Protocol of the Session on April 24, 2013

Nun muss man aber bei der SPD in Bezug auf die Bekämpfung der Benachteiligung der Frauen vorsichtig sein.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nun einmal leider so. – Wir erinnern uns noch daran, dass nur drei Jahre, nachdem die CDU das 30-%Quorum für Frauen in ihrer Partei abgelehnt hatte, sich Kanzler Schröder damit hervortat, dass er anlässlich der Vereidigung seines Kabinetts das Arbeitsgebiet seiner Ministerin Christine Bergmann mit „zuständig für Frauen und das ganze andere Gedöns“ umschrieb. Der gemeinsame Geist, aus dem große Koalitionen geschmiedet werden können, war also schon damals klar erkennbar.

Ich denke, es ist vor allem dieser Geist, dem die Frauen nach wie vor ihre immensen Benachteiligungen „verdanken“. Diese Benachteiligungen haben wir nach wie vor auch im öffentlichen Dienst, obwohl es das entsprechende Gesetz gibt. Wir haben nicht wirklich eine Tendenz zur Verbesserung.

Frau Ravensburg, ich habe hier gehört, dass wir freiwillig etwas verändern müssten. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben seit 20 Jahren ein Gesetz, mit dem die Veränderung nicht geschafft wurde. Also müssen wir eine gesetzliche Regelung schaffen, mit der wir hinterlegen, dass es so etwas wie ein Klagerecht gibt.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Damit würde es ein anderes Druckmittel geben, mit dem sich tatsächlich etwas verändern könnte. Die Freiwilligkeit hat uns nicht weit gebracht, nicht einmal vor dem Hintergrund des bestehenden Gesetzes.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Dr. Judith Pauly-Bender (SPD))

Es ist eben nicht so, dass die geeignete Bewerberin den Arbeitsplatz bekommt. Da gibt es eindeutige Forschungsergebnisse. Das können Sie überall nachlesen. Bei Frau Meier-Gräwe kann man das z. B. sehr eindeutig nachlesen. Wir haben da also dringenden Handlungsbedarf.

Der hier vorgelegte Gesetzentwurf geht unserer Ansicht nach auf jeden Fall in die richtige Richtung. Besonders zu begrüßen sind dabei die Klarstellungen und Ausweitungen der Geltung des Gesetzes. Das Gesetz soll für alle der Landesaufsicht unterstehenden juristischen Personen gelten. Es soll also nicht nur für die mit mehr als 50 Beschäftigten gelten.

Die nicht der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollen einen Vertrag oder eine Vereinbarung abzuschließen haben, damit das Gesetz auch dort verbindlich wird. Dass das Gesetz auch für Empfänger freiwilliger staatlicher Leistungen gelten soll, ist für uns ganz wichtig und begrüßenswert. Es soll bei dem zuständigen Ministerium eine zentrale unabhängige Stelle eingerichtet werden, bei der sich die Frauenbeauftragten Rat und Unterstützung holen können.

Zur Verbesserung der Ergebnisse der Arbeit der Frauenbeauftragten müssen unbedingt noch zwei Dinge getan werden. Das muss in das Gesetz noch hinein. Erstens muss deren Arbeitsbelastung deutlich reduziert werden. Zweitens muss der Einfluss der Frauenbeauftragten gestärkt werden. Das ist auch schon enthalten.

Zu begrüßen ist die vorgesehene deutlich bessere Ausstattung der Frauenbeauftragten, die sich dann nach der Höhe der Zahl der Beschäftigten richten soll. Im weiteren Verfahren wird zu prüfen sein, ob die vorgesehene bessere Ausstattung ausreichend ist. Es muss aber zunächst einmal der erste Schritt gegangen werden.

Was wir in jedem Fall anregen, ist die explizite und gesonderte Berücksichtigung der Belange und besonderen Anforderungen der Arbeit der Frauenbeauftragten an den Hochschulen. Dabei ist z. B. zu fragen, ob es sinnvoll ist, die derzeitige Entgeltregelung beizubehalten. Aktuell nimmt eine bestellte Frauenbeauftragte ihre Entgeltgruppe mit bzw. behält als Frauenbeauftragte ihre alte Entgeltgruppe bei. Das kann dazu führen, dass die Frauenbeauftragten an den Hochschulen die gleichen Tätigkeiten verrichten, aber unterschiedlich bezahlt werden.

Bei der Ausstattung der Hochschulfrauenbeauftragten muss, zweitens, auf jeden Fall die Anzahl der Studierenden berücksichtigt werden. Das muss schon deshalb geschehen, weil zu den Aufgaben die Vereinbarkeit von Studium und Kind und das Gender-Mainstreaming in Lehre und Studium gehören. Wenn man sich vorstellt, dass eine Vollzeitfrauenbeauftragte plus Stellvertretung und Halbtagssekretärin für 1.000 Beschäftigte und 4.000 Studentinnen zuständig sein kann, wird einem sofort klar, dass das einfach eine zu geringe personelle Ausstattung ist. Das kann zu nichts anderem als zu hoffnungsloser Überlastung führen.

Eine Hochschulfrauenbeauftragte hat mir Folgendes gemailt – ich möchte zitieren –:

Fast alle meine Kolleginnen denken regelmäßig über den Ausstieg nach, weil sie so heillos überlastet sind – übrigens ist dieser Job mit Familie so gut wie gar nicht vereinbar.

Das kann es doch nicht sein. Wir schaffen explizit eine Stelle für Frauen, die dann sagen müssen: Das kriege ich mit meiner Familie nicht mehr unter einen Hut.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich abschließend zwei Bemerkungen machen. Erstens. Von „gleichberechtigter Teilhabe“, die in dem Gesetzentwurf gefordert wird, sind die Frauen in diesem Land weit entfernt. Das gilt innerhalb des öffentlichen Dienstes, aber außerhalb sogar noch mehr. SPD und GRÜNE haben die Möglichkeiten zu prekärer Beschäftigung und zur Ausweitung der Minijobs geschaffen und erleichtert. Sie haben die Förderung und Ausweitung des Niedriglohnbereichs betrieben. Es steht völlig außer Frage, dass die Leidtragenden dieser Politik vor allem die Frauen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Ich vermute, wir sind uns darin einig, dass wir uns eine Welt wünschen, in der Frauenbeauftragte und Gleichberechtigungsgesetz überflüssig sind. Um einer solchen Welt näherzukommen, müssen die Bedingungen bekämpft werden, die eine gleiche Teilhabe der Frauen unmöglich machen.

Um einer solchen Welt näherzukommen, muss aber auch der Geist bekämpft werden, der der Gleichberechtigung und der gleichen Teilhabe der Frauen im Weg steht. Dieser Geist manifestiert sich eben auch in dem immer wieder auch an anderer Stelle anzutreffenden Gerede vom „Gedöns“. Dafür hat sich Gerhard Schröder übrigens erst Jahre später und bestenfalls halbherzig entschuldigt.

Seit der Agenda-Politik erwartet von der SPD und den GRÜNEN niemand, dass sich diese ernsthaft und mit aller Kraft für sozialen Ausgleich und gleiche Teilhabe einsetzen. Die derzeitigen Führungsfiguren Steinbrück und Steinmeier waren an der Agenda-Politik maßgeblich beteiligt.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Das mache ich sofort. – Gerhard Schröder wurde erst Anfang März dieses Jahres von der SPD-Bundestagsfraktion nach Berlin eingeladen. Er wurde von ihr begeistert gefeiert. Andrea Nahles hat wenige Tage zuvor die Agenda 2010 dafür gelobt, dass diese Deutschland vorangebracht hätte. Da muss es jeder Frau eigentlich angst und bange werden, wie es wohl nach der Wahl mit der Verbesserung der Gleichberechtigung und der gleichen Teilhabe aussehen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Schott, vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Rock. – Bitte schön.

(Günter Rudolph (SPD): Der frauenpolitische Sprecher!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin über die Intensität der Debatte ein bisschen überrascht. Denn bei den frauenpolitischen Themen sollten wir vom Grundsatz her eigentlich nicht so weit auseinanderliegen. Ich habe bei meinen Vorrednerinnen doch den einen oder anderen Schwerpunkt ausmachen können.

Ich möchte für mich noch einmal Folgendes klarstellen: Wenn ich mir die Situation hinsichtlich der Gesetze ansehe, bin ich an dem Punkt, dass ich davon sprechen kann, dass die gleichen gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen worden sind. Ich glaube, das wird niemand bestreiten wollen. Vielmehr geht es darum, gerechte Chancen zu schaffen, die die Unterschiedlichkeit der Menschen und die Unterschiedlichkeit der Lebenssituationen stärker in den Fokus nehmen. Es geht uns darum, dass man bei den jeweiligen Menschen die individuelle Lebenssituation in den Familien und die Frage nach den Chancen ins Auge fasst.

Nur so ist das natürlich zu erklären. Da wir die rechtliche Situation gleichgestellt haben, brauchen wir darüber hinaus natürlich immer noch Instrumente, um tatsächlich gerechte Chancen zu etablieren, die es – ich glaube, da sind wir uns einig – so in der Umsetzung noch nicht gibt.

Da sollten wir doch zueinanderfinden. Das ist für uns das Ziel, das wir bei der Gleichstellungspolitik verfolgen sollten.

Ich glaube, die Debatte über die Frage, wo rechtliche Benachteiligung besteht, ist erledigt. Vielmehr geht es um die Gerechtigkeit und die Frage nach den Chancen. Da ist zu fragen: Was würde der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion als Gesetz dazu beitragen?

Von meinen Vorrednerinnen wurde sehr ausführlich zu mehr allgemeinpolitischen Fragen Stellung genommen. Sie haben sich mit der Zusammensetzung meiner Fraktion und dem Status der Mitglieder meiner Partei auseinandergesetzt. Ich weiß zwar nicht, was das mit dem Gesetz zu tun hat. Aber das werden Sie für sich sicherlich irgendwann einmal klären können. Ich finde, das trägt nicht zu einer sachlichen Debatte bei. Aber das müssen Sie sich natürlich selbst fragen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, dass es sehr wohl sehr gute Argumente gibt, hinsichtlich der Frage der Gleichstellung das Instrument der Quote abzulehnen. Das Instrument der Quote schadet dieser Debatte mehr, als dass es nutzt. Das ist meine Überzeugung und die Überzeugung meiner Partei. Ich glaube, dass es viele Menschen und auch viele Frauen in unserem Land gibt, die das genauso sehen. Das verbissene Festhalten an diesem Thema schadet der Debatte. So empfinde zumindest ich das.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Ich glaube auch nicht, dass Sie mit solchen Debatten dem Respekt vor der Leistung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich Rechnung tragen.

Sie haben recht: Das in Hessen geltende Gesetz haben wir seit Langem nicht novelliert. Diese Aufgabe werden wir uns vornehmen. Natürlich werden wir Ihren Gesetzentwurf jetzt unter die Lupe nehmen und eine Anhörung durchführen. Ich habe mir erlaubt, einiges in Ihrem Gesetzentwurf schon intensiv anzuschauen.

Ich möchte auf Frau Gnadl zurückkommen. Sie hat hier einen Chart hochgehalten. Das ist immer ein bisschen ungerecht, denn ein solcher Gleichstellungsatlas hat 20, 25 oder 30 Indikatoren – und daraus wählt man einen einzigen aus und hält ihn hoch. Stattdessen hätte man auch den Chart „Professorinnen in Hessen“ nehmen können. Da hätte Hessen als Flächenland ganz vorne gestanden und einen tollen Status gehabt.

Das ist keine seriöse Art der Argumentation. Wenn man das vorher vereinbart, dann hält jeder hier ein Bild hoch, in dem sich die Statistik so abbildet, wie er es gerne hätte. Ich meine, man sollte mit dem Thema ein bisschen gerechter umgehen und es akzeptieren, dass die Frauenbeauftragten in Hessen keinen so schlechten Job gemacht haben. Das sollte man hier anerkennen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Holger Bellino (CDU))

Aber nochmals zu dem Gesetzentwurf selbst. Wer diesen Gesetzentwurf durchliest, wird schon nach den ersten Seiten ins Stocken geraten. Denn Sie dehnen den Geltungsbereich aus und wollen ihn auf Organisationen und Institutionen ausweiten, die Fördermittel des Landes erhalten. Sie fassen also den Geltungsbereich massiv ins Auge. Das halte ich für hoch problematisch: Wie soll die Umsetzung funktionieren?

Sie wollen eine ganz schwierige Materie gesetzlich regeln. Mir als Nichtjuristen drängt sich da sofort die Überlegung auf – und das wird wahrscheinlich auch die Anhörung zeigen –, dass Sie Gefahr laufen, ein Beschäftigungsprogramm für Anwälte loszutreten. Vor allem diese Gefahr sehe ich in diesem Gesetzentwurf. Denn Sie wollen sehr stark reglementieren. Sie prägen sehr umfänglich Begriffe, die dann juristisch geklärt werden müssen. In Einrichtungen und Behörden des Landes und der Kommunen, oder wo auch immer diese Regelungen Anwendung finden werden, werden Sie sehr viel Energie dafür binden. Aber hilft das zielgerichtet einer Gleichstellung weiter?

Ich habe mir die Mühe gemacht, deutschlandweit die entsprechenden Gesetze anzuschauen. Eines muss man natürlich sagen: Der Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, hat hinsichtlich der Größe des umfassten Bereichs ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Das will ich Ihnen zugestehen. Ob Sie aber tatsächlich dort ankommen, wo Sie hinwollen, ob Sie nämlich tatsächlich irgendetwas Positives für die Gleichstellung erreichen, das halte ich für zweifelhaft. Sie legen einen sehr starken Fokus auf den Konflikt, auf die konfrontative Auseinandersetzung. Sie konzentrieren sich auf die rechtliche Seite der Auseinandersetzung. Mir scheint, dort haben Sie sich sehr verrannt.

Aber wir werden die Anhörung abwarten. Wir werden uns die Stellungnahmen der Fachleute durchlesen und anhören. Ich glaube, das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf initiieren wollen, schießt weit über das Ziel hinaus. In keinem anderen Bundesland gibt es etwas Vergleichbares in dieser Regelungs- und Konfliktsetzungswut – wie man das fast nennen kann –, das sich in einem solchen Gesetz abbildet. Das ist auch überhaupt nicht geeignet, die Auseinandersetzungskultur im Land Hessen darzustellen. Ich war wirklich sehr überrascht, das bei Ihnen so zu lesen, in solchen Details. Nach meinem Eindruck kann ich nur sagen – ohne dass ich mich intensiv in jede einzelne Zeile hineinarbeiten konnte –: Mit diesem Gesetzentwurf schießen Sie über Ihre Ziele hinaus. Damit werden Sie der Gleichstellung in Hes

sen keinen wirklichen Gefallen tun, sondern Sie werden damit Konflikte und Auseinandersetzungen fördern und Gräben aufreißen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Das sind alles Dinge, die wir nicht wollen. Wir wollen das lieber politisch anders regeln. Darum wird dieser Gesetzentwurf von unserer Seite sehr kritisch begleitet werden. Wir werden die Anhörung abwarten und uns danach ein umfassendes Bild machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)