Protocol of the Session on March 20, 2013

Beide Gesetze wurden erst vor kurzer Zeit geändert. Herr Greilich, warum hat man das nicht gleich mit behandelt?

(Minister Boris Rhein: Das steht doch in der Be- gründung! Oh Gott!)

Ja. Aber die Erklärung, die hier abgegeben wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Es ist Juristendeutsch, was wir hier gehört haben. Ich glaube, wir sollten durchaus andere Ansprüche an die Abgeordneten und an die Diskussion stellen.

Es heißt, man reagiere auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom Anfang des Jahres 2012. Die letzte von CDU und FDP durchgedrückte Gesetzesänderung fand aber erst im Dezember 2012 statt. Da konnte es Ihnen wegen der NSU-Debatte und der Verstrickung der Geheimdienste gar nicht schnell genug mit dem Geheimdienstgesetz gehen. Seine Geltungsdauer wurde dann verlängert. Aber nach nur drei Monaten müssen wir jetzt wieder ran, um eine über ein Jahr alte Rechtsprechung umzusetzen. Das verstehe ich nicht. Das wirkt konfus.

Zweitens. In dem vorliegenden Gesetzentwurf stehen zwei Platzhalter. Im laufenden Verfahren soll offenbar der Bezug auf ein Bundesgesetz eingefügt werden, das sich auch noch im Gesetzgebungsverfahren befindet. Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass in einem Gesetzentwurf Platzhalter stehen. Ich bin gespannt darauf, wie die Gesetzgebungsverfahren von Bund und Land formal und inhaltlich verzahnt werden sollen; denn man kann nur schlecht auf ein Gesetz verweisen, das es noch gar nicht gibt und das man daher auch nicht beurteilen kann. Darauf bin ich gespannt. Das müssen wir sehen.

Drittens. Eigentlich wird in Hessen jedem Gesetzentwurf ein Vorblatt vorangestellt, in dem, wie es in § 108 unserer Geschäftsordnung heißt, „in knapper Fassung die zu lösende Problemlage, die Grundzüge der vorgeschlagenen Lösung und die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen“ enthalten sein sollen. Diese wichtigen Vorbemerkungen fehlen hier. Ich frage mich, warum das so ist.

Ich frage mich auch, warum ein solcher Gesetzentwurf nicht, wie üblich, durch die Landesregierung eingebracht wird. Herr Innenminister, warum solche Eile? Warum solche Schludrigkeit? Was soll hier verborgen werden?

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Hat die Landesregierung etwas übersehen, z. B. dass die Übergangsregelung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon zum 30. Juni dieses Jahres ausläuft? Da es um Änderungen der Telekommunikationsüberwachung, also beim Zugriff von Polizei und Geheimdienst auf persönliche, sensible und schützenswerte Daten hessischer Bürgerinnen und Bürger, geht, werden wir sehr genau hinschauen und nachfragen. Sollen hier lediglich unproblematische Anpassungen an die aktuelle Rechtsprechung vorgenommen werden, oder handelt es sich um einen weiteren Schritt zum gläsernen Bürger? Das sind wichtige Fragen, die es in einer Sachverständigenanhörung zu klären gilt.

Ein Gesetzentwurf, in dem an zwei entscheidenden Stellen inhaltliche Bezüge zu einem noch nicht verabschiedeten Bundesgesetz hergestellt werden, ist für uns nicht zustimmungsfähig. Das Gleiche gilt, wenn sich herausstellen sollte, dass damit ein fortschreitender Abbau von Bürgerrechten auf dem Weg zum gläsernen Bürger beabsichtigt ist. Da werden wir im Ausschuss genau hinschauen. Herr Greilich, an dem, was Sie hier sagen, habe ich grundsätzlich erhebliche Zweifel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als Nächste hat sich Frau Kollegin Faeser von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir nach der Bemerkung von Herrn Stephan vorhin in der Tat überlegt, ob ich zur Windkraft reden soll; denn das, was er zur Windkraft gesagt hat, hatte, glaube ich, etwas mit der inneren Sicherheit zu tun. Aber ich werde darauf verzichten und sachlich über den Gesetzentwurf sprechen.

Herr Greilich und Herr Schaus haben es schon gesagt: Es wäre hilfreich gewesen, wenn Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2012 gelesen hätten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE), ein Papier hochhaltend: Hier ist es!)

Dann hätten Sie nämlich gewusst, warum dieser Gesetzentwurf heute vorgelegt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr präzise Vorgaben gemacht: Wenn solche manuellen Auskunftsverfahren nach dem Telekommunikationsgesetz durchgeführt werden und die Auskünfte erteilt werden sollen, sind auch die Fachgesetze in den Ländern zu ändern, und zwar bis zum 30. Juni. Dann hätte man fast eher fragen können, warum erst jetzt, und nicht umgekehrt. Das hätten Sie allerdings im Urteil lesen können.

(Beifall des Abg. Daniel Mack (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das habe ich gefragt, wieso erst jetzt!)

Das Gericht hat zum einen die Abfragen von Auskünften über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse, wie Herr Greilich schon erwähnt hat, und zum anderen das Auslesen von Daten als verfassungswidrig eingeordnet, sodass diese Umsetzung jetzt erfolgen muss. Es war zum einen ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und zum anderen ein Eingriff in Art. 10 Grundgesetz. Deshalb muss der Gesetzgeber bei der Einrichtung eines Auskunftsverfahrens Rechtsgrundlagen sowohl für die Übermittlung als auch für den Abruf der Daten schaffen. Insbesondere sollte klarer und konkreter geregelt werden, wie und in welcher Form die Unternehmen Bestandsdaten an die Behörden weitergeben müssen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat Auswirkungen auf die Bestandsdatenauskunft, d. h. die Auskunft über Namen und Anschrift der Anschlussinhaber, zugeteilte Rufnummern und andere Anschlusskennungen. Dies werten wir als unverzichtbares Ermittlungselement in

der Strafverfolgung für die Sicherheitsbehörden. Deswegen halten wir die Änderung auch für erforderlich.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Schaus, genau deshalb gibt es Handlungsbedarf, zum einen bei der Datenermittlung, der sogenannten ersten Tür, wie es auch im Gesetzentwurf steht, und zum anderen im Hinblick auf eine Abrufnorm, die sogenannte zweite Tür. Das heißt, es gibt zwei Arbeitsaufträge. Der eine Arbeitsauftrag liegt in der Tat beim Bund; denn die Datenermittlung ist im Telekommunikationsrecht des Bundes zu regeln. Der Bundesgesetzgeber befindet sich derzeit in der Beratung und hat just heute im Innenausschuss des Deutschen Bundestages mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD die Novellierung der Bestandsdatenauskunft geregelt. Insofern ist es ein schöner Anlass, dass wir heute, also am gleichen Tag, darüber reden, an dem auch der Innenausschuss des Bundestages darüber geredet hat.

Künftig sollen im Telekommunikationsgesetz aber nur noch die datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis für die Telekommunikationsanbieter sowie die Verfahrensregeln geregelt werden. Die eigentlichen Erhebungsbefugnisse sind nach Abfragezweck spezifisch in den Spezialgesetzen der Strafverfolgungsbehörden zu regeln.

Die SPD hat – darauf sind wir stolz – in einem Änderungsantrag mit CDU und FDP erreicht, dass zukünftig der heimliche Zugriff auf Daten unter dem Richtervorbehalt steht – das ist etwas mehr rechtsstaatliche Kontrolle – und dass die Benachrichtigungspflicht geregelt wird. Ich glaube, das sind zwei gute Dinge, wenn es um sehr sensible Daten geht, dass man dann einen Richtervorbehalt und auch die Benachrichtigungspflicht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Greilich, ich darf das sagen: Es ist erfreulich, dass Sie an der Stelle anscheinend für die Sicherheitsbehörden mit entscheiden, weil wir bis heute ein rechtskonformes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vermissen. Insofern ist die FDP auf Bundesebene offensichtlich in diesem Bereich nicht handlungsfähig.

Die Schaffung der Norm für den Abruf der Daten richtet sich nach den Fachgesetzen in den Bundesländern, deren Änderung wir heute in erster Lesung beraten. Herr Greilich hat es gesagt: Es ist zum einen eine Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es ist in der Tat richtig, wenn man regelt, wie Polizeibehörden auf die Telekommunikationsdaten Zugriff haben sollen, dass man dann auch Schranken einzieht. Da ist es sicherlich gut, wenn auch von „gegenwärtiger erheblicher Gefahr“ die Rede ist, dass das als Hürde für den Eingriff gewertet wird. Auch das sehen wir bislang positiv. Wir werden sehen, wie sich das in der Anhörung entwickelt. Aber das scheint ein guter Ansatz zu sein.

Im Gesetzentwurf für das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz sind die Eingriffsbefugnisse ähnlich geregelt. Auch da werden wir die Anhörung abwarten.

Meine Damen und Herren, ich will es aber nicht versäumen, am Ende noch darauf hinzuweisen: Da wir heute das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz ändern, wäre es eigentlich eine gute Idee gewesen, das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz heute umfangreicher zu regeln und zu novellieren. Denn ich glaube, da haben wir noch sehr viel zu tun. Da will ich Nordrhein-Westfalen

als Vorbild nennen. Herr Innenminister Jäger hat vor wenigen Tagen, auch um diese Fragen mit zu regeln, einen umfassenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegt.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Ich komme zum Schluss. – Er hat ein transparentes und modernes Gesetz vorgelegt, um den Verfassungsschutz besser zu kontrollieren. Er hat auch gesetzliche Regelungen für V-Leute eingeführt. Ich denke, das wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Da ist leider eine Chance verpasst worden. Meine Damen und Herren, da haben wir noch Hausaufgaben im Hessischen Landtag zu erledigen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Frömmrich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen sind in weiten Teilen schon auf das eingegangen, was das Problem an diesem Gesetzentwurf ist. Ich will an ein paar Punkten deutlich machen, wo auch wir das als problematisch empfinden. Notwendig geworden – Frau Kollegin Faeser hat es gerade gesagt – sind diese beiden Gesetzesänderungen, weil das Bundesverfassungsgericht dazu geurteilt und Regelungen des Telekommunikationsgesetzes aufgehoben hat. Es müssen Regelungen getroffen werden, wer auskunftspflichtig und wer auskunftsberechtigt ist. Das soll mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nachvollzogen werden, auf der einen Seite das HSOG und auf der anderen Seite das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz zu ändern. – So weit, so gut.

Ich finde zwei Dinge in dem Gesetzgebungsverfahren merkwürdig. Herr Kollege Greilich, es ist mir noch nicht so oft vorgekommen, dass wir uns im Hessischen Landtag mit einem Gesetzentwurf befassen, der sich auf einen Gesetzentwurf bezieht, der sich im Deutschen Bundestag noch in der Beratung befindet. Das ist ein Vorgang, den ich schon sehr einmalig finde. Das habe ich hier noch nicht erlebt. Sie fügen Fußzeilen ein und sagen: Der Text kann erst eingefügt werden, wenn der Deutsche Bundestag abschließend beraten hat. – Der Bundestag hat erst in erster Lesung über den Gesetzentwurf beraten. Die Beratung ist gerade im Innenausschuss des Bundestages. Meines Wissens liegen zu dem Sachverhalt sogar Änderungsanträge von SPD und CDU vor. Ich halte es schon für äußerst grenzwertig, dass wir uns mit so einem Gesetzentwurf befassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Zweiter Punkt. Bei einer so komplexen und schwierigen Regelungsmaterie, wie alle vorher gesagt haben, hätte ich

mir gewünscht – wenn er schon im Ministerium auf Halde lag, weil spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar war, dass da etwas passieren muss –, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf einbringt, um die fachliche Anhörung der Verbände und der sonstigen Institutionen in dem Gesetzgebungsverfahren zu ermöglichen. Das hat nicht stattgefunden. Das wird von unserer Fraktion ausdrücklich kritisiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es ist klar, dass die Zeit bis zum 30. Juni kurz ist. – Ich habe schon wieder einen gelben Tinnitus im Ohr. Ich weiß auch nicht, irgendjemand muss hier mal ins gelbe Bällchenbad. Aber das werden wir vielleicht auch noch geregelt bekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Es ist klar, dass die Änderungen bis zum 30. Juni beschlossen werden müssen. Trotzdem hätte uns eine Regierungsanhörung an dem einen oder anderen Punkt vielleicht Klarheit gebracht.

Die Problematik, um die es hier geht, was die Bestandsdaten angeht: Die Bestandsdaten sind zurzeit nur die Adresse der Teilnehmer, mehr nicht.

(Unruhe)

Herr Kollege, bitte einen kleinen Moment. Ich finde, auf der rechten Seite wird es sehr laut. Bitte seien Sie etwas ruhiger. – Herr Kollege, das geht nicht von Ihrer Zeit ab. Bitte schön.

Demnächst sollen bei Bestandsdatenauskünften auch sogenannte PINs und PUKs einbezogen werden. Das ist, um es freundlich auszudrücken, mindestens bedenklich. Eigentlich sind Bestandsdaten im Unterschied zu Verbindungsoder Verkehrsdaten nur solche Informationen wie der Name des Anschlussinhabers, seine Telefonnummer oder die Adresse, nicht aber Informationen wie Gesprächspartner, Aufenthaltsorte oder gar Gesprächsinhalte. Meine Damen und Herren, noch einmal: Das ist sehr bedenklich, zumal die Frage der IP-Adresse einbezogen wird.

In der Randnummer 116 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts heißt es:

[Jedoch fällt die] … identifizierende Zuordnung dynamischer IP-Adressen … in den Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz.

Das heißt, hier geht es um schwere Grundrechtseingriffe. Da hätte ich mir eine bessere Vorbereitung und eine grundständigere Debatte gewünscht.