Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst im April hat die Bundesregierung entschieden, dass die Richtlinie 2011/24/EU nicht durch bundesgesetzliche Regelung umzusetzen ist, sondern mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung in den Ländern.
Das heißt, wenn ein Patient grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nimmt, ist es wichtig, dass er im Voraus weiß, welche Regeln für ihn gelten. Hiermit kommt die Landesregierung ihrer Umsetzungspflicht nach.
Vielen Dank, Herr Minister. – Damit ist der Gesetzentwurf eingebracht. Wortmeldungen liegen keine vor. Dann ist die erste Lesung vollzogen.
Wir überweisen den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung dem Sozialpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das so beschlossen.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes – Drucks. 18/7671 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits frühzeitig hat die Hessische Landesregierung erkannt, dass das Transplantationsgesetz – wie Sie wissen, eine bundesgesetzliche Regelung – nur dann sinnvoll gelebt werden kann, wenn in einem Ausführungsgesetz die wesentlichen Ziele definiert und Regelungen getroffen werden, die diese Ziele tatsächlich realisierbar machen. Als eines der wenigen Bundesländer überhaupt hat Hessen deshalb bereits seit 2007 ein Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz, das sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich bewährt hat.
Jedoch gibt es Gründe, das Gesetz zu ändern. Ein wesentlicher Grund ist die Novellierung des Transplantationsgesetzes auf Bundesebene. Neben rein formalen Änderungen sind die Länder aufgrund der neuen bundesgesetzlichen Regelungen aufgefordert, durch Landesrecht insbesondere die Qualifikation und die organisationsrechtliche Stellung der Transplantationsbeauftragten zu bestimmen. Dem kommt die Landesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nach.
Für das gemeinsame Ziel, die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland zu erhöhen, bedarf es bei der Bestellung
von Transplantationsbeauftragten fachlich und menschlich besonders geeigneter Persönlichkeiten, weil diese innerhalb der Krankenhausstruktur besondere Verantwortung wahrzunehmen haben. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Entnahmekrankenhaus seiner Meldepflicht der Deutschen Stiftung Organtransplantation gegenüber nachkommt. Sie sorgen dafür, dass Zuständigkeiten und Handlungsabläufe im Zusammenhang mit einer Organspende festgelegt werden, dass das ärztliche und pflegerische Personal im Entnahmekrankenhaus regelmäßig über die Bedeutung und den Prozess der Organspende informiert wird.
Wir haben eine ganze Reihe von Diskussionen über Transplantation und Organspende geführt. Das hat zu einer Versachlichung beigetragen. Ich will aber die Einbringung des Gesetzentwurfs nutzen, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass Organspenden Leben retten können und jeder sich einer solchen Verpflichtung bewusst sein sollte. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. – Damit ist der Gesetzentwurf eingebracht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Mick; er ist Kavalier.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Staatsminister ist auf die wesentlichen Details des Gesetzentwurfs eingegangen. Damit wird der Kompromiss, der auf Bundesebene zwischen allen Fraktionen im Nachgang des Transplantationsskandals – wir alle haben darüber gelesen – geschlossen wurde, nachvollzogen. Die Änderungen des Gesetzes gehen in die richtige Richtung, insbesondere was die verbesserte Beratung und die Hauptamtlichkeit des Transplantationsbeauftragten angeht.
Ich denke, unser aller Ziel ist es, wieder mehr Vertrauen herzustellen. Das ist ein Baustein. Nach dem Skandal ist die Bereitschaft zur Organspende um 20 % zurückgegangen. Jenseits der gesetzlichen Einzelpunkte sollten wir alle Werbung für das wichtige Thema machen. Wir Politiker sollten vielleicht selbst vorangehen und uns auch einen Organspendeausweis besorgen, z. B. bei der Krankenkasse. Ich habe schon einen und kann nur jeden ermuntern, das Thema anzugehen.
Ich hoffe, dass das Gesetz einen Beitrag dazu leisten kann, das Vertrauen wiederherzustellen und die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen. Daran sollte uns allen gelegen sein.
Jenseits des Gesetzes sollten wir stets weiter darum werben, dass sich die Menschen einen Ausweis besorgen und ihn ausfüllen. Das ist ein wichtiges Thema. Hier sollten wir weiter im Konsens voranschreiten. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Transplantationsmedizin rettet Leben, berührt aber auch tiefer gehende ethische und moralische Fragen. Das Tabuthema „Sterben“ spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie die Frage, wie die Persönlichkeitsrechte jedes einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin mit der lebensrettenden Maßnahme Organspende in Einklang zu bringen sind. Insoweit ist die Politik mit in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger Rechtssicherheit in der Frage der Organspende haben.
Die Skandale um die Organspende haben das Vertrauen der Bevölkerung und so mancher Klinik in die Transplantationsmedizin nachhaltig erschüttert. Indiz dafür ist die von Herrn Mick eben schon erwähnte sinkende Anzahl an Spendern, die im Jahr 2013 bereits um 20 % zurückgegangen ist.
Die Spanne zwischen der grundsätzlichen Organspendebereitschaft und der Zahl derjenigen, die einen Organspendeausweis besitzen, ist ebenfalls eklatant. 70 % sind theoretisch bereit, ihre Organe zu spenden, aber lediglich 22 % haben auch einen Spenderausweis. So schlimm das für die Personen ist, die auf der Warteliste stehen und ein lebenswichtiges Organ brauchen, kann man den Leuten an sich keinen Vorwurf machen, wenn sie nach den ganzen bekannt gewordenen Manipulationen ihre Bereitschaft zur Organspende noch einmal überdenken.
Wichtiges Mittel, um das Vertrauen der Menschen wiederzugewinnen, ist dementsprechend eine Strukturreform der Transplantationsmedizin. Wir halten es für besonders wichtig, dass mit der letzten Reform nun ein Straftatbestand für Wartelistenmanipulationen eingeführt wurde und die Genehmigung der Richtlinien der Bundesärztekammer eingeführt worden ist.
Die nun von der Landesregierung vorgelegte Änderung des hessischen Gesetzes ist aus unserer Sicht insbesondere vor dem Hintergrund des eben Gesagten genau zu prüfen. Die meisten vorgeschlagenen Änderungen sind für uns unproblematisch. Lediglich zwei Punkte sind zu hinterfragen:
Der erste Punkt ist die Einführung der neuen Kategorie des orientierenden Gesprächs. Bereits im Vorfeld, wenn noch gar nicht klar ist, ob der Patient tatsächlich hirntot ist, soll mit den Angehörigen über eine mögliche Organspende gesprochen werden. Das ist problematisch. Zum einen sind die Angehörigen im Sinne des Transplantationsgesetzes zu dem Zeitpunkt noch gar nicht entscheidungsbefugt, sondern lediglich die Vorsorgebevollmächtigten oder Betreuer. Zum anderen müsste in einem solchen Gespräch sichergestellt werden, dass wirklich ergebnisoffen aufgeklärt wird. Denn die Folgen einer Spende sind für den potenziellen Spender enorm. Sollte sich in einem solchen Gespräch tatsächlich herauskristallisieren, dass jemand potenziell zum Spenden bereit ist, ändert sich der Sterbeprozess des Betroffenen. Palliativmedizinische Behandlungen wären nicht mehr möglich. Darüber hinaus müsste das Leben künstlich länger erhalten bleiben, damit die Hirntoddiagnostik durchgeführt werden kann. Das ist nicht zwangsweise problematisch, darüber muss aber aufgeklärt werden.
Der zweite Punkt, den wir kritisch sehen, ist, dass das orientierende Gespräch auch auf zuständige Koordinatoren der Deutschen Stiftung Organtransplantation übertragen
werden kann. Das ist ebenfalls problematisch, weil die Koordinatoren nicht zwangsweise neutral sind, was aber der Fall sein muss, da ansonsten zu befürchten ist, dass pro Organspende argumentiert wird und mögliche negative Konsequenzen einfach nicht erwähnt werden.
Daher halten wir es für notwendig, dass das Vertrauen in die Transplantationsmedizin wieder gestärkt wird. Mit dem Gesetz sind wir auf einem guten Weg. Wir sind gespannt und erwarten viele Erkenntnisse aus der Expertenanhörung im Ausschuss. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes erfolgt aufgrund der Novellierung des Bundesgesetzes. Sie fördert die Transplantationsmedizin, weil der Transplantationsbeauftragte im ärztlichen Team des Krankenhauses gestärkt wird. Er muss Facharzt sein und die Funktion eines Chefarztes oder Oberarztes haben. Das Gesetz fordert die regelmäßige Fortbildung. Die Verzahnung mit dem Ministerium, mit den Gesundheitsämtern und mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation ist jetzt genau geregelt.
Hessen hat die Transplantationsmedizin auch in dieser Wahlperiode nach vorne gebracht. Dies sei an vier Punkten beispielhaft ausgeführt:
Hessen gehört zu den wenigen Bundesländern, die den Transplantationsbeauftragten durch Gesetz eingerichtet und seine Aufgaben kontinuierlich angepasst haben.
Hessen zeichnet seit 2003 jährlich ein Krankenhaus aus, das sich besonders für die Organspende eingesetzt hat, zuletzt die Asklepios-Klinik Seligenstadt.
Organtransplantation ist nicht nur eine Aufgabe der Zentren, sondern aller Krankenhäuser. Im Mai 2013 wurde die modernisierte Abteilung für die Transplantation von Herz und Lunge der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim ihrer Funktion übergeben – ein ganz wichtiger Beitrag zur bedarfsgerechten Versorgung im Land. Hier wurden völlig neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt. Die Gesamtinvestitionen betrugen 25 Millionen € – bei einem Landeszuschuss in Höhe von 17 Millionen €. Das ist eine große Leistung.
Die Landesregierung hat sich durch Sozialminister Grüttner als Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz verdient gemacht, indem die Reform des Bundesgesetzes entscheidend vorangetrieben wurde. Es wurde erreicht, dass die frühere Zustimmungslösung zur Organspende durch die Entscheidungslösung ersetzt worden ist. Das bedeutet, dass jetzt jede Person über 16 Jahre gefragt wird, ob sie zur Organspende bereit wäre. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben aber stets betont, dass dies nur ein erster Schritt sein kann, weil man eine gemeinsame Position unter den Ländern finden musste, und dass eine erweiterte Widerspruchslösung besser wäre. Diese Diskussion bleibt für uns auf der Tagesordnung. „Erwei
terte Widerspruchslösung“ bedeutet, dass bei einer fehlenden Erklärung einer verstorbenen Person nur die Angehörigen einer Organspende widersprechen können. Der internationale Vergleich beweist, dass die Zahl der Organspenden dort, wo es eine erweiterte Widerspruchslösung gibt, deutlich höher ist.
Die Maßnahmen dieser Landesregierung sind Beiträge, die Transplantationsmedizin zu fördern und Leben zu retten. Gesellschaft und Politik – wir alle – haben hier aber noch viel zu tun. Folgende Zahlen beweisen das: 75 % der Menschen sind grundsätzlich bereit, Organe zu spenden, aber nur 20 % haben dies dokumentiert. Die Zahlen der Transplantationen von Niere und Herz in Deutschland sind in den letzten drei Jahren zurückgegangen. Die Gründe hierfür wurden schon dargelegt. Ich teile diese Interpretation. So wurden in Deutschland 2012 etwa 1.100 Nieren transplantiert – bei einer Warteliste, auf der 7.500 Menschen stehen. Insgesamt warten in Deutschland 12.000 schwer kranke Menschen auf ein Spenderorgan.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sehen in diesem Gesetzentwurf einen positiven Beitrag, um diesen Zustand zu ändern und um die Transplantationsmedizin in diesem Land weiterzuentwickeln. Wir erwarten interessante Diskussionen in den Ausschüssen. Es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, die Bereitschaft, Organe zu spenden, in diesem Land zu erhöhen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Skandalen, von denen wir alle erfahren haben, war es dringend notwendig, dass im Bereich der Transplantationsmedizin gesetzlich nachgearbeitet wurde. Das war leider notwendig, aber es ist nun bundesweit geschehen. Auch in Hessen ist man jetzt auf dem Weg.
Wir sind sehr froh, dass mit dem Gesetzentwurf vieles präzisiert wird, dass klarere Regelungen geschaffen werden. Insofern können wir uns den Worten, die hier bislang schon gefallen sind, weitestgehend anschließen.
Auch ich habe einen Spenderausweis, den ich in meinem Portemonnaie mitführe. Ich finde, es ist wichtig, dass wir als Politikerinnen und Politiker ein Zeichen setzen, uns mit dem Thema sehr offensiv auseinandersetzen und auch Farbe bekennen und sagen: Jawohl, wir stehen hinter diesen Regelungen, und das zeigen wir auch.
Bei dieser kleinen Gesetzesänderung gibt es einige Punkte, wo man noch einmal hinschauen muss. Ich bin mir nicht sicher, ob die Veränderungen bezüglich der Zulassung und der Einschränkung der Möglichkeiten des Pflegepersonals eine gute Lösung sind. Das kann durchaus so sein. Es kann aber auch sein, dass es von den Betroffenen Kritik gibt. Ich bin sehr gespannt darauf, zu hören, was die beteiligten Fachleute, die Ärzte und das Pflegepersonal, an der Stelle zu sagen haben, und sehe der Diskussion mit Spannung entgegen. Ich freue mich auf die Diskussion, die wir dazu haben werden.