvertretbar. Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir dies nicht fortsetzen können.

Herr Kollege, ich muss es aus Zeitgründen sehr kurz machen – wir können all das im Ausschuss vertiefen –:Wenn Sie sich anschauen, wie alt die waren, stellen Sie fest, dass sie im Schnitt 60 Jahre alt waren. Wir haben eine Diskussion darüber, wo in Zukunft die Altersgrenze bei Beamten liegt. Ich höre auch und gerade von den Sozialdemokraten, dass, bisher jedenfalls, ein Einvernehmen darüber besteht, dass wir bei den Beamten nichts anderes machen als bei den Tarifbeschäftigten. Dann sind wir bei einer Altersgrenze von 67 Jahren. Daran können Sie erkennen, welche Dimensionen das sind.

Deshalb eignet sich das Thema in keiner Weise für schnelle und eilfertige Beifallsbekundungen. Wir haben über die Frage sehr sorgfältig und sehr intensiv beraten und sind zu einer sehr abgewogenen Entscheidung gekommen.

Abschließend will ich drei Bemerkungen hinzufügen. Es wird behauptet, der Anteil der Frühpensionierungen sei dramatisch gestiegen, und dies sei ein Instrument dagegen. Die Zahlen geben das nicht her. Wer sich die hessische Landesstatistik ansieht, wird feststellen, dass es in einem Jahr zu einem dramatischen Rückgang der Zahl der Frühpensionierungen gekommen ist. Das war genau das Folgejahr des Jahres, in dem das Versorgungsrecht geändert wurde.Als das Versorgungsrecht dahin gehend geändert wurde, dass man, wenn man früher geht, Versorgungsabschläge hinnehmen muss, ist die Zahl der Frühpensionierungen drastisch gesunken. Seitdem ist der Anteil der Frühpensionierungen etwa auf einem Stand. Deshalb halte ich diese Verbindung in der Sache für nicht begründet.

Nächste Bemerkung. Flexible Arbeitszeiten einzuführen, sowohl in Bezug auf die normale Arbeitszeit als auch in Bezug auf die Lebensarbeitszeit, ist ein vernünftiger Ansatz.

Ich darf Ihnen berichten: In der Kommission, in der wir uns zusammen mit den Mediatoren mit der Zukunft des öffentlichen Dienstrechts beschäftigen, sind wir mit diesem Thema befasst.Wir haben auch eine Vielzahl von Gesprächen mit den Vertretern der Gewerkschaften und der

Berufsverbände geführt. Die Möglichkeiten dort sind überschaubar. Wer davon spricht, dass jemand früher gehen kann, muss auch die Konsequenzen bedenken: ob es Abschläge gibt oder nicht und ob dann jemand noch voll beihilfefähig ist oder nicht. Das sind Nebenthemen, die für die Beamten aber eine große Bedeutung haben. All das sind große Positionen, auch große Geldpositionen.

Insofern begrüße ich ausdrücklich den Gedanken, der in dem Antrag von CDU und FDP zum Ausdruck kommt, nämlich dass man sich mit der Frage beschäftigen muss,ob man jemandem, der früher geht und z. B. Versorgungsabschläge hinnehmen muss, die Chance einräumt, an anderer Stelle hinzuzuverdienen,ohne dass all das wieder weggekürzt wird. Für diejenigen, die auf diesem Gebiet zu Hause sind, sind das Fragen, die sie kennen. Sie wissen, dass das alles andere als banal und einfach ist.

Herr Kollege, die Fraktionsredezeit ist schon abgelaufen.

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. – Ich will auf einen Sachverhalt hinweisen, der bedauerlicherweise bisher nicht erwähnt wurde.Wenn es um flexible Arbeitszeiten geht, fangen wir nämlich nicht bei null an. Die Landesregierung hat vor Kurzem für die hessischen Beamten ein Lebensarbeitszeitmodell auf der Basis von 41 Wochenstunden eingeführt. Sie wissen – wir haben oft darüber diskutiert –, sie müssen im Prinzip 42 Wochenstunden arbeiten.

(Günter Rudolph (SPD): Das bringt einen halben Monat!)

Bei diesem Modell sagen wir: Du kannst ansparen und dann quasi „versorgungsunschädlich“ früher in den Ruhestand gehen. – Es war der Kollege Frömmrich, der zu Recht darauf hingewiesen hat:Wir wollen jemandem, der dort etwas angespart hat, außerdem die Möglichkeit geben, während seines aktiven Berufslebens eine längere Zeit auszusetzen. Der Gedanke ist durchaus aufgenommen worden. Man mag darüber streiten, ob das ausreichend ist. Das will ich dahingestellt sein lassen.

Aber unter dem Strich lasse ich keinen Zweifel daran: Ja, wir sind für flexible Lösungen; aber sie müssen im Ergebnis, also in der Zieldefinition dessen, wofür die Landespolitik steht,finanziell verantwortbar sein.Das ist das gegenwärtige Modell aus meiner Sicht nicht. Deswegen halte ich die Beendigung dieses Modells für richtig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache geschlossen.

Herr Wintermeyer, Herr Blum, ich gehe davon aus, dass der Entschließungsantrag mit in den Ausschuss wandert.

(Axel Wintermeyer (CDU) und Leif Blum (FDP): Ja!)

Danke schön. – Wir haben vereinbart, dass alle drei Anträge – die Tagesordnungspunkte 21, 83 und 91 – an den Innenausschuss überwiesen werden. – Es gibt keinen Widerspruch. Somit ist das beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kurhessenbahn reaktivieren – modernen ÖPNV realisieren – Drucks. 18/237 –

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 25:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Kurhessenbahn modernisieren – Drucks. 18/303 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Für die GRÜNEN hat zunächst Frau Kollegin Müller aus Kassel das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Hessische Landtag hat bereits im letzten Jahr mit deutlicher Mehrheit – inklusive der FDP – einen Antrag zur Reaktivierung der Kurhessenbahn beschlossen. Passiert ist im letzten Jahr leider nichts. Wir hatten die Hoffnung, dass unter der Regierungsbeteiligung der FDP dieses für die nordhessische Region touristisch und verkehrspolitisch so wichtige Projekt schneller vorangetrieben wird, insbesondere da Herr Posch aus dieser Region kommt, ein FDPPolitiker und für den Verkehr zuständig ist.

Der jetzt vorliegende Antrag von CDU und FDP hat unsere Hoffnungen leider im Keim erstickt. Außer schönen Worten und dem Hinweis auf eine Prüfung, die schon längst hätte erfolgen können, ja sogar müssen, findet sich in dem Antrag nichts Substanzielles.

Deswegen werben wir noch einmal für unseren Antrag – besonders bei der FDP, die dann ihr Votum vom letzten Jahr bestätigen kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre ein positives Signal für die Region, wie wichtig dem Land die Modernisierung der Bahnstrecke Marburg – Frankenberg und die Reaktivierung der stillgelegten Abschnitte zwischen Frankenberg und Korbach sind.

Vor Kurzem hat der Städtetag eine Studie zur ÖPNV-Finanzierung vorgelegt, die auch vom Land finanziert worden ist. In dieser Studie wurde deutlich, wie wichtig eine stärkere Förderung des ÖPNV für die Mobilität der Bevölkerung gerade im ländlichen Raum ist. Gerade für das Erreichen der Klimaschutzziele ist die Förderung des ÖPNV zwingend notwendig. Busse und Bahnen stoßen bei gleicher Verkehrsleistung weniger als die Hälfte der Klimagase aus, so die Ergebnisse der Studie.

Der Anteil des CO2-Ausstoßes ist in Hessen um ein Vielfaches höher als auf der Bundesebene. In Hessen sind es 26 %, auf der Bundesebene 21 %.

Gerade in diesem Bereich untätig zu bleiben, wie es Frau Lautenschläger immer wieder bestätigt, ist ein Skandal. Es ist höchste Zeit zum Umdenken.

Der Einfluss des Landes auf die Entwicklung eines zukunftsfähigen und klimaverträglichen Verkehrssystems ist außerordentlich hoch. Wir fordern Sie auf: Geben Sie Ihre Untätigkeit auf, und setzen Sie den Zug in Bewegung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch aus wirtschaftlicher Sicht gibt es bei der Kurhessenbahn einen dringenden Handlungsbedarf. An die Kurhessenbahn gehen Ausgleichszahlungen für einen

Verkehr, der nicht fließt.Wie Sie ganz genau wissen, summieren sich diese bis zum Jahr 2020 auf fast 19 Millionen c – 19 Millionen c, die einfach verpuffen, wenn Sie weiterhin untätig bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Gleichzeitig könnten bei gleichem Fahrplan durch die Verlagerung des Busverkehrs auf die Schiene erheblich mehr Fahrgäste gewonnen werden. Diese Untätigkeit in allen Bereichen kostet den Steuerzahler jeden Tag Unsummen. Wir haben gerade über Finanzierungen, Schulden usw. geredet. Hier wäre ein Ansatzpunkt dafür, wie man das Loch ein wenig verkleinern könnte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)