Protocol of the Session on March 20, 2013

(Nancy Faeser (SPD): Herr Schaus, was haben Sie denn vorgelegt? – Gegenruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat jedenfalls nichts Substanzielles gemacht!)

CDU und FDP halten dann dumpf dagegen – auch das haben wir heute erlebt –: Probleme gebe es gar nicht, und die Opposition wolle die gute Arbeit der Polizei nur diffamieren und diskreditieren. – Herr Greilich, Herr Bauer, ich frage Sie: Wer soll denn daran Interesse haben? Glauben Sie wirklich, was Sie da sagen? – Meine Damen und Herren, berichtet die Presse aber nicht mehr, dann war es das wieder, bis zum nächsten Mal.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Substanziell haben Sie nie etwas gemacht!)

Das ist das Ritual, das ich seit Jahren erlebe. Die Diskussionen über Probleme innerhalb und mit der Polizei wabern so seit Jahren zwischen den Fronten hin und her. Das bringt uns in der Sache aber kein Stück weiter.

Vor drei Jahren habe ich die massiven Vorwürfe über Mobbing und schwarze Listen innerhalb der Polizei thema

tisiert. Als LINKE haben wir seinerzeit schon einen Ombudsmann nach skandinavischem Vorbild vorgeschlagen, also eine unabhängige Stelle, bei der man sich melden kann, damit Vorwürfen über rechtswidriges Verhalten in der Polizei nachgegangen werden kann. Ähnliches gibt es auch in Großbritannien und Irland; und das gab es sogar einmal in Hamburg, habe ich mir sagen lassen.

Die strukturellen Probleme in der Polizei schienen sehr gravierend zu sein, also haben wir das für Hessen vorgeschlagen,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben sich drangehängt!)

eine Stelle sowohl für Polizistinnen und Polizisten, die interne Probleme belasten, als auch für Bürgerinnen und Bürger, die sich zu Unrecht behandelt fühlen. Eine solche Stelle fordert seit Jahren aus gutem Grund auch Amnesty International.

Wer mit oder innerhalb der Polizei Probleme hat, kann schlecht zur Polizei gehen, um das zu melden. Der Strafrechtler Tobias Singelnstein von der Freien Universität Berlin, der sich seit vielen Jahren wissenschaftlich damit beschäftigt, konstatiert ein logisches und systematisches Problem. Viele Anzeigen werden überhaupt nicht aufgegeben, weil es kein Vertrauen gibt, dass Polizisten gegen Polizisten ermitteln, sagt er. Viele Anzeigen kämen wahrscheinlich zu keinem Ergebnis, weil Polizisten gegen Polizisten ermitteln. Man dürfe da nicht pauschalieren

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Herr Minister, ich zitiere nur; Sie müssen schon zuhören –, aber die Struktur und der Alltag würden derlei zweifellos begünstigen.

Nach jüngsten Vorfällen und der öffentlichen Debatte über Polizeigewalt sagte Singelnstein in einem Interview am 7. Februar in der „Süddeutschen Zeitung“ – Zitat, Herr Minister –:

(Minister Boris Rhein: Ja, ja!)

Das Wichtigste scheint mir zunächst einmal zu sein, dass das Problem ernst genommen und als solches anerkannt wird – und nicht als Ausrutscher einzelner schwarzer Schafe abgetan wird. Nach dem Motto: Wir-machen-doch-alles-richtig. Hier ist insbesondere bei der Polizei, aber auch in erheblichen Teilen von Politik und Verwaltungen noch viel zu tun.

An anderer Stelle sagt er:

Nach wie vor ermitteln hier ja Polizisten gegen Kollegen. Wichtiger wäre, dass da jemand von außen draufschaut, der wirklich unabhängig ist.

(Minister Boris Rhein: Das macht der Innenminis- ter!)

Sind Sie „wirklich unabhängig“?

(Minister Boris Rhein: Aber hallo!)

Wem wollen Sie denn das erzählen? – Herr Minister, nur jemand, der die Hose mit der Beißzange anzieht, würde das glauben, und der wahrscheinlich noch nicht einmal.

Herr Staatsminister Rhein, nicht von der Regierungsbank dazwischenrufen, bitte.

Es gebe ein bis zwei Mobbingfälle, sagte seinerzeit der Innenminister, und die würden aufgebauscht, um die Polizei zu diskreditieren. Eines der beiden Mobbingopfer wäre sogar selbst schuld, haben Sie damals gesagt. Als der öffentliche Druck zunahm – Herr Greilich, das war es nämlich –, wurde eiligst ein Polizeibeauftragter eingesetzt. Dieser schreibt in seiner Mail vom 20. Dezember 2012 – Zitat –:

Nachdem uns seit meiner Berufung nunmehr ca. 400 Beschäftigte kontaktiert haben, erscheint diese Einrichtung … sicherlich sinnvoll.

(Nancy Faeser (SPD): Hört, hört!)

Es waren also viel mehr als ein oder zwei aufgebauschte, selbst verschuldete Fälle. Das steht schon einmal fest. Ich frage: Wie kamen Sie nur zu so einer Fehleinschätzung, Herr Minister? Wie kamen Sie zu so einer Fehleinschätzung, meine Damen und Herren von CDU und FDP? – Ich sage es Ihnen: Rituale statt Problemlösungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und SPD und GRÜNE? – Sie wollten vor drei Jahren in einer großen Anhörung über Gewalt in Hessen über sämtliche Ursachen und Formen von Gewalt sprechen, nur nicht über Polizeigewalt. Das wäre kein Thema, waren Sie damals mit CDU und FDP noch einig. Nachdem Ende 2012 die Presse über mehrere Fälle von Polizeigewalt in Hessen berichtete, haben wir eine Anhörung im Landtag vorgeschlagen, die Sie mit Stimmenthaltung und Ablehnung von CDU und FDP quittierten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Sie wollen einen Landespolizeibeauftragten, aber es gibt schon einen Landespolizeibeauftragten. Insofern muss geklärt werden, inwieweit diese beiden Funktionen bestehen bleiben, ausgeweitet oder zusammengeführt werden sollen. Wir wollen, und wir brauchen eine unabhängige Stelle, die materiell und rechtlich vernünftig ausgestattet ist und die wie in anderen Ländern Probleme aus der Polizei wie innerhalb der Polizei sachlich, neutral und kompetent aufarbeitet. Lassen Sie es uns also richtig machen.

Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als nächster Redner spricht Herr Staatsminister Rhein. Bitte schön, Sie haben jetzt das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht darf ich drei Dinge vor die Klammer ziehen: Erstens. Die hessische Polizei braucht keinen Landespolizeibeauftragten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben Sie schon einmal gesagt!)

Zweitens. Das ist – Wolfgang Greilich hat darauf hingewiesen – wirklich alter Wein in teilerneuerten Schläuchen. Das macht es aber nicht besser. Nach 2010 befassen wir uns jetzt wiederholt mit der Einrichtung eines solchen Beauftragten, zugegebenermaßen in Form eines in wenigen, in wirklich nur ganz marginalen Teilen erneuerten Gesetzentwurfs.

Drittens. SPD und GRÜNE – das will ich sehr deutlich sagen – legen diesem Gesetzentwurf eine Problembeschreibung zugrunde, die ich für die hessische Polizei definitiv so nicht stehen lassen kann. Ich kann sie deswegen nicht stehen lassen, weil sie den alten Geist des rot-grünen Misstrauens gegenüber all dem atmet, was mit Polizei zu tun hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist ein Misstrauen, verehrte Frau Faeser, das die hessische Polizei wirklich nicht verdient hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Nancy Faeser (SPD): So, das hat sie nicht verdient?)

Sie leugnen das; Sie schütteln den Kopf.

Ich will dann einmal aus Ihrem Gesetzentwurf bzw. aus der Problembeschreibung zitieren. Sie zeichnen das Bild einer Polizei, bei der es keine Möglichkeiten gebe, sich über polizeiliches Fehlverhalten zu beschweren. Das behaupten Sie hier einfach.

(Zuruf von der FDP: Und das ist einfach Quatsch!)

Sie behaupten weiter, es sei eine Polizei, bei der persönliche Verantwortung einzelner Polizeibeamter nicht zugeordnet werden könne. Das steht hier und ist ein ungeheuerlicher Vorwurf.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Nancy Faeser (SPD))

Drittens zeichnen Sie das Bild von einer Polizei, bei der es nicht bereinigte Konflikte zwischen Bürger und Staat gibt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Etwas weniger Theater, Herr Minister!)

Viertens zeichnen Sie das Bild einer Polizei, bei der – ich beziehe mich wieder auf die Problembeschreibung – aufgrund besonderer hierarchischer Strukturen der Polizei Menschenwürde und Meinungsfreiheit in unrechtmäßiger Art und Weise eingeschränkt würden. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind ungeheuerliche Vorwürfe, die in diesem Gesetzentwurf gegenüber der hessischen Polizei erhoben werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage es noch einmal: Das ist der alte Geist des linken Misstrauens gegenüber der Polizei. Das hat mit der Realität im Lande Hessen aber nicht das Geringste zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Wissen Sie, was die hessischen Polizistinnen und Polizisten brauchen? Das ist nicht ein Generalverdacht, unter den Sie sie stellen. Das ist nicht irgendein Misstrauensbeauftragter, bei dem man seine Denunziationen abladen kann.