Protocol of the Session on June 27, 2013

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Oh, halt, Herr Dr. Spies, Sie sind nicht dran; ich habe das eben verwechselt. Frau Schulz-Asche war vor Ihnen. – Dann hat jetzt Frau Schulz-Asche das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es ist sicher bemerkenswert. Nachdem Sie es geschafft haben, am Dienstag in Ihrer Regierungserklärung zur Wissenschaftspolitik in Hessen mit keinem einzigen Wort auf das Universitätsklinikum einzugehen, haben Sie hier keinen Versuch gemacht, darzustellen, was die Landesregierung tatsächlich unternimmt. An dem Beispiel, wie Sie heute aufgetreten sind, sieht man: Sie haben keine Antworten auf das, was seit wenigen Tagen die gesamte Republik schon wieder umtreibt und auch die Leute vor Ort verunsichert.

Sie sind weder darauf eingegangen, dass die Siemens AG in der letzten Woche den Mietvertrag mit dem Rhön-Klinikum für das Gebäude der Partikeltherapie gekündigt hat und seit Monaten ankündigt, die dort stehende Partikeltherapieanlage nach Schanghai abzubauen. Darauf sind Sie nicht eingegangen, und das ist, glaube ich, ein Zeichen, wie Sie mit den Menschen, mit der Verunsicherung sowohl im Bereich der Forschung als auch in der Patientenversorgung beim Universitätsklinikum seit Jahren umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn es ein Beispiel dafür braucht, dass diese Landesregierung nichts mehr vorhat, erschöpft und verbraucht ist, dann sind Sie wirklich die Personifizierung dieses Ansatzes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Mitte Juni – mit keinem Wort sind Sie darauf eingegangen – senkt die Hauptversammlung der Rhön-Klinikum AG die Übernahmehürde von 90 % auf zwei Drittel. Damit hätte im letzten Jahr die Hürde von 84 % für die Übernahme durch Fresenius gereicht. Aber Sie sagen hier kein einziges Wort dazu, was jetzt passieren muss, worauf Sie vorbereitet sind, was mit der Change-of-Control-Klausel passiert. Mit keinem Wort sind Sie darauf eingegangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir mussten bereits im letzten Jahr während des Übernahmeverfahrens durch Fresenius mit Entsetzen feststellen, dass diese Landesregierung in keiner Weise auf einen möglichen Eigentümerwechsel vorbereitet ist.

Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung am Dienstag wäre ein guter Anlass gewesen, darauf einzugehen. Aber dass Sie heute, wo die Rhön-Klinikum AG die Eintragung der Übernahmeklausel ins Handelsregister beantragt hat, kein Wort zu diesem Thema sagen, das zeigt, wie unfähig Sie sind, die Problem rund um das Universitätsklinikum zu lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, was ist jetzt zu tun? Wir brauchen – so weit haben Sie recht – eine Vereinbarung, wie es weitergeht mit der Partikeltherapie in Marburg. Aber wir brauchen auch ein Gesamtkonzept, was wir tun, wenn ein

Eigentümerwechsel passiert. Dazu hat Sie der Landtag letztes Jahr aufgefordert. Ich bin mir sicher: Dass Sie darauf nicht eingegangen sind, ist die Bestätigung dafür, dass Sie in keiner Weise darauf vorbereitet sind, dass es einen Trägerwechsel entweder zum Land oder einen zu einem anderen privaten oder gemeinnützigen Träger geben kann.

Darauf sind Sie nicht vorbereitet, und das macht mir große Sorge. Sie sind letztes Jahr schon am Nasenring durch die Manege geführt worden, und ich befürchte, dass Ihnen zum Schaden des Landes Hessen in diesem Jahr genau das Gleiche passiert. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Nun hat Herr Dr. Spies für die SPD-Fraktion das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ministerin ahnungslos!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass man für eine derart nichtssagende Rede auch noch 30 Sekunden Redezeitverlängerung bekommt, ist allerdings bemerkenswert. Aber das gilt für vieles, was diese Ministerin betrifft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Tatsache ist, wir hatten vorgestern eine bemerkenswerte Regierungserklärung zu den Leistungen der Wissenschaft in Hessen. Zu den Leistungen der Wissenschaft in Hessen, nämlich der GSI in Darmstadt, gehört unter anderen die Partikeltherapie. Dass Sie das gestern nicht erwähnt haben, weil es nichts zu erwähnen gibt, weil Sie an dieser Stelle nicht in der Lage sind, die Interessen des Landes wie der Betroffenen durchzusetzen, ist bereits hinreichend bemerkt worden.

Dann haben wir eben die Marketingbroschüre „Landesregierung macht alles schön“ gehört. Frau Staatsministerin, dass Sie uns allen Ernstes hier erzählen wollen, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg bzw. seine Privatisierung sei eine einzige Erfolgsgeschichte, ist an Groteske kaum zu überbieten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Außer Ihnen und den regierungstragenden Fraktionen, denen in ihrer Verzweiflung, an diesem Desaster schuld zu sein, drei Monate vor der Wahl auch kaum etwas anderes übrig bleibt, glaubt kein Mensch in diesem Land, dass das eine Erfolgsgeschichte sei, Frau Staatsministerin.

(Beifall bei der SPD)

Dann gingen Sie eben ausführlich auf den Letter of Intent ein. Konstruktive Gespräche müssten ein bisschen anders aussehen, wenn inzwischen die vereinbarte Frist zum Abschluss der Vereinbarung bereits um die gesamte vorgesehene Frist überschritten ist. Der Letter of Intent ist aus dem März. Am 1. Mai sollte eine Vereinbarung vorliegen. In vier Tagen ist der 1. Juli, und es gibt immer noch nichts.

Konstruktive Gespräche? Wegweisender Fortschritt? Nein, Sie haben den ganzen Vorgang nicht im Griff. Sie bekommen es nicht hin. Erneut, meine Damen und Herren: Wer hier Vertrauen der Bevölkerung in Mittelhessen untergräbt, das sind Sie mit dem ständigen Nachweis, dass Sie den ganzen Vorgang nicht im Griff haben.

Wir erinnern uns lebhaft, dass schon die Tatsache, dass die Partikeltherapie nicht betrieben werden sollte, Sie aus der Zeitung überraschte, Frau Staatsministerin. Offenkundig – sonst wären Sie wenigstens mit einem Satz darauf eingegangen – hat Sie auch die Kündigung des Mietvertrags für die Immobilie aus der Zeitung überrascht, sonst wären Sie wenigstens in der Lage gewesen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie hatte zwei Tage Zeit!)

darauf Auskunft zu geben, seit wann Ihnen das bekannt ist. Diese einfache Frage hätten Sie beantworten können.

Frau Staatsministerin, Sie haben in dem Vorgang Universitätsklinikum Gießen und Marburg nichts im Griff. Frau Schulz-Asche hat darauf verwiesen: Erneut werden Sie am Nasenring durch die Manege geführt, weil von all dem, was hier versprochen wurde, nichts eingetreten ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann kommen wir zu der Frage Wortbruch. – Allerdings, der Ministerpräsident hat sein Wort gebrochen, ein um das andere Mal.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Im März 2012 hat er das erste Mal ein Moratorium beim Stellenabbau versprochen. Im Letter of Intent hat er erneut ein Moratorium beim Stellenabbau versprochen. Aber minus einige Hundert Stellen ist kein Moratorium, das ist Personalabbau. So einfach ist das.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben versucht, konstruktiv eine Reihe von Fragen zu stellen, die genau den aktuellen Vorgang betreffen, nämlich die originären Interessen des Landes, ob denn die Rhön-Klinikum AG überhaupt noch in der Lage ist, ihre Vertragsverpflichtungen einzuhalten, nachdem die Siemens AG ganz offensichtlich dokumentiert hat, dass sie definitiv aussteigen möchte. Aber wir haben von der Ministerin immer wieder gehört: Mit Ihnen redet die Siemens AG gar nicht. Deshalb sind Sie in die Details nicht eingeweiht. Sonst hätten wir erwartet, dass Sie uns jetzt Auskunft geben können.

Hat Ihnen Rhön eigentlich nicht erzählt, was Masse ist, oder möchten Sie es nur uns heute nicht erzählen, Frau Staatsministerin? Das ist doch an dieser Stelle die wesentliche Frage.

Zum Aspekt der unzureichenden Vorbereitung der Landesregierung auf einen möglichen Eigentümerwechsel hat Frau Schulz-Asche alles Nötige gesagt. Vor einem Jahr hat der Landtag beschlossen, die Regierung möge sich vorbereiten. Ich weiß noch, wie wir hier in großer Einigkeit festgestellt haben, dass auf eine solche Situation Vorbereitungen notwendig sind.

Nachdem es vor einem Jahr so aussah, als könne ein Eigentümerwechsel gar nicht mehr eintreten, stellen wir jetzt fest, das Ganze ist doch viel näher als man denkt, auch wenn ich mir an der Stelle die Bemerkung nicht verkneifen

kann: Die Kindergartenspiele, die da im Moment über die Frage abgezogen werden, wer denn was mitstimmen durfte oder nicht – und das alles öffentlich ausgetragen –, haben auch eine interessante Qualität. Aber das ist deren Angelegenheit.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So viel zum Thema Professionalität!)

So viel zum Thema Professionalität allemal an dieser Stelle. – Nein, meine Damen und Herren, erneut hat sich und gerade an Ihrem Beitrag gezeigt: Frau Staatsministerin, Sie sind mit keinem Wort auf die relevanten Aufgaben des Landes, auf das, was Ihr persönlicher Job ist, im Sinne der Menschen in diesem Land zu regeln, eingegangen. Weiterhin stellen wir fest, Sie sind mit dieser Aufgabe noch immer genauso überfordert wie zu jenem Zeitpunkt der Privatisierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Büger, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Feststellung beginnen. Im Interesse der Menschen in unserem Land, der Patienten und der Region Mittelhessen, ist unser Ziel eine erfolgreich arbeitende Partikeltherapie in Marburg. Ich stelle das ganz ausdrücklich an den Beginn meiner Rede, weil ich das Gefühl habe, dass wir bereits hier den entscheidenden Unterschied in der politischen Position von CDU und FDP und den Oppositionsparteien haben.

Wir wollen die modernste Medizin. Wir wollen einen professionellen Betrieb durch einen ausgewiesenen Betreiber. Und wir wollen die modernsten neuen Einrichtungen und Ausstattungen durch massive Investitionen.

Um dies zu erreichen, wurde das UKGM seinerzeit privatisiert. Diese Ziele – Herr Dr. Spies, auch wenn Sie heute Geburtstag haben, kann ich nicht umhin, Ihnen hier deutlich zu widersprechen – wurden auch weitgehend erreicht. Die Standorte Gießen und Marburg wurden gesichert. Der unter Rot-Grün entstandene Investitionsstau der Neunzigerjahre, den wir noch alle gut im Hinterkopf haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

wurde aufgelöst. Es wurde ein professioneller Betreiber gefunden, sodass sich das UKGM im Vergleich zu den anderen öffentlich betriebenen Krankenhäusern – ich erinnere an Wiesbaden, ich erinnere an Offenbach und könnte die Reihe fortsetzen – doch gut hält. Es wurde für über 100 Millionen € privaten Geldes ein Teilchenbeschleuniger gebaut.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist ein Teil des Aufpreises!)