Protocol of the Session on May 22, 2013

Im Zuge der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Verfassungsschutzgesetzes haben wir nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung umgesetzt, sondern auch bei der Bestandsdatenauskunftsregelung einen Richtervorbehalt formuliert. Das hat übrigens auch die SPD im Deutschen Bundestag am Gesetzentwurf der Bundesregierung geändert und zusätzliche Benachrichtigungspflichten durchgesetzt. Meine Damen und Herren, wir wollen in Hessen doch nicht hinter der Bundesregelung zurückbleiben, sondern eher vorne sein.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer wichtiger Punkt unseres Gesetzentwurfs ist, dass wir erstmals gesetzliche Regelungen für den Einsatz von V-Leuten formulieren. Der Einsatz darf künftig nicht mehr vom Landesamt für Verfassungsschutz alleine entschieden werden, sondern bedarf der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, also die Fachabteilung des Innenministeriums. Auch das dient zusätzlicher Transparenz und Kontrolle. Gleichzeitig haben wir auch die Kriterien für die Auswahl von V-Personen definiert. Künftig sollen Menschen mit bestimmten Vorstrafen in Hessen überhaupt nicht mehr als V-Leute eingesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wichtig für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Verfassungsschutz ist eine Öffnung. Deswegen wollen wir

auch, dass der Innenausschuss regelmäßig über die Arbeit des Verfassungsschutzes informiert wird. Wir fordern Transparenz und eine verbesserte Ausbildung der Verfassungsschutzmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.

Meine Damen und Herren, das sind die wichtigen Punkte, um einen modernen, transparenten Verfassungsschutz in Hessen umzusetzen. Bitte unterstützen Sie unser Gesetzesvorhaben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner spricht Kollege Bauer von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen auch weiterhin einen gut aufgestellten Verfassungsschutz, der kontrolliert, transparent und zukunftsfähig agiert. Daran besteht kein Zweifel. Den Verfassungsschutz zu stärken, ihn fit für die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu machen und die richtigen Konsequenzen aus Fehlern der Vergangenheit zu ziehen, das ist sicherlich der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, die SPD bleibt mit ihrem Gesetzentwurf aber ihrer Masche treu, wie schon in den letzten Wochen mehrfach erfolgt, einen alten Gesetzentwurf erneut vorzulegen – leider mit einem unangenehmen Beigeschmack, gerade hinsichtlich der öffentlichen Debatte um die Gerichtsverhandlung in München. Diesmal buhlt die SPD im Windschatten des NSU-Verfahrens erneut um Aufmerksamkeit. Durch die leicht modifizierte Neuauflage eines alten Gesetzentwurfs werden die alten Regelungsvorschläge jedoch nicht besser. Sie widersprechen im Übrigen vollständig den Ideen der Linkspartei, die den Verfassungsschutz abschaffen will, mit der die SPD durchaus zu koalieren erwägt.

Wie „angemessen“ Ihr Regelungsvorschlag ist, zeigt sich auch an der Reaktion Ihres weiteren potenziellen Koalitionspartners, denn der Kollege Frömmrich von den GRÜNEN kommentiert Ihren Gesetzentwurf mit den Worten: „SPD-Verfassungsschutzreform ist gut gemeint, aber zu kurz gedacht... Die Regelung ist aus Sicht der GRÜNEN unvollständig und unzureichend.“ Da bin ich in der Tat der Meinung des Kollegen. Ich darf ihn erneut aus einer Pressemitteilung zitieren: „Die SPD wäre gut beraten gewesen, die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages abzuwarten, um die gewonnenen Erkenntnisse in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen.“ So Jürgen Frömmrich. Er hat recht. Das ist genau das Problem mit dem Schnellschuss, den Sie hier vorgelegt haben.

Wir haben in Hessen bereits Änderungen herbeigeführt. Wir haben die Weiterentwicklung des Verfassungsschutzes und dessen parlamentarische Kontrolle mit einem eigenen Antrag angestoßen. Wir haben es ermöglicht, Sachverständige zu beauftragen. Wir haben die Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten ermöglicht. Wir haben eine Protokollierungspflicht eingeführt, ein erweitertes Akteneinsichtsrecht und die Haushaltskontrolle durch Abgeordnete. Wir haben außerdem – das vergessen viele – eine Verdachtsberichterstattung ermöglicht.

Meine Damen und Herren, man kann darüber streiten, ob die bisherigen Gesetzesänderungen ausreichend waren. Sie haben es angesprochen: Landauf, landab debattiert man über den Umbau der Sicherheitsbehörden. Warum also nicht auch in Hessen? Die in Berlin gewonnenen Erkenntnisse geben durchaus Anlass zu der Annahme, dass es im Kontext der NSU-Morde, bei deren Einschätzung, Bearbeitung und Aufklärung, bundesweit zu Fehlern gekommen ist. Das kann niemand ernsthaft bestreiten. Gerade deshalb sind die Ergebnisse des Berliner Untersuchungsausschusses grundsätzlich abzuwarten, um endgültige Schlüsse ziehen zu können. Das ist das Problem, das wir mit Ihrem Gesetzentwurf haben.

Es ist erfreulich, dass Sie die Initiative von Innenminister Boris Rhein unterstützen, der sich schon frühzeitig um die Ausbildung der Verfassungsschutzmitarbeiter bemüht hat und diese bundesweit einheitlich regeln möchte. Bereits bei der Konferenz der Innenminister in Berlin gab es ein Zehn-Punkte-Konzept, das Bausteine für die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes enthalten hat. Anfang dieses Jahres wurden entsprechende Beschlüsse gefasst, z. B. eine beim Bund konzentrierte Sammlung von Daten – analog der Verfahren beim Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum – im Rahmen eines Abwehrzentrum für Extremismus mit gemeinsamer Geschäftsführung für den Bund und die Länder.

Natürlich ist es sinnvoll, die Kompetenzen der Länder nicht einzuschränken, aber künftig eine Informationspflicht gegenüber dem Bund einzuführen. Natürlich ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu verbessern und zu vertiefen. Die Länder sollen künftig verpflichtet werden, Informationen an den Bund weiterzugeben. Es ist auch wichtig, dass die Auswahl der V-Leute, ihre Führung und die Kontrolle ihres Einsatzes nach klaren und verbindlichen Regelungen erfolgen. Dazu braucht man bundesweit einheitliche Standards für die Führung von VLeuten. Dazu zählt auch, wie Innenminister Boris Rhein das schon lange vor Ihrem Gesetzentwurf angekündigt hat, eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung. Ich sage es noch einmal: Man braucht bundeseinheitliche Standards. Ihr Vorschlag sagt zu den Themen Weiterbildung und Führung leider überhaupt nichts.

Bei der Reform und Weiterentwicklung des Verfassungsschutzes sind die Auswahl und die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Herstellung von Analysefähigkeiten bei einzelnen Verfassungsschützern wichtige Aspekte. Wie gesagt, Ihr Gesetzentwurf ist hier sehr lückenhaft.

Ich komme zum Schluss mit dem Fazit: Der Gesetzentwurf ist zwar gut gemeint, er ist aber vorschnell und schlecht gemacht, ein populistischer Schnellschuss, den wir ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Als Nächster spricht Herr Kollege Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des durchaus wichtigen und ernsten Themas

wundere ich mich schon ein wenig über die Art und Weise, in der die hessische Opposition in der letzten Zeit ihren alten, sauer gewordenen Wein in immer neuen Schläuchen präsentiert.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Fuhrmann, Ihnen schmeckt es vielleicht, mir schmeckt es nicht. – Frau Kollegin Faeser, nachdem Ihr Entwurf für ein PKV-Gesetz in diesem Hause unlängst aus gutem Grund gescheitert ist, wird der wesentliche Inhalt nun, mit ein paar weiteren Forderungen garniert, in einem geringfügig anderen Gewand erneut aufgetischt.

Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, warum wir Ihren Entwurf seinerzeit abgelehnt haben: nicht weil wir uns einer Reform des Verfassungsschutzes verweigern und verhindern wollen, dass sich irgendetwas verändert. Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, es muss sich an der Arbeit der Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland eine ganze Menge ändern. Das wird auch auf Hessen Auswirkungen haben. Bei Sinnvollem wollen wir uns nicht verweigern.

Wir werden über Ihren Gesetzesvorschlag natürlich so intensiv beraten, wie es dem Anspruch entspricht, den Sie darauf haben. Wir werden ihn so beraten, dass wir letztlich auf einer klaren und gesicherten Faktenlage entscheiden können. Das bedeutet sowohl auf der Bundes- als auch auf der Länderebene, dass wir gemeinsame Standards dafür entwickeln müssen, wie wir den Verfassungsschutz künftig neu regeln.

Kollege Bauer hat es schon erwähnt: Ihr Wunschkoalitionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in Ihrem Entwurf ebenfalls einige Mängel aufgedeckt, etwa bei der Ausbildung der Verfassungsschützer oder bei der Führung, dem Einsatz und der Auswahl von V-Leuten. Frau Kollegin Faeser, wie wir alle wissen, ist das ein besonders heikles Thema.

Liebe Frau Kollegin, ein Gesetzgebungsverfahren wie dieses sollte jedoch am Ende der Diskussion und der Befassung mit den Sachverhalten stehen, nicht am Anfang. Deshalb empfinde ich es als sehr bedauerlich, dass Sie nicht in der Lage sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages gerade erst seine Beweisaufnahme beendet hat und nun an der Erstellung des Abschlussberichts arbeitet. Es ist bedauerlich, dass Sie nicht abwarten mögen, zu welchen Ergebnissen und Schlussfolgerungen die Bundesländer kommen, in denen auch Untersuchungsausschüsse zu diesem Thema tagen und bei denen, im Gegensatz zu Hessen, konkrete Indizien für ein Versagen des Verfassungsschutzes vorliegen.

Es ist höchst bedauerlich, dass Sie die Bedeutung der verabscheuungswürdigen NSU-Morde in Ihren Begründungen zwar stets vor sich hertragen, Ihnen die Sachverhaltsarbeit aber offenkundig nicht schnell genug geht oder Sie sich die Zeit dafür nicht nehmen wollen. Stattdessen betreiben Sie mit Schnellschüssen Wahlkampf und wollen im Alleingang für Hessen Dinge durchsetzen, ohne alle Fakten zu kennen.

Meine Damen und Herren, ich wiederhole die Aussage, die ich Ende September 2012 an dieser Stelle gemacht habe und die Sie im Protokoll nachlesen können:

Wir brauchen … gemeinsame Standards für die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Ländern und Bund. Dies gilt unter anderem auch für den Ein

satz von V-Leuten des Verfassungsschutzes und der Polizei. … Dazu gehört auch die Definition der Qualitätsstandards für V-Leute-Führer, für V-Leute selbst, für Zahlungsmodalitäten usw.

Leider Fehlanzeige, wenn es um Lösungsvorschläge der Opposition geht.

(Nancy Faeser (SPD): Das stimmt doch gar nicht! Lesen Sie den Gesetzentwurf!)

Wir brauchen zudem einheitliche Standards für die Aufbewahrung … von Daten und Akten, die einerseits Aspekte des Datenschutzes berücksichtigen und andererseits dem Erfordernis eines auch zeitlich bedeutsamen Gesamtbildes der Erkenntnis Rechnung tragen.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, dieser Gesetzentwurf ist wieder nur der Versuch, ein wichtiges Thema auf den Altar des Wahlkampfs zu zerren und dort zu instrumentalisieren, noch dazu, bevor sämtliche Fakten auf dem Tisch sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diesen Aktionismus nach dem Motto „Es muss etwas getan werden; das ist etwas, also wird es getan“, lassen wir Ihnen nicht durchgehen angesichts der Bedeutung der Frage, wie sich unsere wehrhafte Demokratie in Zukunft verteidigen kann. Daher wird diesem Gesetzentwurf leider das gleiche Schicksal zuteilwerden müssen wie allen unbrauchbaren Gesetzentwürfen: Er wird in der zweiten Lesung in diesem Haus scheitern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Ihr werdet mit eurer Überheblichkeit am 22. September scheitern!)

Herr Kollege Rudolph, ich wünsche auch Ihnen einen schönen Abend.

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Nächster Redner ist Kollege Frömmrich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir in einer Sache sehr sicher, und ich bin auch sehr froh deswegen. Herr Kollege Greilich, ich hoffe, dass Sie so, wie Sie hier geredet haben, auch auf den kommenden Wahlveranstaltungen sprechen werden. Das ist die Charmeoffensive der FDP.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass sich dann auch die Vorhersage von Herrn Hahn als richtig erweist, nämlich dass die Richtung bei den Umfrageergebnissen stimmt: nach unten, minus 11 %.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein, aber sich in einer derart arroganten Weise mit dem Gesetzentwurf einer Fraktion auseinanderzusetzen spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Im Grundsatz begrüßen wir den Vorschlag der SPD-Fraktion; denn wir glauben, dass dort richtige Punkte angesprochen worden sind. Es ist aller Ehren wert, dass sich die Mitglieder der Fraktion hingesetzt und versucht haben, das alles aufzuschreiben.

Ich finde aber – das ist schon zitiert worden –, dass er an einigen Punkten zu kurz greift und dass einiges nicht angesprochen wird. Es ist gerade schon gesagt worden: Die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Problem. Das haben wir erkannt. Da muss dringend etwas passieren. Wir haben festgestellt, dass die Analysefähigkeit in weiten Teilen nicht vorhanden ist. Da müssen wir nacharbeiten. Das war gerade im NSU-Komplex ein zentraler Aspekt, der aufgedeckt worden ist.

Wir brauchen eine stärkere Kontrolle und eine anders aufgestellte Parlamentarische Kontrollkommission. In dem Entwurf der SPD-Fraktion sind gute Vorschläge dazu enthalten. Ich glaube auch – diese Frage ist gerade angesprochen worden –, was das Führen, Ausbilden und Auswählen von V-Leuten angeht, brauchen wir eine grundständige Debatte und auch die Erkenntnisse, die in Berlin zusammengetragen werden, damit wir auf vernünftiger Basis über einen – dann hoffentlich gemeinsamen – Entwurf reden können.