Protocol of the Session on September 3, 2013

Meinung, dass Sie ohne große Mühe wenigstens dort, wo genaue Zahlen der einzelnen Schulen vorlagen – dazu zählen auch Schulen in Dietzenbach –, auch differenziert hätten handeln können. Aber: Chance vertan.

(Beifall bei der LINKEN)

Unverschämt allerdings ist, dass Hessen von Ihnen, Frau Ministerin, als Vorreiter für Inklusion dargestellt wird. Wir alle wissen, dass Hessen über die Landesgrenzen hinaus eher bekannt dafür ist, Vorreiter für die Verhinderung von Inklusion zu sein. Sich stetig verschlechternde Bedingungen sorgen dafür, dass Ihr Ziel – die Förderschulen so wie sie sind, aufrechtzuerhalten – durchgesetzt wird. Warum sonst wird am gemeinsamen Unterricht gekürzt? Warum sonst ist der Ressourcenvorbehalt im Schulgesetz verankert? Und warum sonst schüren Sie bewusst Ängste bei den Eltern, die ihr Kind gerne an eine Regelschule schicken würden?

Mit Schwarz-Gelb wird es in Hessen kein inklusives Schulsystem geben, auch wenn es ratifiziert worden ist – ganz einfach, weil es nicht gewollt ist und weil es Ihren Vorstellungen von Bildung widerspricht; denn Ihre Bildungspolitik ist auf Homogenität und Auslese ausgelegt. Das zumindest haben Sie uns in den letzten Jahren zur Genüge bewiesen.

DIE LINKE fordert die sofortige Streichung des Mittelvorbehalts aus dem Schulgesetz. Es müssen alle Schulen mit allen notwendigen Ressourcen in die Lage versetzt werden, inklusive Schulen zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das jedoch geht nur ohne Wenn und Aber, und nicht ein bisschen; denn wir stehen für eine gerechte und nicht ausgrenzende Schulpolitik für alle Schülerinnen und Schüler, egal welcher Herkunft, egal aus welchem finanziellen Background und egal ob mit oder ohne Behinderung. Schule als Ort des Lebens darf Benachteiligungen welcher Art auch immer nicht verstärken, sondern muss sie ausgleichen. Nur so kann gute Schulpolitik gelingen, meine Damen und Herren.

Noch einmal zu Dietzenbach: Der Rektor einer stark belasteten Grundschule, mit dem ich persönlich sprach, freute sich über die Stunden aus dem Sozialindex, beschwerte sich aber bitterböse über die Streichung im Bereich der Inklusion. Nach seiner Aussage sind die Verschlechterungen, die jetzt gegenüber vorher, als sie noch den GU hatten, zu konstatieren sind, so groß, dass sie die Verbesserungen aus dem Sozialindex wieder auffressen. Toll: Sie geben etwas in die rechte Tasche, was Sie aus der linken wieder herausnehmen. Für Sie ist das vielleicht ein Nullsummenspiel; für die Schulen, die Inklusion ernst nehmen, ist es ein Fiasko.

Sie wettern in Ihrer Rede gegen eine „Hauruck-Inklusion“. Aber wo sehen Sie die? Ich sehe sie nirgendwo. Stattdessen verunmöglichen Sie Inklusion nicht nur, sondern sparen sogar damit, wie die GEW jetzt mehrfach nachgewiesen hat. Das ist vielleicht sogar Ihr Hauptziel gewesen: sich auf Kosten der Inklusion für die tolle Lehrerversorgung feiern zu lassen.

Die Schulen, die einen Sozialindex brauchen, sind natürlich die gleichen Schulen, für die ein wirklicher Ganztagsschulausbau wichtig wäre. Aber den wird es mit dieser Landesregierung nicht geben. Insbesondere im Grundschulbereich ist die Lage katastrophal. Frau Ministerin, Sie werfen der Opposition vor, mit veralteten Zahlen zu argu

mentieren. Aber auf meine Frage im Ausschuss, wie viele Grundschulen nun nach Profil 3 arbeiten, konnten Sie mir keine Zahlen nennen.

Fakt ist, dass nicht einmal 100 Schulen in Hessen wirkliche Ganztagsschulen sind, und etwa 60 davon sind Förderschulen. Wollen Sie uns allen Ernstes erzählen, dass damit allen Eltern in Hessen, die eine Ganztagsschule für ihre Kinder brauchen, gerecht geworden ist? Das ist lächerlich. Was Sie immer wieder tun, ist, wider besseres Wissen Angst vor dem Umbau zur echten Ganztagsschule zu schüren. Wie oft muss Ihnen noch gesagt werden, dass Ganztagsschule nicht heißt, wie Sie sagen: jeden Tag Pflichtunterricht bis 16 Uhr? Sie kennen anscheinend nicht einmal Ihre eigenen Regelungen. Ich zitiere Ihre Serviceagentur:

Ganztagsschulen (Profil 3) bieten an fünf Tagen Betreuung, Unterricht und verpflichtende Ganztagsangebote in der Zeit von 7:30 bis 16 oder 17 Uhr … an.

Das ist etwas völlig anderes als das, was Sie da gesagt und geschrieben haben.

Hier in Hessen ist es so, dass die meisten Eltern gezwungen sind, tief in die Tasche zu greifen, um einen außerschulischen Betreuungsplatz für ihre Schulkinder zu finanzieren, wenn sie denn überhaupt einen bekommen. Haben Sie einmal einen Blick auf die Wartelisten in den Fördervereinen und städtischen und kommunalen Einrichtungen geworfen? Man braucht einen triftigen Grund, um sich einigermaßen sicher zu sein, einen Platz zu bekommen. Als Grund reicht eben nicht aus, dass beide Eltern arbeiten gehen wollen und müssen.

Sie wollen keine „Einheitslösung für alle Schulen in allen Regionen und für alle Familien“ – geschenkt. Aber es ist einfach frech, zu behaupten, wie Sie es tun, dass Sie – Kollege Wagner zitierte es auch schon – mit diesem Ansatz die Lebenswirklichkeit von Familien abbilden, die selbst entscheiden möchten, in welchem Umfang ihr Kind Ganztagsangebote in Anspruch nehmen soll.

Es tut mir aufrichtig leid, dies sagen zu müssen, aber beim Thema Ganztag haben Sie ganz kläglich versagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Es tut mir auch deshalb leid, weil so viele Familien beim Übergang von den Kindertagesstätten in die Grundschulen vor so entscheidende und einschneidende Probleme gestellt werden. Auch hier wird Politik wieder vorbei an den Bedürfnissen und dem Willen der Betroffenen gemacht.

Lassen Sie mich hier noch ein paar Worte zu dem sagen, was die GRÜNEN in der letzten Zeit propagiert haben: die Beteiligung der Kommunen an der Ganztagsbetreuung. Mit Ihrer Idee, die Kommunen in die Pflicht zu nehmen, die Ganztagsbetreuung ab 14:30 Uhr zu finanzieren, verspotten Sie meines Erachtens die Kommunen. Erst werden diese dank Schuldenbremse ausgeblutet, die Sie mit unterstützt haben, und nun sollen sie noch die Verantwortung für eine mangelhafte Landespolitik übernehmen. Denn die Ganztagsbetreuung nach Ihrem Willen gibt es nur, wenn die Kommunen mitziehen. Dass die meisten dies nicht können, dürfte Ihnen bekannt sein. Aber somit befinden sich die GRÜNEN auf der sicheren Seite. Denn auf wen wird mit dem Finger gezeigt werden, wenn der Ganztagsschulausbau auch unter einer grünen Regierung nicht fortschreitet? Genau, dann sind die Kommunen schuld, die nicht mitgezogen haben.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verschwörungstheorie!)

Sie haben diese Position in Ihrem Antrag nicht wiederholt. Sie haben hoffentlich aus dem Widerstand gelernt, den Sie überall für diese Position geerntet haben.

Beim Antrag der GRÜNEN werden wir uns also enthalten, da wir die Formulierungen in den Punkten 4 und 5 nicht mittragen können. Den Antrag von CDU und FDP werden wir natürlich ablehnen.

Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Das ist übrigens auch die Position von Bertelsmann, also von Herrn Dräger. Das fand ich faszinierend.

Wir wollen echte Ganztagsschulen, und wir wollen einen zügigen Ausbau. Wir werden die Eltern nicht alleinlassen, und wir werden in der nächsten Legislaturperiode jede Politik unterstützen, die dies voranbringt.

30 Minuten reichen nicht aus, um die ganze Misere aufzuzeigen, der wir in Hessen gegenüberstehen. Von den unzähligen Stunden Unterrichtsausfall wird gar nicht erst gesprochen. Den gibt es nach Ihrer Meinung gar nicht. Den bilden sich die Schülerinnen und Schüler wohl nur ein, die uns davon erzählen. Die Lehrerversorgung ist so gut wie nie – das mag sein, aber ausreichend ist sie deswegen noch lange nicht.

Der dringend notwendige Sozialindex ist auch mehr Schein als Sein. Wie sollen denn 200 Stellen ausreichend sein, Frau Ministerin?

Meine Damen und Herren, die Liste ist lang, und so eine Bildungspolitik wollen wir in Hessen nicht mehr – weder die Lehrerinnen und Lehrer, die trotz der von Ihnen geschaffenen Rahmenbedingungen äußerst engagiert sehr gute Arbeit leisten, noch die Schülerinnen und Schüler, die mehr und mehr unter dieser neoliberalen Ausrichtung leiden. Wir wollen eine Schule für alle Kinder, in der gemeinsam von der 1. bis zur 10. Klasse gelernt wird,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Einheitsschule!)

und zwar differenziert gelernt wird. – Herr Irmer, das haben Sie immer noch nicht kapiert; Sie sind so borniert.

Wir wollen eine Schule, die individuell fördert, statt über Sitzenbleiben und Abschulen auszugrenzen, was nicht gleichgemacht werden kann. Wir stehen für eine soziale und gerechte Schulpolitik. Wir wollen die Schule vom Kind aus denken. Wir wollen, dass hier endlich etwas passiert.

Frau Ministerin, das nennen Sie in Ihrer Erklärung verunglimpfend Friedenstaubenrhetorik, Gleichmacherei, Kollektivismus, Zwangsbeglückung, Einheitsbrei, Bevormundung und vieles andere mehr. Das muss Ihnen wohl Herr Irmer, Herr Greilich oder Herr Wagner in die Rede hineingeschrieben haben. Bisher kannte ich diesen Jargon von Ihnen nicht.

Wir stehen zu dem, was Sie uns zum Vorwurf machen. Wir haben noch Überzeugungen, die es zu verwirklichen gilt und für die es sich zu kämpfen lohnt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Cárdenas. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Döweling zu Wort gemeldet.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal etwas tun, was bis jetzt noch keiner der Vorredner in dieser aufgeladenen Debatte getan hat. Wir hatten traditionell zum Schuljahresstart die Regierungserklärung, wenn auch heute unter besonderen Vorzeichen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Lehrerinnen und Lehrern in unserem schönen Hessenland, bei allen Beamtinnen und Beamten im Landesschulamt und im Kultusministerium zu bedanken,

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

dass dieser Schuljahresstart so geworden ist, nämlich reibungslos und einwandfrei, wie wir das schon aus den letzten Jahren kennen, und dass jede Lehrerin und jeder Lehrer zu Schuljahresbeginn dort waren, wo sie sein sollten, nämlich vor der Klasse und nicht irgendwo auf der Suche.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Durch das Landesschulamt?)

Ja, auch durch das Landesschulamt, Herr van Ooyen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist ein Schuljahresstart, der unter Rahmenbedingungen erfolgt ist, wie sie noch nie besser waren in der Geschichte unseres Hessenlandes.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist schon mehrfach gesagt worden: 105 % Lehrerversorgung im Landesschnitt, dabei noch ein neu eingeführter Sozialindex, ein neues Instrument, und eben nicht 83 %, die für 100 % Lehrerversorgung durchgehen sollten, wie es unter Rot-Grün der Fall war. Meine Damen und Herren von der Opposition, das schreiben Sie sich einmal hinter die Ohren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Und das, obwohl wir ganz am Anfang dieser Legislaturperiode – ich weiß es noch sehr genau; denn es war die erste Rede, die ich von diesem schönen Pult aus halten durfte – einen für uns doch erheblich negativen Faktor eingeführt haben, der aus pädagogischer Sicht richtig war, der uns aber sehr viele Lehrerstellen gekostet hat: Wir haben die Klassen signifikant verkleinert; die unsägliche Sternchenregelung, die Rot-Grün in Hessen eingeführt hat, dass man bis zu 10 % bei der Klassengröße überschreiten durfte, haben wir abgeschafft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Trotzdem haben wir es geschafft, unser Wahlversprechen von 105 % Lehrerversorgung einzulösen. Ich zeige Ihnen immer wieder gerne – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident – die Grafik.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Wir hatten noch nie so viele Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land und leider noch nie so wenige Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Man muss es Ihnen immer wieder zeigen, Frau Kollegin Habermann. Vielleicht geht es doch noch in den Kopf hinein, anzuerkennen, was diese Koalition, was diese Landesregierung in den letzten fünf Jahren geleistet hat.