(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich!)
Langsam. Herr Rudolph, ich kenne die Funktionen des parlamentarischen Geschäftsführers. Aber manchmal ist es klug, einen kleinen Moment zu warten. Ich zitiere gleich etwas.
Wenn es dabei geblieben wäre – bei Ihrer damaligen Entscheidung –, dann wäre am 18. März 2011 Biblis stillgelegt gewesen.
Ich lasse Ihnen eines nicht durchgehen. – Warum, kann ich Ihnen sagen, damit Sie es wenigstens heute richtig aufnehmen.
Ein Gegenstand Ihres damaligen Kompromisses mit der Atomwirtschaft war unter anderem die Möglichkeit, Reststrommengen von einem Meiler auf einen anderen zu übertragen.
Genau das hat RWE gemacht. Genau das hat dazu geführt, dass – ohne irgendeine Änderung und völlig unabhängig von dem, was Rot und Grün bzw. CDU/CSU und FDP später im Bundestag beschlossen haben, allein auf der Grundlage des rot-grünen Beschlusses aus dem Jahr 2000 oder 2001, wann auch immer – Biblis zu diesem Zeitpunkt noch gelaufen wäre; denn RWE hat immer erklärt, dass es die Reststrommengenverlagerung nutzen werde.
Als das Unglück geschah, ist dieses Kraftwerk nicht gelaufen, weil es irgendeinen Rücknahmebeschluss gab, sondern es ist auf der Rechtsgrundlage gelaufen, die Sie seinerzeit ermöglicht haben. Genau das muss man einmal sagen.
Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch etwas hinzu. RWE hat seinerzeit keine Anfechtungsklage erhoben. Sie, Herr Al-Wazir, haben gefragt: Wie habt ihr denn die Interessen abgewogen? – Ich kann mich sehr gut erinnern. Wenn ich mich recht erinnere, bin ich der Einzige, der bei diesen Verhandlungen dabei gewesen ist, jedenfalls hier. Deshalb darf ich Ihnen auch versichern, welche rechtliche Bewertung wir vorgenommen haben.
Ich habe Ihnen am Anfang gesagt: Grundlage Atomgesetz, Grundlage die Prüfung, ob die Sicherheit für die Anlage und damit für die Bevölkerung noch gegeben ist. Das halte ich nach wie vor für richtig. Wenn jemand etwas anderes vertritt, dann mag er das sagen. Deshalb gab es überhaupt keine andere Möglichkeit, als diesem Prüfungsauftrag Rechnung zu tragen. Deshalb war auch durch das zuständige Ministerium die entsprechende Verfügung zu erlassen.
Es war von Anfang an streitig; das ist doch nicht unbekannt. Herr Al-Wazir, der Bund hat keine formelle Weisung erteilt.
Jetzt kommt der zweite Satz: Der Bund hat seine Sachkompetenz ausgeübt. Diese Sachkompetenz hat der Bund in zulässiger Weise ohne formelle Weisung auszuüben. Er hat aber materiell sozusagen den Hut auf, wenn Bund und Länder in der Sache einig waren.
Was ist denn richtig? Für Sie zum Mitschreiben, weil wir das ja heute wahrscheinlich nicht zum letzten Mal machen. Für Sie noch einmal zum Mitschreiben, damit Sie wissen: Es gibt die förmliche Weisung. Eine solche hat Rot-Grün regelmäßig durch die Bundesregierung in Hessen erhalten. Damit sie nicht permanent rechtswidrig arbeiten, haben sie immer formelle Weisungen bekommen.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über Rechtswidrigkeit dürfen Sie heute nicht reden, Herr Ministerpräsident! In Rechtswidrigkeit sind Sie Experte!)
Es bedarf aber keiner formellen Weisung, wenn Sie, meine Damen und Herren, die Sachkompetenz ausüben, wie das übrigens auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht.
Deshalb gibt es keine Zweifel: Bund und Länder haben hier gemeinsam gehandelt. Die Vorgaben hat der Bund erteilt. Herr Al-Wazir, es kann keinen Zweifel geben, dass für allfällige Folgen der Bund verantwortlich ist – damit das auch klar ist.
Ich habe diese Frage in der ersten Begegnung erörtert und klargestellt. Das ist meine Verantwortung. Da geht es nicht um die Frage, ob man unter Parteifreunden zusammensitzt. Das unterscheidet uns vielleicht gelegentlich.
Ich habe an vielen Stellen gesagt: Erst kommt das Land und dann die Partei. – Genau so machen wir das.
Und weil das alles so ist, gibt es keinerlei Anlass, dass Frau Kollegin Puttrich, die sehr sorgfältig in der Verantwortung für die Sicherheit der Menschen gehandelt hat, sich unwidersprochen diese Vorwürfe anhören muss, und es gibt schon gar keine Veranlassung, dass Frau Puttrich hier die von Ihnen gewünschte Konsequenz zieht. Frau Puttrich genießt das vollste Vertrauen von mir und auch der gesamten Landesregierung.
Deshalb, meine Damen und Herren, könnte man am Ende vielleicht auf folgende Gemeinsamkeit kommen: Wenn die kurzfristige oppositionelle Freude über Probleme einmal verklungen ist,
dann könnte man sich vielleicht darauf verständigen, dass doch niemand Freude daran haben kann, dass gegebenenfalls eine Folge eintritt, die niemand von uns möchte. Wenn eine Regierung so gehandelt hat, wie alle, die hier sitzen und draußen waren, es ausdrücklich wollten,
ist das kein Anlass für Häme. Das ist kein Anlass für Beleidigung, und es ist schon gar kein Anlass, dass wir uns hier heute von Ihnen unwidersprochen beschimpfen lassen.
Deshalb: Wenn das Urteil vorliegt, werden wir es prüfen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Bund beraten. So viel zu Ihren allfälligen Bemühungen, sozusagen am Anfang zu fordern, dass man ohne Rücksicht auf Verluste sofort alles stilllegt, und zwar auf Dauer, um zwei Jahre später pharisäerhaft zu erklären: „Wir haben schon immer Bedenken gehabt.“ Gerade in einem Wahljahr werden wir öfter miteinander zu diskutieren haben.