Protocol of the Session on May 22, 2013

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Etwas völlig anderes – Sie können im Protokoll die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts noch einmal nachlesen – ist, wenn ein Minister offensichtlich regelmäßig unter seinem amtlichen Briefkopf mit seiner Amtsbezeichnung eine Serie von Informationsbriefen für einen Teil der Abgeordneten auflegt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, Herr Dr. Schäfer, ob Sie eine Serienanfrage aller Abgeordneten vorlegen können,

(Holger Bellino (CDU): Na klar! – Günter Rudolph (SPD): „Na klar“, sagt er!)

die Sie regelmäßig um diese Form der Informationsaufarbeitung gebeten haben. Ich will natürlich nicht nur wissen, welche Informationsbriefe es für diesen Teil des Hauses im Jahr 2013 gegeben hat. Ich will das auch für die letzten Jahre wissen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das nicht nur aus Ihrem Hause wissen, sondern ich will das aus allen Häusern wissen, auch aus der Staatskanzlei. Dass Herr Wagner als ehemaliger Justizminister vor dem Gehörten aus den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts kein Problembewusstsein zeigt, verwundert uns im Moment nicht, nach dem, was Sie an mangelndem Problembewusstsein hier dokumentieren.

Ich will Ihnen offen sagen: Es gibt andere Vorgänge, die beispielhaft sind. Als vor einiger Zeit öffentlich wurde, dass eine Sekretärin aus dem Büro des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Hannover eine Rede getippt hat,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur getippt!)

hat anschließend Oberbürgermeister Weil die entsprechenden Auslagen der Stadtkasse zurücküberwiesen. Er hat dafür bezahlt, dass die Rede getippt wurde. Herr Schäfer, deswegen werden wir wissen wollen, was das alles gekostet hat, wer da mitgearbeitet hat.

Dieser ganze Vorgang, auch wenn Sie versuchen, das hier sehr runterzukochen, wird ein erhebliches Nachspiel haben. Wir werden diese Anfrage sehr zügig auf den Weg bringen. Ich sage Ihnen: Hier steht der Verdacht der Untreue im Raum

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

bei dem, was Sie hier transportierten. Herr Bellino, Herr Wagner und vor allem die Kolleginnen und Kollegen in der zweiten, dritten und vierten Reihe, wenn Sie in sich reinhören, dann wissen Sie ziemlich genau, um was es heute hier geht. Sie haben ganz offensichtlich kein Verhältnis mehr zum Staat. Sie machen sich den Staat untertan.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Judith Lannert (CDU): Nehmen Sie das zurück!)

Das werden wir in den nächsten 122 Tagen sehr laut, sehr deutlich und sehr transparent machen, wer hier Staat und Partei missbraucht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Bevor ich Frau Wissler das Wort erteile, möchte ich ganz kurz auf der Besuchertribüne unseren ehemaligen Kollegen Gottfried Milde ganz herzlich begrüßen – junior.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Kollegin Wissler, ich erteile Ihnen das Wort. Fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich bin, ehrlich gesagt, etwas fassungslos über Ihren Auftritt, weil ich bei dem, was Sie hier erzählen, den Eindruck habe, Sie reden sich wirklich um Kopf und Kragen. Sie verteilen hier einen Abgeordnetenbrief, der aber nicht an die Abgeordneten des Hessischen Landtags geht, sondern nur an die Abgeordneten von CDU und FDP, d. h. die anderen Abgeordneten kommen gar nicht in den Genuss dieses Briefes. – Ob es ein Genuss ist, das will ich dahingestellt sein lassen. Jetzt sagen Sie, wenn Sie denn aus den anderen Fraktionen gefragt würden, bekämen die die Infos genauso von Ihnen.

Ich frage Sie: Wie viele Briefe dieser Art gibt es denn eigentlich? Es müssen allein dieses Jahr mindestens sieben gewesen sein. Es ist offensichtlich der siebte, der dieses Jahr erschienen ist, Herr Minister, ein Brief – ich habe ihn mir gerade durchgelesen – voller Polemik,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Oh!)

völlig unsachlich. Das ist doch keine Information eines Ministeriums. Das ist Wahlkampf, was Sie da machen – das ist Wahlkampf.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie da machen, ist, dass Sie die Mittel des Steuerzahlers dafür nutzen, im Ministerium Wahlkampfargumentationshilfen für Ihre Kandidatinnen und Kandidaten erarbeiten zu lassen, Herr Minister. Das tun Sie.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Formulierungen wie auf der letzten Seite: „wenn wir nicht konsequent für unsere Ideen werben“,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Jawohl, sehr gut!)

unsere Ideen, das Finanzministerium – welche Ideen hat denn das Finanzministerium, Herr Dr. Schäfer? –, zeigen doch gerade, Sie können nicht unterscheiden, was der Staat und was die Partei ist. Das ist genau das Problem.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Judith Lannert, Manfred Pentz und Armin Schwarz (CDU))

Frau Lannert, ja, das sage ich. Ihr Verhalten ist gerade gestern wieder als verfassungswidrig beurteilt worden. Das unterscheidet Sie von uns, Frau Lannert.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Als ich diesen Brief gelesen habe, bin ich erst etwas erschrocken. Aber ein bisschen schmunzeln musste ich schon, weil es wirklich so ist, dass Sie das 1 : 1 umsetzen.

Dieser ganze Käse, der darin steht, ist das, was Sie seit zwei Tagen hier erzählen, aber wirklich im Klein-Klein, das Fahrrad mit dem Ausrufungszeichen – genau der Auftritt vom Wirtschaftsminister heute Morgen.

Das Ehegattensplitting abzuschaffen, würde alle Familien treffen. Der Ministerpräsident hat den Abgeordnetenbrief offensichtlich auch gelesen und studiert. Das Einzige, was gefehlt hat, war das mit den Erdbeeren, die es im Winter nicht gibt. Offensichtlich war es auch den Abgeordneten der CDU und der FDP zu blöd, das hier zu behaupten.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich finde, das ist echt ein Hammer. Ich glaube, das muss ein Nachspiel haben. Es kann nicht angehen, dass die Ministerien dazu genutzt werden, derartig in den Wahlkampf einzusteigen und derartig Argumentationshilfen für Wahlkämpfer zu erarbeiten. Es geht hier um die Frage: Wurden in Ihrem Ministerium Steuermittel veruntreut? – Herr Schäfer, diese Frage wird zu klären sein.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Wissler, vielen Dank. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Al-Wazir für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Kollege, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, Sie haben es gerade eben sogar noch schlimmer gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Herr Al-Wazir, das sehen wir völlig anders!)

Offensichtlich fehlt Ihnen nicht nur jedes Unrechtbewusstsein. Offensichtlich fehlt Ihnen jedes Gespür. Sie haben vor drei Jahren in diesem Plenarsaal als Staatsminister des Landes Hessen einen Eid geschworen, der mit den Worten endete: „unparteiisch“ wahren werde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen eines. Er hat sich dann hierhin gestellt und gesagt, man habe dem Abgeordneten Klose auch bei der Akteneinsicht zu dem Vergabeverfahren geholfen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich lache mich zu Tode!)

Er hat offensichtlich nicht verstanden, dass es die Pflicht der Regierung ist, Abgeordnete bei der Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Kontrollrechte zu unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Herr Staatsminister, es ist der Regierung von Verfassungs wegen verboten, in den Wahlkampf einzugreifen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Weil Sie offensichtlich nicht zugehört haben, will ich noch einmal Folgendes sagen: Es geht da um den dritten Leitsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1977. Das war das Grundsatzurteil zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierungen. Es geht dabei um die unzulässige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor Bundestagswahlen. Das gilt für alle Regierungen kongruent. Leitsatz 3 lautet:

Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit wird verletzt, wenn Staatsorgane als solche Partei ergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken.