Protocol of the Session on June 25, 2013

Da möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen, das sich vor einiger Zeit in Berlin ereignet hat. Dort ist ein Geheimvertrag zwischen der Humboldt-Uni, der TU Berlin und der Deutschen Bank veröffentlicht worden. Er brachte zum Vorschein, dass der Deutschen Bank als Stifterin das Recht eingeräumt wurde, bei der Berufung der Professoren mitzuentscheiden, und es wurden Mitspracherechte bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen vereinbart. 3 Millionen € war das der Deutschen Bank damals wert.

Der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, Dr. Michael Hartmer, hat diesen Vertrag sehr richtig mit den Worten kommentiert: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Wissenschaft eingekauft werden sollte“. Der Vertrag verstoße gegen die „ehernen Grundsätze der Wissenschaftsfreiheit“.

Das ist kein Einzelfall. Eine ähnliche Kooperationsvereinbarung gibt es an der Uni Bremen, dort mit einem Raumfahrt- und Rüstungskonzern; sie würde die weitreichende Streichung der dortigen Zivilklausel aus der Satzung bedeuten. Die Zivilklausel sieht vor, dass an der Uni Bremen eben nicht zu militärischen Zwecken geforscht werden darf. Aber diesem Grundsatz steht die Aussicht auf Drittmittel in Höhe von 3 Millionen € gegenüber. Etwa ein Drittel des Gesamthaushalts der Uni Bremen wird heute schon aus Drittmitteln finanziert. Da muss man schon kritisch fragen: Wie frei von den Interessen ihrer Geldgeber können Unis unter diesen Umständen wirklich forschen?

Ich will an der Stelle noch einmal klar sagen, dass DIE LINKE grundsätzlich der Meinung ist, dass Rüstungsforschung an Hochschulen überhaupt nichts zu suchen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen freut es uns, wenn sich in einer Urabstimmung an der Uni Frankfurt 76 % für die Zivilklausel ausgesprochen haben, wenn es an der Universität Kassel eine ähnliche Abstimmung gab, die ebenfalls auf eine rein zivile und friedliche Ausrichtung von Studium und Lehre abzielt. Wir halten es für sinnvoll, eine solche Regelung auch im Hessischen Hochschulgesetz zu verankern, weil wir der Meinung sind, Hessens Hochschulen sind dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, wir halten es nicht für zielführend, wenn Hochschulen miteinander um Drittmittel konkurrieren. In Hessen haben wir aber das Problem, dass sie sogar um staatliche Mittel miteinander konkurrieren. In einem gedeckelten Budget, das wir in Hessen haben, müssen die Hochschulen immer mehr Studierende ausbilden, damit sie nicht weniger Geld bekommen. Wir wollen eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung.

Frau Ministerin, ich will überhaupt nicht leugnen, dass es sehr sinnvolle Forschungsprojekte im Rahmen von LOEWE gibt, dass sie innovative Ergebnisse bringen. Aber auch LOEWE sorgt dafür, dass die Verdrittmittelung an den Hochschulen vorangebracht wird und dass es einen zunehmenden wirtschaftlichen Wettbewerb untereinander gibt.

Eines will ich Sie schon fragen, Frau Ministerin: Wenn LOEWE so erfolgreich ist, warum dann eigentlich diese teure Werbekampagne, die Sie derzeit überall in Hessens Städten machen? Wenn LOEWE so erfolgreich ist, warum geben Sie mindestens 500.000 € aus Steuergeldern dafür aus, überall in Hessen für LOEWE zu werben, obwohl die Projektmittel doch ausgeschöpft sind? Frau Ministerin, da liegt der Verdacht schon nahe, dass hier Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler gemacht wird,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

wenn Sie überall plakatieren, dass Hessens Wissenschaft vorne ist, riesige Plakate zufälligerweise drei Monate vor der Wahl. Wir haben das damals schon kritisiert, als Sie die Mittel eingestellt haben. Frau Ministerin, wir sind der Meinung, 500.000 € Steuergeld wären woanders im Hochschulbereich sehr viel besser investiert als für diese Kampagne. Ich finde wirklich, dass auch Sie ein Beispiel dafür sind, dass Sie offensichtlich nicht genau unterscheiden können: Was ist ein Ministerium, und was ist eine Partei?

Was ist Öffentlichkeitsarbeit eines Ministeriums, und was ist Wahlkampf?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Volker Bouffier: Nicht zum Aushalten!)

Es geht natürlich auch um das Verhältnis außeruniversitärer Forschungseinrichtungen zu den Hochschulen. Ich glaube schon, dass wir hier ein Problem haben, wenn wir sehen, dass die außeruniversitären Einrichtungen in den letzten Jahren einen Budgetzuwachs von knapp 50 % hatten und parallel dazu an den Hochschulen die Mittel gekürzt wurden.

Ich will noch etwas zur Frage der Beschäftigung sagen. Frau Ministerin, Sie sprechen gern davon, dass Hessen das „Land der Forscher“ sei. Dafür aber geht diese Landesregierung wenig sorgsam mit den Forschenden um. Sie haben auch kein Wort darüber verloren, wie die Beschäftigungsverhältnisse der Menschen sind, mit deren Forschungsergebnissen Sie sich hier brüsten. Da stellen wir fest: Kurzfristige Projekte führen immer mehr zu befristeter und prekärer Beschäftigung an den Hochschulen. 90 % der Stellen im Mittelbau sind mittlerweile befristet, bei Drittmittelprojekten sind es nahezu alle. Mehr als die Hälfte dieser Verträge läuft unter zwölf Monate und mehr als zwei Drittel auf Teilzeitbasis.

Junge Wissenschaftler hangeln sich von einem Vertrag in den nächsten, sie haben keine Planungssicherheit für sich und ihre Familien. Frau Prof. Meier-Gräwe von der Uni Gießen hat letzte Woche bei einer Veranstaltung des DGB darauf hingewiesen, dass in einigen Bundesländern drei Viertel aller Beschäftigten im Mittelbau der Unis kinderlos seien. Ihre Begründung dafür lautete, prekäre Beschäftigung sei das beste Verhütungsmittel, weil Menschen überhaupt nicht mehr ihre Zukunft planen können, weil sie keine Ahnung haben, ob ihr Vertrag verlängert wird. Deswegen setzen Sie junge Wissenschaftler einer Situation aus, dass sie überhaupt nicht mehr ihr eigenes Leben planen können, geschweige denn, eine Familie gründen können.

Viele junge Wissenschaftler, die überhaupt einmal einen unbefristeten Vertrag haben wollen, sind gezwungen, die Hochschulen zu verlassen. So geht den Hochschulen eine ganze Generation junger Wissenschaftler verloren.

Wir sagen: Für Daueraufgaben braucht man dauerhafte Stellen. Deswegen müssen die Hochschulen finanziell gut ausgestattet sein, damit sie dauerhafte Stellen schaffen können – denn Lehre ist eine Daueraufgabe, und eine solche Fluktuation wie heute darf es da nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin, es gibt sehr viele Themen, über die Sie hätten reden können. Dazu gehören die soziale Öffnung der Hochschulen, der Ausbau der staatlichen Studienfinanzierung, die Akademisierung bisheriger Lehrberufe – etwa bei Erziehung und Pflege. Das ist ein wichtiges Thema, denn die Frage lautet: Warum, bitte, verdient in dieser Gesellschaft eine Erzieherin so viel weniger als ein Jurist? Ist ihre Arbeit wirklich so viel weniger wert?

Es geht um das Thema Inklusion. Es geht um die Familienfreundlichkeit, das Recht auf Teilzeitstudium. Nach wie vor haben die Hochschulen von Ihnen keine akzeptable Antwort auf die Frage erhalten, wie man in den nächsten Jahren diesen Ansturm der Studierenden überhaupt bewäl

tigen soll. Die Wohnsituation der Studierenden hat sich nicht gebessert. In Hessen haben wir gerade einmal eine Unterbringungsquote von 7 % – 15.000 Plätze für 215.000 Studierende. Daran werden die 2.000 Wohnheimplätze, die Sie jetzt schaffen wollen, leider wenig ändern.

Wir müssen über die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens reden. Natürlich muss das Kooperationsverbot im Bildungsbereich, das CDU, SPD und FDP gemeinsam durchgesetzt haben, wieder abschafft werden. Das ist ein riesiges Problem für die Finanzierung der Hochschulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bilanz dieser Ministerin ist blamabel. Aber es gibt Hoffnung. Frau Ministerin, in der Opposition sind Sie manchmal ganz vernünftig. Das sehen wir im Moment in Kassel, wo die Ministerin den Bürgerentscheid für den Erhalt der Stadtteilbibliotheken unterstützt. Dort hat sich ein breites Bündnis zusammengefunden. Am Sonntag findet dort der Bürgerentscheid statt. Wir hoffen sehr, dass dies der erste erfolgreiche Bürgerentscheid in der Geschichte Kassels ist. Wir als LINKE unterstützen ihn. Auch die Gewerkschaften unterstützen ihn.

Frau Ministerin, wenn dieser Bürgerentscheid erfolgreich ist, dann hätten Sie in Kassel in der Opposition mehr erreicht als in fünf Regierungsjahren in Wiesbaden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Frau Ministerin, diese Regierungserklärung war an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Die wichtigen Fragen haben Sie allesamt nicht angesprochen. Auf die drängenden Fragen haben Sie überhaupt keine Lösungen. Viele der Probleme haben Sie selbst geschaffen. Frau Ministerin, deswegen kann ich nur hoffen – für die Hochschulen in Hessen, für die Studierenden in Hessen, für die Lehrenden und Forschenden –, dass diese Regierungserklärung auch Ihre letzte Regierungserklärung war.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So, wie sie da sitzt, hofft sie das selbst auch!)

Das Wort hat der Abg. Dr. Müller für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner bewusst sachlichen Art, die von mir bekannt ist, will ich nicht auf die vielen Invektiven eingehen,

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

die hier in einer, wie ich finde, unerhörten Art und Weise über eine amtierende Ministerin gefallen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Ich sage Ihnen nur eines, auch aus langer Überzeugung: Das scheinbar süße Vorgefühl eines Wahlsieges ist nicht

immer ein guter Ratgeber. – Das hat man heute bei den Reden der Oppositionsvertreter gemerkt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben sicher eines gemerkt: Die Wissenschaftspolitik ist ein weites Feld und ein äußerst sensibles Thema. Es war interessant, wie die Beurteilungen in einer jeweiligen Gratwanderung ausgefallen sind. Auf der einen Seite haben wir das geschützte Terrain des kulturstaatlichen Prinzips der Hochschulautonomie sowie der wissenschaftlichen und der kulturellen Freiheit; auf der anderen Seite haben wir die Notwendigkeit einer materiellen Sicherheit und gesetzter Rahmen, die weitestgehend beim Staat liegen. Es ist schon interessant, wie je nach Interessenlage – das kenne ich; ich bin gelernter Oppositionsabgeordneter – natürlich die jeweils eine oder andere Seite stärker betont wird. Trotzdem sollten wir – und das will ich zumindest am Ende tun – uns einmal darauf einigen, was seit 1999 eigentlich in einem gehörigen Sprung an neuer Paradigmenvertretung in der Hochschulpolitik geschehen ist.

Es geht nicht nur darum, dass mehr Geld gegeben wurde. Das ist schon deswegen selbstverständlich – das wurde von allen Rednern gesagt –: Wenn ich mehr Studenten habe, dann brauche ich auch mehr Mittel, um die Studienbedingungen für diese Studenten zu schaffen. Das ist eine Binsenweisheit.

Seit 1999, seitdem eine CDU/FDP-geführte Regierung hier die Amtsgeschäfte übernommen hat, haben wir eine völlig andere Ursachenbewertung und völlig andere Mittel in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Darüber müssen wir reden.

Herr Al-Wazir ist jetzt nicht da – er hat große Erfahrungen, was das Studium angeht.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist schon ein Unterschied, ob ich eine Massenuniversität in der Form habe, wie wir sie heute kennen, oder ob ich die Hochschule habe, von der Wilhelm von Humboldt gesprochen hat – wo es natürlich die Einheit von Forschung und Lehre gab, quasi die Position des Wissenschaftlers, der völlig unabhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen weitestgehend nach seinen Interessen geforscht hat. Deswegen ist es doch völlig klar, dass sich in einer solch komplexen Wissensgesellschaft, in der wir uns heute befinden, in einer von allen gewollten Massengesellschaft, die Universitäten, ihre Anforderungen und die Diversifizierung der Hochschulen gegenüber dieser Zeit völlig verändert haben. Heute also noch von der Einheit von Forschung und Lehre in dieser Form zu sprechen, weil es in irgendwelchen Büchern steht, ist eben nicht mehr zeitgemäß.

Was ist seit 1999 Neues passiert? Es ist gerade das geschehen, was Sie offensichtlich abschaffen wollen: Wir haben die Universitäten wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft geführt. Was ist denn LOEWE mehr? Was ist denn das House of Finance mehr? Was ist denn das House of Pharma oder das House of Logistics mehr als, zum einen, die Öffnung wissenschaftlicher Arbeit hin zur Gesellschaft und, zum anderen, selbstverständlich – da bin ich froh, dass Kollegin Wissler anderer Auffassung ist – die effektive und schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Möglichkeit, Produkte und Dienstleistungen aus diesen wissenschaftlichen Ergebnissen zu finden.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Das ist das Neue an unserer Hochschulpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das ist ein Riesenunterschied in der Idee von Hochschule.

Herr Grumbach, wir verstehen uns immer gut, aber in weiten Teilen haben wir völlig unterschiedliche Ideen, welche Stellung Hochschule heute in der Gesellschaft hat. Das, was Sie zum Teil wollen und was Sie hier angesprochen haben, ist im Prinzip wieder die Zurückdrängung der Hochschule in einen eigenen Bereich, der nicht mehr in dieser Form die Identifikation der Studierenden mit der Hochschule zur Folge hat und auch nicht mehr die Identifikation gesellschaftlicher Gruppen mit der Hochschule. Das durchbrochen zu haben ist eine große Leistung der Hochschulpolitik seit 1999, und diesen Erfolg lassen wir uns auch nicht kleinreden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)