Protocol of the Session on February 28, 2013

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich!)

Langsam. Herr Rudolph, ich kenne die Funktionen des parlamentarischen Geschäftsführers. Aber manchmal ist es klug, einen kleinen Moment zu warten. Ich zitiere gleich etwas.

(Günter Rudolph (SPD): Wir wissen, was wir geschrieben haben!)

Dann kommen Sie zu dem sagenhaften Ergebnis – Sie haben das in Ihrer Rede sogar wiederholt –:

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich!)

Wenn es dabei geblieben wäre – bei Ihrer damaligen Entscheidung –, dann wäre am 18. März 2011 Biblis stillgelegt gewesen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich!)

Herr Al-Wazir, Sie wissen genau, dass das die Unwahrheit ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum?)

Ich lasse Ihnen eines nicht durchgehen. – Warum, kann ich Ihnen sagen, damit Sie es wenigstens heute richtig aufnehmen.

(Norbert Schmitt (SPD): Dann lesen Sie vor!)

Ein Gegenstand Ihres damaligen Kompromisses mit der Atomwirtschaft war unter anderem die Möglichkeit, Reststrommengen von einem Meiler auf einen anderen zu übertragen.

(Norbert Schmitt (SPD): Nicht auf A!)

Genau das haben Sie zugesagt, das haben Sie zugelassen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das hat RWE gemacht. Genau das hat dazu geführt, dass – ohne irgendeine Änderung und völlig unabhängig von dem, was Rot und Grün bzw. CDU/CSU und FDP später im Bundestag beschlossen haben, allein auf der Grundlage des rot-grünen Beschlusses aus dem Jahr 2000 oder 2001, wann auch immer – Biblis zu diesem Zeitpunkt noch gelaufen wäre; denn RWE hat immer erklärt, dass es die Reststrommengenverlagerung nutzen werde.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Als das Unglück geschah, ist dieses Kraftwerk nicht gelaufen, weil es irgendeinen Rücknahmebeschluss gab, sondern es ist auf der Rechtsgrundlage gelaufen, die Sie seinerzeit ermöglicht haben. Genau das muss man einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wie so vieles wird hier immer nur in Teilen das zitiert, was Ihnen gerade passt.

Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch etwas hinzu. RWE hat seinerzeit keine Anfechtungsklage erhoben. Sie, Herr Al-Wazir, haben gefragt: Wie habt ihr denn die Interessen abgewogen? – Ich kann mich sehr gut erinnern. Wenn ich mich recht erinnere, bin ich der Einzige, der bei diesen Verhandlungen dabei gewesen ist, jedenfalls hier. Deshalb darf ich Ihnen auch versichern, welche rechtliche Bewertung wir vorgenommen haben.

Ich habe Ihnen am Anfang gesagt: Grundlage Atomgesetz, Grundlage die Prüfung, ob die Sicherheit für die Anlage und damit für die Bevölkerung noch gegeben ist. Das halte ich nach wie vor für richtig. Wenn jemand etwas anderes vertritt, dann mag er das sagen. Deshalb gab es überhaupt keine andere Möglichkeit, als diesem Prüfungsauftrag Rechnung zu tragen. Deshalb war auch durch das zuständige Ministerium die entsprechende Verfügung zu erlassen.

Es war von Anfang an streitig; das ist doch nicht unbekannt. Herr Al-Wazir, der Bund hat keine formelle Weisung erteilt.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Darüber streiten wir nicht.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt kommt der zweite Satz: Der Bund hat seine Sachkompetenz ausgeübt. Diese Sachkompetenz hat der Bund in zulässiger Weise ohne formelle Weisung auszuüben. Er hat aber materiell sozusagen den Hut auf, wenn Bund und Länder in der Sache einig waren.

(Norbert Schmitt (SPD): Hat der Bund RWE untersagt?)

Genau so war das hier. Wir verstecken uns nicht hinter dem Bund.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie, wenn Sie in der Sache nicht weiterkommen, versuchen Sie zu lachen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU: So ist es! Richtig!)

Was ist denn richtig? Für Sie zum Mitschreiben, weil wir das ja heute wahrscheinlich nicht zum letzten Mal machen. Für Sie noch einmal zum Mitschreiben, damit Sie wissen: Es gibt die förmliche Weisung. Eine solche hat Rot-Grün regelmäßig durch die Bundesregierung in Hessen erhalten. Damit sie nicht permanent rechtswidrig arbeiten, haben sie immer formelle Weisungen bekommen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über Rechtswidrigkeit dürfen Sie heute nicht reden, Herr Ministerpräsident! In Rechtswidrigkeit sind Sie Experte!)

Es bedarf aber keiner formellen Weisung, wenn Sie, meine Damen und Herren, die Sachkompetenz ausüben, wie das übrigens auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Sie über Rechtswidrigkeit reden!)

Deshalb gibt es keine Zweifel: Bund und Länder haben hier gemeinsam gehandelt. Die Vorgaben hat der Bund erteilt. Herr Al-Wazir, es kann keinen Zweifel geben, dass für allfällige Folgen der Bund verantwortlich ist – damit das auch klar ist.

(Zurufe der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Sabine Waschke (SPD))

Ich habe diese Frage in der ersten Begegnung erörtert und klargestellt. Das ist meine Verantwortung. Da geht es nicht um die Frage, ob man unter Parteifreunden zusammensitzt. Das unterscheidet uns vielleicht gelegentlich.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr gut!)

Ich habe an vielen Stellen gesagt: Erst kommt das Land und dann die Partei. – Genau so machen wir das.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Und weil das alles so ist, gibt es keinerlei Anlass, dass Frau Kollegin Puttrich, die sehr sorgfältig in der Verantwortung für die Sicherheit der Menschen gehandelt hat, sich unwidersprochen diese Vorwürfe anhören muss, und es gibt schon gar keine Veranlassung, dass Frau Puttrich hier die von Ihnen gewünschte Konsequenz zieht. Frau Puttrich genießt das vollste Vertrauen von mir und auch der gesamten Landesregierung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, könnte man am Ende vielleicht auf folgende Gemeinsamkeit kommen: Wenn die kurzfristige oppositionelle Freude über Probleme einmal verklungen ist,

(Janine Wissler (DIE LINKE): „Freude“! – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Wer hat denn hier Freude?)

dann könnte man sich vielleicht darauf verständigen, dass doch niemand Freude daran haben kann, dass gegebenenfalls eine Folge eintritt, die niemand von uns möchte. Wenn eine Regierung so gehandelt hat, wie alle, die hier sitzen und draußen waren, es ausdrücklich wollten,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eben nicht!)

ist das kein Anlass für Häme. Das ist kein Anlass für Beleidigung, und es ist schon gar kein Anlass, dass wir uns hier heute von Ihnen unwidersprochen beschimpfen lassen.

(Günter Rudolph (SPD): Wir wollten nicht rechtswidrig handeln! Wo kämen wir denn da hin?)

Deshalb: Wenn das Urteil vorliegt, werden wir es prüfen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Bund beraten. So viel zu Ihren allfälligen Bemühungen, sozusagen am Anfang zu fordern, dass man ohne Rücksicht auf Verluste sofort alles stilllegt, und zwar auf Dauer, um zwei Jahre später pharisäerhaft zu erklären: „Wir haben schon immer Bedenken gehabt.“ Gerade in einem Wahljahr werden wir öfter miteinander zu diskutieren haben.