Protocol of the Session on April 25, 2013

Bevor Sie Ihre Unterstellungen auspacken, wir wollten die Ganztagsbetreuung hintertreiben oder die Frauen an den Herd zurückschicken, lassen Sie mich einmal ausbuchstabieren, was das bedeutet. Die Träger vor Ort entscheiden frei über ihre Öffnungszeiten. Sie reagieren damit auf Elternwünsche und berücksichtigen dies auch bei ihren kommunalpolitischen Prioritätensetzungen. Daran ändert sich übrigens auch mit dem Rechtsanspruch nichts. Wenn sich z. B. ein Träger angesichts kultureller Besonderheiten, angesichts elterlicher Nachfragen und Wünsche oder auch angesichts anderer finanzieller Prioritäten dafür entscheidet, kein Ganztagsangebot zu machen und auch kein Mittagessen anzubieten, aber etwas länger als bis 13 Uhr oder bis 13:30 Uhr zu öffnen, hätte dies nach dem KiföG-Erstentwurf dazu geführt, dass er für diese Kita keine Förderung des Landes erhalten kann. In der Fassung, die wir jetzt zur Abstimmung stellen, führt das Gesetz dazu, dass der Träger die erheblichen Landesmittel erhalten kann und dass damit seine Möglichkeiten wachsen, das Betreuungsangebot auszubauen oder auf andere Weise zu verbessern.

Den Kindern und den Eltern ist mit dieser Regelung eindeutig besser gedient. Die Opposition hingegen plädiert faktisch dafür, diesen Kindern die Landesförderung vorzuenthalten – vielleicht auch nur, weil sich die Story im Wahlkampf taktisch besser verwenden lässt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Was bleibt unverändert? Es ist mir sehr wichtig, Ihnen das noch einmal zu sagen. Die tragenden Säulen des Kinderförderungsgesetzes bleiben durch unseren Änderungsantrag unberührt. Es bleibt bei dem kindbezogenen Pauschal

system mit der deutlich erhöhten Grundförderung und den bedarfsorientieren Komponenten. Es bleibt auch bei der klaren Qualitätsorientierung durch die Qualitätspauschale und vor allem durch die ambitionierte Mindestpersonalbemessung, vor allem bei der Betreuung unter Dreijähriger.

Die Grundlogik lautet nach wie vor: Wir erhöhen den Landesbeitrag zur Finanzierung der Kinderbetreuung in Hessen – auf nie da gewesene 425 Millionen € jährlich ab 2014 –, und wir setzen einen Mindeststandard, bei dessen Nichterreichen Kinderbetreuung nicht genehmigt werden kann. Wir schaffen also zusätzliche finanzielle Spielräume, damit je nach Ausgangssituation vor Ort der Mindeststandard erreicht werden kann, bereits darüber liegende Standards aber gehalten oder weiter verbessert werden können.

Was folgt daraus für die Beteiligten? Keine Frage, das Setzen eines Mindeststandards ist sicherlich weniger eindeutig als eine rigide Passepartout-Vorschrift für alle. Eine solche würde vielleicht manchem Politikverständnis auf der linken Seite des Hauses eher entsprechen. Unsere bürgerliche Politik schreibt weniger vor, als sie ermöglicht. Sie regelt das Unabänderliche, den Mindeststandard, das Unverzichtbare nämlich, und sie erleichtert das Wünschenswerte, den tatsächlichen Standard. Vor allem aber überlässt sie die konkrete Entscheidung im Einzelfall denen, die es vor Ort am besten beurteilen können. Das sind in unserem klug verfassten Gemeinwesen die Kommunen, die dafür nämlich auch zuständig sind. Ich rufe deshalb alle kommunalen Verantwortlichen, und zwar mit allem Respekt, den ich hier schon oft geäußert habe, dazu auf, aus den Chancen dieses Gesetzes nun auch etwas, und zwar am besten das Bestmögliche, zu machen.

Der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann, von dem heute schon öfter die Rede war, der sich zuletzt in einer denkwürdigen Pressekonferenz sehr kritisch über das Gesetz geäußert hat, kann für Frankfurt ab dem Jahr 2014 allein für die städtischen Kitas – das ist die geringere Zahl – einen Zuwachs der Fördermittel um 3,4 Millionen € verbuchen: Die Förderung steigt von 10 auf 13,4 Millionen €. Das ist über ein Drittel mehr und eine hübsche Summe. Davon wird man doch noch eine weitere Flexibilisierung der Öffnungszeiten bezahlen können, wenn der bisherige Zustand nicht ausreicht, oder auch ein Mehr an Sprachförderung oder die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans – oder etwa nicht, liebe Kollegen von der SPD?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die GRÜNEN um Stadträtin Sorge stricken ihrerseits an der Legende, Frankfurt müsse sich diesen qualitätsvergessenen Bestrebungen des Landes, alles herunterzuschreiben, aus eigener Kraft entgegenstemmen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Das Land unterstützt Frankfurt wie alle anderen Kommunen künftig mit einem fairen, transparenten und einheitlichen Fördersystem auf höherem Niveau, mit erheblich mehr Mitteln als bisher. Das ist kein Stoff für eine Heldensaga nach Ihrer Fasson, liebe Kollegen von der Opposition, sondern ein schlichter Arbeitsauftrag für die kommunale Ebene.

Den Eltern möchte ich sagen: Das Gesetz macht nichts schlechter, im Gegenteil. Es setzt einen Mindeststandard. Der ist kein Sollstandard. Liebe Eltern, Ihre Sorgen verstehen wir gut. Denn wer, wenn nicht Eltern als Erst- und Letztzuständige für Kinder, ist gefragt, wachsam zu verfolgen, wie sich die Rahmenbedingungen für Betreuung, Erziehung und Bildung hessischer Kinder entwickeln? Ihre

Sorge, ja, sogar ihr Misstrauen ist unverzichtbar. Im konkreten Fall ist es aber unbegründet. Das Kinderförderungsgesetz sichert ein Mindestlevel und schafft erhebliche Spielräume, vieles besser zu machen und gute Zustände zu erhalten.

An die Opposition möchte ich appellieren: Stellen Sie die verfälschende Volksaufklärung ein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Informieren Sie korrekt über das Vorhaben. Wenn Sie, lieber Herr Rudolph, heute Morgen beklagen, es habe Verunsicherung gegeben, dann sage ich: Ein Gutteil der Verantwortung dafür geht mit Ihnen von SPD, GRÜNEN und LINKEN nach Hause.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Mut zu Kindern. Dieses Gesetz macht Mut zu Kindern, weil in Hessen ein großer Schritt für eine vernünftige und gut ausgestattete Kinderbetreuung gegangen wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Günter Rudolph und Michael Siebel (SPD))

Liebe Kollegen von der SPD, noch eines: Beklagen Sie nicht länger die vermeintliche betriebswirtschaftliche Logik dieses Gesetzes. Wenn Wirtschaften mit knappen Ressourcen für Sie schon die Ökonomisierung der Gesellschaft ist, dann weiß ich nicht, wie Sie, lieber Herr Dr. Spies und Herr Merz, dann Ihren Haushalt führen. Herr Dr. Spies, Sie als Arzt – Sie haben es mir neulich entgegengehalten – oder Sie als ehemaliger Jugenddezernent, Herr Merz, die ich Sie alle beide sehr schätze, machen Sie Geld mit der Wünschelrute oder lieber wie früher auf Pump?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Mit Steuereinnahmen! – Zurufe von der SPD)

Das passt übrigens wie die Faust aufs Auge zu Ihrem Wahlprogramm auf Bundesebene. „Kindergeldpläne der SPD belasten jede dritte Familie“, heißt es heute in der Zeitung.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ist die Abschaffung des steuerlichen Grundfreibetrags für Kinder am Ende auch eine Maßnahme zur Bekämpfung der Ökonomisierung aller Lebensbereiche? In Wahrheit wollen Sie den vielfach belasteten Mittelschichtsfamilien dringend benötigtes Geld aus der Tasche nehmen, ein Versprechen, das die Menschen in diesem Land wahrscheinlich zu würdigen verstehen werden.

Fazit. Letzter Satz zu unserem eigentlichen Thema. Das Kinderförderungsgesetz ist ein faires, ein gut ausgestattetes und ein ambitioniertes Gesetz, ein Gesetz mit einem Arbeitsauftrag an die kommunalen, die kirchlichen und die freigemeinnützigen Träger,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das sehen wir auf der Straße! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

das es nun zum Wohle von Kindern und Familien umzusetzen gilt. In Zeiten des rasanten Ausbaus von Betreuungsangeboten könnte man versucht sein, die Qualität hintanzustellen. Gerade dies tun wir nicht. Wir stehen zu frühkind

licher Bildung. Wir wollen keine Kinderaufbewahrung. Das KiföG ist diesem Ziel verpflichtet. Deshalb empfehle ich es in der geänderten Fassung mit gutem Gewissen allen im Hause zur Annahme. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu einer Kurzintervention – –

(Dr. Thomas Spies (SPD): Nein!)

Das hat sich erledigt. – Dann darf jetzt Herr Merz für die SPD-Fraktion reden. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Günter Rudolph (SPD): So ein gutes Gesetz und so viele Proteste, was ein Widerspruch! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung versagt, die Opposition muss zurücktreten! – Gegenruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Wiesmann, wie ich als Jugenddezernent in der Stadt Gießen – meine Vorgänger übrigens auch – dafür gesorgt habe, dass Quantität und Qualität in der frühkindlichen Bildung und eine trotzdem vernünftige und solide Haushaltsfinanzierung kein Widerspruch sind, das erkläre ich Ihnen bei Gelegenheit, vielleicht in einer anderen Verfahrenssituation.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Zu dem, was heute hier in der zweiten Lesung ansteht, ist Folgendes zu sagen. Ich möchte zunächst einmal sagen, dass ich ein solches Gesetzgebungsverfahren wie bisher noch nicht erlebt habe, und zwar weder dem Inhalt noch dem Verfahren nach.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

Es haben heute eine ganze Menge Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition gesagt, die Regierung und die Koalition arbeiten mit großem Erfolg.

(Heiterkeit bei der SPD)

In der Tat, es muss wirklich als Erfolg gewertet werden, was Sie mit diesem Gesetz erreicht haben. Dass man es mit einem Gesetz, das nach Ihrer Lesart wesentliche Verbesserungen bei den Standards der frühkindlichen Bildung bringt und mit dem Sie angeblich das Füllhorn Ihrer Gnade über die Kommunen, die Träger und die Einrichtungen ausschütten, fertigbringt, die gesamte Fachöffentlichkeit und weite Teile der allgemeinen Öffentlichkeit gegen sich aufzubringen, das ist wirklich eine der reifsten politischen Leistungen der letzten Jahre.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Knapp 130.000 Unterschriften für eine Petition gegen ein Gesetz, das hat es zumindest schon lange nicht mehr, wenn überhaupt jemals gegeben. Die Gesetzesanhörung war ein einziges Desaster. Es gab Demonstrationen überall im gan

zen Land, nicht nur die großen Demonstrationen in Frankfurt und zweimal in Wiesbaden, sondern auch an vielen anderen Orten jeweils mit mehreren Hundert Teilnehmern, Hunderten von empörten und entrüsteten Menschen. Nach wie vor vergeht praktisch kein Tag, an dem nicht an vielen Orten im Land Veranstaltungen und Diskussionen zu diesem KiföG stattfinden, zu denen die Menschen nach wie vor in großer Zahl kommen.

(Holger Bellino (CDU): Weil sie aufgehetzt und desinformiert werden!)

Kein einziger relevanter Verband ist Ihnen zur Seite gesprungen. Mittlerweile sind sogar die Treuesten der Treuen, die Kolleginnen und Kollegen vom Hessischen Städteund Gemeindebund, vom Glauben abgefallen und haben Ihnen die KiföG-Gefolgschaft aufgekündigt, wenn auch spät. Recht haben sie. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles muss man erst einmal hinbekommen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Weil Sie die Leute aufhetzen!)

Ja, weil ich die Leute aufhetze. Das ist Ihre Legende.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Ja!)

Lieber Kollege Dr. Müller, weil auf dieser Welt nichts so schlecht ist, dass es nicht für irgendetwas gut wäre, muss man Ihnen tatsächlich dafür dankbar sein, dass wir als Resultat dieses Gesetzentwurfs eine Diskussion über die Notwendigkeiten, Perspektiven und Standards der frühkindlichen Bildung im 21. Jahrhundert haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))

an der Sie freilich keinen Anteil haben, die aber trotzdem stattfindet und an der wir engagiert teilnehmen. Wir werden daran anknüpfen, wenn es darum geht, ein neues, ein besseres Gesetz in einem breiten Diskussions- und Beteiligungsprozess zu erarbeiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))